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Schmidt-Tanger, Martina; Stahl, Thies: Change Talk. Coachingkönnen bis zur Meisterschaft. Junfermann, Paderborn 2005.
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Schwarz, Friedhelm: Der Griff nach dem Gehirn. rororo science, Reinbek 2007.
Martina Schmidt-Tanger
Change – Raum für Veränderung
Sich und andere verändern
Copyright © Junfermannsche Verlagsbuchhandlung, Paderborn 2012
Coverfoto: © Wollwerth Imagery – Fotolia.com
Covergestaltung / Reihenentwurf: Christian Tschepp
Alle Rechte vorbehalten.
Erscheinungsdatum dieser eBook-Ausgabe: 2012
Satz: Peter Marwitz, Kiel (etherial.de)
Digitalisierung: JUNFERMANN Druck & Service, Paderborn
ISBN der Printausgabe 978-3-87387-799-3
ISBN dieses eBooks: 978-3-87387-821-1
„Denn es muss sich in der Weltgeschichte immerfort wiederholen,
dass ein Altes, Gegründetes, Geprüftes, Beruhigendes
durch auftauchende Neuerungen gedrängt, verschoben, verrückt
und, wo nicht getilgt, doch in den engsten Raum eingepfercht werde.“
Johann Wolfgang von Goethe
Liebe Leser,
nichts ist so verlässlich wie der Wandel. So wollte ich auch mein 1998 erschienenes Buch „Veränderungscoaching“, das erstmals die NLP-Tools auf das Thema Change bezog, einer Neubearbeitung unterziehen. Mittlerweile hat sich viel getan und gerade im Bereich Business werden Bücher gesucht, die sich verständlich und praktikabel mit dem Thema Change beschäftigen und Hilfestellung für Führungskräfte, Trainer und Berater bieten, ohne dass man sich umständlich durch wissenschaftliche Theorien lesen muss.
Ich habe also die Ideen aus „Veränderungscoaching“ neu durchdacht, ergänzt und durch andere Methoden bereichert, Beispiele neu konzipiert und den Fokus auf die Changekommunikation gelegt. Bewährtes ist geblieben, Neues dazugekommen. Herausgekommen ist keine überarbeitete Neuauflage, sondern ein neues Buch! So ist das, wenn der Wandel sich auch manchmal von selbst gestaltet und der Weg im Gehen entsteht.
Das Thema Team bekommt ebenfalls ein eigenes Buch: „Erfolgreiches Coaching für Teams“ mit zusammen mit Holger Backwinkel. Und für alle, die das Thema Einzelcoaching vertiefen wollen, empfehle ich eine Coaching-Ausbildung (www.CCC-professional.de) und meine Bücher zum Coaching: Change-Talk (zusammen mit Thies Stahl), Gekonnt Coachen und Charisma-Coaching, alle bei Junfermann. Wer das alte Buch „Veränderungscoaching“ vermisst: Es gibt die unveränderte Fassung als E-Book bei amazon im Kindle Shop. Ich hoffe also, dass für alle Change-Interessierten gesorgt ist.
Herzlichst
Martina Schmidt-Tanger
Veränderungsmanagement ist keine Modeerscheinung, sondern ein Dauerthema. Und die Einleitungssätze, mit denen Change-Bücher beginnen, sind fast immer dieselben. Überall wird ein sich immer schneller änderndes „Außen“ beklagt, dem man mit der eigenen Veränderung rasch folgen muss, um nicht der „Letzte“ oder sogar „tot“ zu sein. Die zu leistende Veränderung wird dabei immer als Kraftakt beschrieben, obwohl Menschen mit dem Thema doch jahrhundertelange Erfahrung haben. Der einzige Unterschied ist die Anzahl der Veränderungen, die pro Zeiteinheit zu leisten sind.
