image

Weitere Titel aus der Reihe Erlebnis Wissenschaft:

Egry, I.
Physik des Golfspiels
Mit Newton zum Tee
2014
Print ISBN: 978-3-527-41254-9; auch in elektronischer Form erhältlich

Hess, S.
Opa, was macht ein Physiker?
Physik für Jung und Alt
2014
ISBN: 978-3-527-41263-1, auch in elektronischer Form erhältlich

Hermans, J.
Im Dunkeln hört man besser?
Alltag in 78 Fragen und Antworten
2014
ISBN: 978-3-527-33701-9; auch in elektronischer Form erhältlich

Püschl, W.
Physik des Segelns
Wie Segeln wirklich funktioniert
2012
Print ISBN: 978-3-527-41106-1; auch in elektronischer Form erhältlich

Ucke, C., Schlichting, H.J.
Spiel, Physik und Spaß
Physik zum Mitdenken und Nachmachen
2011
Print ISBN: 978-3-527-40950-1; auch in elektronischer Form erhältlich

Physik des Sports

Leopold Mathelitsch

Sigrid Thaller

image

Über die Autoren

cha-f001.png

Leopold Mathelitsch war Professor am Institut für Physik und Leiter des Fachdidaktikzentrums Physik an der Universität Graz. Seit 2014 ist er im Ruhestand. Nach einer Ausbildung für das Lehramt Physik und Mathematik promovierte er in Theoretischer Teilchenphysik. Auf Forschungsaufenthalten in Amerika (Texas A&M) und Frankreich (Univ. Paris-Sud) folgte die Habilitation in Theoretischer Physik an der Universität Graz. Seit der Habilitation im Jahre 1983 widmete er sich vermehrt physikdidaktischen Fragestellungen. Er ist Mit-autor mehrerer Schulbücher sowie von Sachbüchern zur Akustik.

cha-f002.png

Sigrid Thaller ist außerordentliche Professorin am Institut für Sportwissenschaft und Leiterin der Doktoratsschule Sport- und Bewegungswissenschaften an der Universität Graz. Nach dem Studium der Mathematik und Physik arbeitete sie in mehreren Forschungsprojekten auf dem Gebiet der Kontrolltheorie und Modellierung. 2003 erfolgte die Habilitation im Fach Biomechanik. Die Themen ihrer Forschungsarbeit reichen von Modellierung menschlicher Bewegung über Physik der Sprtarten bis zum fächerübergreifenden Unterricht Sport und Mathematik.

Autoren

Leopold Mathelitsch
Karl-Franzens-Universität Graz
Institut für Physik
Universitätsplatz 5
8010 Graz
Österreich

Sigrid Thaller
Karl-Franzens-Universität Graz
Institut für Sportwissenschaft
Mozartgasse 14/I
8010 Graz
Österreich

Vorwort

Als vor etwa zehn Jahren die Redaktion der Zeitschrift „Physik in unserer Zeit” bei uns anfragte, ob wir nicht einige Artikel zum Thema Sport und Physik verfassen möchten, haben wir nicht erwartet, dass „einige” auch die Zahl achtzehn enthalten kann. Dies führte zu einem breiten Bogen von Themen, vom ersten Artikel über die Physik des Skifahrens, naheliegend für österreichische Autoren, bis zum derzeit letzten über die hierzulande eher exotische Sportart Baseball. Ziel dieses Buches ist es, die vielfältigen Inhalte der einzelnen Beiträge in eine kompakte Darstellung zusammenzuführen.

Zu diesem Zweck wurden die Artikel thematisch geordnet, aktualisiert und überarbeitet. Die Behandlung mehrfach vorkommender Inhalte wurde vereinheitlicht, wodurch sich in Einzelfällen inhaltliche Verschiebungen ergaben. Die Themen der einzelnen Abschnitte entsprechen jedoch den Originalartikeln, was zu einer breiten Palette von physikalischen Ansätzen und sportlichen Inhalten führte, eine systematische Vollständigkeit aber nicht erwarten lässt.

Die Liste der Originalartikel findet sich nach dem Vorwort, denn es mag für den Leser, die Leserin eventuell auch interessant sein, die einzelnen Beiträge in der ursprünglichen, in sich geschlossenen Fassung nachzulesen.

Nach der Einleitung beinhaltet das zweite Kapitel grundlegende Themen. Hier wurden Beiträge zusammengefasst, die sich auf mehrere Sportarten beziehen. Dadurch werden insgesamt wesentlich mehr Sportarten besprochen, als im Inhaltsverzeichnis ersichtlich sind. So werden u. a. Fragestellungen physikalischer und sportlicher Natur im Gewichtheben, Stabhochsprung und Dart behandelt. Die grundlegenden Abschnitte gehen sogar weit über die reine Sportphysik hinaus, ihre Themen reichen von der Sportphysiologie bis zu Fragen der Motorik.

