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N. Bernhardt

Buch IX: Kein leichtes Spiel

Der Hexer von Hymal

N. Bernhardt

Buch IX: Kein leichtes Spiel

Der Hexer von Hymal

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2019
1. Auflage, ISBN 978-3-954184-13-2

www.null-papier.de/hymal

null-papier.de/katalog

Inhaltsverzeichnis

Ers­tes Ka­pi­tel: Wür­de und Bür­de

Zwei­tes Ka­pi­tel: Neu­er Graf mit al­ten Ge­treu­en

Drit­tes Ka­pi­tel: Neu­er Graf und alte Pracht

Vier­tes Ka­pi­tel: Hof­ma­gier, wenn es die Zeit er­laubt

Fünf­tes Ka­pi­tel: Kol­le­gen wi­der Wil­len

Sechs­tes Ka­pi­tel: Der un­ge­lieb­te Gast

Sieb­tes Ka­pi­tel: Al­les um­sonst?

Aus­blick

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Das Ende des Ne­kro­man­ten ent­puppt sich als große Chan­ce für Nik­ko. Nicht nur im Ar­ka­nen Or­den ist er seit­dem ein ge­ach­te­ter Mann, son­dern be­kommt auch noch die Graf­schaft Skingár zu­ge­spro­chen, ein äu­ßerst wohl­ha­ben­des Le­hen.

Wie aber wird der Her­zog von Khond­harr rea­gie­ren, der das Tal auch für sich be­an­sprucht? Mit küh­ner Zau­be­rei und der Un­ter­stüt­zung Fy­dals scheint Skingár bald ge­gen einen An­griff ge­wapp­net, doch wie­der kommt al­les an­ders als ge­dacht.

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Website

Wei­te­re In­for­ma­tio­nen zur Rei­he und zum Au­tor fin­den Sie un­ter:

hy­mal.info

Erstes Kapitel: Würde und Bürde

Nik­ko hat­te vor lau­ter Stolz kaum schla­fen kön­nen. Den­noch ver­spür­te er am fol­gen­den Mor­gen kei­ne Mü­dig­keit, ob­wohl es schon die zwei­te Nacht ohne Ruhe war. Nein, die so lan­ge er­sehn­te Meis­ter­wür­de gab ihm den Schwung, den er brauch­te. So elek­tri­siert war der jun­ge Meis­ter noch im­mer, dass er glaub­te, Ener­gie bis in alle Ewig­keit in sich zu ha­ben.

Nun, viel­leicht nicht in alle Ewig­keit. Sein lee­rer Bauch je­den­falls for­der­te ein or­dent­li­ches Früh­stück. Auch ein Meis­ter muss­te schließ­lich es­sen.

So mach­te sich der Zau­be­rer von sei­ner Kam­mer aus auf den Weg zum Spei­se­saal. Dass dies der Ort war, wo Meis­ter Sinúl einst sein un­schö­nes Ende fand, ver­dräng­te er da­bei lie­ber.

»Aus­ge­schla­fen, Meis­ter?«, spot­te­te Xan­thúal, der als Ein­zi­ger dort an­we­send war, und ließ es sich nicht neh­men, den Ti­tel der­art ab­fäl­lig zu be­to­nen, dass klar war, was er wirk­lich von Nik­ko hielt.

Der jun­ge Zau­be­rer nick­te nur kurz und frag­te sich, warum der Kerl ihn ges­tern noch so sehr un­ter­stützt hat­te. Ohne sei­ne Für­spra­che wäre er wohl nach wie vor bloß ein Adept. Doch mach­te Xan­thúal es ihm all­zu schwer, da­für Dank­bar­keit zu emp­fin­den.

»Die Meis­ter Gil­hatán und Pe­ryn­dor sind schon nach Zun­daj vor­ge­reist«, ver­kün­de­te der in Schwarz ge­kut­te­te Zau­be­rer dann. »Wir wer­den es ih­nen in Kür­ze gleich­tun.«

»Was wol­len wir denn in Zun­daj?«, war Nik­ko über­rascht und fühl­te auf ein­mal großes Un­be­ha­gen.

