Stein und Amboss
Based on
Star Trek
created by Gene Roddenberry
Ins Deutsche übertragen von
Helga Parmiter
Die deutsche Ausgabe von STAR TREK – NEW FRONTIER: STEIN UND AMBOSS wird herausgegeben von Amigo Grafik, Teinacher Straße 72, 71634 Ludwigsburg. Herausgeber: Andreas Mergenthaler und Hardy Hellstern, Übersetzung: Helga Parmiter; verantwortlicher Redakteur und Lektorat: Markus Rohde; Lektorat: Katrin Aust und Gisela Schell; Satz: Rowan Rüster/Amigo Grafik; Cover Artwork: Martin Frei; Print-Ausgabe gedruckt von CPI Morvia Books s.r.o., CZ-69123 Pohorelice. Printed in the Czech Republic.
Titel der Originalausgabe: STAR TREK – NEW FRONTIER: STONE AND ANVIL
German translation copyright © 2015 by Amigo Grafik GbR.
Original English language edition copyright © 2003 by CBS Studios Inc. All rights reserved.
™ & © 2015 CBS Studios Inc. STAR TREK and related marks and logos are trademarks of CBS Studios Inc. All Rights Reserved.
This book is published by arrangement with Pocket Books, a Division of Simon & Schuster, Inc., pursuant to an exclusive license from CBS Studios Inc.
Print ISBN 978-3-86425-777-3 (Mai 2015) · E-Book ISBN 978-3-86425-728-5 (Mai 2015)
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Für die tapfere Besatzung und die Passagiere
der Kobayashi Maru … dumm gelaufen für euch.
KAPITEL 1
KAPITEL 2
KAPITEL 3
KAPITEL 4
KAPITEL 5
KAPITEL 6
KAPITEL 7
KAPITEL 8
KAPITEL 9
KAPITEL 10
KAPITEL 11
KAPITEL 12
KAPITEL 13
KAPITEL 14
KAPITEL 15
KAPITEL 16
KAPITEL 17
KAPITEL 18
KAPITEL 19
KAPITEL 20
KAPITEL 21
ROMANE BEI CROSS CULT
Shelby schüttelte ungläubig den Kopf, während sie und Calhoun durch den Korridor gingen, der zum Turbolift führte.
»Also ist McHenry weg?«
»Das stimmt«, bestätigte Calhoun.
»Und Soleta ist wieder auf dem Schiff.«
»Und sehr verwirrt und, wie ich annehme, beschämt«, erklärte Calhoun. »Die Wirkung der Ambrosia lässt bei den Danteri ebenfalls nach. Sie bitten bereits Si Cwan, zurückzukommen und noch einmal zu versuchen, ein neues Thallonianisches Imperium aufzubauen.«
»Lass mich raten«, sagte Shelby. »Er ist daran nicht interessiert.«
»Nein. Mit den Danteri zu arbeiten, war schon vor dem Auftauchen der Wesen kein Vergnügen. Si Cwan will nichts mehr mit ihnen zu tun haben. Ich glaube nicht, dass er die Idee, ein neues Thallonianisches Imperium aufzubauen, aufgegeben hat, aber er denkt nicht, dass er sich dabei auf die Danteri verlassen kann.«
»Die Tholianer sind immer noch ein Problem«, erinnerte ihn Shelby. »Zum Glück ist Botschafter Spock bei uns. Die Tholianer sind auf dem Weg hierher, aber wir glauben, dass der Botschafter mögliche Komplikationen verhindern wird. Vor allem, wenn er ihnen erklärt, dass Ambrosia jeden, der sie zu sich nimmt, extrem friedfertig macht. Das dürfte die Tholianer nicht gerade erfreuen.« Sie blieb kurz vor dem Turbolift stehen, drehte sich zu Calhoun um und sagte: »Es macht mich sehr stolz, wie du mit allem umgegangen bist. Wirklich.«
»Danke. Aus deinem Mund bedeutet mir das sehr viel. Und ich liebe dich.«
Sie lachte leise. »Das sagst du nicht sehr oft. Ich liebe dich auch.«
»Glaubst du, man würde mich … in der nächsten halben Stunde oder so auf der Excalibur vermissen?«
»Und wenn, dann hoffe ich, dass sie den Grund dafür erkennen und genügend Taktgefühl besitzen, um das nicht zu erwähnen.«
»Deine Kabine?«
»Und ob.«
Sie gingen zum Turbolift. Die Tür öffnete sich. Shelby sprang zurück und hätte beinahe geschrien.
Die zerfetzte Leiche von Lieutenant Commander Gleau fiel aus dem Turbolift und starrte sie aus leblosen Augen an.
»Das wird wohl länger als eine halbe Stunde dauern«, sagte Calhoun.
Shelby bemerkte Calhouns beiläufigen Tonfall nicht einmal. Sie starrte mit weit aufgerissenen Augen auf die Leiche, die aus dem Lift gekippt war.
Gleau war immer einer der Bestaussehenden der Besatzung gewesen. Das hatte nicht nur etwas mit dem selelvianischen Charme, genannt »das Talent«, zu tun gehabt, den er so mühelos mit teilweise umstrittenen Ergebnissen versprüht hatte. Für irdische Maßstäbe war er einfach unglaublich gut aussehend gewesen. Das war nicht länger der Fall. Die Vorderseite seines Körpers war vollkommen zerfetzt. Das Blut machte es fast unmöglich, zwischen Haut- und Uniformresten zu unterscheiden. Der obere Teil seines Gesichts hing zur Hälfte vom Schädel herab.