Gab es früher nur ein paar existenzielle, für jedermann ähnliche Veränderungen (Heirat, Tod, Krankheit, Hunger, Krieg), stellen sich heute täglich neue Orientierungs- und Justierungsanforderungen, weil alles und jedes in immer kürzeren Abständen ein „Update“ braucht – oder bekommt, auch wenn es eigentlich nicht nötig wäre. Damals bestimmten die Notwendigkeiten das Ziel, dagegen ist heute sich oder etwas „upzudaten“ und dauernd nach Optimierung zu schauen zu einem neuen Wert geworden. Im digitalen Zeitalter ist Geschwindigkeit ebenfalls Kult und das Warten auf den Aufbau einer Internetseite wird schon als Zumutung erlebt, ebenso wie das Arbeiten an einer Veränderung bei sich selbst. Alles soll schnell gehen! (Was Buchtitel wie Die 4-Stunden-Woche, Der 4-Stunden-Körper, Sehr schnell kochen, Schneller lesen, Speed-Dating anschaulich belegen.)
Da oftmals niemand weiß, ob das Ergebnis eines angestrebten Wandels tatsächlich besser als der Ist-Zustand ist, werden in Unternehmen häufig Veränderungsvorhaben nur anhand von zwei Kriterien bewertet: Geht etwas schneller und / oder bringt es mehr Geld? Oft genug werden diese Kriterien der unternehmerischen Leistungsoptimierung auch für menschliche Veränderungen benutzt. So soll zum Beispiel persönliche Optimierung durch Coaching bei Führungskräften den „Output beschleunigen“, die „Ressourcenausschöpfung ermöglichen“, den „persönliche Einfluss steigern“ und die „Wirkung erhöhen“, und dann entsteht eine Reibung zwischen Mensch und System, die eigentlich vorherzusehen war. Bei persönlichen Veränderungen sollten andere Werte im Vordergrund stehen, wie etwa die Fragen: Verringert sich mentales, emotionales oder körperliches „Leiden“? Macht etwas das Leben freud- und genussvoller? Vertieft eine Verhaltensveränderung zwischenmenschliche Beziehungen oder den Sinn des Seins? Doch besonders in Unternehmen, für die ein dauerndes „Sich-verändern“ zum guten Ton gehört, sind die Mitarbeiter immer wieder gefordert, Veränderungen zu ertragen, oder angehalten, sie auch gegen ihren Willen oder gegen ihre Werte aktiv herbeizuführen.
Der dritte Change in zwei Jahren
Das Etikett „neu“ oder „verbesserte Formel“ zieht auch bei Waschmitteln und Zahncreme, daher wird oft etwas verändert, nur um etwas zu verändern. Mit jedem Führungswechsel ist eine Erneuerung quasi schon Pflicht. Etwas unverändert von einem Vorgänger zu übernehmen und in seinem Sinne weiterzuführen zeigt mangelnden Ehrgeiz, ein schwaches Profil, grenzt an provozierende Faulheit, Fantasielosigkeit und kann in größeren Unternehmen den Job kosten. Damit also etwas irgendwie besser wird, vermeintlich Schlechtes nicht entsteht oder abgewendet wird oder der eigene Stempelabdruck erscheint, gibt es Change, wohin man schaut.
