CALLANS
SCHICKSAL
BREEDS
Roman
Ins Deutsche übertragen von
Anna Martin
Titel
Widmung
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Epilog
Impressum
CALLANS
SCHICKSAL
BREEDS
Roman
Ins Deutsche übertragen von
Anna Martin
Für meinen Mann Tony – einfach weil er das Leben
schön macht.
1
Washington D. C.
»Das hier ist meine Geschichte.« Merinus starrte ihre sieben Brüder und ihren Vater an und sagte das mit fester Stimme, entschlossen, sich diesmal durchzusetzen.
Sie wusste, dass sie keine beeindruckende Figur abgab. Mit einem Meter zweiundsechzig war es verdammt hart, die Männer der Familie, die alle über ein Meter achtzig waren, zu überzeugen, dass ihr etwas ernst war. Aber bei dieser Sache musste sie es einfach versuchen.
»Denkst du nicht, dass du dir da ein bisschen zu viel zumutest, Zwerg?« Caleb, Chefredakteur des National Forum und ihr zweiältester Bruder, sah sie mit einem leicht überheblichen Lächeln an.
Merinus ignorierte die Provokation. Sie blickte an dem langen Tisch entlang direkt in das nachdenkliche Gesicht ihres Vaters. John Tyler war derjenige, den sie überzeugen musste, nicht seine idiotischen Nachkommen.
»Ich habe hart gearbeitet, Dad, ich kann das.« Sie gab sich alle Mühe, ihrer Stimme den stahlharten, entschlossenen Klang zu geben, den sie schon so oft bei ihrem ältesten Bruder gehört hatte. »Ich verdiene diese Chance.«
Sie war vierundzwanzig Jahre alt, das jüngste von acht Kindern und die einzige Tochter. Sie hasste Make-up, verabscheute Kleider und gesellschaftliche Ereignisse und musste sich von ihren Brüdern oft anhören, dass sie eine Enttäuschung für das gesamte weibliche Geschlecht sei. Sie wollte Journalistin werden, und sie wollte etwas verändern. Sie wollte dem Mann begegnen, dessen Bild vor ihr auf dem Tisch lag, und herausfinden, ob seine Augen wirklich so strahlend goldbraun waren. Vielleicht steckte mehr von einer Frau in ihr, als die anderen ahnten.
Sie war besessen, das musste Merinus sich innerlich eingestehen, und ihr war klar, dass sie das um jeden Preis verbergen musste. In dem Moment, in dem sie das Bild dieses Mannes gesehen hatte, war sie nervös geworden, voller Angst, dass seine Feinde ihn erwischten, bevor sie ihm das Angebot ihres Vaters unterbreiten konnte.
»Wieso glaubst du, dass du die Beste für diese Aufgabe bist, Merinus?« Ihr Vater beugte sich vor und umklammerte die Kanten des Tisches mit den Händen. Seine blauen Augen musterten sie ernst und nachdenklich.
»Weil ich eine Frau bin.« Sie gestattete sich ein kleines Lächeln. »Mit einem der sieben Ungeheuer hier wäre sofort so viel Testosteron im Raum, dass er umgehend ablehnen würde. Aber einer Frau wird er zuhören.«
»Wird er ihr zuhören oder versuchen, sie zu verführen?«, fragte einer ihrer anderen Brüder barsch. »Dieser Vorschlag ist inakzeptabel.«
Merinus hielt den Blick auf ihren Vater gerichtet und betete, dass ihr ältester Bruder Kane den Mund halten würde. Ihr Vater hörte auf ihn, wenn es um sie ging, und wenn er es für zu gefährlich hielt, dann würde John Tyler ihr niemals erlauben zu gehen.
»Ich werde vorsichtig sein«, erklärte sie ihm sanft. »Ich habe viel von dir und Kane gelernt. Ich will diese Chance. Ich verdiene sie.«
Und wenn ich sie nicht bekomme, dann werde ich es trotzdem tun. Sie wusste, dass ihre Brüder keinen Kontakt zu dem Mann herstellen konnten, aber sie konnte es. Sie unterdrückte ein Schaudern bei dem Gedanken. So mancher würde behaupten, dass er nicht einmal menschlich sei. Ein genetisches Experiment, gezeugt in einem Reagenzglas, von einer Leihmutter ausgetragen und ausgestattet mit einer DNA, die durch die Gene eines Tieres verändert wurde. Ein Mann mit allen Instinkten und den Jagdfähigkeiten eines Löwen. Ein absolut menschlich aussehender Mann – erschaffen, um zu töten.
Merinus hatte alle Berichte über die Experimente und das über dreißig Jahre zurückreichende Tagebuch der Wissenschaftlerin gelesen, die ihn damals ausgetragen hatte. Dr. Maria Morales war im College eine Freundin ihres Vaters gewesen. Sie hatte verfügt, dass die Kiste mit den Unterlagen im Falle ihres Todes an John Tyler gehen sollte. Und die Entscheidung, wer ihren letzten Wunsch erfüllen würde, lag bei ihm allein.
Maria wollte, dass er den Sohn, den sie damals bekommen hatte, an einem bestimmten Ort suchte und ihm dann dabei half, das geheime Genetics Council zu besiegen, indem er ihn überzeugte, an die Öffentlichkeit zu gehen. Nur dann wäre er irgendwann wieder in Sicherheit. Sie hatte genug Anhaltspunkte für weitere Nachforschungen geliefert, und Kane hatte sich um den Rest gekümmert. Sie besaßen jetzt die Namen der Council-Mitglieder und Beweise für deren Beteiligung. Ihnen fehlte nur noch der Mann, den diese Leute geschaffen hatten.
»Das ist zu gefährlich, um es ihr anzuvertrauen«, meinte Caleb erneut. Die anderen schwiegen, aber Merinus wusste, dass sie ihre Meinung schon bald kundtun würden.