Mit übermenschlicher Anstrengung schaffte Shelby es, sich zusammenzureißen. Als sie unerwartet einen leichten Druck auf ihrer rechten Schulter spürte, zuckte sie zusammen. Es war nur Calhouns Hand. Er sagte hinter ihr: »Bist du okay?«
Ein Teil ihres Geistes konnte es kaum glauben. Er klang so ruhig. Gab es denn gar nichts, was diesen Mann aus der Ruhe bringen konnte?
Doch sie schwieg. Sie wollte verflucht sein, wenn sie Calhoun merken ließ, wie sehr diese plötzliche Entdeckung sie aus der Bahn geworfen hatte. Sie nickte mühsam, tippte dann auf ihren Kommunikator und sagte: »Krankenstation. Hier ist der Captain.«
»Villers hier, Captain«, erklang die ständig gereizte, nüchterne Stimme des leitenden medizinischen Offiziers. Villers wirkte immer, als hätte man sie gerade bei etwas Wichtigem gestört.
Shelby war das egal. Ohne Einzelheiten zu nennen, orderte sie knapp: »Ein vollständiges medizinisches Team auf Deck sieben, vorderer Abschnitt neun, Turbolift. Gleau ist offenbar tot.«
Prompt klang Villers vollkommen geschäftsmäßig. »Unterwegs«, erwiderte sie.
»Beeilen Sie sich«, bat Shelby.
»Alles in allem glaube ich nicht, dass es einen großen Unterschied macht, ob der Doktor sich beeilt«, merkte Calhoun an.
Shelby schloss die Augen und zählte bis zehn, wie ihre Mutter es ihr immer geraten hatte. »Das liebe ich an dir, Mac«, seufzte sie. »Egal, was los ist, du bist nie um einen Spruch verlegen.«
M’k’n’zy von Calhoun wusste nicht, was er sagen sollte.
M’k’n’zy war ein Kriegsherr von neunzehn Sommern und hatte gerade eine Unterredung mit einem Vertreter der Danteri mit angesehen, die wahrscheinlich die Freiheit für sein Volk bedeuten würde.
Der Xenexianer wusste nicht, was er davon halten oder wie er sich fühlen sollte. Solange er denken konnte – und manchmal auch in Situationen, die er lieber vergessen hätte –, hatte M’k’n’zy sein Volk in einem blutigen und brutalen Bürgerkrieg angeführt. Jetzt schien es, als habe dieser ein Ende gefunden. Bragonier vom königlichen Haus der Danteri war gerade kurzerhand abgewiesen und mit sprichwörtlich eingekniffenem Schwanz zu den Danteri zurückgeschickt worden. Er würde mit einer Botschaft zu ihnen zurückkehren, die sie zwar bestimmt nicht hören wollten, die sie aber wohl oder übel akzeptieren mussten: Xenex würde keine weiteren Versuche dulden, von ihnen regiert zu werden. Die Herrschaft der Danteri über Xenex lag in ihren letzten Zügen.
Genau wie M’k’n’zys Bestimmung.
In seinem Herzen wusste er, dass er sich nicht so fühlen sollte. Seine eigenen Befürchtungen, Bedürfnisse und Begierden waren neben denen seines Volkes zweitrangig. Er hatte das immer gewusst und sich damit unglaublich wohl gefühlt.
Doch wenn die Xenexianer nicht länger Krieg führten …
… wozu brauchte man dann einen Kriegsherrn?
Diesen Gedanken hatte er immer im Hinterkopf gehabt. Er war stets hin- und hergerissen gewesen: Er hatte für den Frieden gekämpft, insgeheim aber Angst davor gehabt, was mit ihm geschehen würde, wenn dieser Frieden eintreten würde. Diese Angst hatte ihn nie davon abgehalten, alles daranzusetzen, das Ziel zu erringen. Jetzt aber, da es in greifbare Nähe gerückt war, beherrschte sie seine Gedanken und ließ sich nicht mehr verdrängen.
Zum Teil war der Gedanke durch die sanft bohrenden Fragen des Mannes mit dem schütteren Haar, der vor ihm stand, hervorgerufen worden. Er hatte diesen merkwürdigen Namen, den man kaum aussprechen konnte »Jean-Luc Picard«. M’k’n’zy kam mit »Jean-Luc« überhaupt nicht zurecht. Von der Kombination aus Vokalen und Konsonanten bekam er einen Knoten in die Zunge, und er stieß immer mit der Zunge an seinen Zähnen an. Den Nachnamen sprach er phonetisch »PII-kahd« aus. Mehr erlaubte ihm sein normales Sprachmuster nicht.
Dieser PII-kahd kam von etwas, das sich »Sternenflotte« nannte. Soweit M’k’n’zy das verstand, war das der militärische Arm von etwas, das sich »Vereinigte Föderation der Planeten« nannte.