Der Wunsch nach Wandel wurde uns schon in die Wiege gelegt. Die Auseinandersetzung mit den uns umgebenden Bedingungen ist genetisches Programm und gilt als Zeichen der tatkräftigen Männlichkeit. Beim aktiven Eingehen von Risiken, beim Abwenden von vermeintlicher Gefahr und der Suche nach Herausforderungen kann man „gewinnen“ und sich als „(Be-)Herrscher“ und „kreativer Gestalter“ fühlen beziehungsweise als ein solcher wahrgenommen werden wollen. Wie sagte kürzlich ein Top-Manager zu mir: „Ich liebe Gestaltungsmacht. Niemanden fragen zu müssen und tun zu können, was man will, ist, wie früher am Bachlauf zu spielen und zu beobachten, was passiert, wenn man dort und da etwas umschichtet, staut, freigräbt.“
Aber das ist nur die eine Seite der Medaille. Unsere Emotionalität bezüglich Veränderungen geht auch noch in eine andere Richtung. Der Wunsch nach Ruhe, Stabilität, Sicherheit und Erhaltung des Alten ist eine ebenso starke Kraft bei vielen Menschen. Die allgegenwärtigen täglichen Aufforderungen, sich den technischen, wirtschaftlichen und sozialen Anforderungen mittels gelungener Anpassung zu stellen, werden als Belastung erlebt, die viele Entscheidungsträger in Unternehmen, aber auch den einzelnen Mitarbeiter überfordert. Emotional und mental macht das Thema Veränderung schon im gedanklichen Vorfeld Stress: Fast täglich stellen sich Fragen wie: Wo stehen wir? Ist es gut genug? Soll alles so bleiben, wie es ist, oder muss etwas Neues her? Und zwar schnell, weil es sonst vielleicht zu spät ist? Gibt es nicht noch ein besseres, schnelleres, lohnenderes, billigeres Vorgehen? Sind die anderen schon längst besser und wir haben bald das Nachsehen? Wann muss was wie umgestaltet werden, damit alles so effektiv und sicher bleibt, wie es war? Wie muss der passende Arbeitnehmer in der neuen Struktur, in der neuen Philosophie sein? Was muss man tun, damit sich die Mitarbeiter verändern?
Das sind schwierige Entscheidungen, die häufig genug auch noch unter Zeitdruck zu fällen sind. Alles soll ganz schnell gehen und eine gerade durchlaufene und fast abgeschlossene Veränderung wird schon wieder von der nächsten verfolgt, weil die Rahmenbedingungen sich erneut geändert haben. Schwierig wird es dann noch zusätzlich, wenn man selbst als Führungskraft oder Veränderungscoach nicht an die Nützlichkeit einer von „ganz oben“ vorgegebenen Veränderung oder die Verwendung des neue Veränderungstools für das Unternehmen glaubt. Lean Management, Business-Process-Reengineering, KVP, Kaizen, Total Quality Management, Six Sigma oder wie sie alle heißen, sind vielen bekannt, aktuell in Anwendung oder teilweise auch schon längst wieder vergessen. Die Konzepte folgen einem Produktlebenszyklus und werden einfach irgendwann von einem neuen Modell abgelöst. Je nach Veränderungsphilosophie ist mal das eine, mal das andere der Stein der Weisen.
Theoretische Konzepte ändern sich. Was jedoch in jedem Veränderungsprozess immer wieder gebraucht wird, ist Veränderungsintelligenz.
Veränderungsintelligenz besteht aus:
Das jeweilige Scheitern oder Gelingen des Veränderungsprozesses hängt zum größten Teil von den persönlichen Fähigkeiten der Veränderer ab und nicht von den genutzten betriebswirtschaftlichen oder technisch ausgefeilten Vorgehensweisen. Tools, Formate und Vorgehensmodelle spielen eine weit weniger wichtige Rolle für den Erfolg von Veränderungsprozessen, als gemeinhin angenommen oder gehofft wird. Verständnis für grundlegend psychologische Mechanismen, Wahrnehmungsgenauigkeit, sprachliche Geschicklichkeit, sozialer Mut und Beharrlichkeit generieren größere Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten, als es ein betriebswirtschaftlich „sauberes“ Tool jemals könnte. Denn häufig genug gibt es bei Einführung eines neuen Tools den Rückfall ins „Reptiliengehirn“ und die Flucht in den Totstellreflex bei einer Menge Mitarbeiter, die nach (zu) vielen Veränderungszyklen „die Nase voll haben“ und versuchen, die Dinge unbeschadet in einer ruhigen Ecke zu überstehen. Nach den Motto: „I’ll sit here, ‘till life gets easier.“