Merinus holte tief Luft. »Entweder ich kriege die Geschichte, oder ich werde dem Idioten folgen, der sie kriegt. Ihr habt ohnehin keine Chance bei ihm.«
»Und das von einer Frau, die sich weigert, Make-up oder ein Kleid zu tragen?«, sagte Gray, ihr jüngster Bruder, und lachte abfällig. »Schätzchen, dir fehlt einfach das gewisse Etwas.«
»Man muss dafür keine Hure sein«, entgegnete sie ihm wütend. »Es ist einfache Logik, du Schwachkopf. Eine Frau, ob sie nun eine Hose oder ein Kleid trägt, wird die Aufmerksamkeit eines Mannes eher erregen als jeder andere Kerl. Er ist vorsichtig, er fasst nicht schnell Vertrauen. Marias Berichte bestätigen das eindeutig. Er würde keinem anderen Mann trauen, sondern sich bedroht fühlen.«
»Und er könnte genauso gefährlich sein, wie es seine Erschaffer geplant haben«, antwortete Caleb anstelle von Gray und fuhr sich mit den Fingern durch das kurze braune Haar. »Verdammt, Merinus, du hast in der Nähe dieses Bastards absolut gar nichts verloren.«
Merinus holte tief Luft. Sie senkte den Blick auf das Foto und bemerkte trotz des Hochglanzpapiers wieder diese trostlose Einsamkeit. Seine Augen faszinierten sie, selbst auf dem Bild. Viele Jahre der Traurigkeit spiegelten sich darin. Er war jetzt dreißig Jahre alt, ungebunden und allein. Ein Mann ohne Familie oder Rasse, zu der er gehörte. Das musste schrecklich sein, und dass man ihn auch noch jagte, war eine Tragödie.
»Ich werde nicht hierbleiben«, sagte sie laut genug, dass sie alle es hören konnten. »Ich werde demjenigen folgen, der sich auf den Weg macht, und ich werde nicht zulassen, dass ihr ihn jagt.«
Ein bedrückendes Schweigen breitete sich im Raum aus. Merinus konnte acht Augenpaare auf sich fühlen, die sie mit verschiedenen Abstufungen von Missbilligung im Blick ansahen.
»Ich gehe mit ihr. Ich kann den Forschungsteil übernehmen, und Merinus stellt den Kontakt her.« Als sie Kanes Stimme hörte, riss Merinus überrascht den Kopf hoch.
Der Schreck elektrisierte ihren Körper, als ihr klar wurde, dass ausgerechnet der Bruder, unter dem sie am meisten zu leiden hatte, bereit war, ihr in dieser Sache zu helfen. Es war kaum zu glauben. Kane war arrogant und zu neunzig Prozent der Zeit der größte Scheißkerl der Welt. Er war früher Commander bei den Special Forces gewesen und so herrisch, wie es ein Mann nur sein konnte.
Zum ersten Mal sah sie ihn direkt an. Sein Gesichtsausdruck war kühl, aber in seinen Augen stand Wut. Heiße zornige Blitze schossen aus dem dunklen Blau, und der leicht neckende Spott, den sie sonst immer darin erkannte, fehlte völlig. Die Intensität seines Blickes machte ihr fast Angst. Er war nicht wütend auf sie, das konnte sie sehen, aber Kane war verärgert. Und ein verärgerter Kane war nicht gut.
Merinus registrierte, dass ihr Vater sich auf seinem Stuhl zurückgelehnt hatte und seinen ältesten Sohn jetzt überrascht ansah.
»Du hast in diese Sache schon eine Menge Zeit investiert, Kane«, bemerkte John. »Mindestens sechs Monate. Ich dachte, du würdest dich gerne ein bisschen ausruhen.«
Kane blickte seinen Vater an und zuckte angespannt mit den Schultern.
»Ich möchte es zu Ende bringen. Ich werde in der Nähe sein, um ihr zu helfen, falls sie mich braucht, und ich kann die Untersuchungen durchführen, die zu gefährlich für sie wären. Wenn sie es schafft, heute Abend noch reisefertig zu sein, dann machen wir es auf ihre Art.«
»Ich bin bereit.« Merinus’ Antwort kam sofort. »Sag mir, wann’s losgehen soll.«
»Um vier. Wir haben acht Stunden Fahrt vor uns, und ich möchte die Gegend auskundschaften, bevor es morgen wieder dämmert. Zum Glück macht es dir nichts aus, dir ein paar Nägel abzubrechen, Kleine, weil dir genau das nämlich passieren wird.«
Er sprang abrupt auf, während die Männer um ihn herum heftig zu streiten begannen. Merinus konnte ihn nur schweigend ansehen, so überrascht war sie von seiner Entscheidung. Was zur Hölle hatte er vor?
Er ignorierte die hitzigen Proteste seiner Brüder. Sie argumentierten, dass es für Merinus nicht sicher sei und dass sie von »irgendeinem verdammten Tier-Hybriden« infiziert werden könnte. Merinus verdrehte die Augen, dann biss sie sich nervös auf die Lippe, als Kanes Gesicht zu einer Maske gefährlicher Wut erstarrte. Seine Augen wirkten wie tot. Sie konnte es nicht anders beschreiben. Es schien, als wäre jegliches Leben oder Licht in ihm erloschen. Es war ein schrecklicher Blick.
Im Raum wurde es still. Niemand legte sich mit Kane an, wenn er so aussah.
»Mach dich fertig, kleine Schwester«, sagte er ruhig, als er an ihr vorbeiging. »Und wenn du ein verdammtes Kleid oder einen einzigen Lippenstift einpackst, dann schließe ich dich im Schlafzimmer ein.«
»Oh, Kane«, jammerte sie voller Sarkasmus. »Aber was soll ich denn dann bloß mitnehmen? Arschloch!« Er wusste ganz genau, dass er keins von beidem in ihrem Gepäck finden würde.
