RUDY RUCKER
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Roman
WILHELM HEYNE VERLAG
MÜNCHEN
EINS
ZWEI
DREI
VIER
FÜNF
SECHS
SIEBEN
ACHT
NEUN
ZEHN
ELF
ZWÖLF
DREIZEHN
VIERZEHN
FÜNFZEHN
SECHZEHN
SIEBZEHN
ACHTZEHN
NEUNZEHN
ZWANZIG
EINUNDZWANZIG
ZWEIUNDZWANZIG
DREIUNDZWANZIG
VIERUNDZWANZIG
FÜNFUNDZWANZIG
SECHSUNDZWANZIG
SIEBENUNDZWANZIG
ACHTUNDZWANZIG
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Cobb Anderson hätte es noch länger ausgehalten, aber man sieht nicht jeden Tag Delphine. Da waren zwanzig oder fünfzig Tiere, die sich in den kleinen grauen Wellen wiegen ließen oder aus dem Wasser sprangen. Es tat gut, sie zu sehen. Cobb nahm sie als Omen und brach auf, um sich seinen Abendsherry eine Stunde früher zu genehmigen.
Die Fliegengittertür klatschte hinter ihm zu, und er stand einen Moment lang unschlüssig, geblendet vom Licht der Abendsonne. Annie Cushing beobachtete ihn durchs Fenster der Nachbarhütte. Beatlesmusik drang aus dem Raum hinter ihr.
»Du hast deinen Hut vergessen«, bemerkte sie. Er war noch immer ein gutaussehender Mann, mit einer Brust wie ein Fass und einem Bart wie der Weihnachtsmann. Sie hätte nichts dagegen gehabt, sich näher mit ihm zu befassen, wäre er nicht so …
»Schau dir die Delphine an, Annie. Ich brauch keinen Hut. Schau, wie glücklich sie sind. Ich brauch keinen Hut, und ich brauch keine Frau.« Er ging los, hinüber zur Asphaltstraße, ein bisschen steif über den Boden aus zerbrochenen weißen Muschelschalen.
Annie zog sich zurück, um ihr Haar zu kämmen. Sie trug es weiß und lang, und sie hielt es dicht mittels Hormonspray. Sie war sechzig, aber der Liebe nicht abgeneigt. Sie fragte sich vergeblich, ob Cobb sie nächsten Freitag zum Seniorenball mitnehmen würde.
Der lange letzte Akkord von »A day in Life« hing in der Luft. Annie hätte nicht sagen können, welches Lied sie soeben gehört hatte – nach fünfzig Jahren waren ihre Reaktionen auf Musik praktisch gleich null –, aber sie ging durch den Raum, um den Plattenstapel umzudrehen. Wenn nur irgendetwas geschähe, dachte sie zum tausendsten Mal, ich habe es allmählich satt, ich zu sein.
Im Supermarkt nahm Cobb eine gekühlte Literflasche billigen Sherrys und einen feuchten Papiersack gekochte Erdnüsse. Und er wollte etwas zum Anschauen.
Die Supermarktauswahl an Magazinen war miserabel, verglichen mit dem, was man in Cocoa bekommen konnte. Cobb entschied sich schließlich für ein Partnermagazin namens »Kiss and Teil«. Das war immer gut und bizarr – die meisten Anzeigen kamen von siebzig Jahre alten Hippies wie ihm selbst. Er faltete das Cover so, dass man nur die Titelzeile sehen konnte: BITTE QUETSCH MICH …
Komisch, wie lang man über die alten Witze lachen kann, dachte Cobb, während er vor der Kasse wartete. Sex wurde mit der Zeit immer komischer. Er bemerkte, dass der Mann vor ihm einen hellblauen Hut aus gepresstem Kunststoffnetz trug.
Wenn Cobb sich auf den Hut konzentrierte, sah er einen unregelmäßigen blauen Zylinder. Aber wenn er den Blick durch die Löcher der Maschen richtete, sah er die sanfte Kurve des kahlen Schädels unter dem Hut. Ein magerer Nacken und ein glühbirnenförmiger Kopf, dazu das Wühlen im Kleingeld – ein Bekannter.
»Hey, Farker.«
Farker hörte auf, in seinen Groschen herumzustochern, und drehte sich um. Sein Blick streifte die Flasche.
»Früh Feierabend heute.« Ein Beiklang von Vorwurf. Farker machte sich Sorgen um Cobb.
»Es ist Freitag. Quetsch mich kräftig.« Cobb gab Farker die Zeitung.
»Achtundsiebzig«, sagte die Kassiererin zu Cobb. Ihr weißes Haar war gelockt und mit Henna gefärbt. Sie war tief gebräunt. Ihr Fleisch sah angenehm gebraucht und ölig aus. Cobb war überrascht. Er hatte sein Geld schon abgezählt in der Hand. »Ich hab fünfundsechzig ausgerechnet.« Zahlen rutschten in seinem Kopf umher.
