Inhalt

  1. Cover
  2. Über den Autor
  3. Titel
  4. Impressum
  5. Widmung
  6. Erster Teil
  7. KAPITEL 1
  8. KAPITEL 2
  9. KAPITEL 3
  10. KAPITEL 4
  11. KAPITEL 5
  1. Zweiter Teil
  2. KAPITEL 6
  3. KAPITEL 7
  4. KAPITEL 8
  5. KAPITEL 9
  6. KAPITEL 10
  1. Dritter Teil
  2. KAPITEL 11
  3. KAPITEL 12
  4. KAPITEL 13
  1. HISTORISCHE ANMERKUNGEN

Über den Autor

Bernard Cornwell wurde 1944 in London geboren. Er arbeitete lange für die BBC, unter anderem in Nordirland, wo er seine Frau kennenlernte. Heute lebt er die meiste Zeit in den USA. Er ist Autor zahlreicher international erfolgreicher historischer Romane und Thriller. Die Sharpe-Serie, die er in den 80er-Jahren zu schreiben begann, hat Kultstatus erreicht und wurde von der BBC mit Sean Bean in der Hauptrolle verfilmt.

Weitere Informationen finden Sie auf
www.bernardcornwell.net

Bernard Cornwell

SHARPES
FLUCHT

Richard Sharpe und der
Bussaco-Feldzug, 1811

Ins Deutsche übertragen von
Irene Anders

BASTEI ENTERTAINMENT

»Sharpes Flucht«
ist CeCe gewidmet

Erster Teil

KAPITEL 1

Mister Sharpe hatte schlechte Laune. Allerschlechteste Laune. Er suchte Streit, hätte Sergeant Harper gesagt, und mit seiner Meinung über Captain Sharpe lag Sergeant Harper selten falsch. Sergeant Harper wusste nur allzu gut, dass er seinen Captain besser nicht in ein Gespräch verwickelte, wenn Sharpe in derart düsterer Stimmung daherkam. Andererseits liebte Harper die Gefahr. »Wie ich sehe, ist Ihre Uniform geflickt worden«, bemerkte er aufgeräumt.

Sharpe ignorierte die Bemerkung. Er marschierte einfach weiter, erklomm unter sengender Sonne den portugiesischen Berghang. Es war September des Jahres 1810, schon fast Herbst, doch die Hitze des Spätsommers lag wie ein Schmelzfeuer über der Landschaft. Auf dem Gipfel des Hügels, von dem Sharpe noch etwa eine Meile entfernt war, stand ein scheunenartiges, steinernes Gebäude neben einer dürren Signalstation. Die Station bestand aus einem schwarzen Lattengerüst, das einen hohen Mast stützte. Vom Mast aus ragten Signalarme bewegungslos in die Gluthitze des Nachmittags.

»Eine selten hübsche Flickarbeit ist das auf diesem Rock«, fuhr Harper fort, wobei er sich anhörte, als hätte er nicht eine Sorge auf der Welt. »Und ich erkenne, dass Sie das keineswegs selbst gemacht haben. Es sieht aus wie die Arbeit einer Frau, oder etwa nicht?« Die letzten drei Worte sprach er mit fragendem Unterton aus.

Sharpe sagte noch immer nichts. Während er den Hang hinaufstieg, schlug der schwere Kavalleriedegen gegen den Oberschenkel seines linken Beins. Um seine Schulter hatte er sein Baker-Gewehr geschnallt. Es war nicht vorgesehen, dass ein Offizier ebenso wie seine Männer ein Gewehr mit gezogenem Lauf bei sich trug, aber Sharpe war früher selbst einfacher Soldat gewesen, er war es gewohnt, mit einer ordentlichen Feuerwaffe in den Krieg zu ziehen.

»War es denn jemand, den Sie in Lissabon getroffen haben?«, ließ Harper nicht locker.

Sharpe kochte innerlich, tat aber so, als habe er nichts gehört. Sein Uniformrock, der, wie Harper bemerkt hatte, anständig geflickt worden war, wies die grüne Farbe der Schützen auf. Und ein Schütze war er gewesen. Besser gesagt, er betrachtete sich noch immer als Schütze, einen der Elite-Männer, die mit dem Baker-Gewehr ausgerüstet waren und statt des Rot das dunkle Grün am Leib trugen. Aber die Wellen des Krieges hatten ihn und ein paar seiner Männer in ein Regiment von Rotröcken verschlagen. Inzwischen befehligte er die Leichte Kompanie des South Essex Regiments, die ihm den Hügel hinauf folgte. Die meisten der Männer trugen die roten Röcke der britischen Infanterie und waren mit Musketen mit glattem Lauf ausgerüstet, doch die Schützen hatten ihre alten grünen Röcke behalten und kämpften weiter mit dem Baker-Gewehr.

»Wer also war sie?«, fragte Harper schließlich.

»Sergeant Harper.« Endlich hatte er Sharpe zum Sprechen gebracht. »Wenn Sie sich verdammten Ärger einhandeln wollen, dann reden Sie verdammt noch mal weiter.«

»Sehr wohl, Sir«, erwiderte Harper grinsend. Er war ein Mann aus Ulster, ein Katholik und ein Sergeant, und als solcher hätte er mit einem Engländer, einem Heiden und Offizier, nicht befreundet sein sollen, aber er war es dennoch. Er mochte Sharpe und wusste, dass auch Sharpe ihn mochte, auch wenn er

jetzt so schlau war, kein Wort mehr zu sagen. Stattdessen pfiff er die Anfangstakte von »I Would That the Wars Were All Done«.

Unvermeidlich musste Sharpe an den Text denken, der mit der Melodie einherging: »Eines Morgens in den Wiesen, auf denen der Tau nur so perlte, pflückte ein reizendes Mädchen ach so blaue Veilchen. Ich wollt’, die Kriege wären alle vorbei.« Harpers subtile Unverschämtheit ließ ihn in Gelächter ausbrechen. Dann verfluchte er den Sergeant, der ein triumphales Grinsen aufsetzte. »Es war Josefina«, gab Sharpe sich geschlagen.

»Miss Josefina also – wie geht es ihr denn?«

»Nicht schlecht«, äußerte sich Sharpe vage.

»Es freut mich, das zu hören«, erwiderte Harper mit echtem Gefühl. »Sie haben also Ihren Tee mit ihr eingenommen, ist das richtig, Sir?«

»Ich habe meinen verdammten Tee mit ihr eingenommen, ja, Sergeant, das ist richtig.«

»Selbstredend taten Sie das«, sagte Harper. Ein paar Schritte legte er schweigend zurück, dann beschloss er, erneut sein Glück zu versuchen. »Und ich dachte, Sie hätten eine Schwäche für Miss Teresa, Sir.«

»Miss Teresa?«, fragte Sharpe, als wäre ihm der Name geradezu unbekannt. Dabei hatte er in den letzten paar Wochen beinahe unaufhörlich an das Mädchen mit dem Habichtgesicht, das mit den Partisanentruppen an der Grenze zu Spanien ritt, gedacht. Er blickte den Sergeant an, auf dessen breitem Gesicht ein Ausdruck friedvoller Unschuld lag. »Ja, ich kann Teresa recht gut leiden«, erwiderte Sharpe trotzig. »Aber ich weiß ja nicht einmal, ob ich sie überhaupt je wiedersehe.«

»Aber Sie würden gern«, stellte Harper klar.

