TEXTAUSGABE + LEKTÜRESCHLÜSSEL
Reclam
1986, 2001, 2008, 2012, 2013 Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart
Gesamtherstellung: Reclam, Ditzingen
Made in Germany 2017
RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart
ISBN 978-3-15-960256-1
ISBN der Buchausgaben:
Johann Wolfgang Goethe: Faust. Der Tragödie Zweiter Teil: 978-3-15-000002-1
Walter Schafarschik: Lektüreschlüssel. Johann Wolfgang Goethe: Faust II: 978-3-15-015407-6
www.reclam.de
Johann Wolfgang Goethe: Faust II
Zu dieser Ausgabe
Walter Schafarschik: Lektüreschlüssel. Faust II
1. Erstinformation zum Werk
2. Inhaltsübersicht
3. Personen – Personenkonstellationen
4. Zum Werkaufbau
5. Erläuterungen zum Text
6. Aspekte der Interpretation
7. Faust II und der alte Goethe
8. Checkliste
9. Lektüretipps / Filmempfehlungen
Anmerkungen
Johann Wolfgang Goethe
Faust
Der Tragödie Zweiter Teil
Reclam
FAUST auf blumigen Rasen gebettet, ermüdet, unruhig, schlafsuchend.
Dämmerung.
GEISTERKREIS schwebend bewegt, anmutige kleine Gestalten.
ARIEL (Gesang von Äolsharfen begleitet).
Wenn der Blüten Frühlingsregen
Über alle schwebend sinkt,
4615
Wenn der Felder grüner Segen
Allen Erdgebornen blinkt,
Kleiner Elfen Geistergröße
Eilet wo sie helfen kann,
Ob er heilig? ob er böse?
4620
Jammert sie der Unglücksmann.
Die ihr dies Haupt umschwebt im luft’gen Kreise,
Erzeigt euch hier nach edler Elfen Weise,
Besänftiget des Herzens grimmen Strauß,
Entfernt des Vorwurfs glühend bittre Pfeile,
4625
Sein Innres reinigt von erlebtem Graus.
Vier sind die Pausen nächtiger Weile,
Nun ohne Säumen füllt sie freundlich aus.
Erst senkt sein Haupt aufs kühle Polster nieder,
Dann badet ihn im Tau aus Lethes Flut;
Gelenk sind bald die krampferstarrten Glieder,
Wenn er gestärkt dem Tag entgegen ruht;
Vollbringt der Elfen schönste Pflicht,
Gebt ihn zurück dem heiligen Licht.
CHOR (einzeln, zu zweien und vielen, abwechselnd und gesammelt).
Wenn sich lau die Lüfte füllen
4635
Um den grünumschränkten Plan,
Süße Düfte, Nebelhüllen
Senkt die Dämmerung heran.
Lispelt leise süßen Frieden,
Wiegt das Herz in Kindesruh;
4640
Und den Augen dieses Müden
Schließt des Tages Pforte zu.
Nacht ist schon hereingesunken
Schließt sich heilig Stern an Stern,
Große Lichter, kleine Funken,
4645
Glitzern nah und glänzen fern;
Glitzern hier im See sich spiegelnd
Glänzen droben klarer Nacht,
Tiefsten Ruhens Glück besiegelnd
Herrscht des Mondes volle Pracht.
4650
Schon verloschen sind die Stunden,
Hingeschwunden Schmerz und Glück;
Fühl es vor! Du wirst gesunden;
Traue neuem Tagesblick.
Täler grünen, Hügel schwellen,
4655
Buschen sich zu Schatten-Ruh;
Und in schwanken Silberwellen
Wogt die Saat der Ernte zu.
Wunsch um Wünsche zu erlangen
Schaue nach dem Glanze dort!
4660
Leise bist du nur umfangen,
Schlaf ist Schale, wirf sie fort!
Säume nicht dich zu erdreisten
Wenn die Menge zaudernd schweift;
Alles kann der Edle leisten,
4665
Der versteht und rasch ergreift.
(Ungeheures Getöse verkündet das Herannahen der Sonne.)
ARIEL. Horchet! horcht! dem Sturm der Horen,
Tönend wird für Geistesohren
Schon der neue Tag geboren.
Felsentore knarren rasselnd
4670
Phöbus’ Räder rollen prasselnd,
Welch Getöse bringt das Licht!
Es trommetet, es posaunet,
Auge blinzt und Ohr erstaunet,
Unerhörtes hört sich nicht.
4675
Schlüpfet zu den Blumenkronen,
Tiefer tiefer, still zu wohnen,
In die Felsen unters Laub;
Trifft es euch so seid ihr taub.
FAUST. Des Lebens Pulse schlagen frisch lebendig,
4680
Ätherische Dämmerung milde zu begrüßen;
Du Erde warst auch diese Nacht beständig
Und atmest neu erquickt zu meinen Füßen,
Beginnest schon mit Lust mich zu umgeben,
Du regst und rührst ein kräftiges Beschließen,
4685
Zum höchsten Dasein immerfort zu streben. –
In Dämmerschein liegt schon die Welt erschlossen,
Der Wald ertönt von tausendstimmigem Leben,
Talaus, talein ist Nebelstreif ergossen,
Doch senkt sich Himmelsklarheit in die Tiefen,
4690
Und Zweig und Äste, frisch erquickt, entsprossen
Dem duft’gen Abgrund wo versenkt sie schliefen;
Auch Farb an Farbe klärt sich los vom Grunde,
Wo Blum und Blatt von Zitterperle triefen,
Ein Paradies wird um mich her die Runde.
4695
Hinaufgeschaut! – Der Berge Gipfelriesen
Verkünden schon die feierlichste Stunde,
Sie dürfen früh des ewigen Lichts genießen
Das später sich zu uns hernieder wendet.
Jetzt zu der Alpe grüngesenkten Wiesen
4700
Wird neuer Glanz und Deutlichkeit gespendet,
Und stufenweis herab ist es gelungen; –
Sie tritt hervor! – und, leider schon geblendet,
Kehr ich mich weg, vom Augenschmerz durchdrungen.
So ist es also, wenn ein sehnend Hoffen
4705
Dem höchsten Wunsch sich traulich zugerungen,
Erfüllungspforten findet flügeloffen,
Nun aber bricht aus jenen ewigen Gründen
Ein Flammen-Übermaß, wir stehn betroffen;
Des Lebens Fackel wollten wir entzünden,
4710
Ein Feuermeer umschlingt uns, welch ein Feuer!
Ist’s Lieb? Ist’s Hass? die glühend uns umwinden,
Mit Schmerz und Freuden wechselnd ungeheuer,
So dass wir wieder nach der Erde blicken,
Zu bergen uns in jugendlichstem Schleier.
4715
So bleibe denn die Sonne mir im Rücken!
Der Wassersturz, das Felsenriff durchbrausend,
Ihn schau ich an mit wachsendem Entzücken.
Von Sturz zu Sturzen wälzt er jetzt in tausend
Dann abertausend Strömen sich ergießend,
4720
Hoch in die Lüfte Schaum an Schäume sausend.
Allein wie herrlich diesem Sturm ersprießend,
Wölbt sich des bunten Bogens Wechsel-Dauer,
Bald rein gezeichnet, bald in Luft zerfließend,
Umher verbreitend duftig kühle Schauer.
4725
Der spiegelt ab das menschliche Bestreben.
Ihm sinne nach und du begreifst genauer:
Am farbigen Abglanz haben wir das Leben.