M’k’n’zy hatte Geschichten über die Föderation gehört, als er noch klein gewesen war. Bei seinem verstorbenen Vater hatte es immer geklungen, als sei sie sehr wichtig. Die verschiedensten Planeten schlossen sich zum Gemeinwohl zusammen und suchten nach neuem Leben und neuen Zivilisationen. M’k’n’zy seinerseits hatte sich nie viel aus Planeten gemacht. Wenn man sich mit so bodenständigen Sorgen wie er herumschlagen musste, erschienen derartige Erwägungen viel zu abgehoben. Trotzdem musste er zugeben, dass der Name der Organisation sehr mächtig und wichtig klang. Solche Namen ließen Gegner aufhorchen, denn sie hatten es mit einer ernst zu nehmenden Macht zu tun.
PII-kahd war aufgetaucht und hatte behauptet, der Captain eines Schiffes namens Stargazer zu sein. M’k’n’zy beeindruckte dieser Name nicht. Wenn man die Geschichten über die Föderation glauben konnte, waren ihre Raumschiffe vollgepackt mit beeindruckenden Waffen. Der Begriff »Stargazer« – Sterngucker – war ein viel zu sanftes Wort für solch ein Schiff. Es klang, als hinge das Schiff nur irgendwo im All und starre die ganze Zeit Sterne an. Killcruiser– Tötungskreuzer. Das wäre ein Schiffsname gewesen. Annihilator – Vernichter – wäre auch noch akzeptabel.
Immerhin, PII-kahd war zwar der Kommandant eines unpassend benannten Schiffs, seine Botschaft war allerdings von durchschlagender Wirkung. Er sprach mit dem Repräsentanten der Danteri über eine »Verständigung«, davon, einen »Kompromiss zu schließen«, damit »das Blutvergießen ein Ende hat«.
M’k’n’zy wollte davon allerdings nichts wissen. Er wusste, es würde keinen Kompromiss mit den Danteri geben. Er konnte es bereits vor sich sehen: Wenn die Danteri etwas zurückgaben, würden die Xenexianer auch etwas zurückgeben müssen. Strategischer Rückzug, oder die Aufsicht über die Xenexianer, wenn sie ihre eigene Regierung bildeten. Versprechen, die im Laufe der Zeit, wenn PII-kahd und seine Begleiter fort waren und sich anderen Dingen zugewandt hatten, zurechtgebogen oder gebrochen werden würden.
Wenn man es mit den Danteri zu tun hatte, gab es nur eine Option. Sie mussten Xenex verlassen und durften niemals wiederkommen. Punktum, Ende der Diskussion. Als Bragonier abblockte, wollte M’k’n’zy nichts mehr hören. Als Bragonier erklärte, man könne ihn nicht so einfach abweisen, wies M’k’n’zy ihn ab. M’k’n’zy zu sagen, dass er etwas nicht tun könne, war dasselbe, als sage man jemand anderem, er könne etwas tun.
PII-kahd hatte ihn gescholten. M’k’n’zy hatte das erwartet und ignorierte es. Der Mann der Föderation war ein Außenstehender. Er hatte nicht mit ansehen müssen, wie sein Vater von den Unterdrückern brutal zu Tode geprügelt wurde. Seine Jugend war nicht von Schmerzen, Blut und Brutalität geprägt gewesen. Er hatte nicht Jahr für Jahr gehasst. Wie konnte er auch? In der Föderation ging es schließlich um Miteinander und Verständnis. Zumindest erzählte man sich das. Wie konnte jemand, der aus so einer Umgebung kam, M’k’n’zy auch nur ansatzweise verstehen?
Das konnte er nicht.
Und doch … die Dinge, die PII-kahd nach Bragoniers beleidigtem Abgang zu ihm sagte, ließen M’k’n’zy glauben, dass PII-kahd auf seiner Seite stand. Dass er die arroganten Danteri zu der Erkenntnis zwingen würde, ihre Herrschaft über Xenex sei beendet. Sie gaben M’k’n’zy den ersten Hoffnungsschimmer seit … nun, den ersten überhaupt, um ehrlich zu sein. Gleichzeitig wurden die Flammen der Unsicherheit, was seine eigene Zukunft anging, immer weiter angefacht. Gab es für ihn einen Platz auf einem friedlichen Xenex?
M’k’n’zys Verwirrung über seine Zukunft wurde ihm deutlich vor Augen geführt, als PII-kahd ihn direkt fragte, was langfristig mit ihm geschehen würde. »Vielleicht werde ich weiterhin mein Volk hier anführen«, hatte M’k’n’zy geantwortet.
»Vielleicht«, hatte der Föderationsmann gesagt. Es klang ziemlich wohlwollend, aber in der Art, wie er den jungen Xenexianer ansah, lag ein gewisser Unglaube, wenn nicht sogar Neugier. »Würde Sie das erfüllen?«
Nach dieser Frage befand M’k’n’zy sich in der seltenen Lage, keine Ahnung zu haben, was er darauf erwidern sollte. »Ich …« Er zögerte. Es schien eine so einfache Frage zu sein. Warum wusste er keine Antwort darauf? »Ich … weiß es nicht«, gab er zu. Er klang verwirrt und hasste sich dafür.
