Fritz Rienecker
Das Schönste
kommt noch
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2. Auflage 2008
Hänssler-Hardcover
Bestell-Nr. 394.470
ISBN 978-3-7751-7003-1 (E-Book)
ISBN 978-3-7751-4470-4 (lieferbare Buchausgabe)
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Umschlaggestaltung: Dietmar Reichert, Dormagen
Satz: Vaihinger Satz & Druck, Vaihingen/Enz
Druck und Bindung: CPI – Ebner & Spiegel, Ulm
Printed in Germany
Dieser Titel erschien zuvor als RBtaschenbuch Bd. 309 mit der
ISBN 3-417-20309-0, © 1964 R. Brockhaus Verlag,Wuppertal.
Die Bibelverse nach Martin Luthers Übersetzung sind folgender Ausgabe entnommen: Lutherbibel, revidierter Text 1984, durchgesehene Ausgabe in neuer Rechtschreibung, © 1999 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart.
Die mit »Luther 1912« gekennzeichneten Bibelverse sind folgender Ausgabe entnommen: Lutherbibel, revidierte Ausgabe von 1912.
Die Bibelverse nach Hermann Menges Übersetzung sind folgender Ausgabe entnommen: Die Heilige Schrift übersetzt von Hermann Menge. Neuausgabe, © 1994 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart.
Die Bibelverse nach der Elberfelder Übersetzung sind folgender Ausgabe entnommen: Revidierte Elberfelder Bibel, © 1991 R. Brockhaus Verlag Wuppertal. Alle anderen Bibelverse sind Übersetzungen des Autors.
Die Verwendung von Großbuchstaben für das Wort »HERR« in alttestamentlichen Bibelversen verweist auf den hebräischen Gottesnamen im Grundtext, Jahwe. Um eine Eigenart der Erstausgabe Rieneckers zu erhalten, wurde außerdem die Großschreibung aller auf Gott bezogenen Personalpronomen beibehalten.
Vorwort
Als der Vater von Corrie ten Boom von der Gestapo (Geheime Staatspolizei des Nationalsozialismus) ins Gefängnis abgeführt wurde und mit ihm seine ganze Familie, sagte er immer wieder: »Nun kommt das Beste!« – Und das Beste kam bald. Vater ten Boom und mit ihm zwei seiner Kinder gingen zum »Leben« ein!1 Dem Sterben hier unten folgt ja im Augenblick das Leben – ein viel lebendigeres als je alles Lebendigsein hier auf Erden.
Die ersten Christen feierten darum den Sterbetag als den Geburtstag zum Leben. Ihnen wollen wir’s nachtun.
D. Dr. Paul Jaeger schreibt dazu: »Diese ersten Christen machten Ernst damit. Sie glaubten keinen Tod. Ihnen war der Tod nur der Eingang in das Leben. Sie waren nicht durch Grübeln und Nachdenken, durch Studieren und Beweisen zu dieser sieghaften Lebensgewissheit gekommen. Eine mächtige Welle des Lebens hatte sie erfasst und unmittelbar vor die Wirklichkeit einer Gotteslebendigkeit gestellt, die alles, aber auch alles nur Erdenkliche überstrahlte. Der Vater ist größer als alles (Joh 10,29), größer auch als Leid und Tod – das war der leuchtende Hintergrund ihres lebendigen Glaubens an den auferstandenen Herrn.
Warum lassen wir uns nicht auch heute noch auf diese wundervolle Höhe des Lebensglaubens führen? Die sind schwer zu erschrecken, die den Tod nicht fürchten. Was hindert uns, genauso vom Tode zu denken wie die alten Christen?«2
Während unser erstes Buch wie ein Wegweiser die Wirklichkeit der ewigen Welt bestätigen will, beschäftigt sich das zweite Buch mit der Herrlichkeit der himmlischen Welt, und zwar nach den Angaben der Heiligen Schrift. Und das Studieren dieses biblischen Materials wird viel Freude machen. Der Hauch des ewigen Lebens, der uns dabei beständig anweht, wird nicht ohne Wirkung bleiben!
Wer in ein fremdes Land reist, macht sich vorher mit Hilfe von Bildern und Landkarten und anhand von Reisebeschreibungen mit dem Ziel seiner Reise vertraut. Eine solche Hilfe will »Das Schönste kommt noch« jedem bieten, der sich unterwegs weiß. Ihnen allen sei diese Arbeit gewidmet.
Für fleißige und treue Mitarbeit gebührt meiner lieben Frau und der Missionarin Helga Körbel herzlicher Dank.
Fritz Rienecker
1. BUCH
Zeugnisse aus der Vergangenheit und Gegenwart
»Ohne ein Leben nach dem Sterben bleibt dieses Leben ein fantastisches Chaos, die Erde ein unbegreifliches Riesengrab und unser Geborensein ein Verbrechen, auf welches die Todesstrafe gesetzt ist. Verstanden kann das Leben nur werden im Lichte der Ewigkeit.«
Dr. med. Carl Ludwig Schleich (Arzt) 1859–1922
in »Vom Schaltwerk der Gedanken«, Essays, 1916.
Einführung
Von König Ludwig XIV. von Frankreich, dem Sonnenkönig, wird erzählt, dass er jedes Mal die Fenstervorhänge zuziehen ließ, wenn ein Trauerzug an seinem königlichen Palast vorüberfuhr.
Von Goethe sagt man, er habe nur äußerst ungern an einer Beerdigung teilgenommen, weil er nicht auf den eigenen Tod aufmerksam gemacht werden wollte.
Professor Karl Heim schreibt:
»Der Tod gleicht einer Lawine, deren dumpfes Rollen die Talbewohner mit Schrecken hören. Die Lawine kommt näher und näher. Alles droht sie unter sich zu begraben. Alles, was sich ihr entgegenstellt, droht sie zu vernichten! Man sucht sie aufzuhalten durch Stangen, die man in den Boden einrammt, durch Bretter, die man daran befestigt. Solche Stangen und Bretter, die den Tod aufhalten sollen, sind alle unsere Bemühungen, Leben zu erhalten! Durch die wertvollen öffentlichen Fürsorgen wird ein Heldenkampf gekämpft gegen Armut und Krankheit. Die medizinische Wissenschaft arbeitet fieberhaft, um kostbares Leben noch so lange als möglich zu erhalten. Es ist immer ein Triumph, wenn es wieder einmal durch eine Operation oder durch ärztliche Mühe und Kunst gelingt, Menschen, die schon eine sichere Beute des Todes zu sein schienen, noch auf Jahre hinaus am Leben zu erhalten. Aber zuletzt hat der Tod doch das letzte Wort über alle Menschen.