Saal des Thrones
STAATSRAT in Erwartung des Kaisers.
TROMPETEN.
HOFGESINDE aller Art prächtig gekleidet tritt vor. DER KAISER gelangt auf den Thron, zu seiner Rechten DER ASTROLOG.
KAISER. Ich grüße die Getreuen, Lieben,
Versammelt aus der Näh und Weite; –
4730
Den Weisen seh ich mir zur Seite,
Allein wo ist der Narr geblieben?
JUNKER. Gleich hinter deiner Mantelschleppe
Stürzt’ er zusammen auf der Treppe,
Man trug hinweg das Fettgewicht,
4735
Tot oder trunken? weiß man nicht.
ZWEITER JUNKER. Sogleich mit wunderbarer Schnelle
Drängt sich ein andrer an die Stelle.
Gar köstlich ist er aufgeputzt,
Doch fratzenhaft dass jeder stutzt;
4740
Die Wache hält ihm an der Schwelle
Kreuzweis die Hellebarden vor –
Da ist er doch der kühne Tor!
MEPHISTOPHELES (am Throne knieend).
Was ist verwünscht und stets willkommen?
Was ist ersehnt und stets verjagt?
4745
Was immerfort in Schutz genommen?
Was hart gescholten und verklagt?
Wen darfst du nicht herbeiberufen?
Wen höret jeder gern genannt?
Was naht sich deines Thrones Stufen?
4750
Was hat sich selbst hinweggebannt?
KAISER. Für diesmal spare deine Worte!
Hier sind die Rätsel nicht am Orte,
Das ist die Sache dieser Herrn. –
Da löse du! das hört’ ich gern:
4755
Mein alter Narr ging, fürcht ich, weit ins Weite;
Nimm seinen Platz und komm an meine Seite.
MEPHISTOPHELES (steigt hinauf und stellt sich zur Linken).
GEMURMEL DER MENGE.
Ein neuer Narr – Zu neuer Pein –
Wo kommt er her – Wie kam er ein –
Der alte fiel – der hat vertan –
4760
Es war ein Fass – Nun ist’s ein Span –
KAISER. Und also ihr Getreuen, Lieben,
Willkommen aus der Näh und Ferne,
Ihr sammelt euch mit günstigem Sterne,
Da droben ist uns Glück und Heil geschrieben.
4765
Doch sagt warum in diesen Tagen,
Wo wir der Sorgen uns entschlagen,
Schönbärte mummenschänzlich tragen
Und Heitres nur genießen wollten,
Warum wir uns ratschlagend quälen sollten?
4770
Doch weil ihr meint es ging’ nicht anders an,
Geschehen ist’s, so sei’s getan.
KANZLER. Die höchste Tugend, wie ein Heiligenschein,
Umgibt des Kaisers Haupt, nur er allein
Vermag sie gültig auszuüben;
4775
Gerechtigkeit! – Was alle Menschen lieben,
Was alle fordern, wünschen, schwer entbehren,
Es liegt an ihm dem Volk es zu gewähren.
Doch ach! Was hilft dem Menschengeist Verstand,
Dem Herzen Güte, Willigkeit der Hand,
4780
Wenn’s fieberhaft durchaus im Staate wütet,
Und Übel sich in Übeln überbrütet.
Wer schaut hinab von diesem hohen Raum
Ins weite Reich, ihm scheint’s ein schwerer Traum,
Wo Missgestalt in Missgestalten schaltet,
4785
Das Ungesetz gesetzlich überwaltet,
Und eine Welt des Irrtums sich entfaltet.
Der raubt sich Herden, der ein Weib,
Kelch, Kreuz und Leuchter vom Altare,
Berühmt sich dessen manche Jahre
4790
Mit heiler Haut, mit unverletztem Leib.
Jetzt drängen Kläger sich zur Halle,
Der Richter prunkt auf hohem Pfühl,
Indessen wogt, in grimmigem Schwalle,
Des Aufruhrs wachsendes Gewühl.
4795
Der darf auf Schand und Frevel pochen
Der auf Mitschuldigste sich stützt,
Und: Schuldig! hörst du ausgesprochen
Wo Unschuld nur sich selber schützt.
So will sich alle Welt zerstückeln,
4800
Vernichtigen was sich gebührt;
Wie soll sich da der Sinn entwickeln
Der einzig uns zum Rechten führt?
Zuletzt ein wohlgesinnter Mann
Neigt sich dem Schmeichler, dem Bestecher,
4805
Ein Richter der nicht strafen kann
Gesellt sich endlich zum Verbrecher.
Ich malte schwarz, doch dichtern Flor
Zög ich dem Bilde lieber vor. (Pause.)
Entschlüsse sind nicht zu vermeiden,
4810
Wenn alle schädigen, alle leiden
Geht selbst die Majestät zu Raub.
HEERMEISTER. Wie tobt’s in diesen wilden Tagen
Ein jeder schlägt und wird erschlagen
Und fürs Kommando bleibt man taub.
4815
Der Bürger hinter seinen Mauern
Der Ritter auf dem Felsennest
Verschwuren sich uns auszudauern
Und halten ihre Kräfte fest.
Der Mietsoldat wird ungeduldig,
4820
Mit Ungestüm verlangt er seinen Lohn,
Und wären wir ihm nichts mehr schuldig
Er liefe ganz und gar davon.
Verbiete wer was alle wollten,
Der hat ins Wespennest gestört;
4825
Das Reich das sie beschützen sollten,
Es liegt geplündert und verheert.
Man lässt ihr Toben wütend hausen,
Schon ist die halbe Welt vertan;
Es sind noch Könige da draußen
4830
Doch keiner denkt es ging’ ihn irgend an.
SCHATZMEISTER. Wer wird auf Bundsgenossen pochen!
Subsidien die man uns versprochen,
Wie Röhrenwasser, bleiben aus.
Auch Herr, in deinen weiten Staaten
4835
An wen ist der Besitz geraten?
Wohin man kommt da hält ein Neuer Haus
Und unabhängig will er leben,
Zusehen muss man wie er’s treibt;
Wir haben so viel Rechte hingegeben,
4840
Dass uns auf nichts ein Recht mehr übrig bleibt.
Auch auf Parteien, wie sie heißen,
Ist heutzutage kein Verlass;
Sie mögen schelten oder preisen,
Gleichgültig wurden Lieb und Hass,
4845
Die Ghibellinen wie die Guelfen
Verbergen sich um auszuruhn;
Wer jetzt will seinem Nachbar helfen?
Ein jeder hat für sich zu tun.
Die Goldespforten sind verrammelt,
4850
Ein jeder kratzt und scharrt und sammelt
Und unsre Kassen bleiben leer.
MARSCHALK. Welch Unheil muss auch ich erfahren;
Wir wollen alle Tage sparen
Und brauchen alle Tage mehr.
4855
Und täglich wächst mir neue Pein.
Den Köchen tut kein Mangel wehe;
Wildschweine, Hirsche, Hasen, Rehe,
Welschhühner, Hühner, Gäns und Enten
Die Deputate, sichre Renten,
4860
Sie gehen noch so ziemlich ein.
Jedoch am Ende fehlt’s an Wein.
Wenn sonst im Keller Fass an Fass sich häufte,
Der besten Berg- und Jahresläufte,
So schlürft unendliches Gesäufte
4865
Der edlen Herrn den letzten Tropfen aus.
Der Stadtrat muss sein Lager auch verzapfen,
Man greift zu Humpen, greift zu Napfen,
Und unterm Tische liegt der Schmaus.