»Nun«, sagte PII-kahd, »wenn Sie es herausfinden … lassen Sie es mich wissen.«
Diese Antwort ließ sofort alle Alarmglocken bei M’k’n’zy losschrillen. Was hatte dieser Mann mit ihm vor? Er schien M’k’n’zy nicht der Typ zu sein, der grundlos irgendwelche Kommentare abgab. Außerdem taten die meisten Leute, denen M’k’n’zy bisher begegnet war, nichts aus reiner Freundlichkeit, sondern nur aus Eigennutz. Er konnte sich allerdings nicht vorstellen, welcher Eigennutz PII-kahd antreiben mochte. »Warum sind Sie so an mir interessiert?«, wollte er wissen.
PII-kahd zuckte mit den Schultern. »Eine Ahnung«, sagte er. »Sonst nichts. Doch Captains lernen, auf ihre Ahnungen zu vertrauen. So werden sie ein guter Captain.«
»Ich verstehe«, grübelte M’k’n’zy. »Also, wenn ich … eine Ahnung hätte, dass Sie für meine Zukunft wichtig sein könnten … dann wäre das vielleicht schon ein Zeichen für etwas Bedeutendes.«
»Möglicherweise«, stimmte PII-kahd zu.
Der Captain konnte unmöglich wissen, was in M’k’n’zys Kopf vor sich ging. Er konnte nicht wissen, dass M’k’n’zy vor langer Zeit eine Nahtoderfahrung in der Wüste gehabt hatte – nicht, dass M’k’n’zy freiwillig zugegeben hätte, dass der Danteri-Abschaum ihm Wunden zufügen konnte, die ihn töten würden. Damals hatte er immer wieder das Bewusstsein verloren und währenddessen Visionen gehabt. Visionen, in denen ein Mann ihn anbrüllte, ihm sagte, er sein ein »Offizier der Sternenflotte«, dass er seiner Bestimmung folgen müsse und dass er dieses Schicksal nicht einfach wegwerfen dürfe, indem er so rücksichtslos war, zu sterben.
Und da war noch jemand gewesen – eine Frau. Eine blonde Frau. Eine nackte blonde Frau mit heller Haut und leuchtenden Augen. Die Art, wie sie ihn angesehen hatte, hatte sich in seine Seele eingebrannt.
Man sagte, dass in der Wüste merkwürdige Dinge geschahen. Männer hatten oft behauptet, sie hätten ein Echo aus ihrer Vergangenheit oder ihrer Zukunft gesehen. Insbesondere, wenn sie sich in verzweifelten Notlagen befanden und an der Schwelle des Todes standen. M’k’n’zy hatte diesen Behauptungen nie viel Beachtung geschenkt, aber jetzt gerade klangen sie viel überzeugender.
Er bemerkte plötzlich, dass PII-kahd auf die Tür des kleinen Zimmers zuging. Ihm wurde klar, dass er nur gedankenversunken dagestanden hatte. PII-kahd hatte bestimmt gedacht, die Unterredung sei beendet. »PII-kahd?«, sagte er vorsichtig.
PII-kahd drehte sich zu ihm um und sah ihn kühl an. »Ja?«
»Sie, ähm«, M’k’n’zy räusperte sich. »Sie haben nicht zufällig eine nackte blonde Frau mitgebracht …?«
Was immer PII-kahd erwartet hatte, das war es wohl nicht. »Wie bitte?«
M’k’n’zy zuckte mit den Schultern. Es schien sinnlos, auch nur zu versuchen, es zu erklären. Stattdessen erwiderte er nur: »Vergessen Sie es.«
PII-kahd schien nicht gewillt zu sein, das Thema so ohne Weiteres fallen zu lassen. »Wenn ich das sagen darf, das erscheint mir eine ziemlich seltsame Frage.«
»Ja, also …« M’k’n’zy sah seine Chance, es PII-kahd mit gleicher Münze heimzuzahlen, und antwortete: »Nennen Sie es eine Ahnung, wenn Sie so wollen.«
Der Captain schien ernsthaft über diese Äußerung nachzudenken. »Nun«, erklärte er schließlich, »ich sagte nicht, dass alle Ahnungen gut wären. Ein Captain muss seine Wahl treffen.«
»Ich werde das beherzigen«, versicherte M’k’n’zy.
PII-kahd ging hinaus. M’k’n’zy hatte plötzlich das Gefühl, einen furchtbaren Fehler zu machen, indem er den Mann gehen ließ. M’k’n’zy hatte sich noch nie viel daraus gemacht, über anstehende Themen gründlich nachzudenken. Er wurde von seinem Instinkt gesteuert und handelte fast immer aus dem Bauch heraus. Seine Entscheidungen waren nicht immer richtig. Aber er traf sie schnell und entschlossen, und sie waren unumstößlich.
Er wusste, dass das, was ihm durch den Kopf ging, sein ganzes Leben komplett verändern würde. Jeder andere – mit Sicherheit jeder mit gesundem Menschenverstand – hätte die Idee von verschiedenen Seiten betrachtet. Mit Sicherheit hätte niemand sofort gehandelt.
Doch M’k’n’zy war nicht wie andere. Es war gut möglich, dass er sich von allen anderen auf Xenex unterschied. Denn bei M’k’n’zy wurde aus einer Idee eine Entscheidung und diese Entscheidung zu einer Handlung.
