Nicht genug bekommen?

Leseprobe aus »Onyx. Schattenschimmer« von Jennifer L. Armentrout

Kapitel 1

Zehn Sekunden saß Daemon Black auf seinem Platz, als er mir auch schon zuverlässig den Stift in den Rücken bohrte. Gerade einmal zehn Sekunden hatte es gedauert. Ich drehte mich um und sofort stieg mir der frische, herbe Naturgeruch in die Nase, der so typisch für ihn war.

Daemon zog die Hand zurück und klopfte sich mit der blauen Kappe des Stifts an die Lippen. Lippen, die mir ziemlich vertraut waren. »Guten Morgen, Kätzchen.«

Ich zwang mich ihm in die Augen zu sehen. Augen, die so grün leuchteten wie der Stiel einer frisch geschnittenen Rose. »Guten Morgen, Daemon.«

Er neigte den Kopf und das zerzauste dunkle Haar fiel ihm ins Gesicht. »Vergiss nicht, dass wir heute Abend noch was vorhaben.«

»Ja, ich weiß. Ich kann es kaum erwarten«, erwiderte ich trocken.

Sein dunkler Pullover spannte über breiten Schultern, als er den Tisch wieder einmal nach vorne kippte, um sich zu mir vorzubeugen. Meine Freundinnen Carissa und Lesa holten hörbar Luft und ich spürte die Blicke der anderen in der Klasse. Einer von Daemons Mundwinkeln wanderte nach oben, als würde er insgeheim lachen.

Sein Schweigen wurde unerträglich. »Was ist?«

»Wir müssen deine Lichtspur abarbeiten«, antwortete er so leise, dass nur ich es hören konnte. Zum Glück, denn ich war nicht unbedingt scharf darauf, der Allgemeinheit zu erläutern, was eine Lichtspur war. Ach, das ist nur überschüssige Energie von Außerirdischen, die sich auf Menschen überträgt und sie zum Leuchten bringt wie einen Weihnachtsbaum, was wiederum eine andere, bösartige außerirdische Rasse anlockt. Wollt ihr was abhaben?

Sicher.

Ich griff nach meinem Stift und war kurz davor, zum Gegenangriff überzugehen. »Das habe ich mir schon gedacht.«

»Und ich habe die perfekte Idee, wie wir es anstellen können.«

Mir war klar, was er unter einer »perfekten Idee« verstand: knutschen. Er und ich. Ich lächelte und das Grün seiner Augen leuchtete noch intensiver als zuvor.

»Gefällt dir die Idee?«, murmelte er und senkte den Blick auf meine Lippen.

Eine vermutlich gesundheitsschädliche Dosis an Erregung durchströmte meinen Körper und ich musste mich daran erinnern, dass seine plötzliche Kehrtwende hauptsächlich auf diesen verfluchten Alien-Zauber zurückzuführen war und weniger mit mir als Person zu tun hatte. Seit mich Daemon nach dem Kampf mit dem Arum geheilt hatte, waren wir miteinander verbunden, was für ihn Grund genug zu sein schien, sich in eine Beziehung zu stürzen. Ich hingegen sah das anders.

Es war nicht echt.

Ich wollte eine Beziehung, wie meine Eltern sie gehabt hatten. Unsterbliche Liebe. Gewaltige, wahre Liebe. Eine vollkommen durchgeknallte Verbindung mit einem Alien erfüllte diese Kriterien sicher nicht.

»Nur über meine Leiche«, antwortete ich deshalb schließlich.

»Widerstand ist zwecklos, Kätzchen.«

»Genau wie dein Charme.«

»Das werden wir ja sehen.«

Ich verdrehte die Augen und wandte den Blick wieder nach vorn. Daemon war echt umwerfend, manchmal wurde das Umwerfende allerdings von meinem Bedürfnis übertroffen, ihn abzustechen. Manchmal aber auch nicht.

Unser steinalter Mathelehrer schlurfte mit einem dicken Papierstapel in den Raum und wartete darauf, dass es klingelte.

Erneut stach mich Daemon mit dem Stift.

Ich ballte die Hände zu Fäusten und überlegte, ob ich ihn einfach nicht beachten sollte. Doch ich wusste, dass er mich immer weiter piesacken würde. Deshalb fuhr ich herum und funkelte ihn wütend an.

»Was ist, Daemon?«

Er bewegte sich schnell wie eine Kobra. Mit einem Grinsen, das ein unkontrollierbares Flattern in meinem Magen verursachte, strich er mir mit den Fingern über die Wange und zog mir einen winzigen Fussel aus dem Haar.

Ich starrte ihn an.

»Nach der Schule …«

Ich kam auf die verrücktesten Gedanken, als sein Grinsen einen teuflischen Zug bekam, doch ich war nicht mehr bereit auf dieses Spiel einzugehen. Ruckartig drehte ich mich zurück. Ich musste lernen meinen Hormonen … und dieser einzigartigen Art, mit der er immer wieder einen Nerv traf, zu widerstehen.

Den Rest des Morgens spürte ich ein leichtes Pochen auf der Rückseite meines linken Auges, wofür ich natürlich Daemon verantwortlich machte.

Bis zum Mittag waren die Kopfschmerzen so schlimm geworden, dass ich das Gefühl hatte, mir wäre mit voller Wucht auf den Kopf eingeschlagen worden. Am liebsten wäre ich aus der Kantine gerannt, weil ich den Lärm und die Mischung der Gerüche aus Desinfektionsmittel und angebranntem Essen kaum ertragen konnte.