»Natürlich würde ich gern. Na und? Mädchen, die man wiedersehen will, gibt es nun einmal, aber deshalb benimmt man sich doch noch lange nicht wie ein verdammter Heiliger und wartet auf sie.«

»Auch wieder richtig«, gestand Harper ein. »Und jetzt verstehe ich auch, weshalb Sie nicht zu uns zurückkommen wollten, Sir. Sie haben dort gesessen und Ihren Tee getrunken, während Miss Josefina nähte, und ich bin sicher, Sie haben sich beide prächtig unterhalten.«

»Ich wollte nicht zurückkommen«, fiel Sharpe ihm scharf ins Wort, »weil mir verdammt noch mal ein Monat Urlaub versprochen worden war. Ein Monat! Und bekommen habe ich eine Woche!«

Harper hegte nicht das geringste Mitgefühl. Der Monat Urlaub war Sharpe als Belohnung zugedacht gewesen, weil er hinter den feindlichen Linien einen Goldschatz erobert und zurückgebracht hatte, aber an diesem Einsatz hatte die gesamte Leichte Kompanie teilgenommen, und niemand hatte vorgeschlagen, auch der Rest von ihnen solle einen Monat Urlaub bekommen. Andererseits konnte Harper Sharpes Ärger verstehen, denn der Gedanke, einen ganzen Monat in Josefinas Bett zu verbringen, hätte selbst einen Bischof dazu gebracht, sich dem Trunk zu ergeben.

»Eine verdammte Woche«, knurrte Sharpe. »Verdammte Armee von Bastarden.« Er trat einen Schritt vom Weg herunter und wartete, bis die Kompanie zu ihm aufgeschlossen hatte. In Wahrheit hatte seine schlechte Laune mit seinem gekürzten Urlaub wenig zu tun, aber er konnte Sergeant Harper gegenüber nicht zugeben, was sie wirklich verursachte. Er starrte auf den Zug, suchte nach der Gestalt von Lieutenant Slingsby. Das war das Problem. Der verdammte Lieutenant Cornelius Verdammt-noch-mal-Slingsby.

Die Kompanie erreichte Sharpe, und die Männer setzten sich am Rand des Weges nieder. Sharpe befehligte jetzt eine Einheit von vierundfünfzig Mann, was einem Sonderkommando aus England zu verdanken war. Die Neuankömmlinge stachen aus der Menge heraus, weil sie leuchtend rote Röcke trugen. Die Uniformen der übrigen Männer waren in der Sonne ausgeblichen und mit braunem portugiesischen Stoff so achtlos geflickt, dass sie von Weitem eher wie Vagabunden und nicht wie Soldaten wirkten. Natürlich hatte Slingsby dagegen aufbegehrt. »Neue Uniformen, Sharpe«, hatte er begeistert geschnattert, »ein paar neue Uniformen, und die Männer werden fescher aussehen. Schöner neuer Baumwollstoff wird ihnen ein bisschen Schwung verleihen. Wir sollten welche bestellen.« Verdammter Narr, hatte Sharpe gedacht. Die neuen Uniformen würden schon rechtzeitig kommen, im Winter vermutlich, es hatte überhaupt keinen Sinn, früher danach zu fragen. Außerdem mochten die Männer ihre alten, bequemen Röcke, genau wie sie ihre französischen Tornister aus Ochsenleder mochten. Die neuen Männer hatten alle britische, von Trotters gefertigte Tornister, die über der Brust festgeschnallt wurden, bis man auf einem langen Marsch feststellen musste, dass ein glühend heißes Band aus Eisen einem die Rippen zusammenpresste. »Trotters Qualen« wurde dieses verdammte Ding genannt, und die französischen Tornister waren bedeutend bequemer.

Sharpe schritt die Kompanie ab, befahl jedem der Neuankömmlinge, ihm seine Feldflasche zu geben, und wie er erwartet hatte, war jede einzelne leer. »Ihr seid Narren«, sagte Sharpe. »Einteilen solltet ihr das. Nur einen Schluck auf einmal! Sergeant Read!«

»Sir?« Read, ein Rotrock und Methodist, salutierte vor Sharpe.

»Sorgen Sie dafür, dass niemand den Männern Wasser gibt, Sergeant.«

»Das werde ich tun, Sir, das werde ich tun.«

Die neuen Männer würden sich trocken wie Staub fühlen, kaum dass der Nachmittag vorüber war. Keuchend, mit zugeschwollenen Kehlen, würden sie nach Luft schnappen, aber zumindest würden sie sich nie wieder so töricht verhalten. Sharpe schritt die Kompanie weiter ab bis zu der Stelle, an die Lieutenant Slingsby die Nachhut geführt hatte. »Keine Nachzügler«, berichtete Slingsby mit dem Eifer eines Terriers, der glaubt, eine Belohnung zu verdienen. Er war ein kleiner Mann mit geradem Rücken und eckigen Schultern, der vor Tatendurst schier barst. »Mister Iliffe und ich haben sie angetrieben.«

Sharpe sagte nichts. Er kannte Cornelius Slingsby seit einer Woche, und in dieser Woche hatte er einen Hass auf den Mann entwickelt, der an Mordlust grenzte. Es gab keinen Grund für diesen Hass, es sei denn, man ließe Abneigung auf den ersten Blick als Grund gelten. Aber alles an Slingsby regte Sharpe auf, ob es sich um den Hinterkopf des Mannes handelte, der flach wie ein Schaufelblatt war, um seine hervorquellenden Augen, seinen schwarzen Schnurrbart, die geplatzten Äderchen auf seiner Nase, sein schnaufendes Lachen oder um seinen stolzierenden Gang. Bei seiner Rückkehr aus Lissabon hatte Sharpe feststellen müssen, dass sein Lieutenant, der verlässliche Robert Knowles, zum Adjutanten des Regiments ernannt und ersetzt worden war. »Cornelius ist so etwas Ähnliches wie ein Verwandter«, hatte der Lieutenant Colonel, der ehrenwerte William Lawford, Sharpe vage erklärt, »und Sie werden feststellen, dass er ein sehr angenehmer Mann ist.«

»Werde ich das, Sir?«

»Er ist erst spät der Armee beigetreten«, war Lawford fortgefahren, »deshalb ist er nicht mehr als Lieutenant. Gut, er wurde vorübergehend zum Captain ernannt, aber Lieutenant ist er immer noch.«

»Ich bin der Armee früh beigetreten, Sir«, hatte Sharpe erwidert, »und ich bin nicht mehr als Lieutenant. Vorübergehend zum Captain ernannt, natürlich, aber immer noch Lieutenant.«