PII-kahd stand draußen, nur wenige Meter entfernt. Vorübereilende Xenexianer warfen verstohlene Blicke in seine Richtung und fanden ihn offensichtlich sonderbar, aber niemand wagte, etwas zu ihm zu sagen. Vielleicht dachten sie, er hätte eine ansteckende Krankheit oder etwas Ähnliches. Er hatte gerade auf seine Brust getippt und sagte: »Einer zum Hochbeam…«, brach dann aber ab, als er M’k’n’zy und die Dringlichkeit auf seinem Gesicht sah. »Warten Sie noch«, fuhr er fort. »Ich melde mich gleich wieder.«
M’k’n’zy hatte keine Ahnung, mit wem PII-kahd da sprach. Vielleicht betete er seine Gottheiten an. Es schien zwar ein seltsamer Zeitpunkt fürs Beten zu sein, aber M’k’n’zy hatte eine sehr offene Einstellung zu diesen Dingen. Er war viel zu pragmatisch veranlagt, um zu glauben, dass irgendwelche geheimnisvollen Wesen zuhörten, aber er würde anderen auch nicht sagen, dass sie ihre Zeit verschwendeten.
PII-kahd beobachtete M’k’n’zy, während dieser sich langsam und vorsichtig näherte. M’k’n’zy war über sich selbst verärgert. Er fühlte sich zögerlich und unsicher, und das widerte ihn an. Hätte er so ein Zögern bei seinen Planungsstrategien verspürt oder wenn er seine Truppen in den Kampf führte, wäre Xenex noch immer von den Danteri unterjocht und stünde nicht kurz davor, dieses Joch endgültig abzuschütteln. Er zwang sich dazu, sich zu konzentrieren, richtete sich gerade auf und sah den Föderationsmann direkt an. »Wie wird das gemacht?«, wollte er wissen.
»Was denn?«
»Ein KEP-tän zu werden. Was muss man dafür tun?«
PII-kahd lächelte. »Sie meinen ein Captain? Wie ich?«
»Wie Sie?« M’k’n’zy sah ihn verblüfft an. »Darf man dafür keine Haare haben?«
Der Captain schien nicht zu wissen, ob er sich ärgern oder lachen sollte, und entschied sich dann für ein leises Lachen. »Nein. Das ist keine Grundvoraussetzung. Obwohl es wahrscheinlich irgendwann in der Zukunft Zeiten geben wird, in denen Sie sich die Haare am liebsten ausreißen würden, im übertragenen Sinne gesprochen.« Er hielt inne und musterte M’k’n’zy.
»Sind Sie sich sicher, M’k’n’zy? Sie haben nicht viel Zeit gehabt, darüber nachzudenken …«
»Das stimmt nicht«, versetzte M’k’n’zy. »Ich habe viel über meinen Platz in der Welt nachgedacht, sobald wir frei sind. Ich … Ich habe bisher nur nichts gefunden, was mir gefallen hat. Vielleicht liegt das daran, dass ich woanders hingehöre. Wenigstens würde ich das gerne ausprobieren.«
»In Ordnung«, sagte PII-kahd. »Das … kann man aber nicht über Nacht erreichen.«
»Das macht mir nichts aus«, antwortete M’k’n’zy. »Ich habe mein ganzes Leben damit zugebracht, auf Erträge hinzuarbeiten, die noch Jahre in der Zukunft liegen. Ich kann warten.« Er hielt inne und fragte dann: »Worauf genau warte ich eigentlich?«
»Nun …« PII-kahd kratzte sich nachdenklich am Kinn. »Ich nehme an, Sie können sich schon vorstellen, dass die Sternenflotte einem nicht einfach den Kopf tätschelt und sagt, dass man jetzt Captain ist.«
»Wieso nicht?«, erkundigte sich M’k’n’zy. Er war ehrlich überrascht. Obwohl er nicht viel darüber nachgedacht hatte, auf was er sich da einließ, schien es ihm dennoch ziemlich unkompliziert. Er war den größten Teil seines Lebens ein Anführer gewesen. Ein Captain zu sein, beinhaltete doch nur, andere Männer zu führen, während man eine Uniform trug.
»Für den Anfang«, erklärte ein offensichtlich erheiterter PII-kahd, »müssen Sie sich auf einem Raumschiff auskennen. Das allein ist eine gewaltige Aufgabe.«
»Gewaltig? Wieso? Wie lange kann das dauern? Einen Tag?«
»Es ist ein Raumschiff, M’k’n’zy.«
»Ja und?« M’k’n’zy zuckte mit den Schultern. »Wie groß kann das schon sein, PII-kahd?«
PII-kahd betrachtete ihn eine Weile und tippte dann wieder auf seine Brust. »Picard an Crusher.«
»Crusher hier, Captain«, ertönte die Stimme des Mannes, der vorhin neben PII-kahd gestanden hatte, als er auf Xenex angekommen war. M’k’n’zy war verblüfft. Es erschien ihm fast wie Magie.
