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Inhaltsverzeichnis
 
Titel
Impressum
Vorwort
Einleitung und Übersicht
 
Teil 1 Erste Ansätze
1 Einleitung
2 Personenzentrierte Führungstheorien
3 Führungsstilforschung
4 Ein Blick nach Deutschland – das Harzburger Modell
5 Zusammenfassung
6 Ausblick
7 Literatur
 
Teil 2 Systemische Führung
1 Einleitung
2 Systemische Führungstheorien
3 Mitunternehmertum
4 Zusammenfassung
5 Ausblick
6 Literatur
 
Teil 3 Führung als Beziehungsphänomen, Transformationale Führung, Werte und Ethik
1 Einleitung
2 Führung als Beziehungsphänomen
3 Die Entwicklung der Transformationalen Führungstheorie
4 Transformationale Führung in neueren Modellen
5 Werte und Ethik
6 Zusammenfassung
7 Ausblick
8 Literatur
 
Teil 4 Motivation, Macht und Psyche
1 Einleitung
2 Motivation
3 Machttheoretische Aspekte: Mikropolitik
4 Psychologische Ansätze der Führung
5 Zusammenfassung
6 Ausblick
7 Literatur
 
Teil 5 Leadership heute
1 Einleitung
2 Die Führungskraft: klassische Moderne
3 Ganzheitliche und adaptive Führung
4 Aktuelle Führungsthemen
5 Abschließende Bemerkungen
6 Zusammenfassung
7 Literatur
 
Die Autorinnen und Autoren

Vorwort
Führung ist in aller Munde. Doch welche Ansätze, Vertreter und Theorien stehen dahinter? Was ist up to date, welches die klassische Moderne, was ein alter Zopf? Das Thema Führung hat im Zeichen der Krise und der Entwicklungen im Web 2.0 an Aktualität nicht verloren. Der vorliegende fünfteilige Reader »Führung« soll mit seinem Gesamtüberblick über Ansätze, Entwicklungen, Trends zu Führung und »Leadership« eine Orientierungshilfe bieten.
Verschiedene wissenschaftliche Theorien und Ansätze werden, der historischen Entwicklungslinie folgend, in ihrer Unterschiedlichkeit kurz dargestellt. Die Studie umfasst zunächst in Teil 1 »Erste Ansätze«, die erstmals in den USA und gleichzeitig in Deutschland entwickelt wurden. Um den besonderen Ausprägungen im deutschsprachigen Raum Aufmerksamkeit zu schenken, widmet sich Teil 2 der »Systemischen Führung«. Die Entwicklung von Führungstheorien, die neben der Person der Führungskraft auch die Geführten, die Situation und die Organisation mit einbeziehen, stellt Teil 3 »Führung als Beziehungsphänomen, Transformationale Führung, Werte und Ethik« vor. Beiträge zur psychologischen Forschung, die in den letzten Jahren die Persönlichkeit der Führungsperson näher beleuchtet haben, werden in Teil 4 unter dem Titel »Motivation, Macht und Psyche« dargestellt. Last but not least rundet Teil 5 mit »Leadership heute« die Gesamtschau durch Vertreter der klassischen Moderne sowie neueste Ansätze und Trends ab; dazu zählen die Führungsansätze im Kontext des Web 2.0.
Den Abschluss des Überblicks bildet eine Betrachtung der Besonderheiten Deutschlands hinsichtlich Führung mit Bezug auf die kulturübergreifende GLOBE-Studie. Es ist unser Anliegen, Sie als Leser durch diese Gesamtschau in Ihrer täglichen Praxis mit Vorstand, Kollegen und Mitarbeitern zu unterstützen und den Diskurs um Führung in Deutschland sachlich zu bereichern.
 