»Willst du den noch?« Dee Black deutete auf die unberührte Portion Hüttenkäse mit Ananas vor mir.

Kopfschüttelnd schob ich ihr das Tablett hin und mir drehte sich fast der Magen um, als sie mit Appetit darüber herfiel.

»Du kannst echt ein Footballteam unter den Tisch essen.« Mit unverhülltem Neid sah Lesa Dee aus ihren dunklen Augen an, was ihr nicht zu verdenken war. Einmal hatte ich Dee eine ganze Packung Oreo-Kekse auf einmal essen sehen. »Wie machst du das nur?«

Dee zuckte mit den zierlichen Schultern. »Ich habe anscheinend einen guten Stoffwechsel.«

»Was habt ihr am Wochenende gemacht?«, erkundigte sich Carissa stirnrunzelnd, während sie mit dem Ärmel ihre Brillengläser sauber machte. »Ich habe College-Bewerbungen geschrieben.«

»Ich habe die ganze Zeit mit Chad rumgeknutscht«, sagte Lesa grinsend.

Dann sahen die beiden Dee und mich erwartungsvoll an. Zu verkünden, dass ich einen wahnsinnig gewordenen Alien getötet und dabei fast selbst draufgegangen wäre, war wohl nicht unbedingt angebracht.

»Wir haben abgehangen und alberne Filme geguckt«, antwortete Dee schließlich und lächelte mich kaum merklich an, während sie sich eine glänzende schwarze Locke hinters Ohr klemmte. »Nichts Besonderes.«

Lesa schnaubte. »Bei euch passiert nie etwas Besonderes.«

Ich musste lächeln, doch als ich im nächsten Moment ein warmes Prickeln im Nacken wahrnahm, geriet das Gespräch in den Hintergrund. Wenige Sekunden später ließ sich Daemon schwungvoll auf dem Stuhl zu meiner Linken nieder und ein Erdbeer-Smoothie – meine Lieblingssorte – wurde vor mir abgestellt. Ich war mehr als nur ein bisschen überrascht, auch nur irgendetwas von Daemon geschenkt zu bekommen, von so einem Volltreffer ganz zu schweigen. Als ich nach dem Becher griff und meine Finger seine streiften, durchfuhr mich ein leichter Stromschlag.

Sofort zog ich die Hand zurück und trank einen kleinen Schluck. Köstlich. Vielleicht würde es meinem verstimmten Magen guttun. Und an einen großzügig schenkenden Daemon könnte ich mich wahrscheinlich auch gewöhnen. So gefiel er mir deutlich besser, als wenn er seine Idiotenseite raushängen ließ. »Danke.«

Darauf lächelte er.

»Wo sind unsere?«, witzelte Lesa.

Daemon lachte. »Ich stehe nur im Dienst einer bestimmten Person.«

Sofort errötete ich und rückte den Stuhl ab. »Du bedienst mich rein gar nicht.«

Er beugte sich zu mir herüber und schloss den neu gewonnenen Abstand wieder. »Noch nicht.«

»Daemon, bitte. Ich bin direkt vor deiner Nase.« Dee sah ihn verärgert an. »Du verdirbst mir noch den Appetit.«

»Als ob das möglich wäre«, kommentierte Lesa augenrollend.

Daemon zog ein belegtes Baguette aus der Tasche. Nur ihm gelang es, eher aus der vierten Stunde rauszukommen, ohne in Schwierigkeiten zu geraten. Er war einfach etwas … Besonderes. Alle Mädchen am Tisch, abgesehen von seiner Schwester, klebten mit den Augen an ihm. Einige Jungs ebenfalls.

Er bot seiner Schwester einen Haferkeks an.

»Wollten wir nicht noch etwas besprechen?«, fragte Carissa und auf ihren Wangen leuchteten rote Flecken.

»Stimmt«, pflichtete Dee ihr bei und grinste Lesa an. »Etwas sehr Wichtiges.«

Ich fuhr mir mit der Hand über die feuchte Stirn. »Was gibt es denn zu besprechen?«

»Dee und ich haben uns in Englisch überlegt übernächste Woche eine Party zu schmeißen«, erklärte Carissa. »Etwas –«

»Ganz Großes«, ergänzte Lesa.

»Kleines«, verbesserte Carissa und warf ihrer Freundin einen warnenden Blick zu. »Nur ein paar ausgewählte Leute.«

Dee nickte und ihre grünen Augen funkelten aufgeregt. »Unsere Eltern fahren Freitag weg, das würde also super passen.«

Ich schaute Daemon an. Er zwinkerte mir zu und sofort schlug mein kleines dummes Herz schneller.

»Ich finde es total cool, dass eure Eltern euch zu Hause eine Party feiern lassen«, sagte Carissa. »Meine würden sofort austicken, wenn ich damit ankäme.«

Dee zuckte mit einer Schulter und wandte den Blick ab. »Unsere Eltern sind da ziemlich locker.«

Ich spürte einen Stich, zwang mich aber, mir nichts anmerken zu lassen. Wahrscheinlich wünschte Dee sich nichts so sehr, als dass ihre Eltern noch am Leben wären. Vielleicht ging es Daemon sogar genauso. Dann würde er nicht mehr die Last tragen müssen, für die Familie verantwortlich zu sein.