In hundert Jahren ist kein Einziger von uns mehr am Leben – wir fühlen dunkel, dass der Tod, der auf uns zukommt, uns ins Zentrum unseres Seins trifft. Das, was dem ganzen Weltprozess das Gepräge gibt, ist die Tatsache, dass der Tod doch zuletzt über alles siegt.«
Solange es Menschen auf Erden gibt, besteht auch der Glaube an ein Fortleben des Menschen nach dem Tode in irgendeiner Form, auch bei allen Heiden, Götzenanbetern und Gottesleugnern. Auch wer nicht an den einen Schöpfergott glaubt, kann sich mit einer letzten Sinnlosigkeit des Lebens nicht abfinden! Die Religionsgeschichte der außerchristlichen Völkerwelt lehrt, dass sich bei allen Völkern von der frühesten Vorzeit an bis auf den heutigen Tag der Glaube an die Unsterblichkeit des Menschen findet. Die Eskimos und die Schwarzen, die Amerikaner und die Chinesen, die alten Griechen vor Christi Geburt und die alten Römer haben alle den Unsterblichkeitsglauben. Von dem Fortleben des Menschen nach seinem Tode singen ihre Gesänge und reden ihre heiligen Bücher. Ihre Sitten und Gebräuche sind ein Zeugnis von diesem Glauben.
In den Jahren 1794–95 gab Christian Wilh. Flügge, Repetent bei der Theol. Fakultät in Göttingen, seine »Geschichte des Glaubens an Unsterblichkeit, Auferstehung, Gericht und Vergeltung« heraus (erschienen bei Crusius, Leipzig). In der Vorrede schreibt er: »Ich übergebe hier den Freunden des historischen Religions-Studiums einen Versuch, den wichtigsten Gegenstand des menschlichen Denkens und Forschens, die Geschichte des Glaubens an die Fortdauer nach dem Tode, in ihrem ganzen Umfang zu bearbeiten.«
Flügge stellte darin die Unsterblichkeitsvorstellungen aller damals bekannten Religionen dar. Wir haben hier wohl den ersten Versuch eines solchen Nachweises.
Runze in dem 24 Bände umfassenden Werk »Realenzyklopädie für protest. Theologie und Kirche«:3 »Die Vorstellung von der Unvergänglichkeit (des Menschen) wurde von den Kultur-Völkern des Altertums in mannigfacher Weise auf die Seele des Menschen bezogen« (die ja unsterblich ist).
Graf in dem großen Sammelwerk »Die Religion in Geschichte und Gegenwart«: 4 »Der Unsterblichkeitsglaube der Religionen spricht sich in mannigfachen Vorstellungen aus. In den primitiven Religionen wird das Leben nach dem Tode vielfach als modifizierte (abgeänderte) Fortsetzung des irdischen Lebens verstanden, wie die Bestattungsgebräuche und Totenkulte zeigen.«
C. W. Ceram in seinem Buch »Götter, Gräber und Gelehrte«:5 »Der Sinn des ägyptischen Pyramidenbaues entspricht der religiösen Grundvorstellung, dass der Weg des Menschen kontinuierlich (d.h. fortdauernd) über seinen leiblichen Tod hinaus weiterführe bis in alle Ewigkeit …, wenn dem Verstorbenen die rechten Bedingungen der Existenz mitgegeben werden. Zu dieser Existenz gehört alles, was die Existenz des irdischen Lebens begleitet hatte …«
Eberhard Zellweger in »Was wissen wir vom ewigen Leben«:6 »Seit dem Ende des 18. Jahrhunderts hat man systematisch alle Völker der Erde auf ihre Unsterblichkeitsvorstellungen hin abgesucht. Tatsächlich ist nie ein Stamm entdeckt worden ohne eine bestimmte Anschauung des Jenseits. Sie kann von Furcht oder Hoffnung erfüllt sein. Vorhanden ist sie auf jeden Fall. Leugnung der anderen Welt ist nie ursprünglich, sondern immer Frucht nachträglicher kurzsichtiger und oberflächlicher Überlegung.«
Dr. Kurt Koch in »Unser Leben nach dem Tode«:7 »Man hat bis jetzt noch kein Volk entdeckt, das nicht in irgendeiner Form an ein Weiterleben nach dem Tode gedacht hat. Der Völkerkundler Prof. Frobenius meinte eine Zeit lang, die Zwergbevölkerung in Südafrika, die Pygmäen, hätten keinen Totenkult. Diese Meinung musste korrigiert werden. Es ist dem Menschen geradezu angeboren oder ins Herz gegeben, dass er sich mit der Existenz des Menschen nach dem Tod befasst.«8
Ein so allgemeiner Glaube, wie es der Glaube an die Unsterblichkeit des Menschen ist, kann nicht aus einer Selbsttäuschung oder einer Verirrung des menschlichen Denkens herkommen. Die ganze menschliche Denkart treibt den Menschen dazu. Der Mensch kann wohl dieses Denken unterdrücken, aber er kann es nicht ausrotten.
Auf Grund unserer Erfahrungen in Gesprächen und an Sterbebetten müssen wir immer wieder feststellen, dass die Vorstellung »Mit dem Tode ist alles aus« im tiefsten Grunde niemanden befriedigt. Im Gegenteil, sie macht das Rätselwort »Tod« immer noch schrecklicher:
Der französische Schriftsteller Emile Zola: »Der Tod liegt immer im Hintergrund unserer Gedanken (er meinte sich und seine Frau), und oft, sehr oft in der Nacht, wenn ich zu meiner Frau, die auch nicht schläft, hinüberblicke, fühle ich, dass sie auch daran denkt. So liegen wir beide wach, ohne von dem zu reden, woran wir denken. Ach, und dieser Gedanke ist schrecklich!«
Jean-Paul Sartre, der französische Philosoph: »Es ist widersinnig, dass wir überhaupt geboren werden. Es ist widersinnig, dass wir sterben müssen.«
Arthur Schopenhauer: »Wenn Gott diese Welt geschaffen hätte, so möchte er (Schopenhauer) nicht dieser Welt Gott sein! Das Menschendasein mit all seinem Jammer würde ihm das Herz zerreißen. Es wäre besser, dieses Leben wäre nie, nie gewesen.«
Der nüchterne Menschenverstand braucht sich nicht anzustrengen, wenn er sagt: Der Tod kann nicht das Letzte sein! Die Sinnlosigkeit, die Zwecklosigkeit, das Nichts kann nicht der Sinn des Menschendaseins und des Schöpfungsdaseins sein. Wenn Gott Himmel und Erde geschaffen hat (und Er hat Himmel und Erde geschaffen), dann mag das einen Sinn haben, dann muss ein Plan darin liegen. Jeder Mensch, der arbeitet, hat ein Ziel mit seiner Arbeit. Der Maurer, wenn er ein Haus bauen soll, arbeitet nicht sinn- und planlos darauf los, sondern das fertige Haus, das bezugsfähige Haus, ist Sinn und Ziel seiner Arbeit. Und so wie er schaffen auch der Schneider, der Schreiner, der Bäcker, der Maler usw. Ohne Sinn, ohne Ziel, planlos arbeitet niemand.