Gütersloh, im April 2011
 
Martin Spilker
Director Bertelsmann Stiftung
 
Tina Dörffer
Project Manager Bertelsmann Stiftung

Einleitung und Übersicht
Führung bzw. Leadership stellt ein überall vorhandenes soziales Phänomen, ein zutiefst menschliches Streben dar. Philosophen, Gelehrte und Führungspersönlichkeiten versuchten bereits Modelle und Ansätze zu entwickeln, um Führung bestmöglich zu organisieren bzw. auszuüben. Trotzdem gibt es bis heute keine einheitliche, allgemeingültige Theorie über Führung. Weibler (2004) schreibt sogar, die Hauptforschungsfrage der modernen Führungsforschung sei die Klärung der Frage, was genau unter »Führung« zu verstehen sei. Verschiedene Aspekte von Führung wurden bereits ins Zentrum der Betrachtung gerückt – die Absichten des Führenden, das Verhalten oder die Effektivität bei der Zielerreichung. Harry S. Truman, ehemaliger US-Präsident, definierte Leadership als Fähigkeit, andere Menschen dazu zu bringen, Dinge zu tun, die sie nicht aus eigenem Antrieb heraus vollbracht hätten. Frances Hesselbein beschreibt Führung als »a matter of how to be, not how to do. We spend most of our lives mastering how to do thing, but in the end it is the quality and character of the individual that defines the performance of great leaders« (Hesselbein 1990, S. xii). Peter Northouse definiert Leadership als Prozess, in dem ein Individuum eine Gruppe von Individuen so beeinflusst, dass ein gemeinsames Ziel erreicht wird (Northouse 2007, S. 3). Heifetz beschreibt Führung als die Fähigkeit, durch verschiedene Aktivitäten Menschen und Organisationen zu mobilisieren, um sich an verändernde Bedingungen anzupassen (vgl. Heifetz 1998). Das Ziel des vorliegenden Textes ist es weniger, eine Definition für den Begriff »Führung« bzw. »Leadership« oder eine einheitliche, allumfassende, allgemeingültige Theorie zu finden. Vielmehr werden verschiedene wissenschaftliche Theorien und Ansätze in ihrer Unterschiedlichkeit kurz dargestellt. Allen in dieser Arbeit behandelten Ansätzen ist gemeinsam, dass sie versuchen, das Phänomen »Führung« bzw. »Leadership« zu beschreiben bzw. Hinweise zu geben, wie Führung effektiv und wirksam gestaltet werden kann (oder eben auch nicht).
Bei der Darstellung der verschiedenen Ansätze werden die Begriffe Leadership und Führung synonym verwendet. Trotz des berühmten Ausspruchs von Warren Bennis: »Managers do things right, leaders do the right thing« wird bei einigen Modellen in Anlehnung an die Originalautoren zusätzlich von Management und Managern gesprochen.
Es wird des Weiteren unterschieden zwischen Leader und Leadership bzw. Führungsperson und Führung. Die Führungsperson ist eine Person, die Führung ausübt, d. h. andere führt, um eine Veränderung zu bewirken. Führung ist der Prozess, durch den die Führungsperson die Veränderung fördert, und bezeichnet meist die gemeinsame Handlung des Führenden, der Geführten und die Situation. Geführte sind jene Personen, an die die Führung gerichtet ist bzw. die die Vision des Führenden unterstützen (vgl. McGovern 2008). Die meisten modernen Führungstheorien betonen das Zusammenspiel von Führungsperson und Geführten und lehnen die Sichtweise, dass Führung nur von der Person des Führenden abhängt, ab (vgl. Reggio et al. 2008).
Zu beachten ist beim Lesen, dass es sich manchmal um normative Vorschreibungen und manchmal um Beschreibungen handelt. Auch Qualität und Umfang der empirischen Überprüfung der Ansätze sind unterschiedlich.
Die einzelnen Teile sind – soweit möglich – der historischen Entwicklungslinie folgend aufgebaut:
 
Teil 1 – »Erste Ansätze« beschreibt die ältesten Führungstheorien, die die Führungsperson in den Mittelpunkt des Interesses setzen, und die sich daraus entwickelnden Führungsstil-Ansätze und Theorien zur situativen Führung. Außerdem wird das Harzburger Modell, das in Deutschland gleichzeitig mit den Führungsstilforschungen in den USA entwickelt wurde, dargestellt.
 
Teil 2 – »Systemische Führung« ist den wohl bedeutendsten Entwicklungen im Bereich Leadership-Theorie im deutschsprachigen Raum gewidmet. Verschiedene systemtheoretische Ansätze zu Führung werden ihrer Entwicklungslinie folgend beschrieben und Unterschiede und Gemeinsamkeiten aufgezeigt. Den Anschluss stellt schließlich der Ansatz des Mitunternehmertums dar, der ebenfalls im deutschsprachigen Raum entwickelt wurde.
 