»Halt dich besser zurück, Kleine.« Er zog an ihren langen braunen Haaren. »Ich hole dich heute Abend ab.«
2
Sandy Hook, Kentucky
Das war kein Anblick für jungfräuliche Augen. Merinus richtete ihr Fernglas auf die Szene unter sich. Dort lag ein Mann und genoss die wärmenden Sonnenstrahlen, splitterfasernackt und mehr als ein wenig erregt. Sein großartiger, stark geäderter Schaft stand gute zwanzig Zentimeter – nicht weniger, eher mehr – unterhalb seines flachen Bauchs ab. Er war dick und lang und sehr verführerisch. Sie stieß zischend die Luft aus, während sie auf dem flachen Felsen lag, von dem aus sie in den versteckten kleinen Innenhof blicken konnte. Sie brachte es nicht fertig, ihre Augen abzuwenden.
Callan Lyons war groß, mindestens ein Meter neunzig. Er besaß eine muskulöse breite Brust, schmale Hüften, starke Schenkel und die verdammt noch mal großartigsten Beine, die sie jemals gesehen hatte. Das war einfach kein Anblick für eine nette, zurückhaltende Journalistin wie sie. Es brachte eine Frau auf schlimme Gedanken. Sie stellte sich vor, wie es sich wohl anfühlen würde, neben ihm zu liegen und sich an ihm zu reiben, diese glatte goldene Haut zu küssen … Sie zitterte bei dem Gedanken.
Mr Lyons und sie spielten jetzt schon seit einer Woche ein amüsantes kleines Spielchen. Sie tat so, als würde sie nicht wissen, wer er war und wo sie ihn finden konnte, und er ignorierte es, dass sie in der Stadt herumlief und Fragen über ihn stellte, Fragen über ihn, seine tote Mutter und seinen Aufenthaltsort. Sie hatten sogar schon mehrmals direkt miteinander gesprochen. Als wenn ich mich nicht ganz genau vorbereitet hätte, dachte sie höhnisch. Berichte, Aufzeichnungen, Memos, Bilder – die ganze Palette. Sie hatte den Mann schon wochenlang studiert, bevor sie Anspruch auf die Story erhoben hatte.
Sie konnte immer noch nicht glauben, dass Kane sie dabei unterstützte und mitgekommen war, damit sie Kontakt mit Callan aufnehmen konnte. Natürlich saß er ihr dabei die ganze Zeit im Nacken. Das hätte er auch jetzt getan, wenn er nicht zurück nach Washington hätte fahren müssen, um mit einem Wissenschaftler zu reden, von dem sie glaubten, dass er vielleicht mit den ursprünglichen Experimenten zu tun hatte. Merinus sollte derweil etwas über Callans Mutter herausfinden und mit dem so schwer zu fassenden Objekt ihrer Begierde Kontakt aufnehmen.
Und hier war sie nun, recherchierte die interessanteste Geschichte ihres Lebens, und anstatt weiter Nachforschungen über den Mann anzustellen, sah sie ihm beim Sonnenbaden zu. Aber was für ein Anblick das war! Ein gebräunter, muskulöser Körper. Langes goldbraunes Haar, in der Farbe des Löwen, der angeblich seine DNA-Struktur beeinflusst hatte. Ein starkes, mutiges Gesicht, wunderschön und fast wild mit seinen Kanten und Ecken. Und Lippen, volle männliche Lippen mit einem leicht gnadenlosen Schwung. Sie wollte diese Lippen küssen. Sie wollte bei den Lippen anfangen und dann ihren Weg abwärts küssen und lecken. Über diese breite Brust und den harten, flachen Bauch bis zu der Erektion, die sich zwischen seinen gebräunten Schenkeln erhob. Bei dem Gedanken leckte sie sich über die Lippen.
Sie zuckte zusammen, als ihr Handy an ihrer Hüfte vibrierte. Verärgert verzog sie das Gesicht. Sie wusste, wer das war. Es musste ihr ältester, nervigster Bruder sein.
»Was, Kane?«, zischte sie, nachdem sie das Handy geöffnet hatte und an ihr Ohr hielt. Sie war ziemlich stolz darauf, dass ihre Augen sich nicht eine Sekunde lang von der männlichen Schönheit unter ihr gelöst hatten.
»Es hätte auch Dad sein können«, erinnerte Kane sie mit ausdrucksloser, harter Stimme.
»Es hätte auch der Papst sein können, aber wir beide wissen, wie hoch die Chancen dafür stehen«, murmelte sie.
»Miststück«, knurrte er fast freundlich.
»Oh, wie nett«, flötete sie. »Ich liebe dich auch, Arschloch.«
Ein leises Lachen erklang in der Leitung und ließ sie ebenfalls lächeln. »Wie läuft’s mit der Story?« Seine Stimme wurde wieder ernst, zu ernst.
»Es geht voran. Später habe ich noch einen Termin mit einer Frau, die mir was über die Mutter erzählen will. Sie wurde in ihrem eigenen Haus ermordet. Das weiß Dad nicht.«
Maria Morales, die man in der kleinen Stadt im östlichen Kentucky unter dem Namen Jennifer Lyons gekannt hatte, war umgebracht worden. Nicht von einem Einbrecher oder als zufälliges Opfer eines Verrückten, sondern von jemandem, der gezielt getötet hatte.