Immer mehr war ich zu dem Schluss gekommen, dass der Großteil seines unmöglichen Verhaltens auf Stress zurückzuführen war. Außerdem war da der Tod seines Zwillingsbruders …

Der Rest der Mittagspause war von Diskussionen über die Party beherrscht. Der Zeitpunkt war super, da ich an dem darauffolgenden Samstag Geburtstag haben würde. Doch die Nachricht von einer Party würde sich wie ein Lauffeuer verbreiten. In einer Kleinstadt, in der ein Trinkgelage auf einem Stoppelfeld die Attraktion an einem Freitagabend war, würde die Party auf keinen Fall »klein« bleiben können. War Dee das klar?

»Ist das für dich denn in Ordnung?«, flüsterte ich Daemon zu.

Er zuckte mit den Schultern. »Ich kann sie sowieso nicht daran hindern.«

Mir war klar, dass er es gekonnt hätte, wenn er wollte, also war es für ihn offenbar in Ordnung.

»Keks?«, fragte er und bot mir einen großen Cookie mit dicken, fetten Schokostückchen an.

Magenverstimmung hin oder her, den konnte ich einfach nicht ablehnen. »Gern.«

Sein Mundwinkel ging leicht nach oben und er rückte noch näher an mich heran. »Komm, hol ihn dir.«

Komm, hol…? Daemon schob sich den Cookie zur Hälfte zwischen die vollen, zum Küssen einladenden Lippen.

Ach, du heiliger Alien-Charme …

Mir blieb der Mund offen stehen. Mehrere Mädchen am Tisch gaben Laute von sich, die darauf hindeuteten, dass sie kurz davor waren, unter dem Tisch zu Pfützen zusammenzuschmelzen. Doch ich war nicht dazu in der Lage, den Blick abzuwenden, um nachzusehen.

Dieser Keks – diese Lippen – waren einfach zu verlockend.

Meine Wangen begannen zu glühen und ich spürte nicht nur die Blicke der anderen, sondern … oh Gott, auch Daemons. Mit erhobenen Brauen sah er mich herausfordernd an.

Dee ließ ein theatralisches Würgen hören. »Ich glaub, ich muss kotzen.« Ich war wie versteinert und wäre am liebsten im Erdboden versunken. Was glaubte er eigentlich, was ich tun würde? Ihm den Cookie aus dem Mund essen wie in einer nicht jugendfreien Version von Susi und Strolch? In gewisser Weise hätte ich es sogar gerne getan und ich war mir nicht sicher, was das über mich aussagte.

In dem Moment nahm Daemon den Cookie selbst heraus. Seine Augen blitzten, als hätte er gerade eine Auseinandersetzung gewonnen. »Zu spät, Kätzchen.«

Ich konnte ihn nur anstarren.

Unterdessen brach er den Cookie in zwei Hälften und reichte mir die größere. Ich riss sie ihm aus der Hand und die Versuchung war groß, sie ihm postwendend ins Gesicht zu feuern … aber bei so dicken Schokostückchen ging das einfach nicht. Deshalb genoss ich lieber schweigend.

Als ich danach einen weiteren Schluck von dem Smoothie trank, lief mir auf einmal ein kalter Schauer über den Rücken und mich beschlich das ungute Gefühl, beobachtet zu werden. In der festen Annahme, Daemons Ex-Alien-Freundin würde mich mal wieder von irgendwoher mit ihrem typischen Zickenblick beäugen, ließ ich den Blick über die Kantine schweifen, sah dann aber, dass Ash Thompson mit einem anderen Typen ins Gespräch vertieft war. Aha? War er womöglich ein Lux? Viele gab es nicht in ihrem Alter, aber ich konnte mir kaum vorstellen, dass die ach-so-wunderbare Ash einen menschlichen Jungen so anlächeln würde. Ich löste den Blick von ihr und schaute mich weiter in der Kantine um.

An der Flügeltür, die zur Bibliothek führte, entdeckte ich Mr Garrison, doch der war damit beschäftigt, einen Tisch voller Deppen zu beobachten, die aus ihrem Kartoffelpüree raffinierte Kunstwerke kreierten. Niemand schaute auch nur andeutungsweise in unsere Richtung.

Ich schüttelte den Kopf und kam mir blöd vor, weil ich mich grundlos hatte aus der Ruhe bringen lassen. Es war kaum anzunehmen, dass ein Arum mit Gebrüll die Schulkantine entern würde. Vielleicht hatte ich mir etwas eingefangen. Als ich nach der Kette um meinen Hals tastete, zitterten meine Hände ein wenig. Der Obsidian fühlte sich kühl auf meiner Haut an, beruhigend – er verströmte Sicherheit. Ich durfte nicht immer gleich ausflippen. Vielleicht war mir deshalb so schwindelig.

An dem Typen, der neben mir saß, lag es auf jeden Fall nicht.

Auf der Post lagen mehrere Päckchen für mich, was mir aber nur ein verhaltenes Kieksen entlocken konnte. Sie enthielten Vorabexemplare, die andere Blogger zum Rezensieren weitergeschickt hatten. Dass mich der Anblick eher kaltließ, war der eindeutige Beweis dafür, dass ich mir den Rinderwahnsinn eingefangen haben musste.

