Sternenfohlen
Im Tal der Drachen
KOSMOS
Umschlag- und Innenillustrationen: Carolin Ina Schröter, Berlin
Umschlaggestaltung: Carmen Oberzaucher, Wien
Sternenfohlen – Im Tal der Drachen,
erzählt von Cordula Setsman
Based on the characters created by Working Partners Ltd.
© Working Partners Ltd. 2015
Unser gesamtes lieferbares Programm und viele
weitere Informationen zu unseren Büchern,
Spielen, Experimentierkästen, DVDs, Autoren und
Aktivitäten findest du unter kosmos.de
© 2015, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart
Alle Rechte vorbehalten
ISBN 978-3-440-14743-6
eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig
„Pst, Wolke!“, zischte Saphira ihrer besten Freundin zu.
Wolke drehte sich verwundert zu ihr um und sah, wie Saphira unauffällig mit ihrem Horn in Richtung ihrer Lehrerin Sirona deutete. Damit wollte ihre Freundin ihr sagen, dass sie besser aufpassen sollte, anstatt verträumt aus dem Fenster des Klassenzimmers zu schauen. Ebenso unmerklich nickte Wolke Saphira zu, um zu zeigen, dass sie verstanden hatte.
Seit ihrem ersten Tag in der Einhornschule waren Saphira und sie die besten Freundinnen und Wolke genoss das Gefühl, sich immer auf sie verlassen zu können. Und natürlich auf Sturmwind, Mondstrahl und Stella, mit denen sich die beiden Einhornmädchen einen Stall teilten und unzertrennlich waren. Gemeinsam hatten die fünf schon viele Abenteuer erlebt, was ihre Freundschaft immer stärker hatte werden lassen.
In den nächsten Minuten versuchte Wolke wirklich, sich auf den Unterricht zu konzentrieren, aber es dauerte nicht lang und ihr Blick schweifte wieder zum Fenster. Ob das niedliche Eichhörnchen noch da war, das sie vorhin beobachtet hatte? Tatsächlich, es flitzte immer noch über den Hof und suchte zwischen den goldgelben Blättern am Boden nach Zaubereicheln und anderen Leckereien.
Was ist denn heute nur los? Sonst fällt es mir doch auch nicht schwer, in Heilkunde aufzupassen, überlegte Wolke schuldbewusst. Immerhin ist es mein absolutes Lieblingsfach.
Dennoch wollte es ihr heute beim besten Willen nicht gelingen. Es war einfach zu schön, dem Eichhörnchen dabei zuzusehen, wie es mit seinem wehenden, buschigen Schweif hin und her sprang, mit seinen Pfoten im Laub wühlte und ab und zu einem davonfliegenden Blatt hinterherjagte. Sein Fell glänzte feuerrot im Sonnenschein und mit seinen schwarzen Knopfaugen schaute es neugierig umher. Es schien bestens gelaunt zu sein, aber das war ja auch kein Wunder an so einem strahlenden Herbsttag. Am liebsten wäre Wolke auch sofort hinausgestürmt, aber die Heilkundestunde war noch lange nicht zu Ende. Immerhin hatten sie danach Pause und konnten nach dem Essen ein wenig auf der Mondscheinwiese herumtollen.
„Wiederhole doch bitte, was ich zuletzt gesagt habe, Wolke“, riss Sironas Stimme das Einhornmädchen aus seinen Gedanken.
Wolke zuckte erschrocken zusammen. Die Heilkundelehrerin war an ihr Pult getreten, ohne dass Wolke es bemerkt hatte, und sah sie nun streng von der Seite an.
„Ähm … ich … also …“, stotterte Wolke. Sie atmete tief durch. „Ich hab leider gerade nicht richtig zugehört. Bitte entschuldige, Sirona.“ Zerknirscht sah Wolke ihre Lehrerin an. Sirona war streng, aber solange man ehrlich zu ihr war, war sie immer gerecht zu ihren Schülern. Hoffentlich würde sie also nicht zu sehr schimpfen.
„So kenne ich dich ja gar nicht, Wolke. Was ist nur los mit dir? Sonst passt du doch immer so gut auf“, erwiderte die Lehrerin.