Nun soll ich zahlen, alle lohnen;
4870
Der Jude wird mich nicht verschonen
Der schafft Antizipationen,
Die speisen Jahr um Jahr voraus.
Die Schweine kommen nicht zu Fette,
Verpfändet ist der Pfühl im Bette,
4875
Und auf den Tisch kommt vorgegessen Brot.
KAISER (nach einigem Nachdenken zu Mephistopheles).
Sag, weißt du Narr nicht auch noch eine Not?
MEPHISTOPHELES.
Ich keineswegs. Den Glanz umher zu schauen,
Dich und die Deinen! – Mangelte Vertrauen,
Wo Majestät unweigerlich gebeut?
4880
Bereite Macht Feindseliges zerstreut,
Wo guter Wille, kräftig durch Verstand
Und Tätigkeit, vielfältige, zur Hand?
Was könnte da zum Unheil sich vereinen,
Zur Finsternis wo solche Sterne scheinen?
4885
GEMURMEL. Das ist ein Schalk – der’s wohl versteht –
Er lügt sich ein – So lang es geht –
Ich weiß schon – Was dahinter steckt –
Und was denn weiter? – Ein Projekt –
MEPHISTOPHELES. Wo fehlt’s nicht irgendwo auf dieser Welt?
4890
Dem dies, dem das, hier aber fehlt das Geld.
Vom Estrich zwar ist es nicht aufzuraffen;
Doch Weisheit weiß das Tiefste herzuschaffen.
In Bergesadern, Mauergründen
Ist Gold gemünzt und ungemünzt zu finden,
4895
Und fragt ihr mich wer es zu Tage schafft:
Begabten Manns Natur- und Geisteskraft.
KANZLER. Natur und Geist – so spricht man nicht zu Christen.
Deshalb verbrennt man Atheisten
Weil solche Reden höchst gefährlich sind.
4900
Natur ist Sünde, Geist ist Teufel,
Sie hegen zwischen sich den Zweifel,
Ihr missgestaltet Zwitterkind.
Uns nicht so! – Kaisers alten Landen
Sind zwei Geschlechter nur entstanden,
4905
Sie stützen würdig seinen Thron:
Die Heiligen sind es und die Ritter;
Sie stehen jedem Ungewitter
Und nehmen Kirch und Staat zum Lohn.
Dem Pöbelsinn verworrener Geister
4910
Entwickelt sich ein Widerstand,
Die Ketzer sind’s! die Hexenmeister!
Und sie verderben Stadt und Land.
Die willst du nun mit frechen Scherzen
In diese hohen Kreise schwärzen,
4915
Ihr hegt euch an verderbtem Herzen,
Dem Narren sind sie nah verwandt.
MEPHISTOPHELES. Daran erkenn ich den gelehrten Herrn!
Was ihr nicht tastet steht euch meilenfern,
Was ihr nicht fasst das fehlt euch ganz und gar,
4920
Was ihr nicht rechnet, glaubt ihr sei nicht wahr,
Was ihr nicht wägt hat für euch kein Gewicht,
Was ihr nicht münzt das meint ihr gelte nicht.
KAISER. Dadurch sind unsre Mängel nicht erledigt,
Was willst du jetzt mit deiner Fastenpredigt?
4925
Ich habe satt das ewige Wie und Wenn;
Es fehlt an Geld, nun gut so schaff es denn.
MEPHISTOPHELES. Ich schaffe was ihr wollt und schaffe mehr;
Zwar ist es leicht, doch ist das Leichte schwer;
Es liegt schon da, doch um es zu erlangen
4930
Das ist die Kunst, wer weiß es anzufangen?
Bedenkt doch nur: in jenen Schreckensläuften
Wo Menschenfluten Land und Volk ersäuften,
Wie der und der, so sehr es ihn erschreckte,
Sein Liebstes da- und dortwohin versteckte.
4935
So war’s von je in mächtiger Römer Zeit,
Und so fortan, bis gestern, ja bis heut.
Das alles liegt im Boden still begraben,
Der Boden ist des Kaisers, der soll’s haben.
SCHATZMEISTER. Für einen Narren spricht er gar nicht schlecht,
4940
Das ist fürwahr des alten Kaisers Recht.
KANZLER. Der Satan legt euch goldgewirkte Schlingen:
Es geht nicht zu mit frommen rechten Dingen.
MARSCHALK. Schafft’ er uns nur zu Hof willkommne Gaben,
Ich wollte gern ein bisschen Unrecht haben.
HEERMEISTER.
4945
Der Narr ist klug, verspricht was jedem frommt;
Fragt der Soldat doch nicht woher es kommt.
MEPHISTOPHELES.
Und glaubt ihr euch vielleicht durch mich betrogen;
Hier steht ein Mann! da! fragt den Astrologen,
In Kreis’ um Kreise kennt er Stund und Haus,
4950
So sage denn wie sieht’s am Himmel aus.
GEMURMEL.
Zwei Schelme sind’s – Verstehn sich schon –
Narr und Phantast – So nah dem Thron –
Ein mattgesungen – alt Gedicht –
Der Tor bläst ein – der Weise spricht –
ASTROLOG (spricht, Mephistopheles bläst ein).
4955
Die Sonne selbst sie ist ein lautres Gold,
Merkur der Bote dient um Gunst und Sold,
Frau Venus hat’s euch allen angetan,
So früh als spat blickt sie euch lieblich an;
Die keusche Luna launet grillenhaft,
4960
Mars trifft er nicht, so dräut euch seine Kraft.
Und Jupiter bleibt doch der schönste Schein,
Saturn ist groß, dem Auge fern und klein.
Ihn als Metall verehren wir nicht sehr,
An Wert gering, doch im Gewichte schwer.
4965
Ja! wenn zu Sol sich Luna fein gesellt,
Zum Silber Gold, dann ist es heitre Welt,
Das Übrige ist alles zu erlangen,
Paläste, Gärten, Brüstlein, rote Wangen,
Das alles schafft der hochgelahrte Mann
4970
Der das vermag was unser keiner kann.
KAISER. Ich höre doppelt was er spricht
Und dennoch überzeugt’s mich nicht.
GEMURMEL.
Was soll uns das – Gedroschner Spaß –
Kalenderei – Chymisterei –
4975
Das hört ich oft – Und falsch gehofft –
Und kommt er auch – So ist’s ein Gauch –
MEPHISTOPHELES.
Da stehen sie umher und staunen,
Vertrauen nicht dem hohen Fund,
Der eine faselt von Alraunen
4980
Der andre von dem schwarzen Hund.
Was soll es dass der eine witzelt,
Ein andrer Zauberei verklagt,
Wenn ihm doch auch einmal die Sohle kitzelt
Wenn ihm der sichre Schritt versagt.
4985
Ihr alle fühlt geheimes Wirken
Der ewig waltenden Natur,
Und aus den untersten Bezirken
Schmiegt sich herauf lebend’ge Spur.
Wenn es in allen Gliedern zwackt,
4990
Wenn es unheimlich wird am Platz,
Nur gleich entschlossen grabt und hackt,
Da liegt der Spielmann, liegt der Schatz!
GEMURMEL.
Mir liegt’s im Fuß wie Bleigewicht –
Mir krampft’s im Arme – das ist Gicht –
4995
Mir krabbelt’s an der großen Zeh –
Mir tut der ganze Rücken weh –
Nach solchen Zeichen wäre hier
Das allerreichste Schatzrevier.