Die Fahrt nach Hause war die Hölle. Meine Hände fühlten sich kraftlos an und ich konnte mich nicht konzentrieren. Als ich auf dem Weg die Stufen hinauf zu unserer Eingangstür ein Prickeln in meinem Nacken verspürte, presste ich die Post an mich und beachtete es nicht. Auch den eins neunzig großen Typen, der auf der Veranda am Geländer lehnte, beachtete ich nicht.

»Du bist nicht direkt nach der Schule nach Hause gekommen«, motzte er, als wäre er mein persönlicher, extranerviger, aber superattraktiver Leibwächter, dem ich mich erfolgreich entzogen hätte.

Mit der freien Hand wühlte ich nach meinem Schlüssel. »Wie du siehst, musste ich noch zur Post.« Ich stieß die Tür auf und legte den Stapel auf dem Tischchen im Flur ab. Natürlich stand er im nächsten Moment hinter mir, ohne auf eine Einladung zu warten.

»Die Post hättest du auch später holen können.« Daemon folgte mir in die Küche. »Was ist das überhaupt? Nur Bücher?«    

Seufzend nahm ich den O-Saft aus dem Kühlschrank. Leute, die für Bücher nichts übrighatten, konnten es einfach nicht begreifen. »Ja, nur Bücher.«

»Wahrscheinlich sind gerade keine Arum in der Nähe, aber man kann nie vorsichtig genug sein und du trägst eine Lichtspur an dir, die sie direkt zu uns führen wird. Das ist im Moment wichtiger als deine Bücher.«

O nein, Bücher waren wichtiger als Arum. Ich goss mir ein Glas Saft ein. Mir fehlte die Energie, mich mit Daemon auseinanderzusetzen. Die Kunst des höflichen Small Talks beherrschten wir leider noch nicht. »Willst du was trinken?«

Er seufzte. »Okay. Milch?«

Ich machte eine Geste in Richtung Kühlschrank. »Bedien dich.«

»Du hast es mir angeboten. Solltest du sie mir dann nicht holen?«

»Ich habe dir O-Saft angeboten«, erwiderte ich und trug mein Glas zum Tisch, »aber du wolltest ja unbedingt Milch. Und bitte nicht so laut. Meine Mom schläft.«

Leise brummelnd schenkte er sich ein Glas Milch ein. Als er sich mir gegenüber niederließ, fiel mir auf, dass er eine schwarze Jogginghose trug. Sofort musste ich an das letzte Mal denken, als er in diesem Outfit bei mir zu Hause aufgekreuzt war. Es war ziemlich heiß hergegangen. Die anfängliche Auseinandersetzung war in eine ernsthafte Knutscherei abgedriftet, die aus einem meiner kitschigen Liebesromane hätte stammen können. Noch immer hielt mich diese Erinnerung abends wach. Auch wenn ich es nie zugeben würde.

Es war so heiß hergegangen, dass Daemon mit seinem Alien-Zauber die meisten Lampen in meinem Haus zum Zerbersten gebracht und meinen Laptop gekillt hatte. Der Laptop und damit mein Blog fehlten mir sehr. Zu meinem Geburtstag hatte Mom mir einen neuen Laptop versprochen. Noch zwei Wochen …

Ohne ihn anzusehen, fummelte ich an meinem Glas herum. »Kann ich dich was fragen?«

»Kommt drauf an«, erwiderte er ruhig.

»Wenn wir zusammen sind … spürst du dann etwas?«

»Abgesehen davon, was ich heute Morgen gespürt habe, als ich dich in dieser Jeans gesehen habe?«

»Daemon«, seufzte ich und versuchte den Teil in mir zu ignorieren, der insgeheim kreischte: ER HAT MICH BEMERKT! »Ich meine es ernst.«

Mit seinen langen Fingern malte er beiläufig Kreise auf den Tisch. »Dieses warme Prickeln im Nacken. Meinst du das?«

Ich blickte auf und sah das Zucken in seinem Mundwinkel. »Ja, du spürst es auch?«

»Immer, wenn du in der Nähe bist.«

»Stört es dich nicht?«

»Dich etwa?«

Ich war mir nicht sicher, wie ich darauf antworten sollte. Das Prickeln tat nicht weh, es war nur ein seltsames Gefühl. Aber was dahinterstand, störte mich tatsächlich – diese verdammte Verbindung, über die wir nichts wussten. Selbst unsere Herzen schlugen im Gleichtakt.

»Es könnte … eine Nebenwirkung des Heilens sein.« Daemon sah mich über den Rand seines Glases hinweg an. Wahrscheinlich sah er selbst mit einem Milchbart noch gut aus. »Geht es dir gut?«, fragte er.

Nicht wirklich. »Warum?«

»Du siehst beschissen aus.«

Zu jeder anderen Zeit wäre ich nach so einer Antwort ausgerastet, doch jetzt stellte ich nur mein halb leeres Glas ab. »Ich glaube, ich habe mir etwas eingefangen.«

Er zog die Brauen zusammen. Mit dem Konzept »Kranksein« konnte Daemon wohl nichts anfangen. Die Lux wurden nicht krank. Nie. »Was ist los?«

»Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich habe ich Alienitis.«

Daemon schnaubte. »Das bezweifele ich. Ich kann nicht zulassen, dass du jetzt krank wirst. Du musst raus und deine Lichtspur abarbeiten. Solange du das nicht tust, bist du –«