»Was glaubst du denn, was du herausfindest, wenn du Nachforschungen über die Mutter anstellst?«, fragte Kane. »Du brauchst Beweise über den Sohn, Merrie, vergiss das nicht.«
»Ich weiß, hinter was ich her bin, Klugscheißer«, erwiderte sie. »Aber um an den Sohn zu kommen, brauche ich Informationen. Außerdem versucht mich jemand an der Nase herumzuführen, was Morales angeht. Du weißt, wie sehr ich so etwas hasse.«
Das war ein Rätsel, genauso groß wie das, das ausgestreckt vor ihr auf der Terrasse lag. Mein Gott. Sie sah, wie seine Hand zu seinem Sack wanderte, allerdings nicht, um sich zu kratzen, wie sie geglaubt hatte, sondern um sich zu streicheln, sich selbst zu befriedigen. Ihr Puls spielte verrückt.
»Ich kümmere mich um die Recherchen, weißt du noch?«, erinnerte er sie. »Du sollst bloß Kontakt aufnehmen.«
»Aber ich kann beides tun«, zischte sie.
Ein müdes Seufzen erklang in der Leitung. »Hast du schon mit Lyons gesprochen? Ihm von dem Deal erzählt, den Dad ihm anbietet?« Ja, der Deal seines Lebens: Zeig dich, erzähl uns deine Geschichte, und wir machen dich berühmt. Stell dein ganzes Leben auf den Kopf. Merinus hatte dieser Deal von Anfang an nicht gefallen, aber sie wusste, dass es Callans einzige Chance auf ein gewisses Maß an Sicherheit war.
»Noch nicht. Aber ich bin dran.« Es fiel ihr schwer, weiter ruhig zu atmen, als sich seine Hand um seinen dicken Schwanz schloss und er anfing, über das wunderschöne feste Fleisch zu reiben.
Er würde sich selbst befriedigen. Ungläubigkeit durchzuckte sie – vor allem ihren Unterleib –, als ihr das klar wurde. Direkt vor ihren Augen würde dieser Mann sich selbst befriedigen. Sie konnte es nicht fassen. Seine Hand umfasste den breiten Schaft nur ganz locker und bewegte sich langsam und sanft, fast träge von der Spitze nach ganz unten.
Sie spürte, wie sich die Hitze zwischen ihren Beinen sammelte. Ihr Unterleib zog sich zusammen, und die Erregung schoss wie ein Blitz durch ihren gesamten Körper. Ihre Nippel wurden hart und schmerzten, und sie war plötzlich so empfindlich, dass sie fühlen konnte, wie der warme Wind über ihre nackten Arme strich wie die Liebkosung eines geisterhaften Geliebten.
Meine Güte, fühlten Männer sich auch so, wenn sie Frauen bei der Selbstbefriedigung zusahen? Kein Wunder, dass es ihnen so gut gefiel. Während Callan weiter mit seinen langen Fingern seinen Schaft stimulierte, hielt er sich mit der anderen Hand den Sack und massierte ihn. Wieso war es nur so verdammt warm? Sie würde jeden Moment an einem Hitzschlag sterben.
»Beeil dich, Merinus, du hast nicht ewig Zeit«, knurrte Kane. »Es sind Söldner hinter dem Bastard her. Und ich kann dich nicht mehr lange decken. Ich muss noch drei Tage hierbleiben, und Dad rastet schon aus, weil du da unten ganz allein bist.«
Söldner, ja sicher. Sie blinzelte, während sie zusah, wie seine Hände die dicke Spitze seiner Erektion bedeckten, wie die Fingerspitzen den Bereich direkt darunter streichelten. Sie leckte sich die Lippen und sehnte sich danach, ihm zu helfen. Ihre Jungfräulichkeit war in akuter Gefahr.
»Ich beeile mich, versprochen«, murmelte sie. »Und jetzt lass uns aufhören, damit ich endlich weiterarbeiten kann. Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit, um mit dir zu quatschen.«
Sie hörte, wie er ungeduldig seufzte. »Melde dich bald wieder. Du tust es immer zu spät«, warf er ihr vor.
»Warum sollte ich mich melden? Du rufst mich doch sowieso jeden Tag an«, sagte sie abwesend. »Ich muss jetzt auflegen, Kane. Es gibt noch viel zu tun. Wir sprechen uns später wieder.«
Er fluchte noch, als sie das kleine Handy schloss und wieder in ihre Hosentasche steckte. Gütiger Himmel, sie würde gleich einen Herzinfarkt bekommen. Der Löwenmann spielte jetzt mit seinem Schwanz wie mit einem fein gestimmten Instrument. Sie hätte schwören können, den harten Schaft pulsieren zu sehen. Dann bäumte er sich plötzlich auf, und ein dicker Strahl Sperma schoss aus der Spitze auf seinen harten Bauch und seine schwielige Hand.
»Oh Mann, lass mich kosten«, flüsterte sie, unfähig, die Augen von ihm zu lösen.
Er streckte sich und schlug die Augen auf. Sie atmete scharf ein, als ihre Blicke sich trafen, und ein zufriedenes Lächeln auf seinen wunderschönen Lippen erschien. Er kann nicht wissen, dass ich hier bin, versicherte sie sich selbst. Das war nicht möglich. Oder?
Callan lächelte in sich hinein, während er den Blick von der Stelle abwandte, an der die Frau glaubte, sich sicher vor ihm zu verstecken. Verdammt, er konnte ihre Erregung wittern, selbst auf die Entfernung von gut anderthalb Kilometern. Hatte sie ihre Hausaufgaben denn nicht gemacht? Er wusste, dass in den Berichten, die sie in ihrem Lieferwagen versteckte, stand, dass er außergewöhnlich gut sehen, hören und riechen konnte. Obwohl er die Erregung einer anderen Frau noch nie so gut hatte wahrnehmen können wie ihre.