Teil 3 – »Führung als Beziehungsphänomen, Transformationale Führung, Werte und Ethik«
Den Beginn dieses Kapitels bilden Ansätze, in denen die Beziehung zwischen Führenden und Geführten ins Zentrum der Betrachtung rückt, wie beispielsweise Servant Leadership, die Leader-Member-Exchange(LMX)-Theorie und Team Leadership. Anschließend wird die Transformationale Führung in Abgrenzung zur Transaktionalen Führung beschrieben, ebenso werden die darauf aufbauenden neueren Entwicklungen dargestellt. Der letzte Abschnitt dieses Teils umfasst Führungstheorien, die ethisches Verhalten und Werte besonders mit einbeziehen, wie Authentische Führung, Ethische Führung und Toxic Leadership.
 
Teil 4 – »Motivation, Macht und Psyche«
In diesem Teil stehen vor allem Beiträge der psychologischen Forschung zum Phänomen Führung im Mittelpunkt. Zuerst werden einige ausgewählte Ansätze zur Motivation und zum Zusammenhang zwischen Führung und Motivation dargestellt. Als Nächstes folgt der mikropolitische Ansatz, in dem vor allem Macht ein zentrales Thema ist. Bei den persönlichkeitspsychologischen und psychodynamischen Ansätzen rückt die Persönlichkeit der Führungsperson wieder stärker in den Blickwinkel, aber auch das Zusammenspiel verschiedener Persönlichkeiten wird in die Überlegungen einbezogen. Den Abschluss bilden sozialpsychologische Ansätze (Attributionstheorie) und das Positive Organisationale Verhalten, eine Entwicklung aus der Positiven Psychologie.
 
Teil 5 – »Leadership heute« – das letzte Kapitel schließt den (historischen) Abriss durch die Führungsforschung mit ausgewählten Vertretern der klassischen Moderne der Führungsforschung (wie beispielsweise Warren Bennis, Peter Drucker und Edgar Schein) und den Ansätzen zu ganzheitlicher und adaptiver Führung ab. Sodann werden aktuelle Themen und Trends der Leadership-Forschung unter anderem die Führungsansätze im Kontext des Web 2.0, beschrieben. Den Schlusspunkt bildet eine Betrachtung der kulturellen Besonderheiten Deutschlands hinsichtlich Führung.
 
Der Reader beruht, sofern nicht anders angegeben, auf den sich ergänzenden Texten »Leadership – Theorien, Ansätze und Forschung im deutschsprachigen Raum« von Maria Stippler und »Leadership Theory Summary Paper« von Seth Rosenthal und Sadie Moore. Das Ziel der Studie von Rosenthal und Moore (2009) bestand darin, den neuesten Stand der Führungsforschung in den USA darzustellen. Die Studie von Stippler (2009) fasst komplementär dazu die Besonderheiten und speziellen Entwicklungen im deutschsprachigen Raum zusammen. Beide Studien wurden 2009 im Auftrag der Bertelsmann Stiftung im Rahmen des Programms »Führungsfähigkeit stärken« verfasst und durch das Programm »Unternehmensführung in der Globalisierung« als vorliegender Reader ausgearbeitet und veröffentlicht.