»Jack – würden Sie bitte die Columbus zu diesen Koordinaten herunterschicken? Unbemannt. Autopilot dürfte wohl ausreichen.«
»Sie wollen nicht einfach zum Schiff hinaufbeamen, Sir?«
»Ich nehme die Touristenroute … oder, wie Sie sie nennen würden, die Aussichtsroute.«
»Bei allem Respekt, Sir, aber bei dieser Route gibt es nicht viel Aussicht.«
»Oh, Sie wären überrascht. Picard Ende.« Er lächelte M’k’n’zy zu, und in seinem Blick lag eine Herausforderung. »Würden Sie gerne einen Flug unternehmen? Wenn Sie natürlich Vorbehalte haben, versteh…«
M’k’n’zy sah ihn trotzig an. »Glauben Sie, dass ich Angst habe, PII-kahd? Ich habe vor nichts Angst. Vor gar nichts.«
»Gut. Übrigens, es heißt ›Picard‹. Kurzes ›i‹, Betonung auf der zweiten Silbe.«
Bis die Columbus eintraf, beherrschte M’k’n’zy fast die richtige Aussprache von Picards Nachnamen. Er hörte das Schiff, bevor er es sah. Das Dröhnen der Maschinen warnte ihn vor. Er sah hoch und beobachtete, wie es vom Himmel heruntersank. Andere Xenexianer waren ebenfalls stehen geblieben. Sie waren zwar kein primitives Volk und hatten fliegende Schiffe schon gesehen, aber sie waren doch kein alltäglicher Anblick. Meistens bekamen sie auch nur Truppentransporter der Danteri zu Gesicht. Also lag eine verständliche Spannung in der Luft, als die Menge sich versammelte. M’k’n’zy bemerkte, dass einige nach ihren Waffen griffen. Er beruhigte sie sofort und versicherte ihnen, dass Picard keine Bedrohung für sie war.
Das Schiff landete, und eine Tür in seiner Seite öffnete sich. Picard trat ein und bedeutete M’k’n’zy, hereinzukommen. Der Xenexianer folgte ihm vorsichtig. Im Inneren des Schiffs sah er sich um. Picard nahm an der Steuerkonsole Platz und warf M’k’n’zy einen Blick zu. »Setzen Sie sich«, sagte er.
M’k’n’zy leistete dem Folge, und plötzlich drehte sich ihm der Magen um, als das Schiff abhob. Picard warf ihm einen Blick zu. »Waren Sie schon mal in der Luft?« M’k’n’zy schüttelte den Kopf etwas verzweifelter, als ihm lieb war. Ein dünnes Lächeln umspielte Picards Lippen. »Das kann für Unerfahrene sehr verwirrend sein.«
»Mir geht es gut«, beteuerte M’k’n’zy sofort.
»Ich werde auf Sie Rücksicht nehmen. Ich werde die Seitenrollen auf ein Minimum beschränken.«
»Fliegen Sie, wie Sie möchten. Ich komme schon klar.«
»Wissen Sie … ich vermute, das würden Sie sogar.«
Das Schiff flog gen Himmel. Unauffällig klammerte M’k’n’zy sich an der Unterseite seines Sitzes fest. Grozit, worauf habe ich mich da nur eingelassen?, stöhnte M’k’n’zy lautlos auf. Nach ein oder zwei Minuten ließen seine anfänglichen, wenn auch unausgesprochenen Ängste allmählich nach. Er begann, sich zu entspannen, und stellte fest, dass ihm die Stille, die nur vom leisen Summen der Maschinen unterbrochen wurde, gefiel.
Von seinem Sitz aus konnte er sich im Inneren des Schiffs umsehen. Da waren Lichter und Schalttafeln und alle möglichen Dinge, die er nicht verstand. Doch er wusste, dass er eine schnelle Auffassungsgabe hatte. Er war sicher, dass er das alles schon bald lernen würde.
Dann sah er aus dem vorderen Fenster. Die Sterne waren jetzt so viel näher, und er starrte erstaunt und ehrfürchtig hinaus.
»Beeindruckend, nicht wahr?«, fragte Picard, als könne er die Gedanken des Jungen lesen.
»Sie funkeln gar nicht. Warum funkeln sie nicht?«
»Weil Sie sie nicht durch eine Atmosphäre hindurch sehen. Es gibt keine Lichtbrechung.«
»Oh«, sagte M’k’n’zy, als hätte er das verstanden. Er machte eine Pause und fuhr dann fort: »Als Kind hörte ich Geschichten, dass der Nachthimmel ein fester Gegenstand sei – ein Schutzschirm, der zwischen uns und den großen, furchtbaren Göttern liegt. Und dass sich ihm niemand nähern darf, weil sonst ein Loch in den Himmel gerissen wird und die großen, furchtbaren Götter hindurchkommen, um uns ins Chaos zu stürzen.«
»Sie werden hier oben weder einen Schutzschirm noch angsteinflößende Götter finden, M’k’n’zy. Obwohl es schon das ein oder andere Loch gibt, aber das können Sie später lernen.«
»Lernen? Wie? Wo?«
»Es gibt eine Akademie, eine Schule auf dem Planeten, auf dem ich geboren wurde. Die besten, intelligentesten und talentiertesten jungen Menschen gehen dorthin, um zu lernen, sich zu entwickeln und am Ende, wenn sie das Zeug dazu haben, Sternenflottenoffizier zu werden.«
»Leiten Sie sie?«
»Nein, nein.« Picard lächelte. »Ich kann mir nicht vorstellen, eine Schule für talentierte junge Menschen zu führen. Ich bin nicht sicher, ob ich die Geduld dafür hätte. Aber sie wird von ausgezeichneten Leuten geführt. Man nennt sie die Akademie der Sternenflotte.«
»Wie lange müsste ich dort hingehen?«
»Vier Jahre.«
»Vier Jahre?«
»Falls es Sie tröstet, es handelt sich um Erdenjahre. Ich glaube, die sind ein paar Tage kürzer als xenexianische Jahre. Ach, kommen Sie, M’k’n’zy. Sie haben gesagt, Sie denken langfristig.«
»Ja, aber …« Er schüttelte den Kopf. »Das erscheint mir eine ziemliche Zeitverschwendung. Vier Jahre, um etwas über ein Schiff wie dieses zu lernen? Ich meine, stimmt schon, wir haben so etwas nicht auf Xenex, aber …«
»Ein Schiff wie dieses?« Picard lachte.