»Ich meinte meine Anzeigennummer«, sagte die Kassiererin, wobei sie den Kopf zurückwarf, »im ›Kiss und Teil‹.« Sie lächelte spröde und nahm Cobbs Geld. Sie war stolz auf ihr Inserat in diesem Monat. Sie war für das Foto extra in ein Studio gegangen.
Vor dem Supermarkt gab Farker Cobb die Zeitung zurück. »Ich kann mir das nicht ansehen, Cobb. Ich bin immer noch ein verheirateter Mann, Gott helfe mir.«
»Magst du eine Erdnuss?«
»Danke.« Farker nahm eine durchweichte Schale aus dem Säckchen. Da er mit seinen gefleckten und zitternden Händen keine Chance hatte, die Nuss zu schälen, steckte er sie ganz in den Mund. Nach einer Minute spie er die Schale aus.
Sie gingen hinunter zum Strand, klebrige Erdnüsse kauend. Sie trugen keine Hemden, nur Shorts und Sandalen. Die Abendsonne wärmte ihre Rücken angenehm. Im Hintergrund kreuzte lautlos ein Mister-Frosti-Eiswagen.
Cobb schraubte den Verschluss seiner Flasche auf und nahm versuchsweise einen ersten Schluck. Er wünschte, er könnte sich an die Anzeigennummer der Kassiererin erinnern, die sie ihm eben gesagt hatte. Aber Zahlen blieben ihm nicht lang im Kopf. Es war kaum zu glauben, dass er einmal Kybernetiker gewesen war. Sein Gedächtnis glitt zurück zu seinen ersten Robotern und was sie von ihm gelernt hatten …
»Die Essenslieferungen kommen wieder verspätet«, sagte Farker gerade. »Und ich hörte von einem neuen Todeskult drunten in Daytona. Sie heißen die Kleinen Witzbolde.« Er fragte sich, ob Cobb ihn überhaupt hörte. Cobb stand bloß da mit komplett farblosen Augen, einen gelben Sherrytropfen in den dichten weißen Haaren um seinen Mund.
»Essenslieferungen«, sagte Cobb, plötzlich wieder da. Er hatte eine Art, in das Gespräch zurückzukehren, indem er vertrauensvoll den letzten Satz wiederholte, den er mitbekommen hatte. »Ich hab eine neue Quelle.«
»Aber schau, dass du von dem neuen Zeug isst, wenn es kommt«, beharrte Farker. »Wegen der Biostoffe. Ich werd Annie sagen, dass sie dich daran erinnern soll.«
»Warum ist jeder so daran interessiert, weiterzuleben? Ich habe meine Frau verlassen und bin hierhergekommen, um zu trinken und in Frieden zu sterben. Sie kann's kaum erwarten, dass ich abkratze. Also warum …« Cobbs Stimme erstarb. Tatsächlich hatte er schreckliche Angst vor dem Tod. Er nahm einen schnellen medizinischen Schluck Sherry.
»Wenn du ausgeglichener wärst, würdest du nicht so viel trinken«, sagte Farker mild. »Trinken ist ein Zeichen für ein ungelöstes Problem.«
»Im Ernst?«, sagte Cobb schläfrig. In dieser goldenen Sonnenwärme hatte der Sherry schnelle Wirkung. »Da ist ein ungelöstes Problem für dich.« Er fuhr mit dem Fingernagel über die vertikale weiße Narbe auf seiner haarigen Brust. »Ich hab kein Geld für ein neues Gebrauchtherz. In ein oder zwei Jahren wird dieses Billigdings hier den Geist aufgeben.«
Farker schnitt eine Grimasse. »So? Dann nutz deine zwei Jahre.«
Cobb fuhr mit dem Finger die Narbe aufwärts, als zöge er einen Reißverschluss zu. »Ich weiß, wie es ist, Farker. Ich hab eine Ahnung davon. Es ist das Schlimmste, was es gibt.« Er schauerte bei der Erinnerung – Zähne, zerrissene Wolken – und schwieg dann.
Farker schaute auf die Uhr. Zeit zum Gehen oder Cynthia würde …
»Weißt du, was Jimi Hendrix sagte?«, fragte Cobb. Das Zitieren ließ seine Stimme wieder normal klingen. »Wenn meine Zeit zum Sterben kommt, werd ich's tun. Solange ich lebe, lasst es mich auf meine Art machen.«
Farker schüttelte den Kopf. »Schau, Cobb, wenn du weniger trinken würdest, könntest du mehr aus deinem Leben machen.« Er hob die Hände, um seinem Freund die Antwort abzuschneiden. »Aber ich muss heimgehen. Mach's gut!«
»Du auch.«
Cobb ging über das Ende der asphaltierten Straße und über eine niedrige Düne zum Strand. Keiner war heute da, und er setzte sich unter seine Lieblingspalme.
Die Brise hatte ein bisschen aufgefrischt. Immer noch warm vom Sand berührte sie Cobbs unter weißen Haaren verborgenes Gesicht. Die Delphine waren weg.