Dann haben Glaubwürdigkeit und Durchsetzungskraft den größeren Stellenwert, wenn es zum Beispiel darum geht, bei Mitarbeitern oder auch den Top-Managern die notwendige Beteiligung und ihre Beiträge einzufordern. Die psychologische Kompetenz des Veränderers, sich und andere psychologisch reibungsarm durch eine Veränderung zu führen, zeigt sich wesentlich gewichtiger als die methodische Raffinesse des Tools. Die Selbstverständlichkeit, mit der Veränderungen angegangen werden, das heißt, wie entspannt auf der Welle wechselnder Stabilitäten und Anpassungsleistungen gesurft wird, das wird eine der Schlüsselfähigkeiten der kommenden Jahre. Eine Fähigkeit, die überall gebraucht wird, so wie ein Schneider mit einem Schild in seinem Schaufenster warb: „Wir ändern seit 20 Jahren Damen, Herren und Kinder zu Ihrer vollsten Zufriedenheit.“
Die Hauptaufgabe von Führungskräften, Unternehmensinhabern und Unternehmenscoachs, Veränderungen anzustoßen, anzuleiten und vor allem zu ermöglichen, beinhaltet, Strukturen und Bedingungen zu schaffen, in der die angestrebten, gewünschten oder notwendigen Veränderungen leichter und reibungsfreier passieren können. Das kann heißen, mit der richtigen Energie (zum Beispiel Neugier statt Leidensdruck) zu arbeiten, das gruppendynamische Gleichgewicht in einem Team / System zu beachten (systemische Auswirkungen mit einzubeziehen), die Möglichkeiten bereitzustellen, an persönlichen Zielen zu arbeiten (Coaching der Führungskräfte) und auf verbaler und nonverbaler Ebene alles an Veränderungskommunikation und Symbolik zu nutzen, was hilfreich zur Verfügung steht (mentale und physische Räume gestalten).
Das Buch erläutert daher kein weiteres wohlklingendes, betriebswirtschaftliches Modell, gibt kein weiteres philosophisch-systemisch-kybernetisches Change-Format bekannt, sondern ist gedacht für Führungskräfte, Selbstständige, Unternehmer, Coachs, Consultants, die pragmatisches psychologisches Know-how, geistige Anregungen, emotionale Begleitung, kluge Hilfen und Beispiele brauchen, um sich und andere beim Thema Veränderung zu verstehen, zu begleiten, zu coachen. Denn eigentlich müsste es doch auch irgendwie einfacher gehen. Ja, das tut es. Um Veränderungen intelligent zu führen, muss man sich psychologisches Know-how aneignen. Und um Wandel zu verstehen, ist es nützlich zu wissen, mit welchen menschlichen Grundmustern man es zu tun hat.
Menschliche Grundbedürfnisse, die seit Tausenden von Jahren sogar als Hirnstrukturen bei uns angelegt sind, sind: Sicherheit, Bindung und Selbstwerterhalt. An erster und wichtigster Stelle stehen Sicherheit und Kontrolle. Uns geht es einfach besser, wenn wir wissen, dass uns das Dach nicht auf den Kopf fällt, wir nicht angegriffen werden und etwas zu essen haben. Oder kurz gesagt: Wenn wir wissen, dass unser physisches Überleben sichergestellt ist, können wir entspannen. Daher sorgen die meisten pausenlos für Sicherheit und lieben es, die Kontrolle über ihr Leben zu haben. Wenn wir genau wissen, was passiert beziehungsweise nicht passiert, glauben wir, alles im Griff zu haben. Die sichere Höhle, der volle Bauch, die Rente, der Bausparvertrag, die Krankenversicherung, der sichere Beamtenjob, das zeitlich terminierte Baby, der Eckplatz im Großraumbüro, der Fensterplatz im Restaurant, das sind alles Manifestationen unseres Sicherheitsbedürfnisses. Sicherheit in großen, lebensentscheidenden Angelegenheiten ist natürlich letztlich eine Illusion, daher kann das Kontrollieren alltäglicher (menschlicher, betrieblicher) Interaktionen wenigstens eine kleine Erfahrung von Sicherheit bieten. Beim Change wird dieses Anliegen erschüttert und wir suchen gemäß unserem Urbedürfnis nach allen erdenklichen Möglichkeiten, das Sicherheitsbedürfnis wieder zu befriedigen. Das Sicherheitsbedürfnis ist in verschiedenen Unternehmen und Organisationen natürlich unterschiedlich stark ausgeprägt. Eine hierarchische Organisation mit Beamtenstruktur, die seit Jahrzehnten Bestand hat und nach und nach ganze Familien im Unternehmen beschäftigt („beim Daimler schaffe“), hat natürlich mehr Mitarbeiter, für die Sicherheit einen großen Wert darstellt, als eine junge, alternative IT-Firma oder PR-Agentur, bei der alle sowieso im Durchschnitt nur zwei Jahre bleiben.