KAISER. Nur eilig! du entschlüpfst nicht wieder,
5000
Erprobe deine Lügenschäume,
Und zeig uns gleich die edlen Räume.
Ich lege Schwert und Zepter nieder,
Und will mit eignen hohen Händen,
Wenn du nicht lügst, das Werk vollenden,
5005
Dich, wenn du lügst, zur Hölle senden!
MEPHISTOPHELES.
Den Weg dahin wüsst allenfalls zu finden –
Doch kann ich nicht genug verkünden
Was überall besitzlos harrend liegt.
Der Bauer der die Furche pflügt
5010
Hebt einen Goldtopf mit der Scholle,
Salpeter hofft er von der Leimenwand
Und findet golden-goldne Rolle,
Erschreckt, erfreut in kümmerlicher Hand.
Was für Gewölbe sind zu sprengen,
5015
In welchen Klüften, welchen Gängen
Muss sich der Schatzbewusste drängen,
Zur Nachbarschaft der Unterwelt!
In weiten, allverwahrten Kellern,
Von goldnen Humpen, Schüsseln, Tellern,
5020
Sieht er sich Reihen aufgestellt.
Pokale stehen aus Rubinen
Und will er deren sich bedienen
Daneben liegt uraltes Nass.
Doch – werdet ihr dem Kundigen glauben –
5025
Verfault ist längst das Holz der Dauben,
Der Weinstein schuf dem Wein ein Fass.
Essenzen solcher edlen Weine,
Gold und Juwelen nicht alleine
Umhüllen sich mit Nacht und Graus.
5030
Der Weise forscht hier unverdrossen;
Am Tag erkennen das sind Possen,
Im Finstern sind Mysterien zu Haus.
KAISER. Die lass ich dir! Was will das Düstre frommen?
Hat etwas Wert, es muss zu Tage kommen.
5035
Wer kennt den Schelm in tiefer Nacht genau?
Schwarz sind die Kühe, so die Katzen grau.
Die Töpfe drunten, voll von Goldgewicht;
Zieh deinen Pflug, und ackre sie ans Licht.
MEPHISTOPHELES. Nimm Hack’ und Spaten, grabe selber,
5040
Die Bauernarbeit macht dich groß,
Und eine Herde goldner Kälber
Sie reißen sich vom Boden los.
Dann ohne Zaudern, mit Entzücken,
Kannst du dich selbst, wirst die Geliebte schmücken;
5045
Ein leuchtend Farb- und Glanzgestein erhöht
Die Schönheit wie die Majestät.
KAISER.
Nur gleich, nur gleich! Wie lange soll es währen!
ASTROLOG (wie oben).
Herr mäßige solch dringendes Begehren,
Lass erst vorbei das bunte Freudenspiel;
5050
Zerstreutes Wesen führt uns nicht zum Ziel.
Erst müssen wir in Fassung uns versühnen,
Das Untre durch das Obere verdienen.
Wer Gutes will der sei erst gut;
Wer Freude will besänftige sein Blut;
5055
Wer Wein verlangt der keltre reife Trauben,
Wer Wunder hofft der stärke seinen Glauben.
KAISER. So sei die Zeit in Fröhlichkeit vertan!
Und ganz erwünscht kommt Aschermittwoch an.
Indessen feiern wir, auf jeden Fall,
5060
Nur lustiger das wilde Karneval.
(Trompeten, Exeunt.)
MEPHISTOPHELES. Wie sich Verdienst und Glück verketten
Das fällt den Toren niemals ein;
Wenn sie den Stein der Weisen hätten
Der Weise mangelte dem Stein.
Weitläufiger Saal, mit Nebengemächern, verziert und aufgeputzt zur Mummenschanz
5065
HEROLD. Denkt nicht ihr seid in deutschen Grenzen
Von Teufels-, Narren- und Totentänzen,
Ein heitres Fest erwartet euch.
Der Herr, auf seinen Römerzügen
Hat, sich zu Nutz, euch zum Vergnügen,
5070
Die hohen Alpen überstiegen,
Gewonnen sich ein heitres Reich.
Der Kaiser, er, an heiligen Sohlen,
Erbat sich erst das Recht zur Macht,
Und als er ging die Krone sich zu holen,
5075
Hat er uns auch die Kappe mitgebracht.
Nun sind wir alle neugeboren;
Ein jeder weltgewandte Mann
Zieht sie behaglich über Kopf und Ohren;
Sie ähnlet ihn verrückten Toren,
5080
Er ist darunter weise wie er kann.
Ich sehe schon wie sie sich scharen,
Sich schwankend sondern, traulich paaren;
Zudringlich schließt sich Chor an Chor.
Herein, hinaus, nur unverdrossen;
5085
Es bleibt doch endlich nach wie vor,
Mit ihren hunderttausend Possen,
Die Welt ein einzig großer Tor.
GÄRTNERINNEN (Gesang begleitet von Mandolinen).
Euren Beifall zu gewinnen
Schmückten wir uns diese Nacht,
5090
Junge Florentinerinnen
Folgten deutschen Hofes Pracht;
Tragen wir in braunen Locken
Mancher heitern Blume Zier;
Seidenfäden, Seidenflocken
5095
Spielen ihre Rolle hier.
Denn wir halten es verdienstlich,
Lobenswürdig ganz und gar,
Unsere Blumen, glänzend künstlich,
Blühen fort das ganze Jahr.
5100
Allerlei gefärbten Schnitzeln
Ward symmetrisch Recht getan;
Mögt ihr Stück für Stück bewitzeln,
Doch das Ganze zieht euch an.
Niedlich sind wir anzuschauen,
5105
Gärtnerinnen und galant;
Denn das Naturell der Frauen
Ist so nah mit Kunst verwandt.
HEROLD. Lasst die reichen Körbe sehen
Die ihr auf den Häupten traget,
5110
Die sich bunt am Arme blähen,
Jeder wähle was behaget.
Eilig dass in Laub und Gängen
Sich ein Garten offenbare,
Würdig sind sie zu umdrängen
5115
Krämerinnen wie die Ware.
GÄRTNERINNEN.
Feilschet nun am heitern Orte,
Doch kein Markten findet statt!
Und mit sinnig kurzem Worte
Wisse jeder was er hat.
OLIVENZWEIG MIT FRÜCHTEN.
5120
Keinen Blumenflor beneid ich,
Allen Widerstreit vermeid ich;
Mir ist’s gegen die Natur:
Bin ich doch das Mark der Lande,
Und, zum sichern Unterpfande,
5125
Friedenszeichen jeder Flur.
Heute, hoff ich, soll mir’s glücken
Würdig schönes Haupt zu schmücken.
ÄHRENKRANZ (golden). Ceres’ Gaben, euch zu putzen,
Werden hold und lieblich stehn:
5130
Das Erwünschteste dem Nutzen
Sei als eure Zierde schön.
PHANTASIEKRANZ. Bunte Blumen Malven ähnlich
Aus dem Moos ein Wunderflor!
Der Natur ist’s nicht gewöhnlich
5135
Doch die Mode bringt’s hervor.
PHANTASIESTRAUSS. Meinen Namen euch zu sagen
Würde Theophrast nicht wagen,
Und doch hoff ich wo nicht allen,
Aber mancher zu gefallen,
5140
Der ich mich wohl eignen möchte,
Wenn sie mich ins Haar verflöchte,
Wenn sie sich entschließen könnte
Mir am Herzen Platz vergönnte.