Er trank schluckweise von seinem Sherry und ließ die Erinnerungen spielen. Er musste nur zwei Gedanken vermeiden, den an den Tod und den an seine Frau Verena, die er verlassen hatte. Der Sherry hielt die zwei Gedanken fern.
Die Sonne ging in seinem Rücken unter, als er den Fremden sah. Eine Brust wie ein Fass, aufrechte Haltung, starke Arme und Beine, von gekräuseltem Haar bedeckt, ein runder weißer Bart. Wie der Weihnachtsmann, oder wie Ernest Hemingway in dem Jahr, als er sich erschoss.
»Hallo, Cobb«, sagte der Mann. Er trug eine Sonnenbrille und sah amüsiert aus. Seine Shorts und sein Sporthemd glänzten.
»Mögen Sie einen Drink?« Cobb zeigte auf die halbleere Flasche. Er fragte sich, wer das war, zu dem er da sprach – vorausgesetzt, es war überhaupt jemand da.
»Nein, danke«, sagte der Fremde und setzte sich hin, »es bedeutet mir nichts.«
Cobb starrte den Mann an. Irgendetwas an ihm …
»Sie fragen sich, wer ich bin«, sagte der Fremde lächelnd, »ich bin Sie.«
»Sie – wer?«
»Sie, Cobb.« Der Fremde benützte Cobbs eigenes kleines Lächeln gegen ihn. »Ich bin eine mechanische Kopie Ihres Körpers.«
Das Gesicht stimmte, und da war auch die Narbe von der Herztransplantation. Der einzige Unterschied zwischen den beiden war, wie beweglich und gesund die Kopie aussah. Nenn ihn Cobb Anderson II. Cobb II trank nicht. Cobb beneidete ihn. Er hatte keinen komplett nüchternen Tag mehr gehabt seit der Operation und seit er seine Frau verlassen hatte.
»Wie sind Sie hierhergekommen?«
Der Roboter drehte eine Handfläche nach außen. Cobb gefiel es, wie diese seine Geste für andere aussah. »Das kann ich Ihnen nicht sagen«, erwiderte die Maschine, »Sie wissen, was die meisten Leute über uns denken.«
Cobb nickte als Zeichen der Übereinstimmung. Er sollte es wissen. Zuerst war das Publikum entzückt gewesen, dass Cobbs Mondroboter eine Evolution zur Intelligenz durchmachten. Das war, bevor Ralph Numbers die 2001-Revolte angeführt hatte. Nach der Revolte war Cobb wegen Hochverrats vor Gericht gestellt worden.
Er fokussierte seine Gedanken wieder auf die Gegenwart.
»Wenn Sie ein Blechler sind, wie können Sie dann … hier sein?« Cobb beschrieb mit seiner Hand einen vagen Kreis, der den heißen Sand und die Sonne einschloss. »Es ist zu heiß. Alle Blechler, die ich kenne, beruhen auf Supraleitung. Haben Sie eine Kühlanlage im Bauch versteckt?«
Anderson II machte eine andere vertraute Geste mit der Hand. »Ich werde Ihnen das nicht erzählen, Cobb. Sie werden es später herausfinden. Erstmal nehmen Sie das …« Der Roboter griff in seine Tasche und brachte ein Bündel Geldscheine heraus. »Fünfundzwanzig Riesen. Wir wollen, dass Sie morgen nach Disky fliegen. Ralph Numbers wird dort Ihr Kontaktmann sein. Er wird Sie im Andersonraum des Museums treffen.«
Cobbs Herz machte einen Sprung bei der Aussicht, Ralph Numbers wiederzusehen. Ralph, sein erstes und bestes Modell, der eine, der alle anderen befreit hatte. Aber …
»Ich kann kein Visum bekommen«, sagte Cobb. »Sie wissen das. Ich darf das Seniorengebiet nicht verlassen.«
»Lassen Sie das unsere Sorge sein«, sagte der Roboter eindringlich. »Es wird jemand da sein, der Ihnen bei den Formalitäten hilft. Wir arbeiten gerade daran. Und ich werde eine Weile für Sie einspringen, während Sie weg sind. Keiner wird's merken.«
Die Eindringlichkeit, mit der sein Double sprach, erschien Cobb verdächtig. Er nahm einen Schluck Sherry und versuchte, gerissen auszusehen. »Worum geht's bei alldem? Warum sollte ich überhaupt auf den Mond wollen? Und warum wollen mich die Blechler dort?«
Anderson II sah sich auf dem leeren Strand um und rückte näher. »Wir wollen Sie unsterblich machen, Dr. Anderson. Nach all dem, was Sie für uns getan haben, ist das das wenigste, was wir für Sie tun können.«
Unsterblich! Das Wort öffnete plötzlich ein Fenster. So nah am Tod hatte alles an Bedeutung verloren. Aber wenn es einen Ausweg gab …
»Wie?«, fragte Cobb, der in seiner Erregung aufgesprungen war. »Wie werdet ihr das machen? Werdet ihr mich wieder jung machen?«
»Vorsichtig«, sagte der Roboter und stand ebenfalls auf. »Regen Sie sich nicht zu sehr auf. Vertrauen Sie uns! Mit unseren Vorräten an tankgezüchteten Organen können wir Sie von Grund auf umbauen. Und Sie werden so viel Interferon bekommen, wie Sie benötigen.«
Die Maschine sah fest mit ehrlichem Ausdruck in Cobbs Augen. Cobb, der ebenso zurückblickte, bemerkte, dass sie die Regenbogenhäute nicht ganz hingekriegt hatten. Der kleine Ring von Blau war zu flach und blass. Die Augen waren – bei aller Ähnlichkeit – wie Glas; man konnte nicht in ihnen lesen.