Das zweite große menschliche Bedürfnis ist Bindung. Wir wollen nicht allein sein, wir wollen zu anderen gehören, Mitglied einer Gruppe sein. Die Bindung an eine Familie / Gruppe / Firma sichert das Überleben in vielfältigster Form. Das Gefühl der Zugehörigkeit zu einer Abteilung, einem Bereich, einer Firma, einem Konzern ist für viele eine emotionale Grundkomponente und macht auch die Attraktivität einer Firma im Markt aus (employer branding). Diese Art von Firmenzugehörigkeit ist nicht zu unterschätzen, wie misslungene Projekte der Firmenaufkäufe und -übernahmen immer wieder deutlich zeigen. Bindung zu haben bedeutet auch, Freunde in der Firma zu haben und von Kunden und Lieferanten gemocht zu werden. Das ist für viele ein wichtigerer Grund, auch bei Unzufriedenheit in der Firma zu bleiben, als eine abstrakte allgemeine Loyalität zu den wirtschaftlichen Zielen des jeweiligen Arbeitgebers. Gehen bei manchen Veränderungsprozessen bestimmte, emotional wichtige Personen weg, nehmen sie häufig einen ganzen Tross an Mitarbeitern, Kollegen und Kunden mit.
Menschen kreieren sich Familien aus den Menschen, mit denen sie tagtäglich viele Stunden verbringen. Dies ist Führungskräften, die sowieso alle zwei, drei Jahre die Position wechseln, weil es zu ihrer Karriere dazugehört, nicht immer klar. So werden manchmal durch Veränderungsprojekte komplette emotionale Strukturen aufgelöst, die in jahrelanger Zusammenarbeit entstanden sind, und Menschen haben unter diesen Trennungen lange zu leiden. Obwohl die Produktivität steigen müsste, weil jetzt doch eine neue, technisch bessere Ablaufstruktur eingeführt wurde, geht es trotzdem langsamer, weil der „kleine Dienstweg“, die emotionalen Abkürzungen verloren gegangen sind. Bindungsgefühle gibt es übrigens auch, wenn die Mitarbeiter sich nicht so gut verstehen, aber jahrelang zusammen in einer Arbeitseinheit sind. Selbst an jemanden gewöhnt zu sein, den man eigentlich nicht leiden kann, macht sicher.
Bindungen untereinander können manchmal in neuen Strukturen, wenn die Führungskraft geschickt ist, bereits nach einigen Monaten wieder neu hergestellt werden. Wir gestalteten einmal ein Fusionierungsprojekt, bei dem zwei Firmenkulturen durch eine gemeinsame Aufgabenrallye auf Mallorca schneller zusammenkamen und sich duzten (Ziel der Geschäftsleitung), als es wochenlanges Coaching hatte erreichen können. Aber manchmal sind Bindungen an alte Standorte, Firmennamen oder Logos unauflöslich. So blieben zum Beispiel die Mitarbeiter der Charterfluggesellschaft Condor emotional auch nach Jahren unter Thomas Cook im Herzen noch „Condorianer“ und identifizierten sich sehr schlecht mit dem neuen Namen und dem neuen Logo auf der Heckflosse. Die Flugzeuge wurden wieder umgespritzt.