(Ausforderung.)
Mögen bunte Phantasien
5145
Für des Tages Modeblühen,
Wunderseltsam sein gestaltet
Wie Natur sich nie entfaltet;
Grüne Stiele, goldne Glocken
Blickt hervor aus reichen Locken! –
ROSENKNOSPEN.
5150
Doch wir halten uns versteckt,
Glücklich wer uns frisch entdeckt.
Wenn der Sommer sich verkündet
Rosenknospe sich entzündet,
Wer mag solches Glück entbehren?
5155
Das Versprechen, das Gewähren,
Das beherrscht, in Florens Reich,
Blick und Sinn und Herz zugleich.
(Unter grünen Laubgängen putzen die Gärtnerinnen zierlich ihren Kram auf.)
GÄRTNER (Gesang begleitet von Theorben).
Blumen sehet ruhig sprießen,
Reizend euer Haupt umzieren,
5160
Früchte wollen nicht verführen,
Kostend mag man sie genießen.
Bieten bräunliche Gesichter
Kirschen, Pfirschen, Königspflaumen,
Kauft! denn gegen Zung und Gaumen
5165
Hält sich Auge schlecht als Richter.
Kommt von allerreifsten Früchten
Mit Geschmack und Lust zu speisen
Über Rosen lässt sich dichten,
In die Äpfel muss man beißen.
5170
Sei’s erlaubt uns anzupaaren
Eurem reichen Jugendflor,
Und wir putzen reifer Waren
Fülle nachbarlich empor.
Unter lustigen Gewinden
5175
In geschmückter Lauben Bucht,
Alles ist zugleich zu finden:
Knospe, Blätter, Blume, Frucht.
(Unter Wechselgesang, begleitet von Gitarren und Theorben, fahren beide Chöre fort ihre Waren stufenweis in die Höhe zu schmücken und auszubieten.)
MUTTER und TOCHTER.
MUTTER. Mädchen als du kamst ans Licht
Schmückt ich dich im Häubchen,
5180
Warst so lieblich von Gesicht,
Und so zart am Leibchen.
Dachte sie sogleich als Braut,
Gleich dem Reichsten angetraut,
Dachte dich als Weibchen.
5185
Ach! Nun ist schon manches Jahr
Ungenützt verflogen,
Der Sponsierer bunte Schar
Schnell vorbeigezogen;
Tanztest mit dem einen flink,
5190
Gabst dem andern stillen Wink
Mit dem Ellenbogen.
Welches Fest man auch ersann,
Ward umsonst begangen,
Pfänderspiel und Dritter Mann
5195
Wollten nicht verfangen;
Heute sind die Narren los,
Liebchen öffne deinen Schoß,
Bleibt wohl einer hangen.
GESPIELINNEN jung und schön gesellen sich hinzu, ein vertrauliches Geplauder wird laut.
FISCHER und VOGELSTELLER mit Netzen, Angel und Leimruten, auch sonstigem Geräte treten auf, mischen sich unter die schönen Kinder. Wechselseitige Versuche zu gewinnen, zu fangen, zu entgehen und festzuhalten geben zu den angenehmsten Dialogen Gelegenheit.
HOLZHAUER (treten ein ungestüm und ungeschlacht).
Nur Platz! nur Blöße!
5200
Wir brauchen Räume,
Wir fällen Bäume
Die krachen, schlagen:
Und wenn wir tragen
Da gibt es Stöße.
5205
Zu unserm Lobe
Bringt dies ins Reine;
Denn wirkten Grobe
Nicht auch im Lande,
Wie kämen Feine
5210
Für sich zustande,
So sehr sie witzten?
Des seid belehret;
Denn ihr erfröret
Wenn wir nicht schwitzten.
PULCINELLE (täppisch, fast läppisch).
5215
Ihr seid die Toren
Gebückt geboren.
Wir sind die Klugen
Die nie was trugen;
Denn unsre Kappen
5220
Jacken und Lappen
Sind leicht zu tragen.
Und mit Behagen
Wir immer müßig
Pantoffelfüßig,
5225
Durch Markt und Haufen
Einher zu laufen.
Gaffend zu stehen,
Uns anzukrähen;
Auf solche Klänge
5230
Durch Drang und Menge
Aalgleich zu schlüpfen,
Gesamt zu hüpfen,
Vereint zu toben.
Ihr mögt uns loben,
5235
Ihr mögt uns schelten
Wir lassen’s gelten.
PARASITEN (schmeichelnd-lüstern).
Ihr wackern Träger
Und eure Schwäger,
Die Kohlenbrenner,
5240
Sind unsre Männer.
Denn alles Bücken,
Bejah’ndes Nicken,
Gewundne Phrasen,
Das Doppelblasen,
5245
Das wärmt und kühlet
Wie’s einer fühlet,
Was könnt es frommen?
Es möchte Feuer
Selbst ungeheuer
5250
Vom Himmel kommen,
Gäb es nicht Scheite
Und Kohlentrachten
Die Herdesbreite
Zur Glut entfachten.
5255
Da brät’s und prudelt’s,
Da kocht’s und strudelt’s.
Der wahre Schmecker,
Der Tellerlecker,
Er riecht den Braten,
5260
Er ahnet Fische;
Das regt zu Taten
An Gönners Tische.
TRUNKNER (unbewusst).
Sei mir heute nichts zuwider!
Fühle mich so frank und frei;
5265
Frische Lust und heitre Lieder
Holt ich selbst sie doch herbei.
Und so trink ich! trinke, trinke.
Stoßet an ihr! Tinke, Tinke!
Du dorthinten komm heran!
5270
Stoßet an, so ist’s getan.
Schrie mein Weibchen doch entrüstet,
Rümpfte diesem bunten Rock,
Und, wie sehr ich mich gebrüstet,
Schalt mich einen Maskenstock.
5275
Doch ich trinke! Trinke, trinke!
Angeklungen! Tinke, Tinke!
Maskenstöcke stoßet an!
Wenn es klingt so ist’s getan.
Saget nicht dass ich verirrt bin,
5280
Bin ich doch wo mir’s behagt.
Borgt der Wirt nicht, borgt die Wirtin,
Und am Ende borgt die Magd.
Immer trink ich! Trinke, trinke!
Auf ihr andern! Tinke, Tinke!
5285
Jeder jedem! so fortan!
Dünkt mich’s doch es sei getan.
Wie und wo ich mich vergnüge
Mag es immerhin geschehn;
Lasst mich liegen wo ich liege,
5290
Denn ich mag nicht länger stehn.
CHOR. Jeder Bruder trinke, trinke!
Toastet frisch ein Tinke, Tinke!
Sitzet fest auf Bank und Span,
Unterm Tisch Dem ist’s getan.
DER HEROLD (kündigt verschiedene Poeten an, Naturdichter, Hof- und Rittersänger, zärtliche so wie Enthusiasten. Im Gedräng von Mitwerbern aller Art, lässt keiner den andern zum Vortrag kommen. Einer schleicht mit wenigen Worten vorüber).
5295
SATYRIKER. Wisst ihr was mich Poeten
Erst recht erfreuen sollte?
Dürft ich singen und reden
Was niemand hören wollte.
(Die Nacht- und Grabdichter lassen sich entschuldigen, weil sie soeben im interessantesten Gespräch mit einem frischerstandenen Vampyren begriffen seien; woraus eine neue Dichtart sich vielleicht entwickeln könnte; der Herold muss es gelten lassen und ruft indessen die griechische Mythologie hervor, die, selbst in moderner Maske, weder Charakter noch Gefälliges verliert.)