Gera­de hier mit Xan­thúal al­lein zu sein, war ja schon schlimm ge­nug. Zwar schi­en es so, als sei­en sie jetzt auf der glei­chen Sei­te, aber Nik­ko miss­trau­te dem Or­den nach wie vor, und al­len vor­an die­sem fins­te­ren Zau­be­rer. Dass sie nun auch noch nach Zun­daj rei­sen soll­ten, mach­te die Sa­che nicht bes­ser.

»Meis­ter Gil­hatán kann es sich doch nicht neh­men las­sen, den neues­ten Meis­ter des Ar­ka­nen Or­dens über­all her­um­zu­zei­gen«, höhn­te Xan­thúal. »Ihr wer­det dort ei­ni­ge Pat­sche­händ­chen zu schüt­teln ha­ben, jun­ger Kol­le­ge!«

»Au­ßer­dem gibt es viel zu ent­schei­den«, fuhr er wich­tig­tue­risch fort. »Der Rat tagt heu­te Mor­gen. Wes­halb, soll­te Euch am klars­ten sein.«

»Wa­rum dann über­haupt das gest­ri­ge Tref­fen hier in Te­rys?«, ver­stand Nik­ko die Lage nicht mehr. »Ich dach­te, in Zun­daj sei es nicht si­cher.«

»Was hat denn das eine mit dem an­de­ren zu tun?«, tat Xan­thúal ge­nervt. »Dass der Or­den sich zu spal­ten droht, heißt doch noch lan­ge nicht, dass wir gleich alle mit Feu­er­bäl­len auf­ein­an­der los­ge­hen!«

»Nein, Meis­ter Nik­ko«, säu­sel­te er. »Als Zau­be­rer wis­sen wir, auch mit un­se­ren Fein­den einen kul­ti­vier­ten Um­gang zu pfle­gen. So ist es schon eine Fra­ge von An­stand und Re­spekt, dass Ihr als frisch er­nann­ter Meis­ter auch un­se­ren Geg­nern im Or­den prä­sen­tiert wer­det.«

»Dass die­se Leu­te bei un­se­rem gest­ri­gen … Ge­spräch nichts zu su­chen hat­ten, ist eine völ­lig an­de­re Sa­che«, grins­te er. »Das soll­te Euch als … Meis­ter ei­gent­lich klar sein.«

So un­aus­steh­lich, wie eh und je! Aber warum nur hat­te der Kerl ihn ges­tern noch so un­ter­stützt? Heu­te schi­en er dem jun­gen Meis­ter ja kaum mehr ge­wo­gen zu sein.

Nik­ko hat­te na­tür­lich kei­ne Ah­nung, wer in die­sem Spiel wel­che Rol­le hat­te. Es war nicht ein­mal un­mög­lich, dass Xan­thúal von Gil­hatán dazu ge­nö­tigt wor­den war, sich so für den Adep­ten ein­zu­set­zen. Die­ser hat­te je­den­falls den Ein­druck er­weckt, von der Hexe­rei des Ne­kro­man­ten selbst kaum Wis­sen zu ha­ben, sie aber trotz­dem für äu­ßerst nütz­lich zu hal­ten.

Hat­te Gil­hatán etwa da­für ge­sorgt, dass Nik­ko als Meis­ter des Or­dens fest an die­sen ge­bun­den war? War er viel­leicht nur dar­an in­ter­es­siert, die si­nis­te­ren Küns­te des Gra­fen im Ar­se­nal des Or­dens zu wis­sen, oder in sei­nem ei­ge­nen?

Xan­thúal hin­ge­gen schi­en durch­aus sei­ne Er­fah­run­gen mit der schwar­zen Ma­gie ge­macht zu ha­ben. Ob sich sein Kön­nen mit dem des Ne­kro­man­ten ver­glei­chen ließ, war aber eher frag­lich. Als Adep­ten hät­te er die eine oder an­de­re In­for­ma­ti­on aus Nik­ko her­aus­pres­sen kön­nen, den neu­en Meis­ter muss­te er je­doch als Kon­kur­ren­ten fürch­ten.