Er stand auf, streckte sich erneut und gestattete ihr einen kurzen Blick auf die festen Muskeln seines Hinterns, während er belustigt lächelte. Die kleine Journalistin zu ärgern machte viel mehr Spaß, als er gedacht hätte. Jedes Mal wenn sie sich ihm näherte und so tat, als hätte sie keine Ahnung, wer er war, stellte er ihre Geduld auf die Probe und fragte sich, wann sie sich verraten würde. Er bezweifelte, dass es noch lange dauern würde. Nicht dass er vorhatte, sie zu berühren. Der Gedanke ernüchterte Callan. Nein, es war besser, wenn er das nicht tat. Zur Hölle, es wäre besser gewesen, wenn er sich sofort nach ihrer Ankunft aus dem Staub gemacht hätte, aber etwas an ihr hielt ihn fest und weckte seine Neugier. Das Sprichwort über die Neugier einer Katze stimmte tatsächlich, obwohl er auf dieses besondere genetische Merkmal gut hätte verzichten können.
»Ist sie immer noch da oben?« Sherra erschien im Türrahmen des Hauses, als er sich die Shorts über die Hüften zog und seinen immer noch harten Schwanz damit bedeckte. »Du hast ihr eine ziemliche Show geliefert, Callan.«
Sie lächelte breit, obwohl in ihren Augen eine Frage stand.
»Vielleicht genieße ich das Spiel zu sehr.« Er erwiderte ihr Grinsen. »Sie hat eine ziemlich einmalige Art, der Story nachzugehen, das musst du zugeben.«
»Oder sie ist hinter dir her.« Sherra trat aus der Tür zurück, als er in die Küche ging. »Doc will dich noch mal im Labor sehen. Deine letzten Testergebnisse waren ein bisschen ungewöhnlich, deshalb will er sie wiederholen.«
»Inwiefern ungewöhnlich?« Callan runzelte die Stirn. Die monatlichen Tests waren noch nie ungewöhnlich gewesen.
Sherra zuckte mit den Schultern. »Die Drüsen an den Seiten deiner Zunge scheinen vergrößert zu sein.«
Callan fuhr sich mit der Zunge über die Zähne und bemerkte, dass es sich anders als sonst anfühlte. Aber das war nicht beunruhigend, so etwas passierte hin und wieder.
»Vielleicht habe ich mich erkältet oder so.« Er zuckte mit den Schultern.
»Die Herzfrequenz, das Adrenalin, die Sperma- und die Bluttests waren auch nicht in Ordnung. Kann an den Geräten liegen, aber er will noch mehr Proben, nur um sicherzugehen.«
»Verdammt. Dann brauchen wir schon wieder neue Geräte?« Er seufzte. »Die Scheiße kostet jedes Mal einen Haufen Geld.«
»Aber dadurch bleiben wir bei Verstand«, erinnerte ihn Sherra, während sie eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank nahm. »Geh und mach ihn glücklich. Du weißt, wie unleidig er wird, wenn ein Testergebnis nicht in Ordnung ist. Er wäre fast verrückt geworden, als Taber letztes Jahr durchgedreht ist, weißt du noch?«
Zur Hölle, ja, daran erinnerte Callan sich. Taber war während des ganzen Jahres irgendwie verrückt gewesen. So reizbar, dass es an Wildheit grenzte. Er war oft tagelang verschwunden, ohne jede Erklärung oder Entschuldigung.
»Ja, aber ich weiß auch noch, dass eine schlappe halbe Million vom Konto verschwand, als wir die neuen Maschinen kaufen mussten.« Callan verzog das Gesicht. »Verdammt, Doc muss einfach besser auf seine Spielzeuge aufpassen. Das war erst vor einem Jahr.«
Sherra grinste, wobei sich ihre Nase kräuselte und der scharfe Zug um ihren Schmollmund weicher wurde.
»Dann solltest du ihm besser noch mehr Proben verschaffen, damit er seine Ergebnisse überprüfen kann«, drängte sie ihn. »Wir wollen doch nicht, dass er auf einen vagen Verdacht hin neue Geräte kauft.«
Callan schüttelte den Kopf und lief schnell ins Kellergeschoss hinunter, wo das Labor lag. Es war nicht der perfekteste Ort, um ihr Geheimnis zu hüten, aber er reichte aus. Die kühle Luft hier unten war nicht feucht wie in vielen anderen Kellern, sondern durch einen Belüftungsschacht gleichbleibend trocken. Außerdem konnte man das Labor durch das Haus gut erreichen. Doc arbeitete gerne hier unten, und dadurch war es leichter, ihre Existenz geheim zu halten.
»Noch mehr Tests«, murmelte er. »Die brauche ich ungefähr so dringend wie diesen harten Schwanz, der mich verdammt wütend macht.«
Er hätte sich um letzteres Problem gerne gekümmert, wenn besagter Schwanz bei irgendeiner Frau außer der verklemmten Journalistin, die ihn verfolgte, kooperiert hätte. Aber nein, er erschlaffte wie ein welkes Salatblatt, sobald er irgendwas versuchte. Wenn Callan aber ihr Geruch in die Nase stieg, wurde er sofort wieder stahlhart. Das war lästig, um es einmal nett auszudrücken.
Die Tatsache, dass sie die einzige Frau war, die er nicht haben konnte, machte es nicht besser. Er kannte den psychologischen Grund dafür. Er wollte sie, gerade weil er sie nicht haben durfte. Eine Journalistin, die Nachforschungen über ihn anstellte, bedeutete selten Gutes. Er hatte viele Geheimnisse, und sein Überleben hing davon ab, dass er sie bewahrte. Er verhielt sich möglichst unauffällig, ging nur sehr selten in die Stadt und ließ nur wenige Leute an sich heran. Folglich konnte es nur einen Grund geben, warum eine Journalistin, vor allem eine Tyler-Journalistin, nach ihm suchte.