DIE GRAZIEN.
AGLAIA. Anmut bringen wir ins Leben;
5300
Leget Anmut in das Geben.
HEGEMONE. Leget Anmut ins Empfangen,
Lieblich ist’s den Wunsch erlangen.
EUPHROSYNE. Und in stiller Tage Schranken
Höchst anmutig sei das Danken.
DIE PARZEN.
5305
ATROPOS. Mich die Älteste zum Spinnen
Hat man diesmal eingeladen;
Viel zu denken, viel zu sinnen
Gibt’s beim zarten Lebensfaden.
Dass er euch gelenk und weich sei
5310
Wusst ich feinsten Flachs zu sichten;
Dass er glatt und schlank und gleich sei
Wird der kluge Finger schlichten.
Wolltet ihr bei Lust und Tänzen
Allzu üppig euch erweisen;
5315
Denkt an dieses Fadens Grenzen,
Hütet euch! Er möchte reißen!
KLOTHO. Wisst in diesen letzten Tagen
Ward die Schere mir vertraut;
Denn man war von dem Betragen
5320
Unsrer Alten nicht erbaut.
Zerrt unnützeste Gespinste
Lange sie an Licht und Luft,
Hoffnung herrlichster Gewinste
Schleppt sie schneidend zu der Gruft.
5325
Doch auch ich im Jugendwalten
Irrte mich schon hundertmal;
Heute mich im Zaum zu halten,
Schere steckt im Futteral.
Und so bin ich gern gebunden,
5330
Blicke freundlich diesem Ort;
Ihr in diesen freien Stunden
Schwärmt nur immer fort und fort.
LACHESIS. Mir, die ich allein verständig,
Blieb das Ordnen zugeteilt;
5335
Meine Weife, stets lebendig,
Hat noch nie sich übereilt.
Fäden kommen, Fäden weifen,
Jeden lenk ich seine Bahn,
Keinen lass ich überschweifen,
5340
Füg’ er sich im Kreis heran.
Könnt ich einmal mich vergessen
Wär es um die Welt mir bang,
Stunden zählen, Jahre messen
Und der Weber nimmt den Strang.
5345
HEROLD. Die jetzo kommen werdet ihr nicht kennen,
Wärt ihr noch so gelehrt in alten Schriften;
Sie anzusehn die so viel Übel stiften
Ihr würdet sie willkommne Gäste nennen.
Die Furien sind es, niemand wird uns glauben,
5350
Hübsch, wohlgestaltet, freundlich, jung von Jahren;
Lasst euch mit ihnen ein, ihr sollt erfahren
Wie schlangenhaft verletzen solche Tauben.
Zwar sind sie tückisch, doch am heutigen Tage
Wo jeder Narr sich rühmet seiner Mängel,
5355
Auch sie verlangen nicht den Ruhm als Engel,
Bekennen sich als Stadt- und Landesplage.
DIE FURIEN.
ALEKTO.
Was hilft es euch, ihr werdet uns vertrauen,
Denn wir sind hübsch und jung und Schmeichelkätzchen,
Hat einer unter euch ein Liebeschätzchen;
5360
Wir werden ihm so lang die Ohren krauen,
Bis wir ihm sagen dürfen, Aug in Auge:
Dass sie zugleich auch dem und jenem winke,
Im Kopfe dumm, im Rücken krumm, und hinke,
Und, wenn sie seine Braut ist, gar nichts tauge.
5365
So wissen wir die Braut auch zu bedrängen:
Es hat sogar der Freund, vor wenig Wochen,
Verächtliches von ihr zu der gesprochen! –
Versöhnt man sich so bleibt doch etwas hängen.
MEGÄRA.
Das ist nur Spaß! denn, sind sie erst verbunden,
5370
Ich nehm es auf, und weiß, in allen Fällen,
Das schönste Glück durch Grille zu vergällen;
Der Mensch ist ungleich, ungleich sind die Stunden.
Und niemand hat Erwünschtes fest in Armen,
Der sich nicht nach Erwünschterem törig sehnte,
5375
Vom höchsten Glück, woran er sich gewöhnte;
Die Sonne flieht er, will den Frost erwarmen.
Mit diesem allen weiß ich zu gebaren,
Und führe her Asmodi den Getreuen,
Zu rechter Zeit Unseliges auszustreuen,
5380
Verderbe so das Menschenvolk in Paaren.
TISIPHONE. Gift und Dolch statt böser Zungen
Misch ich, schärf ich dem Verräter;
Liebst du andre, früher, später
Hat Verderben dich durchdrungen.
5385
Muss der Augenblicke Süßtes
Sich zu Gischt und Galle wandeln!
Hier kein Markten, hier kein Handeln
Wie er es beging’, er büßt es.
Singe keiner vom Vergeben!
5390
Felsen klag ich meine Sache,
Echo! Horch! Erwidert Rache;
Und wer wechselt soll nicht leben.
HEROLD. Belieb’ es euch zur Seite wegzuweichen,
Denn was jetzt kommt ist nicht von euresgleichen.
5395
Ihr seht wie sich ein Berg herangedrängt,
Mit bunten Teppichen die Weichen stolz behängt,
Ein Haupt mit langen Zähnen, Schlangenrüssel,
Geheimnisvoll, doch zeig ich euch den Schlüssel.
Im Nacken sitzt ihm zierlich-zarte Frau,
5400
Mit feinem Stäbchen lenkt sie ihn genau,
Die andre droben stehend herrlich-hehr
Umgibt ein Glanz der blendet mich zu sehr.
Zur Seite gehn gekettet edle Frauen,
Die eine bang, die andre froh zu schauen,
5405
Die eine wünscht, die andre fühlt sich frei,
Verkünde jede wer sie sei.
FURCHT. Dunstige Fackeln, Lampen, Lichter,
Dämmern durchs verworrne Fest,
Zwischen diese Truggesichter
5410
Bannt mich ach die Kette fest.
Fort, ihr lächerlichen Lacher!
Euer Grinsen gibt Verdacht;
Alle meine Widersacher
Drängen mich in dieser Nacht.
5415
Hier! ein Freund ist Feind geworden,
Seine Maske kenn ich schon;
Jener wollte mich ermorden,
Nun entdeckt schleicht er davon.
Ach wie gern in jeder Richtung,
5420
Flöh ich zu der Welt hinaus;
Doch von drüben droht Vernichtung,
Hält mich zwischen Dunst und Graus.
HOFFNUNG. Seid gegrüßt ihr lieben Schwestern.
Habt ihr euch schon heut und gestern
5425
In Vermummungen gefallen,
Weiß ich doch gewiss von allen
Morgen wollt ihr euch enthüllen.
Und wenn wir bei Fackelscheine
Uns nicht sonderlich behagen,
5430
Werden wir in heitern Tagen,
Ganz nach unserm eignen Willen,
Bald gesellig, bald alleine
Frei durch schöne Fluren wandeln,
Nach Belieben ruhn und handeln
5435
Und in sorgenfreiem Leben,
Nie entbehren, stets erstreben;
Überall willkommne Gäste
Treten wir getrost hinein:
Sicherlich es muss das Beste
5440
Irgendwo zu finden sein.
KLUGHEIT. Zwei der größten Menschenfeinde
Furcht und Hoffnung angekettet,
Halt ich ab von der Gemeinde;
Platz gemacht! ihr seid gerettet.