So hat auch Gott nicht sinnlos Himmel und Erde geschaffen, sondern Er hat mit Himmel und Erde etwas vor, hat einen Plan mit der gesamten Menschheit. Gott will nicht den Tod, die Vernichtung, das Nichts. Er will, dass der Mensch lebe! Gott ist nicht ein Gott der Toten, sondern der Lebendigen. Auch dein Leben hat einen Sinn – hat göttlichen, ewigen Sinn!
Der Schmerz, die Angst, diesen Sinn verfehlt zu haben, bedrängt am Ende viele, die diesen Sinn ihr Leben lang leugneten. Es gibt eine Gewissenserfahrung der Sterbenden. Professor Adolf Köberle in seinem Buch »Menschliche Fragen und göttliche Antworten«:9 »Hugo von Hofmannsthal hat in seinem Spiel ›Der Tor und der Tod‹ in edler Sprache zum Ausdruck gebracht, was die Gewissenserfahrung aller Sterbenden ist. Das Ende macht reif in der Erkenntnis und bang in der Verantwortung. Wie der Tod ins Gemach tritt und mit dem Edelmann Claudio zu reden beginnt, da erscheinen im Halbdunkel an der Wand, von den Geigenstrichen des unheimlichen Spielers gerufen, die Mutter, die Geliebte, der Jugendfreund, die der ästhetische Genießer einst gequält, betrogen und zur Seite gestoßen hat. Der zum Abschied Aufgeforderte, der die Tage bisher nur müßig spielerisch gepflückt hatte, erkennt, wie sehr er sich an den vor ihm Dahingegangenen verschuldet hat, wie es für ein Wiedergutmachen unwiederbringlich zu spät ist. Theoretisch nicht mehr auflösbar wird hier vom Dichter die Tatsache bejaht, die die Seelsorge aller Stätten und Zeiten bestätigt, dass gerade der Mensch, der ein Leben lang auf ein ewiges Verlöschen des Geistes in das Nichts fest vertraut hatte, bei dem herannahenden Stillstehen der Lebensuhr am meisten erschrickt vor der Frage: Wer weiß, wie du gelebt hast, wer weiß, ob dein Ich nicht zu ewiger Verantwortung aufbewahrt wird?«
Ostern und die nachweisbare große Veränderung der Jünger nach Ostern – wer kann diese Tatsache richtig einordnen, ohne die Tatsache des Lebens nach dem Tode zu bejahen?
Schauen wir uns einmal die Jünger an, wie sie sich am Abend des Karfreitags hinter verschlossenen Türen aufgehalten haben. Sie denken daran, dass man vielleicht auch sie bald verhaften wird; als Anhänger dieses Aufrührers wird man vielleicht auch sie kreuzigen. Dazu kommt noch die völlige Hoffnungslosigkeit, die bittere Enttäuschung: »Wir aber hofften, Er sollte Israel erlösen.«10 Ein verzweifeltes Häuflein hinter verschlossenen Türen.
Und nun sehe man sich diese gleichen Menschen kurze Zeit später, nach Pfingsten, an. Sie treten im Tempel vor die Mörder des Herrn und sagen laut vor aller Welt: »Den Fürsten des Lebens, den ihr ans Kreuz geschlagen und getötet habt, den hat Gott auferweckt, des sind wir Zeugen.«11 Man nimmt sie gefangen, man peitscht sie aus, man bedroht und peinigt sie; aber je mehr man ihnen das Wort von Jesu Auferweckung aus den Toten verbietet, desto mehr eilen sie von Land zu Land und geben freudig immer wieder Kunde von dem, was Jesus ihnen geworden ist, und gehen dann freudig für ihren auferstandenen Herrn in den Tod. Welch eine Veränderung!
Illusion, Einbildung, Wunschfantasie konnten solch eine Umwandlung nicht zustande gebracht haben. Wir wissen es ja aus eigener Erfahrung, wenn einen Menschen die Verzweiflung packt, etwa über den Tod eines Angehörigen. Dann helfen keine schönen Redensarten und Einbildungen. Aber wenn der Tatsache unserer großen Leidensnot die noch größere Tatsache des Helfers und des Trösters gegenübertritt, dann kann geholfen werden. Die vollständige Veränderung der Jünger, die Freude, das Glück, das aus dem ganzen Neuen Testament herausstrahlt, der Drang, von dieser Freude zu erzählen und zu verkündigen, was Gott an Jesus Christus getan, ist einzig und allein zu erklären auf Grund der Tatsache von Ostern, wo der Lebensfürst Jesus Christus nicht im Grabe geblieben, sondern vom Tode auferstanden ist.
Auf Grund dieser Tatsache ist auch das Neue Testament geschrieben und dann gedruckt worden! Kein Buch auf Erden ist in so viele Sprachen übersetzt, gedruckt und gekauft worden wie die Bibel.
Auf Grund der Oster-Tatsache vor ca. 2000 Jahren ist weiterhin der Sonntag als Auferstehungstag entstanden. Dome, Kirchen, christliche Gemeinschaftshäuser wurden gebaut, und die gewaltigen Tonschöpfungen eines Johann Sebastian Bach, die Werke eines Michelangelo beruhen auf dem Ereignis von Ostern, der Auferstehung Jesu.
Auch in der Millionenschar von Christusanhängern seit fast 2000 Jahren und in dem Leben dieser Christusgläubigen bezeugt sich fort und fort das Leben des Auferstandenen. Das ganze Werk der Inneren Mission mit ihren Krankenhäusern und Pflegestätten wie Bethel, Kaiserswerth, Herrnhut u.a., das Werk der Äußeren Mission mit ihren Tausenden von Missionaren – so könnten wir weiter fortfahren, einen Erweis nach dem andern von der Wirklichkeit des Sieges Jesu über den Tod zu bringen; und die Person Jesu Christi selbst, was Er gesagt und getan hat – kann es etwas Gewisseres geben als dieses: »Jesus Christus ist auferstanden«!?