„Es tut mir leid. Es ist nur …“ Wolke seufzte. „Draußen ist es doch so schön heute, und da im Hof ist die ganze Zeit so ein niedliches Eichhörnchen herumgesprungen. Es hat gespielt und nach Zaubereicheln gesucht. Da konnte ich mich einfach nicht konzentrieren.“
Einige ihrer Mitschüler lachten auf. Beschämt sah Wolke auf ihre Hufe.
„Ja, heute ist wirklich ein wundervoller Tag, Wolke, und bestimmt ist es auch sehr spannend, Eichhörnchen zu beobachten. Aber jetzt haben wir nun mal Heilkundestunde, und ich erwarte, dass ihr alle gut achtgebt und mitmacht. Bald ist Pause, und dann könnt ihr euch draußen austoben.“
„Können wir denn nicht jetzt schon alle rausgehen? Wir könnten doch mal nach den Heilkräutern im Schulgarten sehen“, schlug Silberschweif aus dem Sternenhaus kichernd vor.
Sirona warf ihm einen strafenden Blick zu.
„Oh ja!“, fingen nun auch ein paar andere Schülerinnen an zu betteln.
„Also wirklich!“ Sirona seufzte. „Na gut, ich habe einen Vorschlag: Ihr versprecht jetzt alle, noch so lange gut mitzuarbeiten, bis wir mit dem Kapitel über die Herstellung von Heilkräutersalben fertig sind. Und dann habe ich noch eine Überraschung für euch. Einverstanden?“
Ein aufgeregtes Gemurmel ging durch das Klassenzimmer. Für Überraschungen waren die Einhornfohlen immer zu haben. Was es diesmal wohl sein mochte?
„Och, können wir nicht gleich mit der Überraschung anfangen?“, wollte Mondstrahl wissen und scharrte ungeduldig mit dem Huf.
Sirona musste lachen. „Nein, Mondstrahl, ich fürchte, ihr müsst euch noch gedulden, bis wir mit den Salben fertig sind.“
Wolke nickte energisch mit dem Kopf. Sie war fest entschlossen, den Rest der Stunde besonders gut aufzupassen, anstatt zum Fenster hinauszuschauen. Rasch schrieb sie noch ein paar Stichworte ab, die Sirona während der Stunde an die Tafel gezaubert hatte, und stellte die Ohren aufmerksam auf.
Die angekündigte Überraschung wirkte Wunder: Auf einmal gelang es nicht nur Wolke, sondern auch ihren Klassenkameraden, sich rege am Unterricht zu beteiligen. Auf jede Frage, die die Lehrerin stellte, gab es Meldungen von den Einhornfohlen. Und auch Wolke bekam mehrfach die Gelegenheit, ihrer Lehrerin zu beweisen, dass ihre vorherige Unaufmerksamkeit nur ein Ausrutscher gewesen war. Dreimal konnte sie nicht nur die richtige Antwort geben, sondern wusste auch über die Frage hinaus noch etwas zu berichten. Mit ihrem Eifer steckten sich die Schüler der Heilkundeklasse gegenseitig an, sodass sie im Nullkommanichts mit dem Kapitel fertig waren.
„Das ging ja besser, als ich gedacht hatte“, stellte Sirona nach einer Weile zufrieden fest. Mit einem Zauber schlug sie das dicke Heilkundelehrbuch zu, das auf ihrem Pult lag, und blickte ihre Klasse an.
„Erzählst du uns jetzt von der Überraschung?“, wollte Melodia wissen.
Die Lehrerin lachte auf. „Na, das habe ich euch schließlich versprochen für den Fall, dass ihr alle gut mitarbeitet. Und das habt ihr doch, oder?“
„Natürlich!“ – „Klar!“ – „Das haben wir!“, riefen die Einhornfohlen durcheinander.
„Na dann“, erwiderte Sirona und schmunzelte. „Wie ihr alle wisst, hat der Herbst in Arkadia Einzug gehalten, und der Winter ist nicht mehr fern. Es gab bereits die ersten kühlen Nächte, und ihr wisst doch bestimmt, was das für die Heilkräuter und magischen Pflanzen bedeutet, oder?“