5445
Den lebendigen Kolossen
Führ ich, seht ihr, turmbeladen
Und er wandelt unverdrossen
Schritt vor Schritt auf steilen Pfaden.
Droben aber auf der Zinne
5450
Jene Göttin mit behenden
Breiten Flügeln, zum Gewinne
Allerseits sich hinzuwenden.
Rings umgibt sie Glanz und Glorie
Leuchtend fern nach allen Seiten;
5455
Und sie nennet sich Victorie,
Göttin aller Tätigkeiten.
ZOILO-THERSITES.
Hu! Hu! da komm ich eben recht,
Ich schelt euch allzusammen schlecht!
Doch was ich mir zum Ziel ersah
5460
Ist oben Frau Victoria,
Mit ihrem weißen Flügelpaar,
Sie dünkt sich wohl sie sei ein Aar,
Und wo sie sich nur hingewandt
Gehör’ ihr alles Volk und Land;
5465
Doch, wo was Rühmliches gelingt
Es mich sogleich in Harnisch bringt.
Das Tiefe hoch, das Hohe tief,
Das Schiefe grad, das Grade schief,
Das ganz allein macht mich gesund,
5470
So will ich’s auf dem Erdenrund.
HEROLD. So treffe dich, du Lumpenhund,
Des frommen Stabes Meisterstreich,
Da krümm und winde dich sogleich! –
Wie sich die Doppelzwerggestalt
5475
So schnell zum eklen Klumpen ballt! –
– Doch Wunder! – Klumpen wird zum Ei,
Das bläht sich auf und platzt entzwei.
Nun fällt ein Zwillingspaar heraus,
Die Otter und die Fledermaus;
5480
Die eine fort im Staube kriecht,
Die andre schwarz zur Decke fliegt.
Sie eilen draußen zum Verein;
Da möcht ich nicht der Dritte sein.
GEMURMEL. Frisch! dahinten tanzt man schon –
5485
Nein! Ich wollt’ ich wär davon –
Fühlst du, wie uns das umflicht,
Das gespenstische Gezücht? –
Saust es mir doch übers Haar –
Ward ich’s doch am Fuß gewahr –
5490
Keiner ist von uns verletzt –
Alle doch in Furcht gesetzt –
Ganz verdorben ist der Spaß –
Und die Bestien wollten das.
HEROLD. Seit mir sind bei Maskeraden
5495
Heroldspflichten aufgeladen,
Wach ich ernstlich an der Pforte,
Dass euch hier am lustigen Orte
Nichts Verderbliches erschleiche,
Weder wanke, weder weiche.
5500
Doch ich fürchte durch die Fenster
Ziehen luftige Gespenster,
Und von Spuk und Zaubereien
Wüsst ich euch nicht zu befreien.
Machte sich der Zwerg verdächtig,
5505
Nun! dort hinten strömt es mächtig.
Die Bedeutung der Gestalten
Möcht ich amtsgemäß entfalten.
Aber was nicht zu begreifen
Wüsst ich auch nicht zu erklären,
5510
Helfet alle mich belehren! –
Seht ihr’s durch die Menge schweifen? –
Vierbespannt ein prächtiger Wagen
Wird durch alles durchgetragen;
Doch er teilet nicht die Menge,
5515
Nirgend seh ich ein Gedränge.
Farbig glitzert’s in der Ferne,
Irrend leuchten bunte Sterne,
Wie von magischer Laterne,
Schnaubt heran mit Sturmgewalt.
Platz gemacht! Mich schaudert’s!
5520
KNABE (Wagenlenker). Halt!
Rosse hemmet eure Flügel,
Fühlet den gewohnten Zügel,
Meistert euch wie ich euch meistre,
Rauschet hin wenn ich begeistre –
5525
Diese Räume lasst uns ehren!
Schaut umher wie sie sich mehren
Die Bewundrer, Kreis um Kreise.
Herold auf! nach deiner Weise,
Ehe wir von euch entfliehen,
5530
Uns zu schildern uns zu nennen;
Denn wir sind Allegorien
Und so solltest du uns kennen.
HEROLD. Wüsste nicht dich zu benennen,
Eher könnt ich dich beschreiben.
KNABE LENKER. So probier’s!
5535
HEROLD. Man muss gestehn:
Erstlich bist du jung und schön.
Halbwüchsiger Knabe bist du; doch die Frauen
Sie möchten dich ganz ausgewachsen schauen.
Du scheinest mir ein künftiger Sponsierer,
5540
Recht so von Haus aus ein Verführer.
KNABE LENKER. Das lässt sich hören! fahre fort,
Erfinde dir des Rätsels heitres Wort.
HEROLD. Der Augen schwarzer Blitz, die Nacht der Locken
Erheitert von juwelnem Band!
5545
Und welch ein zierliches Gewand
Fließt dir von Schultern zu den Socken,
Mit Purpursaum und Glitzertand!
Man könnte dich ein Mädchen schelten,
Doch würdest du, zu Wohl und Weh,
5550
Auch jetzo schon bei Mädchen gelten,
Sie lehrten dich das A.B.C.
KNABE LENKER. Und dieser der als Prachtgebilde
Hier auf dem Wagenthrone prangt?
HEROLD. Er scheint ein König reich und milde,
5555
Wohl dem der seine Gunst erlangt!
Er hat nichts weiter zu erstreben,
Wo’s irgend fehlte späht sein Blick,
Und seine reine Lust zu geben
Ist größer als Besitz und Glück.
5560
KNABE LENKER. Hiebei darfst du nicht stehen bleiben,
Du musst ihn recht genau beschreiben.
HEROLD. Das Würdige beschreibt sich nicht.
Doch das gesunde Mondgesicht,
Ein voller Mund, erblühte Wangen,
5565
Die unterm Schmuck des Turbans prangen.
Im Faltenkleid ein reich Behagen!
Was soll ich von dem Anstand sagen?
Als Herrscher scheint er mir bekannt.
KNABE LENKER. Plutus, des Reichtums Gott genannt,
5570
Derselbe kommt in Prunk daher
Der hohe Kaiser wünscht ihn sehr.
HEROLD. Sag von dir selber auch das Was und Wie?
KNABE LENKER. Bin die Verschwendung, bin die Poesie;
Bin der Poet, der sich vollendet
5575
Wenn er sein eigenst Gut verschwendet.
Auch ich bin unermesslich reich
Und schätze mich dem Plutus gleich,
Beleb und schmück ihm Tanz und Schmaus,
Das was ihm fehlt das teil ich aus.
5580
HEROLD. Das Prahlen steht dir gar zu schön,
Doch lass uns deine Künste sehn.
KNABE LENKER.
Hier seht mich nur ein Schnippchen schlagen,
Schon glänzt’s und glitzert’s um den Wagen.
Da springt eine Perlenschnur hervor,
(immerfort umherschnippend)
5585
Nehmt goldne Spange für Hals und Ohr;
Auch Kamm und Krönchen ohne Fehl,
In Ringen köstlichstes Juwel;
Auch Flämmchen spend ich dann und wann,
Erwartend wo es zünden kann.
HEROLD.
5590
Wie greift und hascht die liebe Menge!
Fast kommt der Geber ins Gedränge.
Kleinode schnippt er wie ein Traum
Und alles hascht im weiten Raum.
Doch da erleb ich neue Pfiffe,
5595
Was einer noch so emsig griffe
Des hat er wirklich schlechten Lohn,
Die Gabe flattert ihm davon.