Eine ver­zwick­te Lage für den fie­sen Kerl. Aber auch für Nik­ko selbst war die Sa­che nicht ohne Ge­fahr. Wie konn­te er da­von am bes­ten pro­fi­tie­ren? Schließ­lich be­stand die Mög­lich­keit, dass aus­ge­rech­net Xan­thúal der letz­te Ma­gier war, der Nik­kos Wis­sens­lücken in der dunklen Schu­le der Zau­be­rei schlie­ßen konn­te.

»Weiß Sei­ne Kö­nig­li­che Ho­heit ei­gent­lich, wie Euer Vor­gän­ger ums Le­ben kam?«, höhn­te der jun­ge Meis­ter, um sich schon einen Au­gen­blick spä­ter fra­gen zu müs­sen, ob er hier nicht zu sehr mit dem Feu­er spiel­te.

»Na­tür­lich nicht«, grins­te Xan­thúal und kon­ter­te: »Eben­so we­nig wie der Her­zog von Hy­mal weiß, dass er einen Apo­staten zum Gra­fen er­nann­te.«

Das hat­te ge­ses­sen! Wa­rum hat­te er sich nur dar­auf ein­ge­las­sen, den Kerl so zu pro­vo­zie­ren? Was hat­te er sich da­von bloß ver­spro­chen? Doch war Xan­thúal nun ein­mal ei­ner der we­ni­gen Men­schen, die Nik­ko zur schie­ren Weiß­glut trei­ben konn­ten.

Die Fra­ge, ob Meis­ter Gil­hatán von der Er­mor­dung Sinúls wuss­te, wäre wohl an­ge­mes­se­ner ge­we­sen. Sie jetzt noch zu stel­len, er­schi­en dem jun­gen Zau­be­rer al­ler­dings we­ni­ger rat­sam.

Wort­los be­dien­te sich Nik­ko da­her am Früh­stücks­tisch. Un­ter den ge­häs­si­gen Bli­cken Xan­thúals moch­te ihm das Mahl zwar kaum mun­den, aber der frisch­ge­ba­cke­ne Meis­ter woll­te sich da­von nichts an­mer­ken las­sen.

Am frü­hen Nach­mit­tag hat­te Xan­thúal die bei­den dann nach Zun­daj tele­por­tiert, di­rekt in den Haupt­sitz des Ar­ka­nen Or­dens. Nik­ko war seit an­dert­halb Jah­ren nicht mehr hier ge­we­sen und hat­te wahr­lich kei­ne gu­ten Erin­ne­run­gen an die­sen Ort.

We­nigs­tens hat­te sich Xan­thúal wei­te­ren Spott und Pro­vo­ka­tio­nen ver­knif­fen. Wäh­rend des Tele­ports und auch nach­her, als sie durch die un­zäh­li­gen Gän­ge des An­we­sens mar­schier­ten, hat­te er zu Nik­kos Freu­de kaum noch ein Wort von sich ge­ge­ben.

Im großen Saal, des­sen rie­si­ger Ka­min den Raum heu­te in fest­li­ches Licht tauch­te, en­de­te die Rei­se. Nicht, dass man das Feu­er der Wär­me we­gen brauch­te. Es war zwar tiefs­ter Win­ter, doch hier im Sü­den war es noch im­mer reich­lich warm. Im­mer­hin aber nicht ganz so heiß und schwül wie im Som­mer, freu­te sich Nik­ko.

Die Stim­mung im Saal war weit we­ni­ger fest­lich, als die Be­leuch­tung ver­mu­ten ließ. Tat­säch­lich herrsch­te ein Kli­ma der Be­drückung, fast so, als ob es je­den Mo­ment großen Är­ger ge­ben wür­de.

Der jun­ge Meis­ter trug zwar noch im­mer sei­ne blaue Adep­ten­kluft, aber sei­ne Be­för­de­rung hat­te sich be­reits her­um­ge­spro­chen. Je­den­falls wur­de er wie­der und wie­der von Zau­be­rern be­glück­wünscht, wo­bei er die we­nigs­ten der Her­ren vor­her schon ein­mal ge­se­hen hat­te.