Teil 1 Erste Ansätze
Maria Stippler, Seth Rosenthal, Sadie Moore

1 Einleitung

Im vorliegenden Kapitel werden die Anfänge der modernen Führungsforschung beschrieben. Den Anfang bilden drei personenzentrierte Führungstheorien – die Great-Man-Theorie, die Eigenschaftstheorie der Führung und die Skills Theory. Allen drei Ansätzen ist gemeinsam, dass die Person des Führenden im Zentrum der Betrachtung steht; die Geführten und die Situation werden kaum als Einflussfaktoren angenommen. Die Great-Man-Theorie fokussiert auf die Persönlichkeit des Führenden, die Eigenschaftstheorie rückt zeitstabile und situationsunabhängige Eigenschaften in den Vordergrund. Beide Konzepten vertreten, dass die wesentlichen Faktoren, um erfolgreich führen zu können, angeboren sind. Davon unterscheidet sich der dritte personenzentrierte Ansatz, die Skills Theory. Hier liegt der Fokus auf Fähigkeiten, die entwickelt und trainiert werden können.
Den nächsten Schritt in der Geschichte der Führungsforschung und den nächsten Abschnitt dieses Kapitels bilden die Führungsstilforschung, die situative Führung, die Kontingenztheorie und die Weg-Ziel-Theorie. Bei diesen Ansätzen wird anerkannt, dass Führungserfolg nicht nur von der Persönlichkeit der Führungskraft beeinflusst wird, sondern auch von der Situation abhängt, es wird stärker auf das Verhalten von Führungspersonen in bestimmten Situationen Bezug genommen.
Im Anschluss an diese Theorien, die vor allem in den USA entwickelt wurden, wird der Blick nach Deutschland und die dort stattfindenden zeitgleichen Entwicklungen gerichtet. Das Harzburger Modell stellt ein Führungsmodell dar, das vor allem dem Aufbrechen autoritärer Strukturen dienen soll – Delegation stellt einen wichtigen Faktor dar.

2 Personenzentrierte Führungstheorien

Bis zum 20. Jahrhundert stand in nahezu allen Führungstheorien die Person des Führenden im Zentrum, die Beziehung zwischen dem Führenden und den Geführten wurde kaum beachtet. Die Suche nach den besonderen Eigenschaften und Kennzeichen von erfolgreichen Führungspersönlichkeiten kann durch die Menschheitsgeschichte bis in die chinesische Literatur um 600 v. Chr., in ägyptische und babylonische Sagen und zu Plato zurückverfolgt werden (vgl. Bass & Stogdill 1990).
Führung wurde dabei stets als einseitige Einflussnahme von Seiten des Führenden in Richtung der Geführten, die als Kollektiv angesehen wurden, verstanden. Im Folgenden werden drei Theorien, die in diese Rubrik fallen, dargestellt: die Great-Man-Theorie, die Eigenschaftstheorie und die Skills Theory.

Great-Man-Theorie

Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts konzentrierte sich die Führungsforschung hauptsächlich auf sogenannte »great men«, also erfolgreiche Führungspersonen. Führungstheorien wurden an berühmten Führungspersonen der Geschichte, sowohl aus Politik und Militär als auch dem Sozialbereich, ausgerichtet.
Führende wurden als einzigartige, besondere Persönlichkeiten angesehen, ausgestattet mit angeborenen Qualitäten und Charaktereigenschaften, die sie auf natürliche Weise zur Führung befähigten bzw. prädestinierten. Führende unterschieden sich somit von anderen Menschen. In Carlyles Essay »The Hero as King« werden Geführte regelrecht ermahnt, die fähigen und edlen Führenden zu verehren, da diese wüssten, was das Beste sei.
Diese Theorie umfasst des Weiteren die Annahme, dass diese begnadeten Führungspersönlichkeiten die Geschichte und die Gesellschaft formten, ohne Einfluss von Seiten der Geführten, und dass sie unter allen Umständen Führungspersönlichkeiten gewesen wären.