Es löst sich auf das Perlenband,
Ihm krabbeln Käfer in der Hand,
5600
Er wirft sie weg der arme Tropf,
Und sie umsummen ihm den Kopf.
Die andern statt solider Dinge
Erhaschen frevle Schmetterlinge.
Wie doch der Schelm so viel verheißt,
5605
Und nur verleiht was golden gleißt!
KNABE LENKER.
Zwar Masken, merk ich, weißt du zu verkünden,
Allein der Schale Wesen zu ergründen
Sind Herolds Hofgeschäfte nicht;
Das fordert schärferes Gesicht.
5610
Doch hüt ich mich vor jeder Fehde;
An dich, Gebieter, wend ich Frag und Rede.
(Zu Plutus gewendet.)
Hast du mir nicht die Windesbraut
Des Viergespannes anvertraut?
Lenk ich nicht glücklich wie du leitest?
5615
Bin ich nicht da wohin du deutest?
Und wusst ich nicht auf kühnen Schwingen
Für dich die Palme zu erringen?
Wie oft ich auch für dich gefochten,
Mir ist es jederzeit geglückt:
5620
Wenn Lorbeer deine Stirne schmückt,
Hab ich ihn nicht mit Sinn und Hand geflochten?
PLUTUS. Wenn’s nötig ist dass ich dir Zeugnis leiste,
So sag ich gern: Bist Geist von meinem Geiste.
Du handelst stets nach meinem Sinn,
5625
Bist reicher als ich selber bin.
Ich schätze, deinen Dienst zu lohnen,
Den grünen Zweig vor allen meinen Kronen.
Ein wahres Wort verkünd ich allen:
Mein lieber Sohn an dir hab ich Gefallen.
KNABE LENKER (zur Menge).
5630
Die größten Gaben meiner Hand
Seht! hab ich rings umher gesandt.
Auf dem und jenem Kopfe glüht
Ein Flämmchen das ich angesprüht,
Von einem zu dem andern hüpft’s,
5635
An diesem hält sich’s, dem entschlüpft’s,
Gar selten aber flammt’s empor,
Und leuchtet rasch in kurzem Flor;
Doch vielen, eh man’s noch erkannt,
Verlischt es, traurig ausgebrannt.
WEIBERGEKLATSCH.
5640
Da droben auf dem Viergespann
Das ist gewiss ein Scharlatan;
Gekauzt da hintendrauf Hanswurst,
Doch abgezehrt von Hunger und Durst,
Wie man ihn niemals noch erblickt;
5645
Er fühlt wohl nicht wenn man ihn zwickt.
DER ABGEMAGERTE.
Vom Leibe mir ekles Weibsgeschlecht!
Ich weiß dir komm ich niemals recht. –
Wie noch die Frau den Herd versah,
Da hieß ich Avaritia;
5650
Da stand es gut um unser Haus:
Nur viel herein, und nichts hinaus!
Ich eiferte für Kist und Schrein;
Das sollte wohl gar ein Laster sein.
Doch als in allerneusten Jahren
5655
Das Weib nicht mehr gewohnt zu sparen,
Und, wie ein jeder böser Zahler,
Weit mehr Begierden hat als Taler,
Da bleibt dem Manne viel zu dulden,
Wo er nur hinsieht da sind Schulden.
5660
Sie wendet’s, kann sie was erspulen,
An ihren Leib, an ihren Buhlen;
Auch speist sie besser, trinkt noch mehr
Mit der Sponsierer leidigem Heer;
Das steigert mir des Goldes Reiz:
5665
Bin männlichen Geschlechts, der Geiz!
HAUPTWEIB.
Mit Drachen mag der Drache geizen,
Ist’s doch am Ende Lug und Trug!
Er kommt die Männer aufzureizen,
Sie sind schon unbequem genug.
WEIBER IN MASSE.
5670
Der Strohmann! Reich ihm eine Schlappe!
Was will das Marterholz uns dräun?
Wir sollen seine Fratze scheun!
Die Drachen sind von Holz und Pappe,
Frisch an und dringt auf ihn hinein!
5675
HEROLD. Bei meinem Stabe! Ruh gehalten! –
Doch braucht es meiner Hülfe kaum,
Seht wie die grimmen Ungestalten
Bewegt im rasch gewonnenen Raum
Das Doppel-Flügelpaar entfalten.
5680
Entrüstet schütteln sich der Drachen
Umschuppte, feuerspeiende Rachen;
Die Menge flieht, rein ist der Platz.
(Plutus steigt vom Wagen.)
Er tritt herab, wie königlich!
Er winkt, die Drachen rühren sich,
5685
Die Kiste haben sie vom Wagen
Mit Gold und Geiz herangetragen,
Sie steht zu seinen Füßen da:
Ein Wunder ist es wie’s geschah.
PLUTUS (zum Lenker).
Nun bist du los der allzu lästigen Schwere,
5690
Bist frei und frank, nun frisch zu deiner Sphäre!
Hier ist sie nicht! Verworren, scheckig, wild
Umdrängt uns hier ein fratzenhaft Gebild.
Nur wo du klar ins holde Klare schaust,
Dir angehörst und dir allein vertraust,
5695
Dorthin wo Schönes, Gutes nur gefällt,
Zur Einsamkeit! – Da schaffe deine Welt.
KNABE LENKER.
So acht ich mich als werten Abgesandten,
So lieb ich dich als nächsten Anverwandten.
Wo du verweilst ist Fülle, wo ich bin
5700
Fühlt jeder sich im herrlichsten Gewinn;
Auch schwankt er oft im widersinnigen Leben:
Soll er sich dir? soll er sich mir ergeben?
Die Deinen freilich können müßig ruhn,
Doch wer mir folgt hat immer was zu tun.
5705
Nicht insgeheim vollführ ich meine Taten
Ich atme nur und schon bin ich verraten.
So lebe wohl! Du gönnst mir ja mein Glück,
Doch lisple leis und gleich bin ich zurück.
(Ab wie er kam.)
PLUTUS. Nun ist es Zeit die Schätze zu entfesseln!
5710
Die Schlösser treff ich mit des Herolds Rute.
Es tut sich auf! schaut her! in eh’rnen Kesseln
Entwickelt sich’s und wallt von goldnem Blute,
Zunächst der Schmuck von Kronen, Ketten, Ringen;
Es schwillt und droht ihn schmelzend zu verschlingen.
WECHSELGESCHREI DER MENGE.
5715
Seht hier, o hin! wie’s reichlich quillt,
Die Kiste bis zum Rande füllt. –
Gefäße goldne schmelzen sich,
Gemünzte Rollen wälzen sich. –
Dukaten hüpfen wie geprägt,
5720
O wie mir das den Busen regt –
Wie schau ich alle mein Begehr!
Da kollern sie am Boden her. –
Man bietet’s euch, benutzt’s nur gleich
Und bückt euch nur und werdet reich. –
5725
Wir andern, rüstig wie der Blitz,
Wir nehmen den Koffer in Besitz.
HEROLD. Was soll’s, ihr Toren? soll mir das?
Es ist ja nur ein Maskenspaß.
Heut Abend wird nicht mehr begehrt;
5730
Glaubt ihr man geb euch Gold und Wert?
Sind doch für euch in diesem Spiel
Selbst Rechenpfennige zu viel.
Ihr Täppischen! ein artiger Schein
Soll gleich die plumpe Wahrheit sein.
5735
Was soll euch Wahrheit? – Dumpfen Wahn
Packt ihr an allen Zipfeln an. –