»Er ist wahrhaftig auferstanden!«, lautet der Antwortgruß der Ostkirche. Und so lautet der Jubelruf aller seiner Erlösten auf der ganzen Welt.
1. Hauptteil
Hinweise auf das Leben nach dem Sterben angesichts der Schöpfungsart des Menschen
A I Der Mensch im Urglück
Wir blicken hinein in die Urgeschichte des Menschen. In der Heiligen Schrift finden wir zwei sich ergänzende Berichte darüber. Diesen beiden Berichten wollen wir nun kurz nachgehen.
Erster Schöpfungsbericht vom Menschen
(1. Mose 1,26-27)
In der Luther-Übersetzung heißt es:
26. Und Gott sprach: Lasset Uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei, die da herrschen über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über alle Tiere des Feldes und über alles Gewürm, das auf Erden kriecht.
27. Und Gott schuf den Menschen zu Seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf Er ihn; und schuf sie als Mann und Frau.
Kein anderes Schöpfungswerk Gottes wird mit solcher Gewichtigkeit und Ausführlichkeit beschrieben wie dieses, mit dem der Mensch ins Dasein gerufen wird.
Alles, was Gott bis jetzt geschaffen hat, ist nur Vorbereitung auf dieses Letzte: Bei allen anderen Schöpfungswerken stand jedes Mal am Anfang einer neuen Schöpfungstat nur ein kurzes Befehlswort: »Es werde« oder »es sammle sich« oder »es lasse die Erde aufgehen« oder »die Erde bringe hervor«. Hier aber steht kein Befehlswort, sondern eine feierliche, erhabene Majestäts-Proklamation. Sie lautet: »Lasset Uns Menschen machen!«
Die heilige Dreieinigkeit Gottes »Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist« kleidet den göttlichen Beschluss der Erschaffung des Menschen in die majestätische Mehrzahls-Bekundung: »Lasset Uns Menschen machen!« (1. Mose 1,26-27). Manche Bibelausleger nennen diese Mehrzahlform den »Majestätsplural«,12 d. h. Gott redet hier in Seiner Heiligen Dreieinigkeit aus der Fülle göttlicher Majestät und Kraft. – Andere Bibelausleger sagen: Die Mehrzahlform »Uns« zeigt an, dass Gott einen heiligen Entschluss gefasst hat auf Grund einer liebevollen Selbstüberlegung (Plural der Selbstüberlegung).13
Aber nicht nur für Seine heilige, majestätische Dreieinigkeit selbst, auch für Seinen großen himmlischen Hofstaat ist die Erschaffung des Menschen wichtig. Weil alle die Millionen und Abermillionen Engel freudig Anteil nehmen sollen an dem, was jetzt Großes anfängt zu geschehen, sagt Gott: »Lasset Uns Menschen machen!« Die Engel sind in diesem »Uns« als die feierlich Eingeladenen mit eingeschlossen.14
Das sagt auch Hiob 38,7, wenn es dort heißt: »… Die Morgensterne frohlockten allesamt laut, und alle Göttersöhne (d.h. die Engel) jauchzten« – als das Ebenbild Gottes auf Erden ins Dasein gerufen wurde.
Zum göttlichen Majestätswort »Lasset Uns Menschen machen« oder »Wir wollen einen Menschen machen« (bessere wörtliche Grundtext-Übersetzung) kommt weiter noch hinzu die göttliche Bekundung: »Nach Unserm Bild« und »nach Unserer Ähnlichkeit«.
Was heißt das Wort »Unserm Bild«? oder überhaupt: Was heißt »Ebenbild Gottes«?15
Luther übersetzt »ein Bild, das Uns gleich sei«.
Nach dem hebräischen Text übersetzen wir »in Unserm Bilde« und »nach Unserer Ähnlichkeit«.
Für das Wort »Bild« steht im Hebräischen zäläm. Es bedeutet »plastisches Bild«, d.h. »körperhaft getriebenes Modell«. Für das Wort »Ähnlichkeit« steht demut, d.h. »Nachbildung« oder »Abbildung«. Beide Worte »Bild« und »Ähnlichkeit« werden verstärkt jedes Mal durch das auf Gott bezogene »Unser« (also: »in Unserm Bilde«, nach »Unserer Ähnlichkeit«). Beide Worte zusammengenommen bedeuten also »ein nach einem Vorbild nachgebildetes Modell«.
Wenn Gott als der Dreieinige ein Modell nach einem Original (welches Er selbst ist) nachbildet und dann zweimal betont: »In Unserm Bild«, nach »Unserer Ähnlichkeit«, und dann in Vers 27 geschrieben steht, und zwar wieder zweimal »Gott schuf den Menschen nach Seinem Bilde, und ins Bild Gottes hinein schuf Er ihn« – wenn das viermal so nachdrücklich hervorgehoben wird, dann ist das, was der Ewig-Lebendige ganz persönlich und individuell nachbildet,
1. ein dem Original (nämlich Gott) wesensähnliches »Porträt« und
2. nie und nimmer ein nach dem Bilde des Tieres oder aus dem Tiere heraus geschaffenes Modell.16
Das Wunder der Erschaffung des Ebenbildes Gottes auf Erden besteht darin, dass Gott sich ein Geschöpf erwählen will, das Gottes kreatürliches Du werden soll. Gott besaß zwar in sich selbst schon von Ewigkeiten her (d.h. ohne Anfang) ein Ihm völlig gleichwesenhaftes Du, den Sohn Gottes, welcher dem Vater gleichgöttlich verbunden war und ist und sein wird bis in alle Ewigkeit (lies Kol 1,15-17, Hebr 1,3 und Joh 1,1.3.10 und viele andere Bibelstellen). Dieses gottgleiche Du des Sohnes Gottes stand dem Vater gegenüber durch den ewigen Heiligen Geist innerhalb der Heiligen Dreieinigkeit Gottes, und zwar in vollendeter Liebes- und Wesensgemeinschaft göttlich verbunden, so dass die Drei »Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist« nicht drei – sondern eins sind: »ein Geheimnis, das nicht ergründet werden kann, aber in tiefer Ehrfurcht anzubeten ist« (Melanchthon in Loci communes).