»Ach, Sharpe.« Lawford schien leicht verzweifelt. »Niemand ist sich Ihrer Qualitäten mehr bewusst als ich. Wenn es einen freien Posten für einen Captain gäbe …« Er ließ diese Bemerkung in der Luft hängen, aber Sharpe kannte den Rest des Satzes zur Genüge. Er war zum Lieutenant befördert worden, und das kam bei einem Mann, der als des Lesens und Schreibens nicht mächtiger Private in die Armee eingetreten war, einem Wunder gleich. Man hatte ihn vorübergehend zum Captain ernannt, was bedeutete, dass er dementsprechend besoldet wurde, aber sein wahrer Rang blieb der eines Lieutenants. Die tatsächliche Beförderung konnte er nur erlangen, wenn er sich einen freien Posten als Captain kaufte oder – was weit weniger wahrscheinlich war – wenn Lawford ihn beförderte. »Ich schätze Sie, Sharpe«, war der Colonel fortgefahren. »Aber ich hege auch Hoffnungen für Cornelius. Er ist dreißig. Oder vielleicht einunddreißig. Alt für einen Lieutenant, doch er ist so spitz wie ein Wiesel, Sharpe, und er besitzt Erfahrung. Jede Menge Erfahrung.« Das war das Problem. Ehe er dem South Essex Regiment beitrat, war Slingsby im 55. gewesen, einem Regiment, das auf den Westindischen Inseln diente. Das Gelbfieber hatte die Reihen der Offiziere gelichtet, und so war Slingsby vorübergehend zum Captain aufgestiegen. Genauer gesagt hatte er als Captain die Leichte Kompanie des 55. Regiments befehligt, was ihn zu der Ansicht brachte, er verstünde vom Soldatenleben so viel wie Sharpe. Was womöglich stimmte, aber vom Kämpfen verstand er deutlich weniger. »Ich möchte, dass Sie ihn unter Ihre Fittiche nehmen«, hatte der Colonel seine Rede beendet. »Bringen Sie ihn weiter, Sharpe.«

Ins frühe Grab kann ich ihn bringen, hatte Sharpe säuerlich gedacht, aber er musste seine Gedanken für sich behalten. Noch immer tat er sein Bestes, um seinen Hass nicht durchblitzen zu lassen, als Slingsby jetzt hinauf zur Telegrafenstation wies. »Mister Iliffe und ich haben dort oben Männer gesehen, Sharpe. Etwa ein Dutzend, denke ich. Und einer sah aus, als trüge er eine blaue Uniform. Da oben sollte jetzt eigentlich niemand sein, oder etwa doch?«

Sharpe bezweifelte, dass Ensign Iliffe, ein Offizier, der gerade erst aus England herübergekommen war, irgendetwas gesehen hatte, wohingegen er selbst die Männer und ihre Pferde bereits fünfzehn Minuten zuvor entdeckt und sich seither gewundert hatte, was die Fremden dort oben auf dem Hügel zu suchen hatten. Offiziell galt die Telegrafenstation nämlich als verlassen. Für gewöhnlich war sie mit einer Hand voll Soldaten bemannt. Sie bewachten den Marine-Ensign, der die schwarzen Säcke bediente. Diese wurden an dem hohen Mast hinauf- und herabgezogen, um auf diese Weise Nachrichten von einem Ende Portugals zum anderen zu senden. Die Franzosen aber hatten die Kette bereits weiter im Norden durchtrennt, die Briten hatten sich von den Hügeln zurückgezogen, und aus irgendwelchen Gründen war diese Station nicht zerstört worden. Es war wenig sinnvoll, sie intakt zu belassen, sodass die Franzmänner sie benutzen konnten, also war Sharpes Kompanie vom Bataillon getrennt und damit beauftragt worden, die Station niederzubrennen.

»Könnte es ein Franzose sein?«, fragte Slingsby, eingedenk der blauen Uniform. Er klang beflissen, als wolle er den Hügel hinauf zum Angriff schreiten. Er war nur um drei Zoll größer als fünf Fuß und von einer Aura ständiger Bereitschaft umgeben.

»Macht nichts, wenn es ein verdammter Franzmann ist«, sagte Sharpe säuerlich. »Wir sind in der Überzahl. Ich werde Mister Iliffe nach oben senden, um ihn zu erschießen.«

Iliffe wirkte erschrocken. Er war siebzehn Jahre alt und sah aus wie vierzehn, ein grobknochiger Jüngling, dessen Vater ihm ein Patent gekauft hatte, weil ihm nichts anderes eingefallen war, was sich mit dem Jungen anfangen ließ. »Zeigen Sie mir Ihre Feldflasche«, befahl Sharpe.

Jetzt wirkte Iliffe wirklich schreckensstarr. »Sie ist leer, Sir«, gestand er und krümmte sich zusammen, als erwarte er, dass Sharpe ihn bestrafte.

»Sie wissen, was ich den Männern mit den leeren Feldflaschen gesagt habe?«, fragte Sharpe. »Dass sie Idioten sind. Aber Sie sind kein Idiot, denn Sie sind ja Offizier, und Offiziere, die Idioten sind, gibt es nicht.«

»Gut gesagt, Sir«, warf Slingsby ein und schnaufte gleich darauf. Er schnaufte immer, wenn er lachte, und Sharpe unterdrückte den Wunsch, dem Bastard die Kehle durchzuschneiden.

»Da, nehmen Sie Ihr Wasser«, sagte Sharpe und warf die Feldflasche Iliffe wieder zu. »Sergeant Harper! Weitermarschieren!«

Es dauerte eine weitere halbe Stunde, bis sie die Kuppe des Hügels erreichten. Bei dem scheunenähnlichen Gebäude handelte es sich offenbar um eine Kapelle, denn in eine Nische über der Tür war eine lädierte Statue der Jungfrau Maria montiert. Der Mast des Telegrafen war gegen den Ostgiebel der Kapelle gebaut worden, der half, das Gitterwerk aus dicken Latten zu stützen. Dieses trug wiederum die Plattform, auf der der Ensign seine obskure Tätigkeit ausgeübt hatte. Der Mast war jetzt verlassen, seine zerschlissenen Signalseile schlugen im scharfen Wind, der um die Hügelkuppe blies, gegen den geteerten Mast. Die schwarz gestrichenen Säcke waren abgenommen worden, aber die Seile, um sie in die Höhe zu ziehen und wieder herabzulassen, waren noch vorhanden. An einem von ihnen hing ein quadratisches weißes Tuch. Sharpe fragte sich, ob die Fremden auf dem Hügel diese provisorische Flagge wohl als Signal gehisst hatten.

Diese Fremden, ein Dutzend Zivilisten, standen neben der Tür der Kapelle. Bei ihnen befand sich ein Offizier der portugiesischen Infanterie. Sein blauer Mantel war zu einer Farbe verblichen, die dem französischen Blau täuschend ähnlich sah. Der Offizier trat jetzt vor, um sich Sharpe vorzustellen. »Ich bin Major Ferreira«, sagte er in gutem Englisch. »Und Sie sind?«

»Captain Sharpe.«

»Und Captain Slingsby.« Lieutenant Slingsby hatte darauf bestanden, Sharpe bei der Begegnung mit dem portugiesischen Offizier zu begleiten, genau wie er darauf bestand, seinen vorübergehenden Rang zu nennen, auch wenn er nicht länger das Recht hatte, ihn zu führen.

»Ich führe hier das Kommando«, bemerkte Sharpe lakonisch.

»Und was haben Sie vor, Captain?«, forderte Ferreira zu wissen. Er war ein hochgewachsener Mann, schlank und dunkel, mit einem sorgsam gestutzten Schnurrbart. Er legte das Verhalten und die Haltung eines privilegierten Mannes an den Tag, und dennoch bemerkte Sharpe an dem portugiesischen Major eine gewisse Beklommenheit, die Ferreira durch Schroffheit zu verbergen suchte. Und eben das reizte Sharpe zur Unverschämtheit. Er widerstand der Versuchung und sagte stattdessen die Wahrheit.