Der Doppelgänger steckte Cobb das Geld in die Hand. »Nehmen Sie das Geld und morgen das Shuttle. Wir schicken Ihnen einen jungen Mann namens Sta-Hi, der Ihnen am Raumhafen helfen wird.«
Sanfte Musik kam näher. Ein Mister-Frosti-Laster, derselbe, den Cobb vorher gesehen hatte. Er war weiß, mit einem mächtigen Kühltank. Auf der Führerkabine lächelte eine riesige Eistüte aus Plastik. Cobbs Doppelgänger gab Cobb einen vertraulichen Klaps auf die Schulter und trottete den Strand entlang.
Als er den Laster erreicht hatte, schaute der Roboter zurück und lächelte. Gelbe Zähne im weißen Bart. Zum ersten Mal seit Jahren liebte sich Cobb selbst, sein aufrechtes Stolzieren ebenso wie die verschreckten Augen. »Auf Wiedersehen!«, rief er, das Geld schwenkend, »und vielen Dank!«
Cobb Anderson II stieg in den Eiskremlaster neben den Fahrer, einen fetten kurzhaarigen Mann mit nacktem Oberkörper. Und dann fuhr der Mister-Frosti-Wagen weg und die Musik verklang. Es war nun dämmerig. Das Geräusch des Motors löste sich im Geräusch des Meeres auf. Wenn das alles nur wahr war!
Aber es musste wahr sein! Cobb hielt fünfundzwanzigtausend Dollar in der Hand. Er zählte sie zweimal, um sicher zu sein. Dann schrieb er die Zahl $ 25 000 in den Sand und sah sie an. Das war eine Menge.
Als es endgültig dunkel wurde, leerte er die Sherryflasche und tat dann, einem plötzlichen Impuls folgend, das Geld in die Flasche und vergrub sie neben seinem Baum im Sand.
Die Aufregung ging allmählich zurück, an ihrer Stelle kam Furcht. Konnten die Blechler ihn wirklich unsterblich machen mit Chirurgie und Interferon?
Es schien unmöglich. Ein Trick. Aber warum sollten ihn die Blechler belügen? Sicher erinnerten sie sich an alles, was er für sie getan hatte. Vielleicht wollten sie ihm nur eine gute Zeit machen. Weiß Gott, er konnte das brauchen. Und es würde großartig sein, Ralph Numbers mal wieder zu sehen.
Auf dem Heimweg den Strand entlang blieb Cobb mehrmals stehen und erwog, zurückzugehen und die Flasche auszugraben, um nachzusehen, ob das Geld wirklich da war. Der Mond war aufgegangen, und er sah die kleinen sandfarbenen Krabben aus ihren Löchern kommen. Die könnten die Geldscheine in Fetzen reißen, fiel ihm ein und er blieb wieder stehen.
Hunger wühlte in seinem Magen. Und er wollte mehr Sherry. Er ging ein bisschen näher ans Wasser, der Sand quietschte unter seinen Absätzen. Es war hell wie am Tag, nur alles in Schwarz-Weiß. Der Vollmond war zu seiner Rechten über dem Land aufgegangen. Vollmond bedeutet hohe Flut, dachte er mürrisch.
Er beschloss, das Geld höher am Strand zu vergraben, sobald er einen Bissen zu essen und neuen Sherry aufgetrieben hätte.
Als er seinem vom Mondlicht beglänzten Bungalow näher kam, sah er ein Bein Annie Cushings hinter der Ecke ihrer Behausung. Sie saß auf ihrer Türtreppe, um ihm in der Einfahrt aufzulauern. Er machte einen Bogen nach rechts und betrat sein Haus von hinten, gänzlich außer ihrer Sichtweite bleibend.
Drinnen in Cobbs rosarotem Zementblock-Bungalow rückte Stan Mooney unbehaglich in einem durchhängenden Lehnstuhl hin und her. Er fragte sich, ob diese dicke weißhaarige Frau von nebenan den alten Mann gewarnt hatte. Es war Nacht geworden, während er hier saß.
Ohne das Licht einzuschalten, ging Mooney in die Küchennische und suchte etwas zu essen. Es war ein schönes Stück Thunfischsteak da, eingeschweißt in dickes Plastik, aber er mochte das nicht. Sämtliches Flausel-Fleisch war mit Kobalt 60 für lange Haltbarkeit sterilisiert worden. Die Regierungswissenschaftler sagten, dass das harmlos sei, aber aus irgendeinem Grund aß niemand das Zeug – außer den Flauseln. Die mussten. Es war alles, was sie kriegten.