Das anbetungswürdige Geheimnis der Gottesebenbildlichkeit des Menschen offenbart sich nun darin, dass Gott jetzt auch außerhalb Seiner dreieinigen Herrlichkeitsgemeinschaft ein Du will, ein Geschöpf, das Ihm, dem Schöpfer, in bewusster und freier Herzens-Verbundenheit persönlich zugetan sein soll.
Das bedeutet, dass wir als Einzige unter allem, was Gott erschaffen hat (bis hin zu den größten und fernsten Sternenwelten), das an uns gerichtete Wort der Liebe Gottes vernehmen können (lies 1. Mose 2,16-17) und dürfen und dass wir, im Vollzug unserer menschlichen Schöpfungsart, dann auch die freie Antwort unserer Liebe, nämlich das andere Wort (Antwort ist ja das »andere Wort«, das Hin-Wort)17 unserer Herzens-Hingabe IHM, unserem Herrn und Gott, geben dürfen.
Dies ist das alles Denken übersteigende Wunder der Erschaffung des Ebenbildes Gottes und damit die Herzmitte unseres Menschseins. Denn Menschsein ist nicht ein »Für-sich-Sein«, sondern ein »Hersein von Gott her« und ein »Hinsein zu Gott hin« und ein »Hängenbleiben an Gott«.18
Inwiefern diese Aussage von der außertrinitarischen Gottesebenbildlichkeit des Menschen dann die Voraussetzung ist für das Wort »Ihm, dem Sohne Gottes gleichgestaltet« (symmorphos) zu werden (Röm 8,29), und weiterhin, was dies alles an Herrlichkeiten einschließt und wozu uns das im Blick auf das ewige Ebenbild Gottes, Jesus Christus, verpflichtet, das werden wir noch lesen und studieren.
Wie mag wohl dieses Ebenbild Gottes, dieses »Porträt Gottes« am Anfang vor dem Sündenfall in der Person Adam und Eva ausgesehen haben?
Der Ausdruck »Bild Gottes« im Blick auf den Schöpfer bedeutet, dass das Ebenbild Gottes im ersten Menschenpaar nicht nur im Sinne einer Anlage und Grundlage auf künftige Entfaltung hin anzunehmen ist – dies bedeutet es auch –, sondern: In seiner Sündlosigkeit war das erste Menschenpaar so geschaffen, dass es innerlich und äußerlich wirklich die Majestät Gottes widerspiegelte. Dem ersten Menschenpaar war Röm 3,23 Besitz, was der gefallene Mensch verlor: »… Alle sind verlustig gegangen des majestätischen Lichtglanzes Gottes (der ›doxa tou theou‹).« Das erste Menschenpaar wurde nicht erst ein allmählich entstehendes Ebenbild Gottes, sondern dies Ebenbild schuf Gott gleich zu Beginn der Erschaffung des Menschen als ein ganzes, nicht als ein halbes oder Viertel-Spiegelbild Seines göttlichen Glanzes.
Wenn wir in einen Spiegel hineinblicken, so sehen wir unser Bild ganz und vollständig, nicht aber halb oder entstellt. So wollte der Schöpfer sich im Menschen fehlerlos und unverkürzt widerspiegeln, und vom Menschen sollte die Herrlichkeit Gottes, d.h. Seine doxa, ungebrochen wieder zurückstrahlen.
Wenn wir das Wort »widerspiegeln« oder »Spiegelbild« sagen, dann meinen wir immer das Abbild im Unterschied zum Original selbst.
In diesem Zusammenhang wird immer wieder gefragt, ob sich die Gottesebenbildlichkeit des Menschen nur auf die geistige Seite allein oder auch noch auf die leibliche Seite beziehe. Die Gottes- ebenbildlichkeit des Menschen betrifft die Ganzheit der Krone der Schöpfung, d.h. sie umfasst sowohl die geistige als auch die leibliche Seite voll und ganz.
Der Theologe Gerhard von Rad sagt:
»Die Worte ›nach dem Bilde Gottes‹ (zäläm) und ›nach der Ähnlichkeit Gottes‹ (demut) beziehen sich auf den ganzen Menschen und weisen nicht nur auf sein geistiges Wesen, sondern ebenso auch auf die Herrlichkeit seiner leiblichen Gestaltung hin.«19 Als Unterstreichung dessen führt G. v. Rad Psalm 8 an. In Vers 6f. heißt es dort vom Menschen, dass er nur wenig geringer als Gott sei, dass Gott ihn mit Majestät und Herrlichkeit gekrönt habe. Für »Majestät« steht im Hebräischen hadar, das sich auf den Glanz der äußeren Erscheinung bezieht. Für »Herrlichkeit« steht im Hebräischen kabod, d.i. die Gravität, die Würde des Menschen, das Imponierende an ihm, ist die ausstrahlende Mächtigkeit seines Wesens. Hier ist ein geheimnisvoller Identitätspunkt, d.h. eine Wesensgleichheit zwischen Mensch und Gott sichtbar, denn kabod kommt nach alttestamentlicher Anschauung vor allem Jahwe, Gott dem Herrn, zu. –
Der Verfasser des Buches Sirach sieht in Kap. 17,3 die Gottesebenbildlichkeit des Menschen auch darin, dass der Mensch bei der Schöpfung »mit Macht umkleidet« worden ist.
Auch der Theologe Otto Weber sagt: »… Die Bezeichnung des Menschen als imago Dei, d.h. als Ebenbild Gottes, bezieht sich auf den ganzen Menschen und ist auf keinen Fall auf das Geistige zu beschränken.« »Gott hat im Alten Testament wirklich Gestalt, und es lässt sich nicht von der Hand weisen, dass im Hintergrund von 1. Mose 1,26-27 die Vorstellung von Jahwes Menschengestalt steht.«20
In Hesekiel 28,11-15 steht: »(11) Es erging das Wort Jahwes an mich (den Propheten Hesekiel): (12) Heb ein Klagelied an über den König von Tyrus und sage ihm: So hat der Herr … gesprochen: Du warst ein vollendetes Siegel voller Weisheit und von vollendeter Schönheit. (13) In Eden, dem Garten Gottes, warst du. Von kostbaren Edelsteinen aller Art war dein Gewand … (15) Untadelig wandeltest du auf deinen Wegen vom Tage an, da du geschaffen wurdest – bis Frevel an dir erfunden wurde …«
Dieser schwierige Text bedarf einer kurzen Erläuterung, um ihn im Zusammenhang mit unseren Überlegungen über die Leibesherrlichkeit des ersten Menschen im Urzustande (vor dem Sündenfall) zu verstehen.