Es konnte nur an der Frau liegen, die ihn ausgetragen hatte, und an ihrer hirnrissigen Idee, dass er sich der Öffentlichkeit präsentieren sollte, um wieder frei zu sein. In der Kiste, die sie dem National Forum und ihrem alten Freund John Tyler kurz vor ihrem Tod geschickt hatte, waren vermutlich Hinweise auf seine Existenz gewesen. Denn es fehlten Notizbücher mit Aufzeichnungen, Testergebnisse, Laboruntersuchungen und DNA-Sequenzen – alles, was man brauchte, um ihn unter die Erde zu bringen. Sie hatten sich an dem Abend, bevor Maria angegriffen und getötet wurde, deswegen gestritten und stundenlang debattiert, während die anderen der Küche ferngeblieben waren, wo sie sich angeschrien und beschimpft hatten wie Todfeinde. Am Ende hatte sie allerdings den Sieg davongetragen. Er hatte zugestimmt, mit ihr nach New York zu gehen, sobald er das Söldnerteam losgeworden war, das ihn aktuell verfolgte.
Er und die anderen hatten das Haus verlassen, um sich dieser Sache anzunehmen. Bei ihrer Rückkehr hatte Maria in der Küche in ihrem eigenen Blut gelegen, genau dort, wo er sie zurückgelassen hatte. Und jetzt, ein Jahr später, suchte Merinus Tyler nach ihm.
Das wäre ja noch okay gewesen, dachte er, wenn er sie einfach ficken und dann wieder wegschicken könnte. Aber er hatte die Beharrlichkeit und die Entschlossenheit in ihrem Blick gesehen und war ziemlich sicher, dass er sich in dieser Hinsicht wohl keine Hoffnungen zu machen brauchte.
3
Die Tankstelle, der Lebensmittelladen und der Diner lagen alle direkt nebeneinander. Und Callan war hier. Merinus fuhr spät an diesem Nachmittag auf den Parkplatz davor und stieg langsam aus ihrem Geländewagen aus, während sie sich umsah.
Etwa ein halbes Dutzend Fahrzeuge stand an der Straße, ein paar auch an den Zapfsäulen. Ein alter Pick-up wartete mit geöffneter Motorhaube vor der Werkstatt der Tankstelle. Merinus holte tief Luft und ging rasch zur Werkstatthalle und dem einzelnen Mann hinüber, der vor dem Pick-up stand und fast ein bisschen übertrieben konzentriert auf das Innenleben unter der Motorhaube starrte.
Das Spiel war lustig, aber langsam nervte es. Dennoch wollte sie nicht diejenige sein, die es beendete. Erst recht nicht, nachdem sie zugesehen hatte, wie er seinen harten, glänzenden Penis zu einem so beeindruckenden Höhepunkt massiert hatte. Davon hatte sie sich noch nicht wieder erholt, ebenso wenig wie das zarte, sensible Fleisch zwischen ihren Beinen, das noch immer pulsierte und den breiten, dicken Schaft tief in sich spüren wollte.
Vorsichtig näherte Merinus sich dem Truck. Heute trug Callan eine abgewetzte Jeans, ein T-Shirt und eine Baseballkappe. Wenn er versuchte, sich mit der Mütze zu tarnen, dann funktionierte es nicht besonders gut. Sie hatte ihn sofort entdeckt, als die Tankstelle vor ihr auftauchte.
»Entschuldigung, könnten Sie mir sagen, wo ich Taber Williams finde?«, fragte Merinus fröhlich und achtete darauf, ihm nicht zu nahe zu kommen. Sein graues T-Shirt und auch die Jeans, die eng an seinen langen, muskulösen Beinen saß, waren voller Ölflecken. Außerdem würde sie sich womöglich nicht beherrschen können, wenn sie in Reichweite vor ihm stand, und sich vielleicht an seiner Jeans zu schaffen machen. Ihr war der Anblick des harten männlichen Fleisches nicht aus dem Kopf gegangen, und sie hatte keine Sekunde der Szene vergessen. Aber jetzt spielten sie wieder ihr Spielchen. Sie wusste nichts, und er sagte nichts. Dummes Spielchen.
Die Muskeln seiner breiten Schultern bewegten sich, dann drehte er den Kopf mit der roten Baseballkappe nur ganz leicht zur Seite. Seine Augen versteckte er hinter einer dunklen Sonnenbrille.
»Ist nicht hier«, murmelte er, dann wandte er sich wieder dem Motor zu.
So viel zum Thema Gastfreundlichkeit in der Kleinstadt, dachte Merinus verärgert. Er war heute unhöflich. Knurrig. Männlich.
»Wissen Sie, wo ich ihn finde? Oder wo ich ihm vielleicht eine Nachricht hinterlassen kann?«, fragte sie seinen breiten Rücken. Verdammt hübscher Körper, aber gar keine Manieren.
Die breiten Schultern zuckten in einer gleichgültigen Geste. »Sagen Sie es mir. Ich richte es ihm aus.« Knapp und auf den Punkt, aber er hob nicht einmal den Kopf. Seine ganze Aufmerksamkeit gehörte dem Motor und nicht Merinus.
Sie holte eine ihrer schmalen Karten aus ihrer Hosentasche und reichte sie ihm.
»Das hier ist meine Handynummer. Könnten Sie ihn bitten, mich so bald wie möglich anzurufen? Ich muss ihn wirklich unbedingt sprechen.« Sie wurde langsam wütend auf die kurz angebundene Wen-interessiert-das-Haltung, die er heute an den Tag legte. Er hätte zumindest Aufmerksamkeit heucheln können. Vielleicht musste sie ihr Anliegen mit mehr Nachdruck vortragen.
»Ich geb sie ihm.« Die Karte verschwand in der ölverschmierten Jeans.
Merinus blickte den Mann mit zusammengekniffenen Augen an. »Würden Sie mir sagen, wo er wohnt? Ich könnte dann einfach selbst mit ihm sprechen.« Sie bemühte sich, ihn nicht anzufauchen.
Erneut ließ er sich nur zu einem Schulterzucken herab.
»Die meiste Zeit lebt er hier«, sagte er.