Das dritte Grundbedürfnis ist nicht mehr so sehr überlebenswichtig, sondern etwas luxuriöser als die beiden erstgenannten. Es ist der Wunsch nach Erhöhung oder zumindest Erhalts des eigenen Selbstwerts. Das Gefühl, in „Ordnung zu sein“, von anderen Menschen geachtet, respektiert und anerkannt zu werden, kann natürlich von seinem Ursprung her auch als Sicherheitsbedürfnis gesehen werden. Ein Bedürfnis mit dem Ziel, Teil der schützenden Gemeinschaft zu bleiben. Es ist sowohl Herzensbedürfnis als auch nachhaltige Überlebensgrundlage. In Unternehmen kündigen Mitarbeiten eher ihren Arbeitsplatz, wenn sie sich vom Vorgesetzten nicht akzeptiert und wertgeschätzt fühlen, als dass sie gehen, weil ihr Gehalt zu niedrig ist (siehe jährliche Gallup-Studien). Und wenn etwas ein Dauerklagepunkt bei Vorgesetztenfeedbacks (360-Grad-Feedback) ist, dann der Punkt mangelnde Anerkennung durch die Führungskraft. Das scheint allerdings nicht immer den Gegebenheiten zu entsprechen, denn manchmal ist der Hunger nach Anerkennung ein emotionales Fass ohne Boden, das täglich neu gefüllt werden soll. Dieses Bedürfnis, gesehen und anerkannt zu werden, geht dabei oft über das Maß, was ein Unternehmen leisten kann, hinaus. Da einige Menschen ihre emotionale Grundversorgung komplett an ihre Vorgesetzten delegiert haben, finden sich dann Führungskräfte, Unternehmen und oft auch staatliche Einrichtungen quasi in Elternpositionen hineingedrängt und mit vielfältigen und unrealistischen Erwartungen konfrontiert. (Diesen Aspekt der übersteigerten emotionalen Erwartungshaltung sollte man als HR-Abteilung bei der Bewertung dieser Items in den firmeninternen 360-Grad-Feedbackbögen für die Vorgesetzten unbedingt berücksichtigen!)
Es ist für Menschen nicht immer einfach, die Befriedigung aller drei Bedürfnisse in allen Lebensbereichen auf stabilem Niveau zu halten. Selbst wenn privat alles im grünen Bereich ist, kann es jeden jederzeit am Arbeitsplatz treffen. Nehmen wir die Belegschaft eines beliebigen Unternehmens, das aufgekauft beziehungsweise übernommen wird, was ja mittlerweile täglich der Fall ist. Sicherheit, Bindung und Selbstwert werden dabei in höchstem Maße infrage gestellt. Die Sicherheit ist gefährdet durch Stellenabbau, Umstrukturierungen, drohende Insolvenz. Die Bindung leidet durch Entlassungen von Kollegen, Umbesetzungen von Positionen, Standortverschiebungen. Und am Selbstwert kratzen der eventuell neue Name, das neue Logo, das neue Produkt und die Schmach des „Gekauft-worden-Seins“. All das muss berücksichtigt werden, wenn Veränderungen anstehen, die jenseits der Einführung von neuen Bürostühlen sind. (Und selbst das ist manchmal schwierig.)