Hesekiel vergleicht die Stellung des Königs von Tyrus mit der Stellung des ersten Menschen im Paradies und setzt dann in Vers 15 und 16 des Königs Fall mit dem Fall Adams in Beziehung. Der König von Tyrus wird mit einem köstlichen Siegel verglichen. Mit diesem Bild wird die außergewöhnliche Schönheit des Königs von Tyrus geschildert. Noch mehr: Kostbare Edelsteine bilden den Schmuck seines Gewandes. Dieser Zug der bildlichen Schilderung entspricht der Pracht, in welcher orientalische Herrscher zu erscheinen pflegen.
Gott hat also den König von Tyrus mit Schönheit ausgestattet und dann in eine wunderbare Stadt gesetzt. – So hat einst Gott Sein Ebenbild mit größter Schönheit dem Leibe nach geschmückt und in das schönste Land, den Garten Eden, gesetzt. »Du, Adam, warst ein vollendetes Siegel.« (Man kann auch übersetzen: »ein vollendeter Siegelabdruck«. – Dieser Abdruck enthielt das Bild Gottes.) »Du, Adam, warst voller Weisheit (geistige Seite) und von vollendeter Schönheit (leibliche Seite)!«
Zu dieser körperlichen Wohlgestalt des Adam, zu der Fülle seiner Weisheit (wir können uns keinen Begriff davon machen) kommt noch seine Lichtherrlichkeit hinzu.
In Hesekiel 1,26 zeigt nämlich die Lichterscheinung der »Herrlichkeit des Herrn« deutlich menschliche Konturen (Umrisse). Man hat mit Recht gesagt, dass Hes 1,26 den locus classicus (die Hauptstelle) der lmagolehre (Gottesbildlichkeitslehre des Menschen) in 1. Mose 1,26 theologisch einleite. Die Verse Hes 1,26-27 lauten: »… Auf dem Throngebilde war eine Gestalt zu sehen, die wie ein Mensch aussah … Von dem Körperteil an, der wie seine Hüften aussah, nach oben zu, und dem Körperteil, der wie seine Hüften aussah, nach unten zu sah ich’s – wie Feuer war’s anzuschauen. Ein strahlendes Licht war rings um ihn her …«
So dürfen wir uns Adam in seiner äußeren Gestalt vor dem Sündenfall vorstellen. Über die Menschengestalt Gottes des Herrn wird im AT immer wieder ausgesagt. Es sei erinnert an: 1. Mose 3,8a; Psalm 93; Jes 6,1ff.; Mi 1,2ff.; Dan 7,9 und viele, viele andere Stellen. Der Israelit des AT kann sich Gott in einer anderen als der Menschengestalt gar nicht vorstellen.
Wir können nicht ausschöpfen, was dies alles in sich birgt. Ewigkeiten werden kommen, und immer wieder wird’s tönen:
»Gott schuf den Menschen, Ihm zum Bilde, zum Bilde Gottes schuf Er ihn.«
Zweiter Schöpfungsbericht vom Menschen
(1. Mose 2,7-23)
Diese Verse sind ein unbedingt notwendiger Kommentar (d.h. Erklärung) zu dem ersten Schöpfungsbericht in 1. Mose 1,26 und 27.
Gerhard von Rad drückt dies so aus: »Der Schöpfungsbericht in 1. Mose 2 tritt als eine wichtige Ergänzung und Weiterführung neben die Darstellung in 1. Mose 1,26-30. Diese Ergänzung tritt – natürlich ohne literarische Absicht – in Lücken, die die Darstellung in Kap. 1 gelassen hat, denn was sie über das Verhältnis des Menschen … zu den Tieren und zu dem anderen Geschlecht darlegt, geht in vielen Einzelheiten über das in 1. Mose 1 Gesagte hinaus. Die Menschenschöpfung ist hier im 2. Kapitel gegenüber 1. Mose 1,26f. als ein noch persönlicheres Tun Gottes geschildert …
1. Mose 2,7-23 zeigt in ganz besonderer Weise des Herrn Freundlichkeit, die rastlos den (nach Seinem Bilde geschaffenen) Menschen umsorgt, die den Wonnegarten um den Menschen herum aufbaut und immer noch weiter bedenkt, was ihm noch wohl tun könnte …«21
Wir geben den zweiten Schöpfungsbericht 1. Mose 2,7 an, zunächst in der Lutherübersetzung:
»Da machte Gott der Herr den Menschen aus Erde vom Acker und blies ihm den Odem des Lebens in seine Nase. Und so ward der Mensch ein lebendiges Wesen.«
Man kann auch übersetzen: »Gott der Herr (hebräisch: Jahwe- Elohim) bildete (hebr. jazar = bilden, vom Töpfer gesagt) den Menschen (hebr. adam) aus Staub (hebr. aphar) vom Erdboden (hebr. adamâh) und hauchte (naphat = einhauchen) in seine Nase ›Geist des Lebens‹ (hebr. neschamah = Hauch, Geist und chajjim = Leben) und der Mensch (adam) wurde zu einer lebendigen Seele (haja = Leben und näphäsch = Seele).«
Für Seele kann auch Mensch gesagt werden, wie in dem Satz »so und so viele Seelen« so und so viele Menschen gemeint sind.
Das ist die genaue Wortbestandsaufnahme von 1. Mose 2,7. Wir gruppieren nun diesen »Wort-Bestand« in drei Sätze:
1. Satz: Gott der Herr bildete den Menschen aus Staub vom Erdboden. (Luther:… machte Gott der Herr den Menschen aus Erde vom Acker)
2. Satz: Gott der Herr hauchte dem Menschen Geist des Lebens ein. (Luther: … blies ihm den Odem des Lebens in seine Nase)
3. Satz: Der Mensch wurde zu einem lebendigen Wesen. (Luther: Und so ward der Mensch ein lebendiges Wesen.)
Nun zur Erklärung der einzelnen Wörter:
Zum 1. Satz: Gott der Herr bildete den Menschen aus Staub vom Erdboden. Es ist eigenartig, dass hier für Staub vom Erdboden nicht dasselbe Wort steht wie 1. Mose 1,1, wo es heißt: »Am Anfang schuf Gott die Himmel und die Erde.« Für »Erde« steht dort in 1. Mose 1,1 äräß. Hier in 1. Mose 2,7 steht für Erde nicht ein einzelnes Wort, nämlich äräß, sondern für »Erde« stehen hier zwei Wörter: »Staub« und »Erdboden«, hebräisch: aphar und adamâh. Warum ist das so? Staub = aphar ist die feine Krume des Erdbodens.