Mooney beugte sich hinunter, um zu sehen, ob ein Soda unter der Theke sei. Sein Kopf schlug gegen eine scharfe Kante, dass er Sterne sah. »Scheißdreck, verdammter«, murmelte Mooney und stolperte zurück in den Wohnraum. Seine Perücke hatte sich durch den Schlag verschoben.
Er kehrte in den lumpigen Lehnstuhl zurück, stöhnend und seine Perücke richtend. Er hasste es, den Stützpunkt zu verlassen und im Flausel-Gebiet herumzusuchen. Aber er hatte Anderson letzte Nacht in einen Frachthangar am Raumhafen einbrechen sehen. Es waren zwei Verschläge geleert worden, zwei Verschläge voller von den Blechlern erzeugter Nieren. Das bedeutete eine Menge Geld. Auf dem Schwarzmarkt hier im Flausel-Land konnte man Nieren schneller als Hot-Dogs verkaufen.
Zu viele alte Leute. Es waren dieselben geburtenstarken Jahrgänge, die den Babyboom der vierziger und fünfziger, die Jugendrevolte der sechziger und siebziger und die große Arbeitslosigkeit der achtziger und neunziger Jahre zur Folge gehabt hatten. Nun hatte der unerbittliche Lauf der Zeit diese große Menschenmenge ins 21. Jahrhundert gebracht als die größte Ansammlung alter Leute, der sich irgendeine Gesellschaft jemals gegenüber gesehen hatte.
Keiner von ihnen hatte Geld – das Sozialversicherungsnetz war 2010 zusammengebrochen. Es war kein Groschen mehr da. Eine neue Art von Senioren entstand. Flausel: flippige alte Zausel.
Um die Unruhen zu stoppen, hatte die Regierung den ganzen Staat Florida den Flauseln übergeben. Es gab keine Mieten und freie wöchentliche Nahrungslieferungen. Die Flausel bildeten dort kleine Horden und lebten ihr eigenes Leben, wohnten in heruntergekommenen Hotels, hörten ihre komische alte Musik an, feierten Bälle, als sei es 1963, du lieber Himmel!
Plötzlich öffnete sich die dunkle Schwingtür zum Strand. In einem Reflex blitzte Mooney dem Eindringling in die Augen. Der alte Cobb Anderson stand da, benommen, mit leeren Händen, ein bisschen betrunken, groß genug, um gefährlich zu sein. Mooney ging hinüber, filzte Anderson und drehte dann das Licht an.
»Setz dich, Anderson!«
Der alte Mann gehorchte. Er sah verwirrt aus. »Sind Sie auch ich?«, krächzte er.
Mooney konnte es nicht fassen, wie sehr Anderson gealtert war. Er hatte ihn immer an seinen Vater erinnert, und nun sah er auch noch so aus.
Ein Geräusch an der Tür. »Pass auf, Cobb, ein Bulle ist drin!« Es war das alte Mädchen von nebenan.
»Schwing deinen Arsch hier herein«, schnauzte Mooney mit rollenden Augen. Er dachte an sein Polizeitraining: Einschüchterung ist der Schlüssel zur Selbstbehauptung. »Ihr seid beide verhaftet.«
»Dreckiges Bullenschwein«, sagte Annie beim Hereinkommen. Sie war glücklich über die Aufregung. Sie setzte sich neben Cobb in die Hängematte. Sie hatte sie selbst für ihn gemacht, in Makramee, aber es war das erste Mal, dass sie sie mit ihm teilte. Sie tätschelte beruhigend seinen Schenkel. Der fühlte sich an wie ein Stück Treibholz.
Mooney presste den Schlüssel auf das Aufnahmegerät in seiner Brusttasche. »Ruhig, Lady, dann passiert Ihnen nichts. Und nun Sie, sagen Sie Ihren Namen!« Er starrte Cobb an.
Aber der Alte hatte nunmehr die Situation im Griff. »Kommen Sie, Mooney«, brüllte er, »Sie wissen, wer ich bin. Sie nennen mich gewöhnlich Doktor Anderson. Herr Doktor Anderson! Das war, als die Armee ihr Mondroboter-Kontroll-Zentrum auf dem Raumhafen errichtete. Vor zwanzig Jahren. Ich war damals ein großer Mann, und Sie … Sie waren ein kleiner Wichser, ein Nachtwächter, eine Null. Aber dank mir verwandelten sich diese Kampfmaschinen-Mondroboter in Blechler und das ganze Armeekontrollzentrum war nur noch blöder, wertloser, human-chauvinistischer Mist.«
»Und Sie haben dafür bezahlt, nicht wahr«, warf Mooney aalglatt ein, »Sie haben für alles bezahlt … und nun haben Sie kein Geld mehr für neue Organe, die Sie brauchen. Deswegen brachen Sie letzte Nacht in einen Hangar ein und stahlen zwei Kisten Nieren, Cobb, nicht wahr?« Mooney drehte sein Aufnahmegerät auf besseren Empfang.