M’k’n’zy reagierte gereizt auf diese Reaktion. »Was ist so lustig?«, verlangte er zu wissen.
»Das ist nicht Ihr Fehler, M’k’n’zy, sondern meiner. Offenbar habe ich es Ihnen nicht deutlich gemacht. Dieses Schiff wird Shuttle genannt. Es bringt uns zum eigentlichen Schiff … das, wie Sie auf dem Bildschirm sehen können, direkt vor uns im Orbit um Ihre Welt ist.«
M’k’n’zy starrte auf das Schiff, während sie sich näherten. »Also das scheint nicht …«
Sie flogen noch näher heran.
»… besonders …« Er brach ab, weil ihm plötzlich die Worte fehlten.
Je näher sie heranflogen, desto riesiger wurde es. Das Blut wich aus M’k’n’zys Gesicht. »Grozit«, stieß er leise hervor. »Das ist … gigantisch! Sie … Sie haben mir nicht gesagt, dass es so … riesig ist!«
»Nun, ich prahle nicht gerne«, erwiderte Picard.
Als sie sich auf etwa hundert Kilometer genähert hatten, füllte das Schiff den gesamten Bildschirm aus. Langsam flog Picard das Shuttle um die Stargazer herum und zeigte M’k’n’zy verschiedene Abschnitte des Schiffs wie den Antrieb, die Brücke und andere sehenswerte Dinge. M’k’n’zy konnte es nur zum Teil erfassen. Er versuchte eifrig, alles zu verstehen, was er sah, aber es gelang ihm nur teilweise. »Kann ich hineingehen?«
»Nein«, sagte Picard nachdrücklich.
»Wieso nicht?«
»Weil ich, um ehrlich zu sein, nicht davon überzeugt bin, dass Sie dafür bereit sind, M’k’n’zy. Ich mache mir Sorgen, dass alles viel zu überwältigend für Sie sein könnte und Sie davon abhalten würde, Ihre Studien an der Akademie voranzutreiben. Das wäre bedauernswert. Ich glaube, dass Sie sehr viel zu bieten haben.«
»Um über so eins zu herrschen?«
»Wir bevorzugen den Begriff ›befehligen‹, obwohl der Monarchist in mir Ihre Beschreibung durchaus unterhaltsam findet«, gab Picard zu.
M’k’n’zy wollte mit ihm darüber diskutieren, entschied sich aber dagegen. Er spürte, dass dieser Mann, dieser Picard, große Weisheit besaß. Und wenn er sagte, er habe das Gefühl, es wäre nicht zweckdienlich, ihn jetzt an Bord zu lassen, dann würde er sich daran halten.
»Können wir noch einmal drum herumfliegen?«, bat er.
»Wieso nicht?«, entgegnete Picard und ließ das Shuttle weiter kreisen.
»Es ist …« M’k’n’zy schüttelte den Kopf. »Das muss das größte Schiff in der Galaxis sein.«
Picard lachte wieder. »Um genau zu sein, ist es nicht einmal das größte Schiff in der Flotte. Es gibt noch andere, die viel größer sind und Besatzungen von mehr als tausend Leuten haben. Die Stargazer hat nur etwa sechshundert an Bord.«
M’k’n’zy starrte Picard an, das Schiff und wieder Picard.
»Ich fange an zu glauben«, sagte M’k’n’zy, »dass vier Jahre Schule nicht ausreichen, um alles zu lernen.«
»Tun sie nicht«, versicherte Picard ihm, während die Sterne verführerisch am Himmel strahlten. »Der eigentliche Lernprozess beginnt, wenn Sie die Akademie abgeschlossen haben.«
M’Ress saß im Zehn Vorne der Trident, nippte an ihrem Drink und hatte keine Ahnung, wie sie sich fühlen sollte.
Es war ruhig, was angesichts der Tageszeit ungewöhnlich war. Normalerweise gab es um diese Zeit ausgelassene und laute Gespräche, Gelächter und Männer und Frauen, die sich aneinanderkuschelten. Während M’Ress’ Dienstzeit auf der Enterprise vor einem Jahrhundert hatte es nichts Vergleichbares gegeben. Wenn man sich einen hinter die Binde gießen wollte, dann besuchte man Dr. McCoy oder – was M’Ress am liebsten tat – Montgomery Scott. Private Partys wurden dort abgehalten, und alle hatten großen Spaß.
Heute hatte niemand seinen Spaß.
Die Nachricht vom brutalen, grässlichen Mord an Lieutenant Commander Gleau hatte sich wie ein Lauffeuer auf dem Schiff verbreitet. Und weil es auf einem Raumschiff keine Geheimnisse gab, war die Vergangenheit von Gleau und M’Ress zur allgemein bekannten Tatsache geworden.