Merinus wartete, aber mehr Informationen bot er ihr nicht an.
»Und Callan Lyons? Könnten Sie mir sagen, wo ich ihn erreichen kann?«, flötete sie und gab ihrer Stimme einen leicht ironischen Klang.
Es entstand eine lange Pause, während der Mann in den Motorblock griff, einige Kabel richtete und dann gegen das Metall klopfte.
»Haben Sie mich gehört?«, fragte sie mit falscher Freundlichkeit. »Callan Lyons? Wissen Sie, wo ich ihn finden kann?«
Die breiten Schultern zuckten schon wieder, und Merinus biss vor Wut die Zähne zusammen.
»Wer weiß schon, wo Lyons steckt«, sagte er schließlich. »Er kommt und geht.«
Merinus verdrehte die Augen. Das stimmte. Und er sah verdammt gut aus, wenn er kam.
»Also gut«, murmelte sie. »Ich komme später noch mal vorbei.«
»Mach das, Süße«, murmelte er und sah sie mit einem undurchdringlichen Lächeln über die Schulter hinweg an.
Merinus’ Augen wurden schmal, als sie ihn unverwandt anschaute. Er legte den Schraubenschlüssel, mit dem er gerade gearbeitet hatte, vorsichtig auf den Rand des Motorblocks, während er sie ebenfalls betrachtete. Sie konnte fast körperlich spüren, wie sein Blick an ihr entglitt, angefangen bei ihren weißen Sneakers, dann langsam über ihre gebräunten nackten Beine bis zum Saum ihrer Shorts und noch weiter nach oben. Er blieb an dem kleinen Streifen nackter Haut an ihrem Bauch hängen und wanderte weiter über ihre Brüste, bis er schließlich ihr Gesicht erreichte.
Merinus starrte ihn an, wütend über die Unverschämtheit, die sie in seiner Haltung und seinem Gesichtsausdruck las.
»Sonst noch was?« Eine goldbraune Augenbraue hob sich über die Gläser der Sonnenbrille.
»Nein, nichts«, murmelte sie, drehte sich um und ging schnell zu dem Diner hinüber.
Callan blickte ihr nach und hörte sofort auf zu lächeln, als sie sich zu ihm umsah. Verdammt, sie ist wirklich attraktiv, dachte er. Und sie war ganz klar auf der Jagd. Er verspürte leichtes Bedauern, als er sich eingestand, dass er diesen Fang definitiv genossen hätte, wenn die Umstände anders lägen. Wenn er nicht der wäre, der er war, und wenn sein eigenes Leben nicht ständig in Gefahr wäre, dann hätte er sich auf ein kleines Spielchen einlassen können. Und diese Frau sah verdammt noch mal gut genug aus, um Spaß mit ihr zu haben. All die glatte, sexy Haut, nur ein bisschen gebräunt und so verführerisch wie die Sünde selbst, machte ihm den Mund wässrig.
Aber es wäre falsch, und er war fest entschlossen, dass Miss Merinus Tyler in seinem Leben keine Rolle spielen und die Gefahr für sie alle nicht noch größer machen würde. Er würde sie im Auge behalten, aber auf gar keinen Fall näher an sich heranlassen. Aber zum Teufel, sie zu beobachten, war fast das Schönste, was er in seinem Leben jemals getan hatte. Eine gefährliche Frau, dachte er. Eine verdammt gefährliche Frau. Und ihr Duft. Er konnte seine Hände nur mühsam davon abhalten, sie zu berühren, oder seinen Mund davon, sie zu kosten. Sie war Hitze und Verlangen, Gewürz und Sahne. Diese Frau konnte süchtig machen.
»Verdammt, sie wird nicht so schnell aufgeben, oder, Cal?« Tanner, sein jüngerer Bruder, kam langsam aus der Werkstatt, während Merinus in dem kleinen Restaurant verschwand.
»Nein, Tanner, sie gibt nicht so schnell auf.« Callan grinste.
»Sie ist hübsch. Die schönen braunen Haare und diese großen braunen Augen.« Tanner schüttelte grinsend den Kopf. »Ich wette, Taber wird sehr traurig sein, dass er sie heute verpasst hat.«
Sie wussten es beide besser. Taber wollte zwar unbedingt, dass Callan sich mit dieser kleinen Journalistin traf, aber Callan war sich nicht so sicher, was Taber davon hielt, dass Miss Tyler nun auch nach ihm suchte.
»Hilf mir, diesen Truck wieder fit zu machen, Tanner. Ich muss nach Hause und schlafen, damit ich heute Nacht auf Patrouille gehen kann. Dieser Motor weigert sich zu kooperieren.« Callan drehte an einem Draht, aber es tat sich noch immer nichts.
»Ah, du sprichst einfach nicht die richtige Sprache.« Tanner lachte und schob Callan zur Seite, dann sah er sich den Motorblock an. »Diese alten Motoren sind wie Frauen, Mann. Man muss sie an den richtigen Stellen streicheln und wirklich nett mit ihnen reden.« Er schloss seine Worte mit einer leichten Drehung seines Handgelenks ab.
Schon erwachte der Motor zum Leben und tuckerte schwach, aber willig.
»Angeber«, meinte Callan lachend.
»Bring mir das alte Schätzchen nachher noch mal vorbei, dann frisiere ich es ein bisschen für dich.« Tanner zog grinsend einen dreckigen Lappen aus seiner Gesäßtasche und wischte sich damit die Hände ab.
»Sag Taber, dass er die Schlüssel zu seinem Truck dalassen soll, dann mache ich das.« Callan ging zur Fahrertür.
»Okay.« Tanner nickte mit einem breiten Grinsen. »Und wenn du später Hilfe bei der hübschen Journalistin brauchst, dann sag einfach Bescheid.«
»Auf jeden Fall.« Callan lachte erneut und amüsierte sich über Tanners ziemlich offensichtliche Masche. »Lass den Reißverschluss deiner Jeans zu, Tanner, dann gelingt es uns vielleicht, dich am Leben zu halten.« Mehr als ein Vater war bereit, eine Schrotflinte auf den heißblütigen jungen Mann zu richten.