Die Eigenschaftstheorie

In wissenschaftlichen Studien versuchte man im frühen 20. Jahrhundert Charaktereigenschaften und Fähigkeiten von erfolgreichen Führungspersönlichkeiten erfassen. In diesem als Eigenschaftstheorie (Trait Theory) bekannt gewordenen Ansatz wird angenommen, dass effektiv Führende bestimmte Eigenschaften besitzen, die sie in die Lage versetzen, Einfluss auf die Handlungen der Geführten auszuüben. Eigenschaften werden als zeitstabil und situationsunabhängig definiert, sie sollen klar feststellbar und messbar sein. In verschiedenen Studien wurde versucht, die besonders wünschenswerten und effektiven Führungseigenschaften zu identifizieren (vgl. Bass 2008).
1948 erstellte Ralph Stogdill, basierend auf den Ergebnissen von 124 Studien aus den vorangegangenen 40 Jahren, eine umfangreiche Zusammenstellung von Eigenschaften, die bei erfolgreichen Führungspersonen gefunden wurden, wie beispielsweise Intelligenz, Aufmerksamkeit, Ausdauer, Selbstvertrauen und Initiative. Er vertrat die Auffassung, dass es nicht ausreichend sei, die angegebenen Eigenschaften zu besitzen, um ein erfolgreicher Führender zu sein, sondern dass es auch notwendig sei, dass die Eigenschaften zu den jeweils auftretenden Situationen passten (vgl. Bass 2008).
In seiner zweiten Übersichtsarbeit aus dem Jahr 1974, in die er die Ergebnisse von 163 Studien aufnahm, konnte er nachweisen, dass es Eigenschaften gibt, die die Wahrscheinlichkeit, erfolgreich zu führen, in jeder Situation steigern. Zu diesen Eigenschaften zählen
1. das Streben nach Verantwortung und Aufgabenerfüllung,
2. Ehrgeiz und Beharrlichkeit bei der Zielerreichung,
3. Risikobereitschaft und Originalität bei der Lösung von Problemen,
4. Initiative und Zugehen auf andere,
5. Selbstvertrauen und Selbsterkenntnis,
6. Bereitschaft, Konsequenzen zu tragen,
7. Stresstoleranz,
8. Frustrationstoleranz,
9. die Fähigkeit, andere Menschen zu beeinflussen,
10. die Fähigkeit, soziale Strukturen zu schaffen.
Richard D. Mann fasste 1959 die Ergebnisse von verschiedenen Studien zu Führungseigenschaften zusammen und identifizierte u. a. Intelligenz, Maskulinität, Dominanz und Extraversion als Eigenschaften erfolgreicher Führungskräfte (vgl. Mann 1959). Eine erneute Analyse der Daten von Lord, DeVader und Alliger (1986) bestätigte, dass Maskulinität und Dominanz einen großen Einfluss auf die Wahrnehmung der Führenden durch die Geführten hätten, und die Autoren argumentierten, dass diese Merkmale Führende und Geführte unterschieden (vgl. Sohm 2007).
Heutzutage herrscht in der Führungsforschung Übereinkunft, dass Führungspersönlichkeiten meist bestimmte Eigenschaften wie Intelligenz, Ausdauer und Extraversion besitzen (vgl. Wegge & von Rosenstiel 2004). Die Eigenschaftstheorie an sich wird jedoch allgemein aus zwei Gründen als veraltet angesehen (vgl. Lührmann 2004): Erstens hat es sich als unmöglich herausgestellt, eine endgültige Liste mit Eigenschaften zu erstellen, die in allen Situationen förderlich für den Führungserfolg sind. Zweitens wird der Einfluss der Geführten und der Situation vernachlässigt.

Skills Theory

Mitte des 20. Jahrhunderts verschob sich der Fokus der Führungsforschung von den angeborenen, zeitstabilen und situationsunabhängigen Eigenschaften hin zu Fähigkeiten, die erlernt und entwickelt werden können. 1955 veröffentlichte Robert Katz den Artikel »Skills of an Effective Administrator«, in dem er Führungsfähigkeiten identifizierte, die gefördert werden können. Er beschrieb, dass Führende drei Arten von Fähigkeiten benötigen: technische, soziale und konzeptionelle Fähigkeiten. Zu den technischen Fähigkeiten zählen wissensbasierte Fähigkeiten zur Erfüllung der Anforderungen der jeweiligen Arbeitssituation, also beispielsweise Fachwissen, Methodenkenntnisse, Wissen über Prozessabläufe, Wissen über die Organisationsstruktur. Soziale Fähigkeiten ermöglichen dem Führenden das produktive Zusammenarbeiten mit anderen, wie beispielsweise Verständnis für menschliches Verhalten und Gruppenprozesse, Kommunikationsfähigkeit, Empathie und die Fähigkeit, Beziehungen aufzubauen und aufrechtzuerhalten. Konzeptuelle Fähigkeiten ermöglichen das Entwickeln und Formulieren von Ideen und Visionen. Zu ihnen zählen beispielsweise logisches und analytisches Denken, die Fähigkeit zur Erfassung komplexer Zusammenhänge, Urteilsfähigkeit, Weitsicht, Intuition, Kreativität und die Fähigkeit, Widersprüche zusammenzuführen (vgl. Northouse 2007; McGovern et al. 2008).
Mumford, Zaccaro, Connelly und Marks (2000) arbeiteten an einer Neuformulierung der Skills Theory im Sinne eines umfassenden, fähigkeitsbasierten Führungsmodells mit dem Schwerpunkt auf der Fähigkeit des Führenden, umfassende konzeptionelle und organisationale Probleme zu lösen. Dazu erweiterten sie das Basisparadigma von Katz um die Annahme, dass die Basiskompetenzen eines Führenden durch seine Erfahrungen und die Umwelt geprägt und verändert werden. Dieser Ansatz beschreibt fünf voneinander abhängige Komponenten effektiver Führung: Kompetenzen, individuelle Attribute, Führungsoutcome, Karriereerwartungen und Einfluss von außen (Umwelt).
Es herrscht Uneinigkeit darüber, ob dieser Ansatz nun als eigenständiges Modell (vgl. Northouse 2007) oder als Weiterentwicklung innerhalb desselben Forschungsstrangs (vgl. Yukl 2010) anzusehen ist. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Skill Theory die Bedeutung von Kontextfaktoren betont und erlernte Fähigkeiten, im Gegensatz zu angeborenen Eigenschaften, zur Erklärung effektiver Führung heranzieht. Gemeinsam ist dieser Theorie sowie der Eigenschaftstheorie, dass beide auf die Führungsperson und ihre Attribute fokussieren. Das Erstellen universal gültiger Listen von Eigenschaften bzw. Fähigkeiten, die situationsunabhängig zu Erfolg führen, ist aber in beiden Fällen nicht möglich.
Obwohl auch heute noch einige Wissenschaftler diese Ansätze verfolgen, hat sich die Führungsforschung weiterentwickelt. Die Vorstellung, dass Führung nur von der Person des Führenden beeinflusst wird, wurde von Ansätzen, in denen die Beziehung zwischen Führenden und Geführten berücksichtigt wird, abgelöst.