Knap­pe drei Dut­zend Zau­be­rer zähl­te Nik­ko. Auch wenn die ho­hen Meis­ter des Ra­tes noch nicht ein­ge­trof­fen wa­ren, frag­te er sich, ob die An­we­sen­den etwa al­les wa­ren, was der Ar­ka­ne Or­den auf­zu­bie­ten hat­te.

Viel ge­re­det wur­de nicht, eher ge­tu­schelt. Bald schon hat­ten sich die Zau­be­rer in zwei Grup­pen auf­ge­teilt. Bei ei­ner stand Xan­thúal, und auch Meis­ter Ka­lih. Meis­ter Quax­tár, das ein­zi­ge wei­te­re ihm be­kann­te Ge­sicht, hat­te sich da­ge­gen zur an­de­ren Grup­pe ge­sellt.

Was er­war­te­te man nun von ihm? Soll­te er sich zu sei­ner Grup­pe be­ge­ben, wel­che wohl die wäre, bei der Xan­thúal und Ka­lih stan­den? Wa­ren die An­de­ren die An­hän­ger Rho­ba­nys? Ver­fluch­ter Xan­thúal! Wa­rum hat­te er ihm nicht vor­her ge­sagt, wie er sich jetzt ver­hal­ten soll­te? Wahr­schein­lich er­götz­te sich der Kerl auch noch an Nik­kos Un­si­cher­heit!

Es wa­ren die ho­hen Meis­ter, die ihn we­ni­ge Au­gen­bli­cke spä­ter ret­te­ten, in­dem sie alle Auf­merk­sam­keit auf sich zie­hend in den Saal ein­zo­gen.

Al­len vor­an Gil­hatán, der wohl for­mal noch im­mer dem Or­den vor­stand. Gleich hin­ter ihm der Hof­ma­gier des Kö­nigs. Wie hieß er bloß? Makûl oder so ähn­lich. Da­hin­ter folg­ten Sa­hil, ei­ni­ge un­be­kann­te Ge­sich­ter und Pe­ryn­dor als letz­ter.

Auch die Rats­mit­glie­der lie­ßen es sich nicht neh­men, dem neu­en Meis­ter die Hand zu ge­ben. Ihre Na­men konn­te sich Nik­ko je­doch kaum mer­ken. Viel zu an­ge­spannt war er, um rich­tig auf­zu­pas­sen.

»Meis­ter Nik­ko?«, schi­en der letz­te des Ra­tes er­staunt und spot­te­te: »Ein un­ge­wöhn­li­cher Name für einen Zau­be­rer, um nicht zu sa­gen, ein un­an­ge­mes­se­ner.«

Der Meis­ter, der ei­gent­lich viel zu jung er­schi­en, um ein Mit­glied des Ar­ka­nen Ra­tes zu sein, war eher klein ge­ra­ten und schlank. Den­noch ver­sprüh­te er eine Aura von Stär­ke und Au­to­ri­tät. So brach­te es Nik­ko ein­fach nicht über die Lip­pen, dem un­ver­schäm­ten Kom­men­tar zu wi­der­spre­chen.

»Oh, ver­zeiht, Meis­ter«, ver­beug­te sich der adrett ra­sier­te Mann mit stroh­blon­dem Haar und blau­en Au­gen. »Ich bin im Or­den als Meis­ter Khon­dyr be­kannt.«

»Au­ßer­halb un­se­rer Ge­mein­schaft aber nennt man mich Sei­ne Ho­heit Rho­ba­ny, Her­zog von Khond­harr«, grins­te der Kerl. »Habe die Ehre, mein jun­ger Freund.«

Ohne Nik­ko die Mög­lich­keit ei­ner Er­wi­de­rung zu ge­ben, ent­fern­te sich der Her­zog, um sich zu den Sei­ni­gen zu ge­sel­len. Zu die­sen stell­ten sich auch Meis­ter Sa­hil so­wie die Mehr­zahl der an­de­ren Rats­mit­glie­der.