»Wenn du jetzt sagst, ich sei eine Schwachstelle, kannst du dich auf etwas gefasst machen.« Wut verdrängte das flaue Gefühl in meinem Magen. »Ich glaube, ich habe bewiesen, dass ich das nicht bin. Immerhin habe ich Baruck fortgelockt und getötet.« Nur mit Mühe gelang es mir, leise zu sprechen. »Ich mag zwar ein Mensch sein, aber das heißt nicht, dass ich schwach bin.«

Er setzte sich zurück und hob die Brauen. »Ich wollte sagen, dass du bis dahin in Gefahr bist.«

»Oh.« Die Röte schoss mir ins Gesicht. Hups. »Okay, aber ich bin trotzdem nicht schwach.«

Gerade noch hatte Daemon mir gegenübergesessen, aber ehe ich mich’s versah, kniete er vor mir auf dem Boden. Um mir ins Gesicht sehen zu können, musste er leicht nach oben schauen. »Ich weiß, dass du nicht schwach bist. Das hast du bewiesen. Auch wenn ich immer noch nicht weiß, wie du unsere Kräfte angezapft hast, wie es dazu kommen konnte. Aber eine Schwachstelle bist du auf keinen Fall. Niemals.«

Wow. Es war schwer, hart zu bleiben und mir nichts Lächerliches einzubilden, was unsere Beziehung anging, nur weil er gerade … nett war und mich ansah, als wäre ich das letzte Stück Schokolade auf der Welt.

Was mich an den verdammten Schoko-Cookie in seinem Mund erinnerte.

Seine Mundwinkel zuckten, als wüsste er, was ich dachte, und versuchte ein Lächeln zu unterdrücken. Nicht sein schiefes Grinsen, sondern ein echtes Lächeln. Doch dann richtete er sich unvermittelt auf und blickte von oben auf mich herab. »Jetzt musst du mir noch mal beweisen, dass du nicht schwach bist. Beweg deinen Hintern und lass uns endlich diese Lichtspur abarbeiten.«

Ich stöhnte. »Ich fühl mich wirklich nicht gut, Daemon.«

»Kat …«

»Ich jammere nicht, weil ich dir Probleme bereiten will. Mir ist kotzübel.«

Er verschränkte die muskulösen Arme und das eng anliegende Shirt spannte über seiner Brust. »Es ist zu gefährlich, wenn du wie ein Leuchtturm herumläufst. Solange du die Spur mit dir herumträgst, kannst du nichts tun. Nirgends hingehen.«

Ich erhob mich, ohne auf mein Magengrummeln zu achten. »Ich geh mich umziehen.«

Mit großen Augen trat er überrascht zurück. »So leicht gibst du auf?«

»Aufgeben?« Ich lachte hölzern. »Ich will dich nur loswerden.«

»Red dir das ruhig weiter ein, Kätzchen«, konterte Daemon glucksend.

»Und du benutz nur weiter deine Egobooster.«

Im nächsten Augenblick stand er in der Tür und versperrte mir den Weg, bevor er langsam und mit gesenktem Kopf, die Augen auf mich gerichtet, näher kam. Ich wich zurück, bis ich hinter mir den Küchentisch ertastete.

»Was ist?«

Er legte die Hände an meine Hüften und lehnte sich nach vorne. Ich spürte seinen warmen Atem auf der Wange und unsere Blicke trafen sich. Als er noch ein winziges Stück näher kam, berührten seine Lippen mein Kinn. Ein erstickter Laut entwich meiner Kehle und ließ mich gegen ihn sinken.

Doch im nächsten Moment wich Daemon zurück und lachte selbstzufrieden. »Jep … hier geht es nicht um mein Ego, Kätzchen. Sieh zu, dass du fertig wirst.«

Verdammter Mist!

Auf dem Weg nach oben zeigte ich ihm noch den Mittelfinger. Meine Haut fühlte sich klamm und eklig an, was nichts damit zu tun hatte, was gerade geschehen war. Dennoch zog ich mir eine Trainingshose und ein Fleece-Shirt über. Laufen war das Letzte, wonach ich mich fühlte. Allerdings ging ich nicht davon aus, dass Daemon sich darum scherte, wie unwohl mir war.

Für ihn zählte lediglich, wie es ihm und seiner Schwester ging.

Das stimmt nicht, flüsterte eine beharrliche Stimme in meinem Kopf. Doch vielleicht lag sie sogar richtig. Er hatte mich geheilt, als er mich auch hätte sterben lassen können, und ich hatte seine Gedanken gehört, ihn mich anflehen gehört ihn nicht zu verlassen.

Doch egal wie es um seine Gefühle stand, ich musste den Würgereiz hinunterschlucken und joggen gehen. Mein sechster Sinn sagte mir, dass dies kein gutes Ende nehmen konnte.

Kapitel 2

Zwanzig Minuten hielt ich durch.

Dann hatten mich das unebene Terrain im Wald, der kalte Novemberwind und der Typ neben mir geschafft. Auf halbem Wege zum See machte ich einfach kehrt und ging so schnell wie möglich zurück nach Hause. Daemon rief mir einige Male hinterher, aber ich beachtete ihn nicht. Kaum hatte ich das Badezimmer erreicht, übergab ich mich – mit vor Tränen nassen Wangen hing ich auf Knien über der Toilette, hielt mich an der Schüssel fest und kotzte mir die Seele aus dem Leib. Es war so übel, dass meine Mutter davon aufwachte.