Erdboden = adamâh ist das pflanzentragende Land. Das bedeutet ein Dreifaches:
a) Der Mensch Adam ist gebildet nicht von der Erde = äräß (wie in 1. Mose 1,1) schlechthin, sondern aus feiner Krume des pflanzentragenden Landes vom Garten Eden in seiner paradiesischen Anlage. In 1. Mose 2,9 wird der Paradieses-Boden ebenfalls adamâh genannt, genauso wie hier in 2,7. Nach Luther heißt 1 . Mose 2,9: »Und Gott der Herr ließ aufwachsen aus der Erde (adamâh) allerlei Bäume …«
b) Der Leib des Menschen ist von besonderer Wichtigkeit und Schönheit. Er ist paradiesischen Ursprungs.
c) Dies sei aber hier nur nebenbei bemerkt: Laut 1. Mose 2,7.9 ist der Stoff, aus welchem der Mensch gebildet worden ist, nie und nimmer ein Tierleib – sondern unmittelbar der Erdboden des Paradieses.
Zum 2. Satz: »Gott der Herr hauchte dem Menschen Geist des Lebens ein.«
»Hauchen« heißt hebräisch naphach und wird gebraucht vom Anblasen des Feuers in der Schmiede und des häuslichen Herdes (Jes 54,16; Jer 1,13; Hes 22,20; Hiob 20,26; 41,12). Auch ist rein äußerlich gesehen mit naphach der durch Mund und Nase ein- und ausgehende Atem gemeint (Jes 42,5; 57,16; Hiob 32,8; 33,4).
Gottes Anhauchen ist jedoch viel mehr, als des Menschen Hauchen und Atmen. Gottes Anhauchen bedeutet Leben und Dasein überhaupt!22
Wilhelm Vischer sagt: »Das Besondere, was von den Tieren nicht gesagt wird, ist, dass Gott Seinen Atem dem Menschen persönlich (und direkt) einhaucht. Der Mensch lebt in jedem Augenblick davon, dass Gottes Geist ihn anhaucht und der Mensch den Lebensodem Gottes atmet. Der Mensch hat das Leben nicht in sich selbst, sondern in jedem Augenblick nur von Gott her geliehen.«23
Johann Georg Hamann sagt: »Das … Geheimnis (der Schöpfung des Menschen) wird damit abgeschlossen, dass Gott Sein ›Werk‹ anhaucht. Dieses Hauchen ist das Ende der ganzen Schöpfung, so wie unser verklärter Heiland die Früchte Seiner großen Erlösung in eben dem gleichen Vorgang eines geheimnisvollen Anhauchens Seinen Jüngern mitteilte (Joh 20,22). – Lasst uns darum niemals vergessen, dass unser Menschsein nicht nur ein bloßes Dasein Seines Wortes ›Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei …!‹ ist, sondern zugleich auch ein Dasein Seines Hauches darstellt.«24
»Geist« heißt hier hebräisch neschamah. Neschamah kommt her von nascham und heißt »Hauch« und »Geist«. Weil wir uns vorhin schon mit dem Wort »hauchen« im Sinne von Atem eingehend beschäftigt haben, so wollen wir jetzt bei der Übersetzung von nascham = »Hauch« den Hauptton nicht auf »Hauch«, sondern auf »Geist« legen.
Dieses Wort nascham drückt besser aus als das andere hebräische Wort rúach (welches auch Geist heißt), was hier in Bezug auf den Menschen gesagt sein will. Nascham = »Geist« bezeichnet nämlich an dieser Stelle nachdrücklich, dass Gott direkt und persönlich Seinem Ebenbilde Geist von Seinem Geist eingehaucht und zugeatmet hat, damit offenbar würde, dass der Mensch dem geistigen Wesen Gottes als Abbild im Urstande würdig und heilig entspreche. Der Geist Gottes ist also hier, so darf man es wohl sagen, der Heilige Geist, der dann nach dem Sündenfall des Menschen als Geist oder Geistigkeit des Menschen, d.h. als die geistige Wesensanlage dem Menschen verblieben ist. Was »die Geistigkeit des Menschen« oder seine geistige Wesensanlage bedeutet, davon später.
»Geist des Lebens«: Das hebräische Wort für Leben ist chajjim und bedeutet hier im Blick auf den Zusammenhang: göttliches Leben, welches Gott Seinem Ebenbild verliehen hat.25
Über das Verhältnis von Geist und Leben sagt B. Koehler:26 »Es wäre falsch, wenn man einfach Geist und Leben gleichsetzen wollte, denn wenn das AT ausdrücklich vom Geist des Lebens spricht (und zwar hier bei der Erschaffung des Menschen), so tut es das, weil Geist und Leben nicht dasselbe sind.«
Geist des Lebens heißt: »Der Geist bewirkt das Leben«, und weil es der Heilige Geist ist und der Mensch sich noch im sündlosen Zustande befindet, kann hier mit Leben gar nichts anderes gemeint sein als das göttliche ewige Leben.
Zum Beweise dafür, dass hier das ewige Leben gemeint sei, möge 1. Mose 3,22 angeführt sein, wo steht: »… dass der Mensch nicht auch vom Baume des Lebens esse und ewig lebe …«
Carl Friedrich Keil schreibt: »Wäre der Mensch durch Befolgung des göttlichen Gebotes in der Lebensgemeinschaft mit Gott geblieben, so hätte er davon essen dürfen, da der Mensch ja zum ewigen Leben erschaffen war.«27
Zum 3. Satz: »Da ward der Mensch zu einer lebendigen Seele.« So hat Luther übersetzt, und so wollen wir’s stehen lassen. Weil man für Seele auch »Mensch« sagen kann, so kann »Seele« hier auch den Menschen in seiner Ganzheit, also nach Geist, Seele und Leib bedeuten.28
Noch eines sei hier bewusst herausgestellt. Der Ausdruck »Der Mensch ward zu einer lebendigen Seele« heißt nicht – wie die griechische Philosophie dies lehrt – »eine ewige Seele, welche in den Leib wie in einem Gefängnis eingeschlossen wird«, sondern der obige Satz 1. Mose 2,7 bedeutet: »Der Mensch ward ein beseelter Leib«.
Otto Weber schreibt: »Der Mensch ist lebendiges Wesen. Das Tier trägt es in sich.«29
Wir kehren zum Text zurück.