Gil­hatán, Pe­ryn­dor, Makûl und der Rest des ein reich­li­ches Dut­zend um­fas­sen­den Ar­ka­nen Ra­tes schlos­sen sich der Grup­pe an, bei der Xan­thúal und Ka­lih weil­ten. Ein ein­dring­li­cher Blick des Groß­meis­ters war Nik­ko Auf­for­de­rung ge­nug, es ih­nen end­lich gleich zu tun.

Noch im­mer vom Zu­sam­men­tref­fen mit dem Her­zog von Khond­harr ver­wirrt, lief der jun­ge Meis­ter wie in Tran­ce zu sei­nen Leu­ten.

»Meis­ter Khon­dyr hat­te uns jah­re­lang an der Nase her­um­ge­führt«, zisch­te Gil­hatán und nahm Nik­ko zur Sei­te. »Es ist nicht un­üb­lich, sich einen Or­dens­na­men zu­zu­le­gen. Sei­ne wah­re Iden­ti­tät so zu ver­heim­li­chen, ist je­doch ein Frech­heit!«

»Ist er nicht et­was jung für ein Mit­glied des Ra­tes?«, wun­der­te sich Nik­ko, als er sich wie­der et­was ge­fan­gen hat­te.

»Wie kommt Ihr auf die Idee, dass er im Rat sitzt?«, schi­en Gil­hatán ver­wirrt. »Nein, er war nur hin­zu­ge­la­den, um die Lage in Skingár zu er­ör­tern. Als Her­zog von Khond­harr hat er in die­ser An­ge­le­gen­heit nun ein­mal ein Wört­chen mit­zu­re­den.«

»Was ist da­bei her­aus­ge­kom­men?«, woll­te der jun­ge Meis­ter wis­sen. »Was wird aus Skingár?«

»Dar­über re­den wir spä­ter«, be­ru­hig­te ihn der hohe Meis­ter. »Wir wer­den in den kom­men­den Ta­gen noch ge­nug Zeit ha­ben, al­les in Ruhe zu be­spre­chen.«

Den fol­gen­den Tag hat­te Nik­ko al­lein auf dem Or­dens­ge­län­de ver­bracht, wo man ihm nun ein Zim­mer im Meis­ter­flü­gel zur Ver­fü­gung ge­stellt hat­te. Nach ei­ner wei­te­ren schlaflo­sen Nacht hat­te der Tag ihm dann doch noch ei­ni­ge Mög­lich­kei­ten ge­bo­ten, et­was Ruhe zu fin­den, die er auch bit­ter nö­tig ge­habt hat­te. Nicht ein­mal die wohl­be­stück­te Biblio­thek hat­te ihn da lo­cken kön­nen.

Es schi­en so, als ob fast alle Meis­ter gleich nach dem Fest wie­der ab­ge­reist wa­ren. Tat­säch­lich war Nik­ko an die­sem gan­zen Tag nur Quax­tár über den Weg ge­lau­fen. Sa­hil hat­te er hin­ge­gen nur kurz aus der Fer­ne er­späht. Da bei­de Ma­gier aber zum an­de­ren La­ger ge­hör­ten, hat­te er aber lie­ber dar­auf ver­zich­tet, das Ge­spräch mit ih­nen zu su­chen.

Wo sich die Zau­be­rer sei­nes La­gers be­fan­den, hat­te er nicht ge­wusst. Auch war der Or­dens­sitz zu groß und viel zu un­über­sicht­lich, um alle Räu­me ab­zu­su­chen. So sehr Nik­ko mit Gil­hatán oder Pe­ryn­dor hat­te spre­chen wol­len, es war ihm nur das War­ten ge­blie­ben.

Als der jun­ge Meis­ter am dar­auf­fol­gen­den Mor­gen beim Früh­stück saß und dar­über nach­dach­te, wie er sei­ne Zeit hier sinn­vol­ler nut­zen konn­te, kam Meis­ter Gil­hatán plötz­lich in den Spei­se­saal stol­ziert.

»Gu­ten Mor­gen, Meis­ter Nik­ko«, grüß­te er und schi­en bes­ter Lau­ne zu sein.