In den weiteren Kapiteln werden einzelne Sportarten behandelt. Kapitel 3 widmet sich den Ballsportarten, danach folgen Kapitel über Geräteturnen, Wassersportarten und Wintersport.

Den Abschluss bilden Kampfsportarten und Reiten.

Um ein zügiges Lesen zu ermöglichen, wurden ausführlichere, meist physikalische Erklärungen in sogenannten Infoboxen zusammen gefasst. Zwei mathematisch anspruchsvollere Ableitungen von Gleichungen wurden in den Anhang verschoben. Ein Stichwortverzeichnis soll ein gezieltes Suchen nach bestimmten Begriffen erleichtern.

Wir möchten uns bei den vielen Personen bedanken, die uns bei der Arbeit unterstützt haben und ohne die dieses Buch nicht möglich gewesen wäre: Roland Wengenmayr von „Physik in unserer Zeit” hat jahrelang die ursprünglichen Artikel sorgfältig redigiert und viele hervorragende Ideen eingebracht. Tatjana Gigler, Studienassistentin am Institut für Sportwissenschaft, Universität Graz, hat die ersten Fassungen dieses Buches sorgfältig durchgelesen. Univ. Prof. Markus Tilp, Universität Graz, hat wesentlich zum Abschnitt Volleyball beigetragen, Prof. Theodor Duenbostl, Universität Wien, und Mag. Norbert Schrapf, Universität Graz, haben bei Fotos und Abbildungen geholfen. Zum Abschluss möchten wir uns bei Waltraud Wüst bedanken, die dieses Buch seitens des Wiley-Verlags bestens betreut hat und dem Team von le-tex publishing services GmbH.

Graz, im September 2015

Leopold Mathelitsch und Sigrid Thaller

Physik in unserer Zeit

Die einzelnen Kapitel dieses Buches basieren auf Artikeln in der Zeitschrift „Physik in unserer Zeit”. Im Folgenden sind die Artikel gemäß der Abfolge in diesem Buch zitiert.

1
Einleitung

Die Physik und ihre Gesetze spielen im Sport und auch in der Sportwissenschaft eine große Rolle. Dabei kann man generell zwei Bereiche unterscheiden: die Anwendung der Physik auf das Verhalten von leblosen Körpern und die Einbeziehung des Menschen in seiner Komplexität. Im ersten Fall geht es um die physikalischen Eigenschaften von Sportgeräten, Materialeigenschaften wie die Elastizität von Bällen, die Taillierung von Carving-Skiern, das Gewicht von Wurfgeräten oder die Schwingungseigenschaften eines Baseballschlägers. Andererseits sind Fragen zur Wechselwirkung von Gerät und Umgebung, zum Beispiel die Reibung zwischen Ski und Schnee, der Einfluss des Luftwiderstands auf die Flugkurve eines Balles oder die Größe der Zentrifugalkraft beim Hammerwurf, zentrale Themen. Physikalische Prinzipien wie Energieerhaltung, Impulserhaltung oder die Newton’schen Gesetze können systematisch angewandt werden und liefern wichtige Aussagen.

Bezüglich des zweiten Bereichs hört man manchmal (von Nichtphysikern) Aussagen, dass sich die Physik nicht ohne Einschränkung auf den Menschen anwenden ließe, oder noch stärker, dass für lebende Objekte andere Gesetze gelten würden. Wie kommt es zu solchen Meinungen? Nehmen wir als Beispiel den optimalen Wurfwinkel, um einen Gegenstand möglichst weit zu werfen (siehe Abschn. 2.3). Die Physik sagt, dass der Winkel bei 45° liegt, eventuell etwas weniger wegen des Luftwiderstandes oder wenn die Abwurfhöhe nicht gleich der Höhe des Aufpralls ist. Messungen ergeben aber, dass Spitzenathleten bei einem Wurf geringere Winkel verwenden. Der Absprungwinkel beim Weitsprung liegt sogar sehr weit von den errechneten 45° entfernt. Gelten hier die physikalischen Gesetze nicht mehr? Doch, natürlich gelten sie uneingeschränkt, aber es müssen gleichzeitig auch die biologischen Bedingungen beachtet werden. Der optimale Abwurfwinkel von 45° wird unter der Voraussetzung berechnet, dass die Abwurfgeschwindigkeit für alle Winkel gleich wäre. Der Körperbau eines Menschen lässt aber bei manchen Winkeln eine höhere Geschwindigkeit und daher ein besseres Gesamtergebnis zu.