»Gib es zu!«, brüllte er, Cobb bei den Schultern packend. Deswegen war er gekommen, um ein Geständnis aus dem Alten herauszuholen. »Gib es zu und du kommst billig davon!«
»Scheiße!«, schrie Annie und sprang kampflustig auf die Füße. »Cobb hat heute Nacht nichts gestohlen. Wir waren saufen in der Grauzonenbar!«
Cobb schwieg, völlig verwirrt. Mooneys wilde Beschuldigungen waren wirklich absoluter Unsinn. Annie hatte recht! Er war seit Jahren nicht mehr in der Nähe des Raumhafens gewesen. Aber nach dem Pläneschmieden mit dem Roboterdoppelgänger war es schwierig, ein ehrliches Gesicht aufzusetzen.
Mooney sah irgend so etwas auf Cobbs Gesicht und stieß deshalb nach. »Natürlich erinnere ich mich an Sie, Herr Doktor Anderson. Ich erinnere mich daran, wie ich Sie letzte Nacht von Lager 3 wegrennen sah.« Seine Stimme wurde nun tief, warm und einladend. »Ich hätte nicht gedacht, dass ein Herr in Ihrem Alter noch so schnell rennen kann. Aber jetzt kommen Sie, Cobb. Geben Sie uns die Nieren zurück, dann vergessen wir vielleicht die ganze Angelegenheit.«
Plötzlich verstand Cobb, was passiert war. Die Blechler hatten seinen mechanischen Doppelgänger in einer Kiste heruntergeschickt, auf der NIEREN stand. Als letzte Nacht die Luft rein war, war sein Double aus der Kiste gestiegen und aus dem Lager ausgebrochen und abgehauen. Und dieser Idiot Mooney hatte den Roboter rennen sehen. Aber was war in der zweiten Kiste gewesen?
Annie hatte neuerlich zu schreien begonnen, ihr rotes Gesicht drei Zentimeter vor dem Mooneys. »Hörst du mir zu, Bulle? Wir waren in der Grauzonenbar! Geh hinüber und frag den Barmann!«
Mooney seufzte. Er hatte das für eine einfache Sache gehalten, und er hasste es, sie nun zerbröseln zu sehen. Das war der zweite Einbruch in diesem Jahr ins Lager 3 gewesen. Er seufzte neuerlich. Es war heiß in dieser kleinen Hütte. Er nahm die Gummiperücke ab, um seinen Kopf etwas zu kühlen.
Annie kicherte. Sie genoss es. Sie wunderte sich, warum Cobb so angespannt wirkte. Dieser Bursche hatte nichts gegen sie in der Hand. Es war ein Witz.
»Glauben Sie nicht, die Sache sei erledigt, Anderson«, sagte Mooney sehr laut, für sein Gerät, »Sie sind noch lange nicht draußen. Sie haben das Motiv, das Wissen, die Verbindungen … Vielleicht kriege ich sogar ein Foto vom Labor. Wenn dieser Kerl von der Grauzonenbar Ihr Alibi nicht unterstützen kann, buchte ich Sie noch heute Nacht ein.«
»Sie dürfen nicht einmal hier sein«, brauste Annie auf, »es ist gegen den Senior Citizens Act, Bullen vom Stützpunkt wegzuschicken.«
»Es ist für euch ungesetzlich, in die Stützpunktlager einzubrechen«, antwortete Mooney. »Eine Menge junger und produktiver Leute rechneten mit diesen Nieren. Wenn nun eine für Ihren Sohn gewesen wäre?«
»Geht mich nichts an«, schnappte Annie, »nicht mehr, als wir euch angehen. Ihr wollt nur Cobb belästigen, weil er die Roboter außer eure Kontrolle brachte.«
»Wenn sie nicht außer Kontrolle wären, müssten wir ihre Preise nicht zahlen. Und es verschwänden keine Dinge aus den Lagern. Dinge für die Leute, die noch etwas produzieren …« Plötzlich müde, schwieg Mooney. Es war sinnlos, mit einer Fanatikerin wie Annie Cushing zu streiten. Es hatte keinen Sinn, mit irgendjemandem zu streiten. Er rieb seine Schläfen und setzte die Perücke wieder auf. »Gehen wir, Anderson!« Er stand auf.
Cobb hatte nichts mehr gesagt, seit Annie ihr Alibi vorgebracht hatte. Er dachte verzweifelt nach …
Über die steigende Flut, und die Krabben. Er stellte sich eine Krabbe vor, die sich ein weiches Bett in einer leeren Sherry-Flasche zurechtmachte. Er konnte das Zerreißen der Banknoten geradezu hören. Er musste besoffen gewesen sein, das Geld am Strand zu vergraben. Natürlich, wenn er es nicht vergraben hätte, hätte Mooney es gefunden, aber jetzt …
»Gehen wir!«, sagte Mooney neuerlich, über den arroganten Alten gebeugt.