»Gu­ten Mor­gen, Meis­ter Gil­hatán«, ant­wor­te­te der jun­ge Zau­be­rer. »Wollt Ihr Euch nicht dazu set­zen und das Mor­gen­mahl mit mir neh­men?«

»Ich bin nicht hung­rig«, zuck­te Gil­hatán die Schul­tern. »Doch sucht mich bit­te auf, so­bald Ihr fer­tig seid. Es gibt ei­ni­ges zu be­spre­chen.«

»Ich bin fer­tig«, war Nik­ko jetzt ganz auf­ge­regt und stopf­te sich das letz­te Stück Ge­bäck in den Mund.

»Dann folgt mir, Meis­ter«, lä­chel­te Gil­hatán. »In mei­nen Räum­lich­kei­ten sind wir un­ge­stört.«

Wort­los führ­te der alte Meis­ter den jun­gen zu sei­nem Zim­mer, das in ir­gend­ei­nem Türm­chen in ir­gend­ei­ner Ecke ir­gend­ei­nes Flü­gels des ver­wir­ren­den Kom­ple­xes ge­le­gen war. Ein Be­diens­te­ter wies Nik­ko auf einen Ses­sel und goss ihm Tee in eine Tas­se. Mit ei­nem tie­fen Ver­beu­gen ent­fern­te er sich dann.

»Es ist gut, dass wir Makûl auf un­se­rer Sei­te ha­ben«, nick­te Gil­hatán und nipp­te an sei­nem Tee. »Sein Ein­fluss auf den Kö­nig ist noch im­mer un­ge­bro­chen. Weiß die­ser doch nichts von den … Mei­nungs­ver­schie­den­hei­ten in­ner­halb des Or­den.«

»Wie Ihr Euch viel­leicht den­ken könnt«, fuhr er fort, »sind wir im Ho­hen Rat näm­lich zu kei­nem Kom­pro­miss ge­kom­men. Khon­dyr ali­as Rho­ba­ny hat sei­ne Un­ter­stüt­zer zu gut im Griff. Er be­harrt auf sei­nem An­spruch auf Ho­ca­tin, wozu er auch Skingár zählt.«

»Meis­ter Makûl hat in­des da­für ge­sorgt, dass Sei­ne Ma­je­stät das Le­hen dem Or­den über­trug«, grins­te er. »Als Hof­ma­gier des Her­zogs von Hy­mal fällt Skingár am ehe­s­ten in Eu­ren Be­reich, Meis­ter Nik­ko. Da­her hat der Kö­nig Euch auf Makûls Be­trei­ben hin zum Gra­fen von Skingár er­nannt. Hier ist die Ur­kun­de.«

Der Alte reich­te Nik­ko einen Um­schlag mit roya­lem Sie­gel, dem Lö­wen in Gold mit den Far­ben Rot und Blau. Noch eine Graf­schaft? Was soll­te denn das?

»Ich bin doch schon der Graf von Hal­fuár«, war der jun­ge Zau­be­rer ganz ver­wirrt. »So­wie auch noch der Rit­ter von Vyl­do­ro.«

»Des­we­gen ja«, lach­te Gil­hatán. »So habt Ihr schon Er­fah­rung in sol­chen … welt­li­chen An­ge­le­gen­hei­ten. Aber glaubt mir, ich wür­de Euch na­tür­lich nicht mit die­ser wei­te­ren Bür­de be­las­ten, wenn ich ge­nü­gend Leu­te hät­te. Doch habe ich lei­der kei­nen an­de­ren Meis­ter, der sich um Skingár küm­mern könn­te.«

»Auch wart Ihr es schließ­lich, der den wi­der­li­chen Ne­kro­man­ten ver­nich­te­te«, nick­te er. »Wem sonst soll­te des­sen … Erbe also zu­ste­hen?«

Da­mit hat­te Gil­hatán ei­gent­lich recht. Au­ßer­dem grenz­ten die bei­den Graf­schaf­ten ja fast an­ein­an­der. Es gab zwar hohe Ber­ge da­zwi­schen, aber mit­tels Tele­por­ta­ti­on konn­te er oh­ne­hin kom­for­ta­bel rei­sen. Mit ei­nem fä­hi­gen Kas­tel­lan für Skingár wäre es da­her ein Leich­tes, bei­de Le­hen gleich­zei­tig zu ver­wal­ten.