»Wir haben Befehl, den Telegrafen niederzubrennen.«

Ferreira wandte den Blick hinüber zu Sharpes Männern, die sich über die Kuppe des Hügels verteilten. Sharpes Worte schienen ihn zu erstaunen, dann aber bemühte er sich um ein Lächeln, das wenig überzeugend geriet. »Ich übernehme das für Sie, Captain. Es wird mir ein Vergnügen sein.«

»Ich führe meine Befehle selbst aus, Sir«, widersprach ihm Sharpe.

Ferreira nahm die Frechheit zur Kenntnis und bedachte Sharpe mit einem zweifelnden Blick. Eine Sekunde lang dachte Sharpe, der portugiesische Major habe vor, ihn zu tadeln, doch stattdessen nickte Ferreira knapp. »Wenn Sie darauf bestehen«, sagte er. »Aber tun Sie es schnell.«

»Schnell, Sir«, fiel Slingsby enthusiastisch ein. »Warum noch warten?« Er wandte sich Harper zu. »Sergeant Harper! Den Brennstoff, wenn Sie so freundlich sein wollen. Beeilung, Mann, Beeilung!«

Harper wandte den Blick Sharpe zu, um zu sehen, ob der die Befehle des Lieutenants guthieß, aber Sharpe ließ sich keine Reaktion anmerken. Also brüllte der große Ire das Dutzend Männer an, die mit Futternetzen der Kavallerie beladen waren. Die Futternetze waren mit Stroh vollgestopft, und sechs weitere Männer trugen Krüge mit Terpentin. Das Stroh wurde um die vier Träger der Telegrafenstation herum ausgebreitet und mit dem Terpentin getränkt. Eine Zeitlang sah Ferreira ihnen bei der Arbeit zu, dann ging er zurück zu den Zivilisten, die seit der Ankunft der britischen Soldaten einen beunruhigten Eindruck machten. »Alles bereit, Sir!«, rief Harper zu Sharpe hinüber. »Soll ich anzünden lassen?«

Slingsby ließ Sharpe nicht einmal genug Zeit für eine Antwort. »Keine Trödeleien, Sergeant!«, kommandierte er brüsk. »Zünden Sie an!«

»Warten Sie«, knurrte Sharpe in so schroffem Ton, dass Slingsby vor Schrecken blinzeln musste. Von Offizieren wurde erwartet, dass sie vor ihren Männern höflich miteinander umgingen, Sharpe aber hatte Slingsby wutschnaubend angefahren, und der Blick, den er ihm zuwarf, ließ den Lieutenant überrascht zurückweichen. Slingsby runzelte die Stirn, doch er sagte nichts, als Sharpe die Leiter zur Plattform des Mastes hinaufstieg, welche fünfzehn Fuß über dem Gipfel des Hügels schwebte. Drei Kerben in den Dielenbrettern verrieten, wo der Ensign seinen Dreifuß abgestellt hatte, um die benachbarten Telegrafenstationen zu beobachten und ihre Nachrichten zu entziffern. Die Station im Norden war bereits zerstört worden, doch sobald sich Sharpe nach Süden wandte, konnte er ein Stück hinter dem Fluss Criz und noch hinter den britischen Linien das nächste Telegrafengerüst erkennen. Lange würde er nicht mehr hinter den Linien liegen, dachte er. Marschall Massénas Armee flutete ins portugiesische Inland, und die Briten würden sich auf ihre jüngst errichteten Verteidigungslinien in Torres Vedras zurückziehen. Geplant war der Rückzug auf die neuen Befestigungsanlagen, wo man auf die Franzosen warten und ihre Angriffe entweder zurückschlagen oder zusehen wollte, wie die Gegner verhungerten.

Und um ihnen beim Verhungern zu helfen, ließen die Briten und Portugiesen ihnen nichts zurück. Jede Scheune, jede Speisekammer, jedes Vorratslager wurde leer geräumt. Das Getreide wurde auf den Feldern verbrannt, Windmühlen wurden zerstört und Brunnen mit Kadavern vergiftet. Die Einwohner jeder Stadt und jeden Dorfes im portugiesischen Inland wurden evakuiert und nahmen ihr Vieh mit. Sie erhielten Anweisung, sich hinter die Linien in Torres Vedras zu begeben oder sich ins Hochland zu schlagen, wohin die Franzosen ihnen schwerlich folgen würden. Man wollte erreichen, dass der Feind ein versengtes Land vorfand, in dem es nichts mehr für ihn zu holen gab, nicht einmal Telegrafenseile.

Sharpe löste eines der Signalseile und holte die weiße Fahne daran herab, die sich als großes Taschentuch aus feinem Leinen entpuppte – sorgsam umsäumt und mit den blau eingestickten Initialen PAF in einer Ecke. Ferreira? Sharpe blickte hinunter auf den portugiesischen Major, der ihn beobachtete. »Ihres, Major?«, fragte er.

»Nein«, rief Ferreira zurück.

»Dann ist es meines«, sagte Sharpe und steckte das Taschentuch ein. Er sah den Zorn in Ferreiras Gesicht und hatte sein Vergnügen daran. »Sie sollten vielleicht diese Pferde wegführen«, er nickte in Richtung der Tiere, die neben der Kapelle angepflockt standen, »ehe wir den Mast niederbrennen.«

»Danke, Captain«, erwiderte Ferreira eisig.

»Wird jetzt angezündet, Sharpe?«, fragte Slingsby von unten herauf.

»Nicht, bis ich von dieser verdammten Plattform herunter bin«, bellte Sharpe zurück. Ein letztes Mal blickte er sich um und entdeckte in der Ferne, in südöstlicher Richtung, eine kleine Wolke grauweißen Pulverrauchs. Er zog sein Fernrohr heraus, das kostbare Glas, das Sir Arthur Wellesley – der jetzige Lord Wellington – ihm geschenkt hatte, stützte es auf die Balustrade und kniete dann nieder, um nach dem Rauch zu sehen. Er konnte wenig erkennen, vermutete aber, dass er die britische Nachhut in Aktion beobachtete. Die französische Kavallerie musste ihnen zu nahe gekommen sein, und eins der Bataillone feuerte Salven ab, unterstützt von den Kanonen der Royal Horse Artillery. Er konnte den leisen Donner der weit entfernten Geschütze gerade noch ausmachen. Dann richtete er das Glas nach Norden, ließ die Linsen über eine raue Landschaft aus Hügeln, Felsen und kahl gefressenen Weiden wandern. Es war nichts zu sehen, nicht das Geringste, bis er plötzlich die Spur eines anderen Grüntons erkannte. Er riss das Glas zurück, brachte es in Position, und dann sah er sie.

Kavallerie. Französische Kavallerie. Dragoner in ihren grünen Röcken. Sie befanden sich mindestens eine Meile weit weg in einem Tal, bewegten sich aber auf die Telegrafenstation zu. Glänzend brach sich das Sonnenlicht auf ihren Schnallen, Verschlüssen und Steigbügeln, während Sharpe versuchte, sie zu zählen. Vierzig? Sechzig vielleicht, es ließ sich schwer schätzen, denn die Schwadron bewegte sich zwischen den Felsen im Herzen des Tals im Zickzack und entglitt immer wieder aus der Sonne in den Schatten. Sie schienen keine besondere Eile zu haben, und Sharpe fragte sich, ob sie entsandt worden waren, um die Telegrafenstation einzunehmen, die den vorstoßenden Franzosen genauso gute Dienste leisten würde wie zuvor den Briten.