Callan wartete seine Antwort nicht ab. Er jagte den Motor hoch, dann setzte er von der Werkstatt zurück, legte den Vorwärtsgang ein und fuhr nach Hause.
Merinus verließ den Diner mit einigen Tüten fürs Abendessen und fuhr zurück in ihr Motel. Sie war müde, verschwitzt und schlecht gelaunt. Nachdem sie fast den ganzen Tag damit verbracht hatte, Callans Haus zu beobachten und herauszufinden, über welche Straße man dort hingelangte, war sie mehr als ein bisschen frustriert.
Sie hatte ihn wegfahren und bei dem großen Holzhaus ankommen sehen, aber sie musste noch den Weg finden, der dorthin führte. Wie versteckte man eine Einfahrt? Sie kam einfach nicht nahe genug heran, um dem Kiesweg zu folgen, den sie vom Haus wegführen sah. Und selbst wenn es ihr gelang, würde sie auf der kleinen Lichtung direkt vor dem Haus landen. Keine gute Idee, da sich dort ständig mehrere Leute aufzuhalten schienen.
Sie war heute viele Kilometer weit in verschiedene Richtungen gewandert und mehr als einem breiten Weg durch den Wald gefolgt. Und immer noch ohne Ergebnis.
Schwer seufzend fuhr sie auf den Parkplatz ihres Motels. Abendessen und dann eine Dusche. Morgen würde sie es erneut versuchen. Es musste da oben eine Straße geben, sie hatte sie nur noch nicht gefunden. Das war alles. Sie kam sich deswegen langsam wirklich ziemlich dumm vor.
Ihre Befragung der Stadtbewohner brachte sie ebenfalls nicht weiter. Diejenigen, die zugaben, Callan zu kennen, kratzten sich am Kopf, wenn sie sich nach dem Weg zu seinem Haus erkundigte. Der Rest kratzte sich einfach nur so am Kopf und stellte sich dumm. Kleinstädte waren einfach nicht ihr Ding, weil die Leute sich hier so komisch verhielten.
Die schickten sie jedes Mal, wenn sie nach Callan fragte, zur Tankstelle. Da war er oft. Die Tankstelle war der erste Ort, den sie überwacht hatte. Und die gleichen Leute, die schworen, ihn nicht zu kennen, begrüßten ihn sehr vertraut, wenn sie ihn dort trafen.
Verdammt, er wusste von ihrer Anwesenheit. Sie schloss die Tür zu ihrem Zimmer auf und knipste beim Reingehen das Licht an. Er wusste, wer sie war, und vermutlich auch, was sie von ihm wollte, aber er ignorierte sie trotzdem. Was vermutlich ganz gut war. Nach der kleinen Szene heute Morgen war sie nicht sicher, ob sie wirklich die Finger von ihm lassen konnte.
Merinus aß schnell und starrte abwesend auf den Fernseher, während sie überlegte, wie man verdammt noch mal auf Callans Grundstück gelangen könnte. Irgendwo musste es doch einen Weg geben. Straßen verschwanden nicht einfach. Oder?
Das Problem beschäftigte sie weiter, während sie aß und während sie unter der Dusche stand. Als sie im Frotteebademantel aus dem Badezimmer kam, klingelte das Telefon auf dem Nachttisch. Sie runzelte die Stirn und hob vorsichtig den Hörer ab.
»Hallo?« Sie sprach leise und fragte sich, wer am anderen Ende sein könnte.
»Spricht da Merinus Tyler?« Es war die Stimme eines Mannes, rau und kalt.
»Wer will das wissen?«
Es entstand ein kurzes Schweigen.
»Wenn Sie Callan Lyons finden wollen, dann holen Sie sich ein Blatt Papier, damit Sie sich die Wegbeschreibung notieren können. Sie biegen immer falsch ab.«
Merinus spürte, wie eine Welle der Euphorie durch ihren Körper schoss. Endlich war jemand bereit zu reden.
»Kennen Sie Callan?«, fragte sie, während sie einen Notizblock auf den kleinen Nachttisch knallte und einen Bleistift aus der Schublade holte.
»Haben Sie was zu schreiben? Sie müssen folgendermaßen fahren.«
Merinus schrieb hastig die Wegbeschreibung auf und konzentrierte sich darauf, sich die Orientierungspunkte zu merken, die der Mann ihr nannte. Sie musste zugeben, dass sie diese Route noch nicht versucht hatte, aber es hatte immer so ausgesehen, als führte sie nirgendwohin.
»Haben Sie alles?«, fragte die Stimme.
»Ja, aber …« Die Verbindung wurde unterbrochen.
Merinus starrte auf das Papier. Konnte sie das im Dunkeln finden? Es war noch nicht zu spät. Es würde noch eine gute Stunde lang hell sein. Und sie konnte sich ja ohnehin nicht einfach zum Haus schleichen.
Schnell zog sie den Bademantel wieder aus und schlüpfte in Jeans und eine ärmellose Bluse, schwang sich ihre Tasche über die Schulter und rannte zum Jeep. Die Abzweigung, der sie folgen sollte, lag nur ein paar Kilometer die Straße rauf. Cold Springs, hatte er gesagt. Sie erinnerte sich daran, das kleine grüne Schild bei einem ihrer Ausflüge in die Umgebung gesehen zu haben.
Jetzt hatte sie ihn. Sie unterdrückte einen Jubelschrei, während sie in den Jeep stieg und den Motor anließ. Er konnte weglaufen, aber wenn sie den Weg zu seinem Haus fand, dann konnte er sich nicht länger vor ihr verstecken.