Hat­ten der Kö­nig und die Zau­be­rer ei­gent­lich Kennt­nis da­von, was sie ihm da für ein wert­vol­les Ge­schenk mach­ten? Im­mer­hin wur­de in Skingár noch im­mer Erz ge­för­dert. So­weit er wuss­te, war der Han­del mit Me­tall die reins­te Gold­gru­be.

»Habt Dank für Euer Ver­trau­en, Meis­ter«, lä­chel­te Nik­ko und lenk­te vom The­ma ab: »Dann ist mei­ne Er­nen­nung zum Hof­ma­gier von Hy­mal also of­fi­zi­ell?«

»Ja«, zuck­te Gil­hatán die Schul­tern. »Na­tür­lich konn­te sich der Rat auch hier­zu nicht ei­ni­gen. Doch ohne einen Ge­gen­vor­schlag der an­de­ren Sei­te fällt der Pos­ten nun eben an Euch.«

Nik­ko wuss­te noch im­mer nicht, ob er sich dar­über freu­en soll­te. Na­tür­lich stand ihm das Amt zu. Dass Pe­ryn­dor es ihm zu­nächst strit­tig ge­macht hat­te, är­ger­te ihn bis heu­te. Letzt­lich war sein Platz nun ein­mal an der Sei­te Fy­dals.

Ob er der Be­las­tung al­ler­dings ge­wach­sen war? Er hat­te sich ja auch um zwei Graf­schaf­ten zu küm­mern, so­wie sein Hei­mat­dorf. An die Sa­che mit Fy­dals Frau woll­te er lie­ber gar nicht erst den­ken. Jetzt, etwa drei Mo­na­te da­nach, er­schi­en ihm die­ser Vor­fall zwar nicht mehr ganz so schlimm, aber große Lust, Fy­dal und Yo­la­ja wie­der un­ter die Au­gen zu tre­ten, ver­spür­te er noch im­mer nicht.

Doch was half es schon? Er konn­te das Amt oh­ne­hin nicht ab­leh­nen. Nicht, nach­dem er vor­her so dar­auf ge­drängt hat­te. Au­ßer­dem schi­en es ja nicht so, als hät­te Gil­hatán eine große Aus­wahl an ge­eig­ne­ten Leu­ten.

»Was ist ei­gent­lich mit dem Groß­meis­ter?«, woll­te Nik­ko dann wis­sen.

»Pe­ryn­dor hat sei­nen Pos­ten als Erz­ma­gier der Stadt Zun­daj wie­der über­nom­men«, er­klär­te Gil­hatán. »Nun ja, ge­nau ge­nom­men hat­te er das Amt über­haupt nie auf­ge­ge­ben. Aber es ist für uns wich­tig, dass er sei­ne Auf­ga­ben wie­der ak­tiv wahr­nimmt. Hier ist er uns viel nütz­li­cher als im fer­nen Hy­mal.«

»Ihr hin­ge­gen seid uns dort oben die größ­te Hil­fe, Meis­ter«, grins­te er dann. »Mit Eu­rer ju­gend­li­chen Ta­ten­kraft seid Ihr dem kaum min­der ju­gend­li­chen Her­zog ein bes­se­rer Be­ra­ter als so ein al­ter Int­ri­gant, der lie­ber hier in der Haupt­stadt sei­ne Strip­pen zie­hen soll.«

»Auch grenzt Hy­mal gleich an Thordám«, fletsch­te er die Zäh­ne. »Des­sen Hof­ma­gier und Euch ver­bin­det eine ge­wis­se … Ge­mein­sam­keit, die es zu kul­ti­vie­ren gilt. Ich wün­sche, dass Ihr Euch mit Meis­ter Xan­thúal zu­sam­men­tut und an Plä­nen zu un­se­rer … Ver­tei­di­gung ar­bei­tet.«

»So zi­vi­li­siert wie vor zwei Ta­gen geht es im Or­den nur noch sel­ten zu«, er­klär­te er dann. »Bald schon könn­te es zu of­fe­nen Kon­fron­ta­tio­nen kom­men, de­nen wir ge­wach­sen sein müs­sen. Glaubt mir, jun­ger Meis­ter, im Krieg fragt kei­ner nach der Her­kunft ei­ner Waf­fe.«