»Wir bekommen Gesellschaft!«, rief Sharpe hinunter zu Harper. Anstand und Höflichkeit geboten, dass er es Slingsby mitteilte, aber er konnte sich kaum dazu durchringen, mit dem Mann ein Wort zu wechseln, also sprach er stattdessen mit Harper. »Mindestens eine Schwadron von grün berockten Bastarden. Etwa eine Meile entfernt, aber in ein paar Minuten könnten sie hier sein.« Er schob das Fernrohr zusammen, stieg die Leiter hinab und nickte dem irischen Sergeant zu.

»Stecken Sie’s an«, sagte er.

Die mit Terpentin getränkten Strohballen gingen lichterloh in Flammen auf, doch es dauerte ein paar Augenblicke, ehe die dicken Latten des Gerüsts Feuer fingen. Wie immer fasziniert von mutwilliger Zerstörung, sah Sharpes Kompanie hingerissen zu und ließ ein wenig Jubel ertönen, als die hohe Plattform endlich zu brennen begann. Sharpe war zum östlichen Rand des kleinen Gipfelplateaus gegangen, aber ohne die Höhe der Plattform konnte er die Dragoner nicht länger ausmachen. Hatten sie sich verzogen? Wenn sie gehofft hatten, den Signalmast intakt einzunehmen, beschlossen sie jetzt, wo sie den Rauch auf dem Gipfel sahen, vielleicht, sich die Mühe zu sparen.

Lieutenant Slingsby schloss sich ihm an. »Ich möchte keine große Sache daraus machen«, sagte er mit gesenkter Stimme, »aber Sie haben gerade äußerst grob mit mir gesprochen, Sharpe, in der Tat, äußerst grob.«

Sharpe sagte nichts. Er stellte sich vor, was es für ein Vergnügen sein musste, den kleinen Bastard auszuweiden.

»Das missfällt mir nicht um meinetwillen«, fuhr Slingsby, der noch immer gedämpft sprach, fort. »Aber es bekommt den Männern nicht gut. Überhaupt nicht gut. Es mindert ihren Respekt vor dem Patent des Königs.«

Sharpe wusste, dass er den Tadel verdiente, aber er war nicht gewillt, Slingsby auch nur um einen Zoll nachzugeben. »Sind Sie der Ansicht, die Männer respektieren das Patent des Königs?«, fragte er stattdessen.

»Selbstverständlich.« Die Frage schien Slingsby zu schockieren. »Ohne Zweifel.«

»Ich habe es nicht getan«, sagte Sharpe und fragte sich, ob das, was er in Slingsbys Atem witterte, Rum war. »Ich habe das Patent des Königs nicht respektiert«, fuhr er fort und beschloss zu glauben, dass er sich den Geruch nur eingebildet hatte. »Nicht, als ich noch zu den Mannschaften gehörte. Für mich waren die meisten Offiziere überbezahlte Bastarde.«

»Sharpe«, protestierte Slingsby, doch was immer er hatte sagen wollen, blieb ihm im Halse stecken, als er die Dragoner am Fuß des Hügels auftauchen sah.

»Ungefähr fünfzig von ihnen«, informierte ihn Sharpe. »Und sie kommen hierher.«

»Wir sollten vielleicht in Stellung gehen?« Slingsby wies auf den Hang im Osten, der mit Felsblöcken übersät war und somit eine Schützenlinie höchst effizient verbergen würde. Der Lieutenant straffte den Rücken und schlug die Hacken seiner Stiefel zusammen. »Es wäre mir eine Ehre, die Männer den Hügel hinabzuführen, Sharpe.«

»Es mag ja eine verdammte Ehre sein«, entgegnete Sharpe sarkastisch, »aber verdammter Selbstmord wäre es trotzdem. Wenn wir mit den Bastarden kämpfen«, fuhr er fort, »möchte ich lieber auf dem Gipfel sein statt verstreut an einem Hang. Dragoner mögen Schützenlinien, Slingsby. Da haben sie endlich mal Gelegenheit, ihre Säbel einzusetzen.« Er drehte sich zur Kapelle um. Die ihm zugewandte Mauer hatte zwei verrammelte Fenster, die seiner Einschätzung nach gute Schießscharten abgeben würden, falls er den Hügel verteidigen musste. »Wie lange haben wir noch bis zum Sonnenuntergang?«

»Zehn Minuten weniger als drei Stunden«, erwiderte Slingsby prompt.

Sharpe brummte. Er bezweifelte, dass die Dragoner angreifen würden, aber wenn sie es taten, konnte er sie leicht bis zur Dämmerung hinhalten, und nach Einbruch der Dunkelheit würde kein Dragoner in feindlichem Gebiet bleiben, weil er die Angriffe der Partisanen fürchtete. »Sie bleiben hier«, befahl er Lieutenant Slingsby. »Beobachten Sie sie, und tun Sie nichts, ohne mich zu fragen. Haben Sie mich verstanden?«

Slingsby wirkte gekränkt, wozu er durchaus ein Recht hatte. »Natürlich habe ich verstanden«, antwortete er mit Protest in der Stimme.

»Ziehen Sie keine Leute vom Gipfel ab, Lieutenant«, sagte Sharpe. »Und das ist ein Befehl.« Er schritt auf die Kapelle zu und fragte sich, ob seine Männer wohl in der Lage wären, in die vorsintflutlichen Wände ein paar Schießscharten zu hämmern. Das richtige Werkzeug hatten sie nicht dabei, weder Vorschlaghämmer noch Brecheisen, aber das Mauerwerk wirkte alt, und der Mörtel bröckelte.

Zu seiner Verblüffung vertraten Major Ferreira und einer der Zivilisten ihm den Weg zur Kapelle. »Die Tür ist verschlossen, Captain«, sagte der portugiesische Offizier.

»Dann trete ich sie ein«, erwiderte Sharpe.

»Aber es ist eine Kapelle«, sagte Ferreira tadelnd.

»Dann bete ich eben um Vergebung, nachdem ich sie eingetreten habe«, entgegnete Sharpe und versuchte, sich an dem Major vorbeizudrängen. Dieser hob eine Hand, um ihn aufzuhalten. Zornig starrte Sharpe ihn an. »Fünfzig französische Dragoner sind auf dem Weg hierher, Major«, sagte er. »Und ich werde diese Kapelle benutzen, um meine Männer zu schützen.«

»Ihre Arbeit hier ist erledigt«, gab Ferreira brüsk zurück. »Sie sollten jetzt gehen.« Sharpe sagte nichts. Stattdessen versuchte er noch einmal, an den beiden Männern vorbeizugelangen, aber sie schnitten ihm den Weg ab. »Ich erteile Ihnen einen Befehl, Captain«, beharrte der portugiesische Offizier. »Gehen Sie.«

Der Zivilist, der neben Ferreira stand, hatte seine Jacke ausgezogen und sich die Hemdsärmel aufgekrempelt, wobei enorme Arme zum Vorschein kamen, die beide mit zerbrochenen Ankern tätowiert waren. Bisher hatte Sharpe dem Mann wenig Beachtung geschenkt, er war höchstens beeindruckt von seiner imposanten Statur gewesen, jetzt aber sah er dem Zivilisten ins Gesicht und stieß auf pure Feindseligkeit. Der Mann war gebaut wie ein Preisringer, tätowiert wie ein Seemann, und in seinem vernarbten, brutalen Gesicht, das von atemberaubender Hässlichkeit war, stand eine unmissverständliche Botschaft. Er hatte eine breite Stirn, mächtige Kiefer, eine abgeflachte Nase und Augen, die Tieraugen glichen. Sie verrieten nichts als die Gier zu kämpfen, und diesen Kampf wünschte er sich Mann gegen Mann, Faust gegen Faust. Als Sharpe einen Schritt zurückwich, sah er enttäuscht aus.