Konsistenz, als ein Begriff aus der Motivationspsychologie, beschreibt die Tendenz von Menschen, an einer einmal getroffenen Entscheidung oder Selbstdefinition festzuhalten oder am liebsten so oft wie möglich in Übereinstimmung mit früherem Verhalten zu handeln. Die meisten Menschen haben eine nicht reflektierte, aber dennoch vorhandene Scheu vor vermeintlichen Veränderungen ihrer selbst. Und da sich viele Menschen über ihr Verhalten identifizieren („Ich gebe dem Bettler Geld, also ich bin ein mildtätiger Mensch“), gibt es die Bestrebung, sich möglichst ähnlich wahrnehmen zu können. Das Bedürfnis nach Konsistenz äußert sich oft in der Bevorzugung von Verhaltensvertrautheit, quasi um sich selbst immer wiederzuerkennen. Selbst wenn man sich verändern will (zum Beispiel bei einer Reise in ein fernes Land), werden gern Bedingungen ausgewählt, die irgendwie die Illusion von Vertrautheit der Situation gewährleisten und eine „Ich-Konsistenz“ suggerieren (zum Beispiel trinkt man Coca-Cola, das es noch an den entlegensten Ecken der Welt gibt; ein bestimmtes Kissen wird überall hin mitgenommen). Unbewusste Ängste und Befürchtungen neuem Verhalten gegenüber resultieren aus der Bedrohung der Ich-Konsistenz und führen zu Blockaden und Widerständen, die häufig genug als sachliche Argumente kommuniziert werden oder sich einfach als innere Verweigerung in kleinen Unzulänglichkeiten und Sabotage zeigen.
Auch die Vertrautheit mit einer schlechten Situation ist ein emotionaler Vorteil, der nicht unterschätzt werden darf. Die gewohnte und vertraute Selbstdefinition – zum Beispiel das Gefühl, ein Opfer zu sein, ein überarbeiteter Manager, ein missverstandener Assistent – wird oft dem unbekannten, unkalkulierbaren Neuen vorgezogen. Funktionierende Veränderungen müssen eine Reihe von Hürden nehmen. Vor allem aber müssen sie eines auf jeden Fall berücksichtigen: Der größte Vorteil einer alten Situation ist die Vertrautheit mit den Handlungsweisen der eigenen Person. So wird es oft schwierig sein, die Energie für die Veränderung aufzubringen. Denn oft genug bedeutet das auch, ein neues Handlungsrepertoire zeigen zu müssen und sich damit als jemand anderer zu erleben, den man noch nicht kennt und der man vielleicht nicht sein will.
In einem meiner letzten Coachings beklagte eine Führungskraft, dass sie durch die geforderten Veränderungen in ihrem Unternehmen (das Mahnwesen wurde ihr übertragen) gar nicht mehr die sanfte und für alle Verständnis habende Vaterfigur sei. Eine andere weibliche Führungskraft hatte als Architektin den Bau einer neuen Schulungsakademie eine lange Zeit „mit Lehm unter den Gummistiefeln“ begleitet und sollte nun im Innendienst, am Schreibtisch sitzend, die Vermietung der Räumlichkeiten übernehmen, was sie mit dem Satz kommentierte: „Wenn ich was vermiete, dann nur draußen Strandkörbe.“ Auch hier ist klar ersichtlich, dass die Person die Tätigkeit an sich (das Vermieten der Räumlichkeiten) theoretisch leisten könnte, aber die Selbstdefinition der „Stiefel tragenden Macherin in freier Natur“ nicht aufgeben will / kann. (Leider befindet sie sich in einem Beamtenverhältnis und „vermietet“ nun mehr schlecht als recht die Räume, was zu dauernden finanziellen Verlusten der Institution führt, aber nicht geändert wird.)
Befürchtungen oder Überzeugungen, die Veränderungen erschweren, weil sie die „Ich“-Konsistenz infrage stellen, sind zum Beispiel:
Oder der mit sonorer Stimme und fester Überzeugung vorgetragene Satz, den ich im Coaching hörte: „Wer sich verändern muss, hat vorher nix getaugt.“
Diese Überzeugungen wirken unbewusst, ob es sich nun um persönliche kleine Veränderungen oder organisatorische große handelt. Lieber wäre uns immer, jemand anderes müsste sich ändern, damit sich etwas verändert im eigenen Leben, in der Abteilung, in der Firma.
Und wenn man sich dann doch verändert hat, gibt es Klagen, dass man nicht mehr der Alte ist:
Hier kommt dann von außen der Druck in Richtung Ich-Konsistenz, der aber lediglich bedeutet, dass man hübsch kalkulierbar und vorhersagbar für die anderen bleiben soll.