»In Skingár könn­te der ers­te Schlag er­fol­gen«, nick­te er un­heil­voll. »Her­zog Rho­ba­ny dürf­te … un­ge­hal­ten rea­gie­ren, wenn er erst er­fährt, dass das Le­hen doch nicht an ihn geht. Nicht un­wahr­schein­lich, dass er es sich dann mit Ge­walt neh­men will.«

»Ich möch­te, dass Ihr noch heu­te nach Te­rys reist und Euch dort mit Meis­ter Xan­thúal be­ra­tet«, lä­chel­te er. »Or­ga­ni­siert mit ihm ge­mein­sam die Ver­tei­di­gung Skingárs. Ge­lingt es Rho­ba­ny, das Le­hen zu be­set­zen, ist der Frie­den im gan­zen Reich in Ge­fahr.«

Meis­ter Gil­hatán hat­te Nik­ko kei­ne Mög­lich­keit ge­ge­ben, die An­ge­le­gen­hei­ten noch ge­nau­er zu be­spre­chen. Im Ge­gen­teil, er hat­te ihn nach der Ver­kün­dung sei­ner Be­feh­le schnell her­aus­kom­pli­men­tiert, ganz so als ob er je­des Wi­der­wort hat­te ver­hin­dern wol­len.

Was aber soll­ten all die­se va­gen Auf­trä­ge und An­spie­lun­gen? Auf wel­che Ge­mein­sam­kei­ten mit Xan­thúal hat­te er sich be­zo­gen? Soll­ten sie etwa zu­sam­men die Ma­gie des Ne­kro­man­ten wie­der­be­le­ben und für den Krieg ge­gen das an­de­re La­ger be­reit­ma­chen?

Nik­ko war mit all den Pos­ten und Äm­tern, die ihm ge­ra­de auf­ge­bür­det wor­den wa­ren, viel zu sehr be­schäf­tigt, als dass er jetzt klar ge­nug den­ken konn­te. Nein, er brauch­te Hil­fe! Pe­ryn­dor?

Es war erst Vor­mit­tag. Er hat­te also reich­lich Zeit, dem Erz­ma­gier noch einen Be­such ab­zu­stat­ten, be­vor er den An­wei­sun­gen Gil­hatáns Fol­ge leis­ten muss­te. Vi­el­leicht hat­te der Alte ja mehr Ein­sich­ten in die Ent­schei­dun­gen des Or­dens und wür­de ihm hel­fen, kla­rer zu se­hen. Im­mer­hin war er wie­der ein Mit­glied des Ra­tes.

Es wäre oh­ne­hin un­höf­lich, Zun­daj zu ver­las­sen, ohne sich vom Groß­meis­ter zu ver­ab­schie­den. Zwi­schen den bei­den hat­te es in den ver­gan­ge­nen Mo­na­ten zwar des Öf­te­ren ge­kri­selt, aber dies war nur ein wei­te­rer Grund, wie­der et­was Bo­den gut zu ma­chen. Lie­ber vor Pe­ryn­dor De­mut zei­gen, als sich von Gil­hatán in ei­nem Kon­flikt ver­hei­zen zu las­sen, den er noch nicht ein­mal ge­nau ver­stand!

So schlen­der­te der jun­ge Zau­be­rer den Weg vom Sitz des Or­dens zum An­we­sen des Erz­ma­giers. Jetzt, im Win­ter, war dies hier un­ten im Sü­den eine an­ge­neh­me klei­ne Wan­de­rung, auch wenn die Wol­ken stets mit Re­gen droh­ten. Kurz vor dem Tor zu Pe­ryn­dors Heim be­gann es dann tat­säch­lich zu nie­seln. Als Nik­ko im In­nern des Ge­bäu­des war, schüt­te­te es so­gar wie aus Ei­mern.

»Welch un­er­war­te­ter Be­such«, emp­fing ihn der Alte in ei­nem Ar­beits­zim­­­­­­­­­­­