»Ich sehe, Sie nehmen Vernunft an«, bemerkte Ferreira seidenglatt.

»Ich bin dafür bekannt«, entgegnete Sharpe, dann hob er die Stimme. »Sergeant Harper!«

Der große Ire kam um die Kapelle herum und erkannte die Lage. Der bullige Mann, noch größer und breiter als Harper selbst, der zu den stärksten Männern der Armee gehörte, hatte die Hände zu Fäusten geballt. Er sah aus wie eine Bulldogge, die darauf wartete, von der Leine gelassen zu werden, und Harper wusste, wie man tollwütige Hunde behandelte. Er ließ seine Salvenbüchse von der Schulter gleiten. Es war eine merkwürdige Waffe, die für die Royal Navy gefertigt worden und dazu gedacht war, vom Deck eines Schiffes aus benutzt zu werden. Die Schützen des Gegners sollten damit von ihren Kampfplattformen geschossen werden. Sieben Halbzoll-Läufe waren gebündelt, sie wurden durch ein einziges Flintenschloss abgefeuert, und für den Einsatz auf See hatte sich die mächtige Büchse als zu kraftvoll erwiesen. In bald der Hälfte der Fälle hatte sie dem, der sie abfeuerte, die Schulter gebrochen, aber Patrick Harper war groß genug, um die siebenläufige Büchse in seinen Händen klein erscheinen zu lassen. Wie beiläufig richtete er sie jetzt auf den viehischen Riesen, der Sharpes Weg blockierte. Der Hahn der Waffe war nicht gespannt, aber keiner der Zivilisten schien das zu bemerken. »Haben Sie Schwierigkeiten, Sir?«, fragte Harper unschuldig.

Ferreira wirkte erschrocken, wozu er allen Grund hatte. Harpers Erscheinen hatte ein paar der übrigen Zivilisten dazu gebracht, ihre Pistolen zu ziehen, und auf einmal sorgte das Entsichern der Waffen für Lärm auf dem Hügel. Major Ferreira, der ein Blutbad fürchtete, fuhr sie an, sie sollten die Waffen herunternehmen. Niemand gehorchte, bis der große Mann, der Bulle mit den mächtigen Fäusten, sie anbrüllte. Da erst sicherten sie hastig ihre Schlösser, nahmen die Waffen herunter und sahen verängstigt nach der Miene des großen Mannes. Bei allen Zivilisten handelte es sich um abgebrüht wirkende Kerle – sie erinnerten Sharpe an das Verbrecherpack, das den Osten Londons regierte, in dem er aufgewachsen war. Ihr Anführer aber, der Mann mit dem viehischen Gesicht und dem muskelbepackten Körper, war der merkwürdigste und Furcht einflößendste von ihnen allen. Er war ein Straßenkämpfer, davon kündeten die gebrochene Nase und die Narben auf Stirn und Wangen mehr als deutlich, aber Geld musste er auch besitzen, denn sein Leinenhemd war von guter Qualität, seine Hose aus dem besten Baumwollstoff geschneidert, und seine Stiefel mit ihren goldenen Troddeln waren aus weichem, teurem Leder gefertigt. Er sah aus, als sei er um die vierzig Jahre alt, auf dem Zenit seiner Lebenskraft, und seine schiere Größe verlieh ihm Selbstbewusstsein. Der Mann warf Harper einen Blick zu, allem Anschein nach schätzte er den Iren als möglichen Gegner ein, dann lächelte er unverhofft und hob seinen Mantel auf, den er, ehe er ihn anzog, abklopfte. »Was sich in dieser Kapelle befindet«, der große Mann machte einen Schritt auf Sharpe zu, »ist mein Eigentum.« Er sprach Englisch mit schwerem Akzent, und seine Stimme klang rau wie Schotter.

»Und wer sind Sie?«, verlangte Sharpe zu wissen.

»Gestatten Sie mir, senhor …«, begann Ferreira mit einer Vorstellung.

Der große Mann unterbrach ihn: »Mein Name ist Ferragus.«

»Ferragus«, wiederholte Ferreira, dann stellte er Sharpe vor: »Capito Sharpe.« Er starrte Sharpe an und zuckte dann mit den Schultern, wie um ihn wissen zu lassen, dass er auf die Ereignisse keinerlei Einfluss hatte.

Ferragus richtete sich vor Sharpe zu voller Größe auf. »Ihre Arbeit hier ist erledigt, Captain. Den Mast gibt es nicht mehr, also können Sie gehen.«

Sharpe trat aus dem Schatten des großen Mannes, setzte einen Schritt zur Seite, um ihn zu umrunden, und ging dann auf die Kapelle zu, wobei er das unverkennbare kratzende Geräusch vernahm, mit dem Harper den Hahn der Salvenbüchse entsicherte. »Vorsicht«, warnte der Ire. »Ein Zittern genügt, und dieses verfluchte Ding geht los. Es würde eine fürchterliche Schweinerei auf Ihrem Hemd anrichten, Sir.« Ferragus hatte sich umgedreht, um Sharpe aufzuhalten, aber die mächtige Büchse hielt ihn in Schach.

Die Tür der Kapelle war nicht verschlossen. Sharpe schob sie auf und brauchte einen Moment, bis sich seine Augen vom gleißenden Sonnenlicht auf die schattige Dunkelheit im Innern der Kapelle umgestellt hatten. Dann aber sah er, was sich darin befand, und fluchte.

Er hatte eine kärglich ausgestattete Landkapelle erwartet, wie er ihrer Dutzende gesehen hatte, doch stattdessen war das kleine Gebäude mit Säcken gefüllt – und zwar mit so vielen Säcken, dass nur ein schmaler Gang frei blieb, der zu einem roh gezimmerten Altar mit dem Bild einer blau gekleideten Jungfrau Maria führte. Diese war übersät mit kleinen Fetzen Papier, hinterlassen von verzweifelten Bauern, die auf der Suche nach einem Wunder auf den Gipfel des Hügels gepilgert waren. Jetzt richtete sich der Blick der Jungfrau traurig auf die Säcke. Sharpe zog seinen Degen und stach in einen hinein. Ein wenig Mehl, das aus dem Spalt rieselte, war sein Lohn. Er versuchte es bei einem anderen Sack und sah noch mehr Mehl auf die nackte Erde rieseln. Ferragus hatte beobachtet, was Sharpe getan hatte, und appellierte an Ferreira, der widerwillig die Kapelle betrat. »Meine Regierung hat Kenntnis davon, dass sich dieses Mehl hier befindet«, sagte er.