Sie eilte ins Badezimmer und hielt mir das Haar zurück. »Wie lange ist dir schon schlecht, Schatz? Seit ein paar Stunden, den ganzen Tag oder erst jetzt?«

Meine Mutter – stets die fürsorgliche Krankenschwester. »Es ging schon den ganzen Tag auf und ab«, stöhnte ich und ließ den Kopf an die Badewanne sinken.

Sie schnalzte leise mit der Zunge und legte eine Hand an meine Stirn. »Du glühst ja, Schatz.« Sie griff nach einem Handtuch und hielt es unter den laufenden Wasserhahn. »Wahrscheinlich sollte ich bei der Arbeit Bescheid sagen –«

»Nein, es geht schon.« Ich nahm ihr das Handtuch aus der Hand und drückte es mir auf die Stirn. Die Kühle tat gut. »Das ist nur ein kleiner Infekt und jetzt geht es mir auch schon wieder besser.«

Meine Mutter wich mir nicht von der Seite, bis ich mich schließlich erhob, um zu duschen. Danach brauchte ich ewig, um mir das lange Schlafshirt überzuziehen. Als ich endlich ins Bett stieg, drehte sich alles um mich herum. Deshalb kniff ich lieber die Augen zu, während ich darauf wartete, dass meine Mutter zurückkehrte.

»Hier ist dein Handy und ein Glas Wasser.« Sie stellte beides auf den Nachttisch und setzte sich neben mich. »Aufmachen.« Langsam öffnete ich ein Auge und sah ein Thermometer vor meiner Nase. Gehorsam machte ich den Mund auf. »Erst wenn ich weiß, wie hoch dein Fieber ist, entscheide ich, ob ich zu Hause bleibe«, erklärte sie. »Wahrscheinlich ist es nur ein Infekt, aber …«

»Mmm«, stöhnte ich.

Sie sah mich unbeeindruckt an und wartete, bis das Thermometer piepte. »Achtunddreißig drei. Nimm die hier.« Sie reichte mir zwei Tabletten, die ich anstandslos schluckte. »Das Fieber ist nicht allzu hoch, aber du bleibst trotzdem im Bett und ruhst dich aus. Ich ruf dich vor zehn an, um zu hören, wie es dir geht, okay?«

Ich nickte und kuschelte mich ein. Ich brauchte nur Schlaf. Sie legte mir noch ein weiteres feuchtes Tuch auf die Stirn. Ich schloss die Augen und war mir fast sicher, gerade das erste Stadium einer Zombie-Infektion durchzumachen.

Ein seltsamer Nebel legte sich über mein Hirn. Ich schlief mit nur einer Unterbrechung, als meine Mutter mich anrief, bis nach Mitternacht. Das T-Shirt klebte auf meiner schweißnassen Haut. Ich wollte die Decke zurückschlagen, stellte dann aber fest, dass sie auf der anderen Seite des Raums über meinem unaufgeräumten Computertisch lag.

Ich setzte mich auf. Auf meiner Stirn hatten sich kalte Schweißtropfen gebildet. Mein Herz hallte laut und ungleichmäßig pochend in meinem Kopf wider, als schlügen in mir zwei Herzen. Meine Haut kribbelte und spannte. Sobald ich aus dem Bett aufgestanden war, begann sich der Raum zu drehen.

Mir war so unglaublich heiß, dass ich das Gefühl hatte, innerlich zu verbrennen. Als wären meine Eingeweide zu einer klebrigen Masse verschmolzen. Ein wilder Gedanke jagte den nächsten in einer unendlichen, sinnlosen Kette. Ich wusste nur, dass ich mich abkühlen musste.

Die Tür zum Flur schlug auf und zog mich an wie ein Magnet. Ohne zu wissen, was ich tat, stolperte ich durch den Flur und weiter nach unten. Die Eingangstür war wie ein Leuchtfeuer, das Erleichterung versprach. Draußen würde es kühl sein. Es würde mir guttun.

Doch es genügte nicht.

Ich stand auf der Veranda und der Wind blies gegen das feuchte Hemd und in mein Haar. Strahlend helle Sterne standen am nächtlichen Himmel. Ich senkte den Blick. Die Bäume am Straßenrand wechselten die Farbe. Gelb. Gold. Rot. Und dann ein matter Braunton.

Ich merkte, dass ich träumte.

Benommen stieg ich von der Veranda hinab. Ich spürte die spitzen Kieselsteine an der Fußsohle, doch sie konnten mich nicht aufhalten. Das Mondlicht leuchtete mir. Mehrere Male glaubte ich, die Welt stünde kopf, doch ich ging weiter.

Schon bald hatte ich den See erreicht. Das onyxfarbene Wasser kräuselte sich in dem blassen Licht. Erst als ich an den Zehen die feuchte Erde am Ufer spürte, blieb ich stehen. Nach wie vor kribbelte meine Haut vor Hitze, ich schwitzte und glühte.

»Kat?«

Langsam drehte ich mich um. Kräftiger Wind blies mir entgegen, als ich die Erscheinung anstarrte. Der Mond teilte das Gesicht in Licht und Schatten und spiegelte sich in den großen strahlenden Augen. Er konnte nicht echt sein.

»Was tust du hier, Kätzchen?«, fragte Daemon.