3 Führungsstilforschung

Im Gegensatz zu den oben beschriebenen Theorien, in denen Eigenschaften und Fähigkeiten des Führenden als zentral gesehen werden, steht bei den folgenden Ansätzen das Verhalten der Führungsperson im Mittelpunkt. Es wird angenommen, dass die Situation maßgeblich mitbestimmt, ob eine gewisse Verhaltensweise zum erwünschten Erfolg führt. Die Vorstellung, dass es eine Liste mit Eigenschaften oder Fähigkeiten geben könnte, die in allen Situationen angemessen sind, wird abgelehnt. Neben der Führungskraft treten nun auch die Geführten und die Beziehung zwischen Führendem und Geführten in den Blick der Forschung. Es wird versucht, Führungsstile zu bestimmen, aus denen in bestimmten Kontexten effektive Führung resultiert.

Der Führungsstil-Ansatz

Vertreter des Führungsstil-Ansatzes unterscheiden zwei Kategorien von Führungsverhalten: aufgabenorientiertes Führungsverhalten und beziehungsorientiertes Führungsverhalten. Aufgabenorientiertes Führungsverhalten umfasst das Vorgeben von Strukturen, das Definieren von Rollen und Unterstützung der Gruppe bei der Bewältigung der Arbeitsaufgaben. Beziehungsorientiertes Führungsverhalten fördert den Gruppenzusammenhalt und die Zufriedenheit der einzelnen Gruppenmitglieder mit sich selbst, den KollegInnen und der Arbeitssituation (vgl. Northouse 2007). Im Führungsstil-Ansatz wird versucht zu bestimmen, welche Kombination von Aufgabenorientierung und Beziehungsorientierung zu Führungserfolg führt.

Führungsstilforschung an der Ohio State

In den 60er Jahren wurden an der Ohio State University, an der University of Michigan sowie von Robert R. Blake und Jane S. Mouton mehrere Studien zum Führungsstil-Ansatz durchgeführt (vgl. Blake & Mouton 1964). An der Ohio State University wurde im Zuge dieser Studien ein Fragebogeninventar, das Leader Behavior Description Questionnaire (LBDQ), entwickelt. Dieses Instrument dient der Befragung von Untergebenen zum Führungsverhalten ihrer Vorgesetzten. Die Ergebnisse der von Stogdill überarbeiteten Fassung des LBDQ zeigen, dass es zwei zentrale Cluster von Führungsverhalten gibt:
• Initiating structure (Planungsinitiative, strukturierende Aktivität)
• Consideration (Rücksichtnahme, praktische Besorgtheit)
Tabelle 1