»Können Sie das beweisen?«, fragte Sharpe. »Sie haben doch sicher ein Dokument dafür, oder?«

»Es ist Angelegenheit der portugiesischen Regierung«, erwiderte Ferreira steif. »Und Sie gehen jetzt.«

»Ich habe Befehle«, konterte Sharpe. »Wir alle haben Befehle. Für die Franzosen sollen keine Nahrungsmittel zurückgelassen werden. Keine.« Er stach in einen weiteren Sack, dann fuhr er herum.

Ferragus betrat die Kapelle, sein Körper warf einen Schatten in den Eingang. In bedrohlicher Weise bewegte er sich durch den schmalen Gang zwischen den Säcken, den er in Gänze ausfüllte. Sharpe begann plötzlich laut zu husten und mit den Füßen zu scharren, während Ferreira sich zwischen die Säcke quetschte, um Ferragus an sich vorbeizulassen.

Der riesige Mann streckte Sharpe eine Hand entgegen. Darauf lagen Münzen, vielleicht ein Dutzend dicker Goldmünzen, größer als englische Guineen und vermutlich dem Gegenwert von Sharpes Sold für drei Jahre entsprechend. »Wir zwei können miteinander reden«, sagte Ferragus.

»Sergeant Harper«, rief Sharpe an dem aufragenden Ferragus vorbei nach draußen. »Was machen diese verdammten Franzmänner?«

»Halten Abstand, Sir. Bleiben uns hübsch vom Leib.«

Sharpe sah zu Ferragus auf. »Es überrascht Sie nicht, dass französische Dragoner im Anmarsch sind, habe ich recht? Sie haben sie erwartet, oder?«

»Ich bitte Sie, zu gehen«, sagte Ferragus und rückte näher an Sharpe heran. »Ich bin höflich, Captain.«

»Das schmerzt, was?«, fragte Sharpe. »Und was tun Sie, wenn ich nicht gehe?«

Ferragus war sichtlich keine Herausforderungen gewohnt, denn er schien zu zittern, als müsse er sich zwingen, Ruhe zu bewahren. »Ich habe Zugang zu Ihrer kleinen Armee, Captain«, sagte er mit seiner tiefen Stimme. »Ich kann Sie finden und dafür sorgen, dass Sie diesen Tag bereuen.«

»Wollen Sie mir drohen?«, fragte Sharpe ungläubig.

Major Ferreira, der hinter Ferragus stand, gab besänftigende Laute von sich, aber die beiden Männer ignorierten ihn.

»Nehmen Sie das Geld«, sagte Ferragus.

Als Sharpe gehustet und mit den Füßen gescharrt hatte, war er laut genug gewesen, um das Geräusch zu übertönen, das der Hahn seines Gewehrs beim Spannen machte. Es hing ihm von der rechten Schulter, die Mündung neben seinem Ohr, und jetzt bewegte er die rechte Hand auf den Abzug zu. Er sah auf die Münzen hinab. Ferragus musste den Eindruck gewonnen haben, Sharpe sei in Versuchung, denn er schob das Gold näher zu ihm. Sharpe sah ihm in die Augen und drückte ab.

Das Geschoss schlug in eine der Dachschindeln und füllte die Kapelle mit Rauch und Getöse. Das Geräusch machte Sharpe vorübergehend taub und lenkte Ferragus eine halbe Sekunde lang ab – die halbe Sekunde, die Sharpe brauchte, um sein Knie hochzuziehen und es dem großen Mann in die Lenden zu stoßen, gefolgt von einem Hieb der linken Hand, die er mit gestreckten Fingern in die Augen des Gegners stach. Dann traf die geballte Rechte auf den Adamsapfel. Er vermutete, dass er in einem fairen Kampf keine Chance gehabt hätte, aber genau wie Ferragus fand auch Sharpe, faire Kämpfe seien etwas für Narren. Er wusste, dass er Ferragus schnellstens niederringen und ihm so erheblichen Schmerz zufügen musste, dass sich der Riese nicht wehren konnte, und eben das hatte er innerhalb eines einzigen Herzschlags getan. Der große Mann beugte sich vor Qual vornüber und rang nach Luft. Sharpe schaffte ihn aus dem Weg, indem er ihn vor den Altar zerrte, dann ging er an dem entsetzten Ferreira vorüber. »Haben Sie mir etwas zu sagen, Major?«, fragte Sharpe, und als Ferreira wie betäubt den Kopf schüttelte, setzte er seinen Weg fort und trat hinaus ins Sonnenlicht. »Lieutenant Slingsby?«, rief er. »Was machen diese verdammten Dragoner?«

»Sie halten Abstand, Sharpe«, antwortete Slingsby. »Was war das für ein Schuss?«

»Ich habe einem portugiesischen Kumpan gezeigt, wie so ein Gewehr funktioniert«, erwiderte Sharpe. »Wie viel Abstand halten sie denn?«

»Mindestens eine Meile. Sie sind am Fuß des Hügels.«

»Behalten Sie sie im Auge«, wies Sharpe ihn an. »Und ich will dreißig Mann in dieser Kapelle. Sofort! Mister Iliffe! Sergeant McGovern!«

Er übertrug Ensign Iliffe das Kommando über die dreißig Männer, die die Säcke aus der Kapelle tragen sollten. Draußen sollten die Säcke aufgeschlitzt und ihr Inhalt über den Gipfel des Hügels verstreut werden. Ferragus humpelte aus der Kapelle. Seine Männer wirkten verstört und wütend, aber sie waren bei Weitem in der Unterzahl und konnten nichts tun. Ferragus vermochte wieder zu atmen, hatte jedoch noch immer Schwierigkeiten, aufrecht zu stehen. Erbittert sprach er auf Ferreira ein, doch dem Major gelang es, den Riesen zur Vernunft zu bringen. Endlich bestiegen sie alle ihre Pferde und ritten mit einem letzten zornigen Blick auf Sharpe den westlich gelegenen Weg hinunter.

Sharpe sah ihrem Rückzug zu, dann ging er, um sich zu Slingsby zu gesellen. Hinter ihm brannte der Telegrafenmast noch immer lichterloh, bis er plötzlich mit einem gewaltigen splitternden Geräusch und einer Explosion von Funken zur Seite krachte. »Wo sind die Franzmänner?«

»Dort in der Rinne.« Slingsby wies auf ein Stück totes Land beim Fuß des Hügels. »Sie sind vom Pferd gestiegen.«

Sharpe benutzte sein Fernrohr und entdeckte zwei der grün uniformierten Männer, die hinter ein paar Felsblöcke krochen. Einer von ihnen hatte ein Fernrohr dabei und beobachtete den Gipfel. Fröhlich winkte Sharpe dem Mann zu. »Nicht viel los mit denen, was?«, fragte er.

»Sie könnten vorhaben, uns anzugreifen«, mutmaßte Slingsby beflissen.