Er war unscharf, nicht klar zu erkennen. Bislang hatte ich Daemon immer klar erkennen können. Wenn er sich blitzschnell bewegte, sah man ihn kurz verschwommen, aber doch deutlich zu erkennen. »Ich … ich muss mich abkühlen.«

Plötzlich schien er zu verstehen. »Geh auf keinen Fall in den See.«

Ich trat zurück. Eiskaltes Wasser umspielte erst meine Knöchel und dann meine Knie. »Warum nicht?«

»Warum nicht?« Er ging einen Schritt auf mich zu. »Er ist viel zu kalt. Zwing mich nicht, dich da rauszuholen.«

In meinem Kopf pochte es. Mir starben eindeutig die Gehirnzellen ab. Ich sank tiefer und nahm das kalte Wasser wie Balsam auf meiner glühenden Haut wahr. Es strömte über meinem Kopf zusammen und nahm mir nicht nur den Atem, sondern auch das innere Brennen. Die Hitze wurde erträglicher, ließ nach. Ewig hätte ich dort bleiben können. Vielleicht sollte ich es einfach tun.

Kräftige Arme griffen nach mir und zogen mich an die Oberfläche. Frische Luft schlug mir entgegen, doch meine Lungen loderten immer noch. Trotzdem atmete ich tief ein, in der Hoffnung, die Hitze zu ersticken, während mich Daemon aus dem wohltuenden Wasser an Land brachte, so schnell, dass ich, ehe ich mich’s versah, wieder am Ufer stand.

»Was ist los mit dir?«, fragte er, packte mich an den Schultern und schüttelte mich ein wenig. »Hast du den Verstand verloren?«

»Lass das.« Kraftlos stieß ich ihn zurück. »Mir ist so heiß.«

Er musterte mich von Kopf bis Fuß. »Du bist heiß, so viel steht fest. Die Nummer mit dem nassen weißen Shirt … sie funktioniert, Kätzchen, aber ein mitternächtliches Bad im November? Das ist doch ein bisschen gewagt, oder?«

Was er sagte, ergab für mich keinen Sinn. Die erholsamen Momente waren vorbei und meine Haut brannte wie zuvor. Ich löste mich aus seinem Griff und stolperte abermals in Richtung See.

Doch bevor ich mich zwei Schritte entfernen konnte, hatte er mich wieder gepackt und drehte mich zu sich herum. »Kat, du kannst nicht in den See gehen. Er ist zu kalt. Du wirst krank.« Er strich mir das Haar zurück, das mir auf den Wangen klebte. »Verdammt, noch kränker, als du es ohnehin schon bist. Du glühst ja.«

Bei diesen Worten klarte mein Verstand ein wenig auf. Ich trat vor und legte den Kopf an seine Brust. Er roch fantastisch. Herb und männlich. »Ich will dich nicht.«

»Ähm, ich glaube nicht, dass das jetzt der richtige Zeitpunkt ist, das auszudiskutieren.«

Es war nur ein Traum. Seufzend schlang ich die Arme um seine straffe Taille. »Aber ich will dich doch.«

Daemon drückte mich an sich. »Ich weiß, Kätzchen. Das ist nicht zu übersehen. Komm jetzt.«

Ich ließ die Arme sinken. »Mir … mir ist nicht gut.«

»Kat.« Er machte sich los, legte beide Hände an meine Wangen und hob meinen Kopf. »Kat, sieh mich an.«

Tat ich es denn nicht schon? Meine Beine gaben nach. Und dann war da nichts mehr. Kein Daemon. Keine Gedanken. Kein Feuer. Keine Katy.

Alles war zusammenhangslos und wie in einem Dunstschleier. Warme Hände hielten mir das Haar aus dem Gesicht. Finger strichen mir über die Wange. Eine tiefe Stimme sprach in einer melodischen, weich klingenden Sprache mit mir. Wie ein Lied, nur … schöner und wohltuender. Eine Weile ließ ich mich davon treiben.

Ich hörte Stimmen.

Einmal glaubte ich Dee zu hören. »Lass das lieber. Dadurch wird die Lichtspur nur noch schlimmer.«

Mein Körper wurde bewegt. Nasse Kleidung entfernt. Etwas Kuscheliges, Wärmendes glitt über meine Haut. Ich versuchte mit den Stimmen um mich herum zu sprechen und vielleicht tat ich es auch. Ich war mir nicht sicher.

Irgendwann wurde ich warm und weich eingehüllt fortgetragen. Unter meiner Wange schlug gleichmäßig ein Herz und wiegte mich in den Schlaf, bis die Stimmen verschwanden und ich schließlich kühle Hände statt warmer spürte. Helles Licht drang zu mir durch. Wieder hörte ich Stimmen. Mom? Sie klang besorgt. Sie sprach mit … jemandem. Jemandem, den ich nicht kannte. Ihm gehörten die kühlen Hände. Ich spürte einen Einstich im Arm und danach einen dumpfen Schmerz, der bis in meine Finger ausstrahlte. Dann wieder gedämpfte Stimmen, schließlich gar nichts mehr.

Es gab für mich weder Nacht noch Tag, sondern nur dieses seltsame Zwischenstadium, während in meinem Körper das Feuer wütete. Dann war die kühle Hand wieder da und zog meinen Arm unter der Decke hervor. Meine Mutter hörte ich nicht, als ich abermals einen Einstich spürte. Hitze rauschte in mich hinein, schoss mir durch die Adern. Nach Luft schnappend bog ich den Rücken und mir entwich ein erstickter Schrei. Alles brannte. Das Feuer in mir tobte zehnmal stärker als zuvor und ich wusste, dass ich sterben würde … Es gab keine andere Erklärung …

Und dann strömte plötzlich eine Kühle wie frische Winterluft durch meine Adern. Zügig löschte sie die Flammen und ließ eine Spur aus Eis zurück.