In den Sportwissenschaften ist die Biomechanik die Disziplin, die sich mit der Anwendung der Gesetze der Mechanik auf den lebenden Organismus beschäftigt. Die Anfänge der Biomechanik reichen weit zurück. Schon Aristoteles (384–322 v. Chr.) hat sich mit Fragen zur Bewegung beschäftigt und zum Beispiel die Abhängigkeit einer Wurfbewegung vom Gewicht des geworfenen Gegenstandes thematisiert. Leonardo da Vinci (1452–1519) untersuchte mechanische Eigenschaften von Maschinen und Lebewesen und die Körperproportionen. Einen großen Fortschritt in der Untersuchung von Bewegungsabläufen brachten die technischen Möglichkeiten der Photographie im 19. Jahrhundert. Eadweard Muybridge (1830–1904) konnte durch schnell hintereinander aufgenommene Fotos Bewegungen erstmals sichtbar machen und so etwa den Flügelschlag von Vögeln und die Gangarten von Pferden untersuchen (siehe Abschn. 7.2, Reiten).

Im Laufe des 20. Jahrhunderts verfeinerten sich die Messmethoden. Kraftmessplatten und spezielle Dynamometer lieferten immer genauere Daten während der Bewegungen, die Elastizität von Sehnen wurde auch in vivo vermessen. Mit Videoaufnahmen konnten dreidimensionale kinematische Daten erhoben werden, Messungen mittels Elektromyogramm (EMG) lieferten Auskünfte über die Ansteuerung der Muskulatur. Mit mathematischen Modellen konnten Bewegungen nicht nur simuliert werden (direkte Dynamik), sondern auch manche Eigenschaften des Menschen, die nicht direkt messbar sind, errechnet werden.

In den letzten Jahrzehnten hat sich der Fokus der Biomechanik gewandelt: Die Biomechanik wird nicht mehr nur als Anwendung der Mechanik allein betrachtet, sondern auch weitere Wissenschaften wie die Physiologie, die Anatomie oder die Neurowissenschaften spielen eine große Rolle. Die Biomechanik beschäftigt sich also mit dem Zusammenwirken von physikalischen Grundgesetzen und biologischen Gegebenheiten.

Die Betrachtung dieser Wechselwirkung der Physik mit dem Menschen kann auf verschiedenen Strukturebenen erfolgen, von Molekülen und Molekülverbindungen über Muskeln, Sehnen und Knochen, den gesamten Körper eines Menschen bis zum Zusammenspiel mehrerer Sportler.

Auf molekularer Ebene geht es zum Beispiel um die Energiebereitstellung im Körper, also welche chemischen Reaktionen dem Muskel die Energie zur Kontraktion liefern und wie viel Energie pro Zeit die einzelnen Arten des Stoffwechsels liefern können. Diese Energieraten beeinflussen auch die möglichen Rekorde (Abschn. 5.1, Schwimmen). Ein weiteres Beispiel auf molekularer Ebene ist die Sauerstoffaufnahme, die vom Außendruck abhängt (Abschn. 5.2, Tauchen).

Eine Ebene höher ist die Erzeugung von Kraft und Leistung im Muskel (Abschn. 2.1, Sportliche und physikalische Leistung) zu betrachten. Die Muskelkräfte sind letztendlich die Ursache jeder sportlichen Bewegung. Je nach Geschwindigkeit können unterschiedliche Kräfte erzeugt werden (Abschn. 2.1), was wiederum auf molekularer Ebene basiert, aber sich makroskopisch auswirkt. Die Sehnen und Knochen übertragen diese Kräfte, müssen in ihrer Festigkeit aber auch den von außen einwirkenden Kräften standhalten (Abschn. 6.1, Skifahren; Abschn. 4.2, Rotationen im Geräteturnen; Abschn. 7.1, Kampfsport; Abschn. 7.2, Reiten).

Auf der Ebene des gesamten Körpers kommen Fragen der Koordination und neuronalen Ansteuerung dazu. Im Sport ist meist eine möglichst erfolgreiche Durchführung einer Bewegungsaufgabe gefragt, sei es eine große Weite, eine bestimmte Geschwindigkeit oder eine präzise Ausführung (Abschn. 2.4, Treffersicherheit). Um dieses Ziel zu erreichen, muss die Bewegung so exakt wie möglich gesteuert werden. Die Physik gibt Auskunft, welcher Spielraum dabei das biologische System hat. Die motorische Kontrolle wiederum hängt u. a. davon ab, welche mechanischen und physiologischen Voraussetzungen herrschen. So wählen etwa Radfahrer die Trittfrequenz in Abhängigkeit von der Steigung, aber auch je nach Faserverteilung und Ermüdung des Muskels.

Auf der Ebene des Zusammenspiels von Menschen können statistische Aussagen über Spielausgänge gemacht werden (Abschn. 3.1, Fußball) oder Spielzüge mit Videoanalysen und mathematischen Modellen untersucht werden (Abschn. 3.4, Volleyball).

Die Physik des Sports wird in den folgenden Kapiteln daher von einem interdisziplinären Standpunkt aus betrachtet, der auch die Einflüsse der biologischen Eigenschaften des Menschen thematisiert.