»Nur wenn sie lebensmüde sind«, erwiderte Sharpe. Er vermutete, dass sich die Dragoner von der weißen Fahne am Telegrafenmast hatten westwärtslocken lassen und dass sie jetzt, da ihnen statt der Fahne eine Rauchwolke entgegenwehte, nicht wussten, was sie tun sollten. Er richtete das Glas weiter nach Süden und entdeckte in dem Tal, wo die Hauptstraße am Fluss entlangführte, noch immer Rauch. Offensichtlich schlug sich die Nachhut wacker, doch schon bald würde sie sich zurückziehen müssen, denn der Hauptteil der feindlichen Armee kam jetzt als eine Anzahl dunkler Säulen, die durch die Felder marschierten, in Sicht. Sie waren noch weit entfernt, sogar durch das Glas kaum auszumachen, aber sie waren da, eine umschattete Horde, die gekommen war, um die Briten aus dem portugiesischen Binnenland zu vertreiben. L’Armée de Portugal nannten es die Franzosen, die Armee, die die Rotröcke bis nach Lissabon und von dorthinaus aufs Meer jagen sollte, sodass Portugal endlich unter die Trikolore gestellt werden konnte. Aber die Armee von Portugal sollte ihr blaues Wunder erleben. Marschall Masséna würde über leer gefegtes Land marschieren und sich dann jäh den Verteidigungslinien von Torres Vedras gegenüberfinden.

»Können Sie etwas sehen, Sharpe?« Slingsby trat näher, offenbar wartete er auf eine Gelegenheit, sich das Fernrohr zu borgen.

»Haben Sie Rum getrunken?«, fragte Sharpe, der schon wieder eine Fahne witterte.

Slingsby schien erst erschrocken, dann beleidigt. »Ich reibe ihn mir auf die Haut«, antwortete er verstimmt und klatschte sich ins Gesicht. »Es hält die Fliegen fern.«

»Sie tun was?«

»Ist ein Trick, den ich auf den Inseln gelernt habe.«

»Zum Teufel noch mal.« Sharpe schob das Glas zusammen und steckte es zurück in seine Tasche. »Da drüben sind Franzmänner«, sagte er und wies nach Südosten. »Tausende von gottverdammten, verfluchten Franzmännern.«

Er ließ den Lieutenant, der in die Ferne nach der Armee starrte, stehen und ging, um die Rotröcke anzutreiben, die eine Kette gebildet hatten und die Säcke am Hang des Hügels entleerten. Es sah inzwischen aus, als stünden sie knöcheltief im Schnee. Wie Pulverrauch rieselte das Mehl vom Gipfel, fiel weich, bildete Mulden, und noch immer wurden weitere Säcke aus der Tür geschleppt. Sharpe nahm an, dass es noch zwei Stunden dauern würde, ehe die Kapelle leer war. Er befahl zehn Schützen, bei den Arbeiten zu helfen, und schickte dafür zehn der Rotröcke, die sich Slingsby auf seinem Beobachtungsposten anschließen sollten. Er wollte vermeiden, dass seine Rotröcke in Klagen ausbrachen, sie hätten die ganze Arbeit zu machen, während die Schützen mit den leichten Aufgaben davonkamen. Er packte selbst mit an, stellte sich in die Reihe und warf Säcke aus der Tür, während der zusammengebrochene Telegrafenmast vor sich hin brannte. Vom Wind verstreute verkohlte Holzstücke übersäten das weiße Mehl mit schwarzen Flecken.

Slingsby erschien, gerade als die letzten Säcke aufgeschlitzt wurden. »Die Dragoner sind weg, Sharpe«, berichtete er. »Ich denke, sie haben uns gesehen und sind ihres Weges geritten.«

»Gut.« Sharpe zwang sich zu einem höflichen Tonfall. Dann ging er hinüber zu Harper, der zusah, wie die Dragoner von dannen ritten. »Hatten die keine Lust, mit uns zu spielen, Pat?«

»Dann hatten sie mehr Verstand als dieser Riese von einem Portugiesen«, sagte Harper. »Sie haben ihm ganz schön Kopfschmerzen verpasst, was?«

»Der Bastard wollte mich bestechen.«

»Ach ja, die Welt ist schlecht«, sagte Harper. »Und dabei träume ich ständig davon, mal ein kleines Bestechungsgeld abzustauben.« Er schlang sich das siebenläufige Gewehr um die Schulter. »Was haben diese Kerle also hier oben gemacht?«

»Nichts Gutes«, antwortete Sharpe und klopfte sich die Hände ab, ehe er seinen geflickten Rock zurechtzupfte, der jetzt mit Mehl bedeckt war. »Der verdammte Mister Ferragus hat dieses Mehl den Franzen verkauft, Pat, und dieser verdammte portugiesische Major steckt bis über seinen Arsch mit drin.«

»Haben sie Ihnen das jetzt erzählt?«

»Natürlich nicht«, erwiderte Sharpe. »Aber was sollten sie wohl sonst gemacht haben? Jesus! Sie haben eine weiße Fahne gehisst, um die Franzmänner wissen zu lassen, dass hier oben die Luft rein ist, und wenn wir nicht gekommen wären, Pat, dann hätten sie ihnen dieses Mehl verkauft.«

»Gott und die Heiligen bewahren uns vor dem Bösen«, murmelte Harper belustigt. »Wie schade, dass die Dragoner nicht zum Spielen gekommen sind.«

»Schade? Warum zum Teufel sollten wir ohne Grund kämpfen wollen?«

»Damit Sie sich eins ihrer Pferde hätten verschaffen können«, sagte Harper. »Deshalb natürlich.«

»Und weshalb sollte ich ein verdammtes Pferd wollen?«

»Weil Mister Slingsby eines bekommt, jawohl. Er hat es mir selbst erzählt. Der Colonel gibt ihm ein Pferd, jawohl.«

»Das geht mich verdammt noch mal nichts an«, erwiderte Sharpe, aber die Vorstellung von Lieutenant Slingsby hoch zu Ross ärgerte ihn nichtsdestotrotz. Ein Pferd, ob Sharpe eines wollte oder nicht, war ein Statussymbol. Verdammter Slingsby, dachte er, starrte auf die Hügel in der Ferne und sah, wie tief die Sonne schon gesunken war. »Gehen wir nach Hause«, sagte er.

»Ja, Sir«, sagte Harper. Er wusste genau, weshalb Mister Sharpe so schlechter Laune war, aber er durfte davon nichts verlauten lassen. Offiziere hatten gefälligst Waffengefährten zu sein, keine Erzfeinde.

Sie marschierten in die Dämmerung und ließen den weißen, von Rauch umwölkten Gipfel hinter sich. Vor ihnen lag die Armee und hinter ihnen der Franzose.

Der nach Portugal zurückgekommen war.

Miss Sarah Fry, die ihren Nachnamen immer gehasst hatte, klopfte mit der Hand auf den Tisch. »Auf Englisch«, beharrte sie, »auf Englisch.«

Tomas und Maria, die acht beziehungsweise sieben Jahre alt waren, blickten missmutig drein, gehorchten aber und wechselten von ihrer portugiesischen Muttersprache ins Englische. »Robert hat einen Ring«, las Tomas. »Sieh mal, der Ring ist rot.«

»Wann kommen die Franzosen?«, fragte Maria.

»Die Franzosen kommen überhaupt nicht«, erwiderte Sarah brüsk. »Weil nämlich Lord Wellington sie aufhalten wird. Welche Farbe hat der Ring, Maria?«

»Rouge«, erwiderte Maria auf Französisch. »Wenn also die Franzosen gar nicht kommen – weshalb beladen wir dann die Wagen?«

»Französisch haben wir dienstags und donnerstags«, sagte Sarah wiederum brüsk. »Und heute ist?«

»Mittwoch«, antwortete Tomas.