Die Hände waren jetzt an meinem Hals und hoben etwas hoch … Meine Kette? Dann waren die Hände fort, aber ich spürte den Obsidian über mir summen und vibrieren. Und schließlich schlief ich eine halbe Ewigkeit und war mir nicht sicher, ob ich je wieder erwachen würde.

Vier Tage war ich im Krankenhaus gewesen und hatte so gut wie keine Erinnerung daran. Ich wusste nur, dass ich am Mittwoch in einem unbequemen Bett mit Blick auf eine weiße Decke aufgewacht war und mich gut gefühlt hatte. Ziemlich gut sogar. Meine Mutter hatte an meiner Seite gesessen. Den ganzen Donnerstag hatte ich dann jedem, der sich meiner Zimmertür auch nur genähert hatte, erzählt, dass ich nach Hause wollte, bis ich lange genug herumgezickt hatte und entlassen worden war. Ich hatte offenbar eine ziemlich starke Form der Grippe gehabt, aber nichts Ernstes.

Nun saß meine Mutter mir mit dunklen Augenringen gegenüber und beobachtete, wie ich ein Glas Orangensaft aus dem Kühlschrank in mich hineinkippte. Sie trug Jeans und einen dünnen Pullover. Es war seltsam, sie ohne Kittel zu sehen. »Schatz, bist du dir sicher, dass du schon wieder fit genug für die Schule bist? Wenn du willst, kannst du doch heute noch zu Hause bleiben und erst am Montag wieder gehen.«

Ich schüttelte den Kopf. Drei verpasste Schultage bedeuteten bereits haufenweise nachzuholende Hausaufgaben, die Dee gestern Abend vorbeigebracht hatte. »Mir geht es gut.«

»Schatz, du warst im Krankenhaus. Du solltest es ruhig angehen lassen.«

Ich spülte das Glas ab. »Alles okay, wirklich.«

»Ich weiß, dass du dich wieder besser fühlst.« Sie machte sich an meiner Strickjacke zu schaffen, die ich anscheinend falsch geknöpft hatte. »Will – Dr. Michaels – mag dir das Okay gegeben haben, nach Hause zu gehen, aber du hast mir ganz schön Angst eingejagt. In so einem schlechten Zustand habe ich dich noch nie erlebt. Vielleicht rufe ich ihn mal schnell an und bitte ihn, kurz nach dir zu sehen, bevor er ins Krankenhaus fährt?«

Vollkommen verrückt, aber offenbar war mein Arzt plötzlich »Will« geworden und aus der Bekanntschaft zwischen ihm und meiner Mom etwas Ernsteres, ohne dass ich etwas davon mitbekommen hätte. Ich griff nach meinem Rucksack, hielt aber noch einmal inne. »Mom?«

»Ja?«

»Bist du am Montag mitten in der Nacht nach Hause gekommen? Bevor deine Schicht zu Ende war?« Sie schüttelte den Kopf und ich verstand gar nichts mehr. »Wer hat mich dann ins Krankenhaus gebracht?«

»Bist du dir sicher, dass du dich gut fühlst?« Sie legte eine Hand auf meine Stirn. »Fieber hast du nicht mehr, aber … Dein Freund hat dich ins Krankenhaus gebracht.«

»Mein Freund?«

»Ja, Daemon. Auch wenn ich gern wüsste, wie er um drei Uhr in der Nacht mitbekommen hat, dass es dir so schlecht ging.« Sie verengte die Augen zu Schlitzen. »Das wüsste ich wirklich gern.«

Mist. »Ich auch.«

Bisher von Jennifer L. Armentrout im Carlsen Verlag:
Obsidian. Schattendunkel
Onyx. Schattenschimmer
Opal. Schattenglanz
Origin. Schattenfunke
Opposition. Schattenblitz

Oblivion. Lichtflüstern
Oblivion. Lichtflimmern
Oblivion. Lichtflackern

Revenge. Sternensturm

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Alle deutschen Rechte bei CARLSEN Verlag GmbH, Hamburg 2016
Originalcopyright © 2011 by Jennifer L. Armentrout
Originalverlag: Entangled Publishing, LLC
Originaltitel: »Obsidian. A Lux Novel«
Originalcopyright der Bonusgeschichten »Die erste Begenung«
und »Spaghetti-Ninja« © 2014 by Jennifer L. Armentrout
Originaltitel: »First chapter of OBSIDIAN from Daemon‘s POV …«
und »Uh-oh Spaghetti-o’s«
Erschienen in »Beginnings (Obsidian & Onyx). A Lux Novel«
Copyright © der deutschsprachigen Ausgaben:
2014, 2016 Carlsen Verlag GmbH, Hamburg
Umschlagfotografien: Arcangel Images / © Mark Owen
Lichtreflexe: iStockphoto.com / © Vectorig
Umschlaggestaltung und -typografie: formlabor
Aus dem Englischen von Anja Malich
Satz und E-Book-Umsetzung: Dörlemann Satz, Lemförde
ISBN: 978-3-646-92611-8

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