Weil im Hebräischen für »lebendig« dasselbe Wort wie vorhin im Ausdruck »Hauch des Lebens« steht- so kann hier mit »lebendig« auch gar nichts anderes gemeint sein als das »ewige Leben«. »Da ward der Mensch zu einer lebendigen Seele« heißt also, da ward der Mensch ein ewig lebendiges Wesen. So wird auch hier ausgesagt: Gott hat Sein Ebenbild wunderbar mit ewigem Leben ausgestattet.
Der Tod ist über den Menschen erst später hereingebrochen, und zwar als Lohn der Sünde (Röm 6,23). Denn Sünde ist Getrenntsein von Gott. Und Getrenntsein vom Schöpfer bedeutet für die Krone der Schöpfung den Tod.
Weil das so ist, müssen wir daraus auch folgern:
Nur in der Gemeinschaft mit Gott, in dem Gleichgesinntsein mit Gott kann das Ebenbild Gottes gedeihen und ewig leben. Außerhalb dieses göttlichen Lebenselementes muss das Ebenbild Gottes zugrunde gehen, wie eine Pflanze zugrunde geht, wenn ihr die ihr zuträgliche Luft und Nahrung fehlt. Abgelöst von Gott wird das Abbild zum Zerrbild.
»Dass das Sterben für den ersten Menschen keine Notwendigkeit war, ist einerseits durch das Dasein des Lebensbaumes, andrerseits durch die Drohung des Todes im Fall des Ungehorsams angedeutet.«30
Was die Unsterblichkeit Adams anbelangt, so setzt also die Schrift voraus, dass er den Tod vermeiden konnte unter der Bedingung des fortgesetzten normalen Verhaltens auf Grund seiner unmittelbaren Gemeinschaft mit Gott. Diese Bedingung ist in der Bedeutung des Lebensbaumes zusammengefasst. Denn die Gemeinschaft mit Gott baut sich auf dem Gehorsam auf! Doch darüber später.
Als Ergebnis der von uns ausgeführten Darlegungen erkannten wir
1. die Originalität (Einzigartigkeit) auch im Blick auf unsern Leib;
2. die Kontinuität (Stetigkeit) hinsichtlich unseres Leibes;
3. die Äternität (Ewigkeit) der Krone der Schöpfung unter besonderer Berücksichtigung der Leiblichkeit.
Zur Originalität: Anknüpfend an Hamanns Wort, dass »unser Menschsein nicht nur ein Dasein Seines Schöpfungs-Wortes, sondern zugleich auch (und zwar nachdrücklich im Schöpfungsbericht betont) ein Dasein Seines Hauches ist«, stellen wir die Einzigartigkeit und Einmaligkeit der Schöpfung des Menschen fest, oder wie Dietrich Bonhoeffer dem Sinne nach meint: Der Mensch ist im göttlichen Schöpfungswerk das Neue, das Bild Gottes in Seinem Werk. Hier ist kein Übergang von irgendwoher, hier ist wirklich ein ganz neuer Anfang, eine völlige Neuschöpfung ohne irgendeine Verbindung mit etwas schon Vorhandenem.31
Prof.Dr. Adolf Portmann, ein führender Zoologe der Gegenwart:32 »Die biologische Arbeit muss – wenn sie nicht verblendet ist – den Menschen als ein besonderes System des Lebens, als eine neue Stufe des Organischen auffassen – als eine Neubildung, deren Eigenart wesensmäßig von der Lebensform höherer Tiere verschieden ist …«
Der Theologe Th. C. Vriezen (Universität Utrecht), dem Sinne nach hier wiedergegeben: »Der Mensch, dem Gott Sein Bemühen und Seine Fürsorge angedeihen lässt, muss als ein Wesen von ganz und gar eigenem Charakter angesehen werden, das von Gott auf ganz besondere Weise geschaffen worden ist. Es ist darum auf Grund des AT völlig unmöglich, dass das Leben des Menschen in einer ursprünglichen Gemeinschaft mit der Tierwelt irgendwie vorgestellt werden kann. Der Mensch ist von Anfang an über die Tiere gesetzt, wie in 1. Mose 1 nachdrücklich festgestellt, aber auch in 1. Mose 2 ausgesagt wird, dass Adam den Tieren Namen gibt …«33
Die Kreatur bedarf der Herrschaft des Menschen als des ordnenden Prinzips. Dass der Mensch auch zu diesem Zweck mit Gottesebenbildlichkeit ausgestattet wurde, ist durchaus logisch und folgerichtig gedacht, denn auch irdische Herrscher pflegen da, wo sie nicht persönlich auftreten, ihre Bilder als Hoheitszeichen aufzustellen. So ist der Mensch in seinem von Gott ihm anvertrauten Herrschaftsbereich der Hoheitsträger Gottes. Der Mensch ist der Mandatar des Schöpfers, d.h. der im Auftrag Gottes kraft höchster Vollmacht Handelnde. Das Ebenbild Gottes ist aufgerufen, die Herrschaft Gottes und damit Gottes Hoheitsrecht in der ganzen Welt zu vertreten.
Es ist sehr bedeutungsvoll, dass Ps 8 ebenfalls diesen gottgesetzten Auftrag mit der Tatsache der Gottähnlichkeit des Menschen verbindet.34
Der Luthertext sagt das so (Ps 8,6-10):
6. Du hast ihn wenig niedriger gemacht als Gott, mit Ehre und Herrlichkeit hast Du ihn gekrönt.
7. Du hast ihn zum Herrn gemacht über Deiner Hände Werk, alles hast Du unter seine Füße getan:
8. Schafe und Rinder allzumal, dazu auch die wilden Tiere,
9. die Vögel unter dem Himmel und die Fische im Meer und alles, was die Meere durchzieht.
10. Herr, unser Herrscher, wie herrlich ist Dein Name in allen Landen!
Gott der Herr hat das Modell des Menschen nicht aus der geschöpflichen Sphäre genommen, sondern aus der oberen, ewigen Welt, wo Gott Selbst thront und über allem die Herrschaft ausübt und wonach der Mensch in seiner Anlage nach dem Bilde Gottes und in seinen Funktionen des Herrschens über die Erde vom Höchsten selbst ins Dasein und Sosein gerufen worden ist.
Zur Kontinuität: Die Doppelaussage: Der Mensch wurde geschaffen durchs »Wort« und durch den »Hauch« Gottes ist nicht nur entstehungsgeschichtlich zu sehen, wie wir es in Absatz 1 betrachteten, sondern auch permanent