»Wohin?«, fragte Cobb verdutzt. »Ich hab nichts getan.«
»Stell dich nicht blöd, Anderson!« Lieber Gott, wie sehr hasste Stan Mooney den schlauen Blick auf diesen bärtigen alten Zügen. Er konnte sich noch gut erinnern, wie sein Vater Drinks und Flaschen versteckt hatte, und wie er im Delirium tremens zitterte. War das ein Anblick für einen kleinen Jungen? Hilf mir, Stanny, dass sie mich nicht kriegen! Und wer half Stanny? Wer half einem einsamen kleinen Jungen mit einem Flausel als Vater? Er zog den alten Sack auf die Füße.
»Lass ihn in Ruhe!«, kreischte Annie und packte Cobb um die Hüften. »Nimm deine mistigen Pfoten weg, du Bullenschwein!«
»Hört denn niemand zu, was ich sage?«, fragte Mooney, plötzlich den Tränen nahe, »alles, was ich will, ist, ihn in die Grauzonenbar mitnehmen und sein Alibi klären. Wenn es bestätigt wird, haue ich ab. Fall erledigt. Komm jetzt, Alter, ich werd dir ein paar Drinks kaufen!«
Das brachte den alten Kauz nun doch auf die Füße. Was sahen sie darin, die alten Säufer? Was war der Witz darin, sein Gehirn so zu züchtigen? War es wirklich so verdammt gut, seine Familie zu verlassen und nicht mehr zu wissen, welcher Wochentag war?
Manchmal kam sich Mooney vor, als sei er der Letzte, der sich überhaupt noch anstrengte. Sein Vater war ein Suffkopf wie Anderson, seine Frau Bea verbrachte jeden Abend im Sexclub, und sein Sohn … sein Sohn hatte seinen Namen offiziell verändert von Stanley Hillary Mooney, jr. zu Stay High Mooney der Erste. Fünfundzwanzig Jahre alt, sein Sohn, und alles, was er tat, war Dope reinziehen und ein Taxi fahren in Daytona Beach. Mooney seufzte und ging durch die Tür des Häuschens. Die beiden Alten folgten ihm mit der Aussicht auf ein paar freie Drinks.
Während er auf seinem Wasserstoffmotorrad nach Hause fuhr, fühlte sich Sta-Hi immer schlechter. Der Trip fuhr allmählich ein. Er hatte einen Black Star geworfen, bevor er den Wagen für das Wochenende zurückbrachte. War das vor einer Stunde gewesen? Oder vor zwei? Die Digitalanzeige seiner Uhr blinkte ihn an, bedeutungslose kleine Stäbchen. Er musste sich bewegen oder er würde einbrechen.
Links flackerte der Verkehr vorbei, rechts sah man das Meer zwischen den Blöcken. Er konnte nicht in sein Zimmer. Tags zuvor hatte er die Matratze zerfetzt.
Sta-Hi drehte scharf die Lenkstange und beeilte sich, rückwärts auf den Bordstein zu kommen. Er bremste und der kleine Hydrogenbrenner verröchelte. Leg das Ding in Ketten. Bums die kleinen Netten. Hirn voller Doubletten. Verschiedene Stimmen erklangen in jedem Ohr extra.
Irgendein Bursche steckte seinen Kopf aus einem Fenster im ersten Stock und starrte herunter. Er warf Sta-Hi einen langen, zögernden Blick zu. Einen Moment lang war es, als betrachte er sich selbst. Knirsch, kratz. Man musste die Sache ausreifen lassen. Sie kam zu schnell und laut. Der Ort, wo er geparkt hatte, vor dem Lido Hotel, war ein Brainsurfer-Treff mit einer riesigen Bar in der Lobby. Mondo mambo. Sind Stewardessen wirklich so gut zu vögeln?
Er holte ein Bier an der Theke und ging hinüber ans Ozean-Ende der Lounge. Eine Gruppe von Teenager-Surfern war da und teilte sich eine Sprühdose Z-Gas. Einer von ihnen schaukelte in seinem Stuhl und lachte »Hyaaa-hyaaa«, tief aus der Kehle. Dämlicher Gassack.
Sta-Hi setzte sich und nahm einen kräftigen Schluck Bier. Einen zu kräftigen, jetzt hatte er Gas im Magen. Versuch es auszurülpsen – ah, ah, ah. Sein Mund, gefüllt mit dickem weißem Schaum. Vor dem Fenster flog eine Linie Pelikane vorbei, parallel zum Wasser.
Die Luft in der Lounge war nicht gut. Das süße Z-Gas. Die Surferkids warfen Seitenblicke auf ihn. Bulle? Spitzel? Dieb? Ah, ah, ah. Mehr Schaum. Wo kam er nur her; er beugte sich über seinen Plastikbecher und spuckte hinein, bis er wieder voll war.
Er ließ den Becher stehen und ging hinaus. Seine Acidtrips waren immer schreckliche Einfahrer. Aber warum? Es gab keinen Grund, warum eine reife und erfahrene Person daraus nicht etwas hätte machen können. Warum sonst würde das Zeug noch immer verkauft nach all diesen Jahren? Gedichte werden von Spinnern wie mir gemacht. Aber nur Gott kann dein Hirn in winzig kleine Stückchen reißen.
»Wacklig«, murmelte Sta-Hi zu sich selbst, »obergeil. Und auch das. Und auch das.« Und zwei drei? Er fühlte sich elend, richtig elend. Eine Art Wirbelgefühl in der Magengrube. Ein fetter Magen voller Öltümpel, verrottetes Dinosaurierfleisch und Knoten von gelbem Hühnerfett. Die Ozeanbrise wehte eine glatte, fette Haarsträhne herunter in Sta-His Auge. Stück und Stückchen, kleine-kleinste Stücke und Stückchen.
Er ging zum Wasser hinunter und rieb dabei seinen Bauch, versuchte, das Fett wegzureiben. Das Komische war, dass er zaundürr aussah. Er aß kaum einmal was. Aber das Fett war da, versteckt, Agglomerationen von cholesterinträchtigem Rührei. Degeneriertes Bindegewebe.
Austern hatten auch Cholesterin. Einmal hatte er eine Bierdose mit Weizenkeimöl gefüllt und sie einem Freund gegeben. Es wäre nett zu ertrinken. Aber der Papierkrieg!
Sta-Hi setzte sich und zog sich bis zur Unterhose aus. Fenster strandauf strandab, dahinter Perverse, die den kleinen Hautlappen in seiner Unterwäsche anstarrten. Er grub ein Loch und bedeckte seine Kleider mit Sand. Es war gut, im Sand herumzugraben und die Körner unter den Fingernägeln zu fühlen. Tief krach reib. Was da drüben? Zahnseide. Es kam ihm vor, als stünde jemand hinter ihm.
Völlig erschöpft warf sich Sta-Hi auf den Rücken und schloss die Augen. Er sah Serien von Ringen, ausgehend von dem entfernten und doch intimen weißen Zentrum, dem blinden Fleck des Gehirns. Er fühlte sich wie eine Auster, die durch das Wasser hindurch die Sonne zu sehen versucht. Vorsichtig öffnete er seine Schale wieder ein bisschen.
Plötzlich waren da Donner in seinem Ohr und ein Gestank nach verrottetem Fleisch. Ha schnurf sabbel ooh! Ein schleckender Kuss. Ein schwarzer Pudel in seinem Gesicht, sicher ein Scheißefresser. Sta-Hi fuhr auf und stieß den Welpen weg. Nadelscharfe Milchzähne ritzten seine Haut.
Ein blonder Hase stand zwanzig Meter weiter und grinste zurück zu dem Welpen. »Komm, Sparky!« Sie klang wie eine Glocke.
Der Hund bellte, warf seinen Kopf hoch und rannte davon. Das Mädchen lachte immer noch. Bin ich nicht nett mit meinem Hündchen?
»Jesus«, stöhnte Sta-Hi. Er wünschte sich, schmelzen zu können; einfach sterben und alles wäre vorbei. Alles war zu wacklig, zu allgemein, zu besonders.
Er stand auf, eine Anstrengung, die tausende Gehirnzellen vernichtete. Er musste ins Wasser gehen und abkühlen. Der Hase sah ihm beim Hineinwaten zu. Er schaute nicht hin, aber er konnte ihre Augen auf seinem kleinen Pimmel fühlen. Ein schwammiges Stückchen.
Ein Fischschwarm kreuzte. Verdammte kleine Biester, die Manöver präzise verdrahtet in ihrem Nervensystem. Er setzte sich ins hüfttiefe Wasser und stellte sich vor, sein Gehirn sei eine Qualle, im Wasser treibend unter Floridas Sonne. Schluppschlapp, eine Qualle mit in den Wellen wogenden Anhängseln. Ah, ah, ah.
Er ließ das Salzwasser den Sonnencremschaum von seinen Lippen spülen. Die kleinen Blasen bewegten sich durch die weißen Wasserblasen, formierten sich und platzten, jede ein winziges Universum.
Sein Unterhosengummi spannte. Sollte er sie ausziehen?
Sta-Hi rollte mit den Augen. Das Mädchen hing immer noch am Strand herum. Sie warf einen Stock. »Hol ihn, Sparky!«
Jedes Mal, wenn der Hund mit dem Stock kam, sprang er steifbeinig um sie herum. Bespitzelte sie ihn oder was? Natürlich war es möglich, dass sie ihn vorhin gar nicht bemerkt hatte. Aber dann blieben immer noch all die Perversen mit den Feldstechern.
Er watete tiefer ins Wasser, bis es ihm an den Hals ging. Nachdem er sich noch einmal umgesehen hatte, schlüpfte er aus seiner Unterhose und entspannte sich. Qualle quallenzeit quallerlei. Der Ozean stank.
Er schwamm Richtung Strand. Das Salzwasser zog Linien aus Stanniol um seine Nasenlöcher.