Sie sah sich im Zehn Vorne um und hielt dabei ihren Drink fest umklammert. Ihr wurde klar, dass sie das Glas bald zerquetschen würde, wenn sie ihren Griff nicht etwas lockerte. Das würde nicht besonders gut aussehen und sich noch schlimmer anfühlen. Dann begann ihre Hand heftig zu zittern, und sie stellte das Glas ab, bevor sie es noch fallen ließ.
Sie war sicher, dass alle Augen auf sie gerichtet waren. Lieutenant Gold saß an einem Tisch und versuchte, sie nicht anzusehen, tat es aber trotzdem. Dort drüben war Ensign Yarborough, die ebenfalls herübersah. Ensign Janos starrte sie offen an, und dank seines weißen Fells und der überlegenen Intelligenz des Sicherheitsoffiziers wirkte er eher so, als betrachte er eine Probe unter einem Mikroskop. Dann gab es noch einige Besatzungsmitglieder, deren Namen sie nicht kannte, aber auch sie sahen sie an.
Sie hätte am liebsten geschrien. Sie wollte weglaufen oder heulen, denn sie wusste, was alle dachten: Sie dachten, dass sie es getan hatte. Sie dachten, dass sie Gleau mit ihren Krallen aufgeschlitzt hatte. Das Schlimme daran war, sie war einerseits erschüttert, dass man ihr so etwas zutraute, andererseits konnte sie ihnen aber keinen Vorwurf daraus machen. Wäre es andersherum gewesen, hätte sie dasselbe gedacht.
Obwohl sie sich in eine entlegene Ecke des Gastraums gesetzt hatte, fühlte sie sich trotzdem, als würden alle sie mit ihren Blicken durchbohren. Schließlich ertrug sie es nicht mehr und stand mit der Absicht auf, hinauszurennen. Doch sie blieb wie angewurzelt stehen, als sie jemanden bemerkte, der ihr direkt im Weg stand. Das war nur ein weiteres Zeichen dafür, wie abgelenkt sie gewesen war. Sie hatte nicht einmal den Geruch des Neuankömmlings bemerkt, bevor sie diesen sah.
Katerina Müller, Erster Offizier der Trident, stand dort und hielt ihre Hände hinter dem Rücken verschränkt. »Wollen Sie irgendwohin, Lieutenant?«, fragte sie.
»Ich dachte … zurück in mein Quartier, Ma’am«, sagte M’Ress.
»Ma’am?«, Müller sah sie skeptisch an.
»Sir?«, probierte M’Ress es erneut.
»Eigentlich reicht ›XO‹ aus. Oder ›Commander‹«, stellte Müller fest. Erst jetzt bemerkte M’Ress, dass sie eine Flasche mit einer klaren Flüssigkeit in der Hand hielt, die überhaupt nicht nach Synthehol aussah. Außerdem roch ihr Atem nach Alkohol. Sie hatte offenbar nicht genug getrunken, um auch nur ansatzweise betrunken zu sein, aber sie war auf jeden Fall entspannt. »Doch in diesem Fall … nennen Sie mich Kat. Das passt doch auch irgendwie zu Ihrem katzenartigen … Wesen.« Sie gestikulierte unbestimmt. »Darf ich mich setzen?« Sie wartete nicht auf eine Einladung, sondern saß bereits auf dem Stuhl gegenüber von M’Ress, bevor sie das Wort »ich« zu Ende gesprochen hatte. M’Ress setzte sich vollkommen verblüfft wieder hin.
Müller schwenkte ein Glas, das sie in der anderen Hand gehalten hatte, und fragte: »Möchten Sie auch was?«
»Nein, danke.«
»Gut«, sagte Müller und füllte prompt die Hälfte von M’Ress’ Glas aus der Flasche nach.
M’Ress starrte hinein und sah dann wieder hoch zu Müller. Diese brachte ein schiefes Lächeln zustande. Vorsichtig begann M’Ress: »XO«, und berichtigte sich sofort, als Müller ihr mit dem Zeigefinger drohte, »Kat … Ich dachte, Sie mögen mich nicht.«
»Das ist auch so. War auch so«, sagte Müller und ließ ihren Finger über den Rand des Glases gleiten. »Ich hatte den Eindruck, dass Sie bevorzugt behandelt werden. ›Samthandschuhe‹, wie man früher sagte.«
»Ich bin nicht aus Samt. Und Handschuhe trage ich auch nicht.«
»Das ist nur eine Redensart, die sich auf sehr weiche, aus Samt hergestellte Handschuhe bezieht. Sie bedeutet, dass man sehr vorsichtig behandelt wird.«
»Oh. Das wusste ich«, sagte M’Ress schnell.
Müller ignorierte sie. M’Ress war nicht einmal sicher, ob sie sie gehört hatte. »Jedenfalls«, fuhr Müller fort, »hatte ich den Eindruck, dass alle auf Zehenspitzen um Sie herumtanzten, um ihre Gefühle nicht zu verletzen, weil Sie doch der arme, zeitverschobene Sternenflottenoffizier waren, der Familie, Freunde und alles bei dem Sturz durch die Zeit verloren hatte …«
»Und deshalb haben Sie beschlossen, alles zu tun, damit ich mich nicht willkommen fühlte?« M’Ress war nicht unbedingt über ihre Wortwahl begeistert, aber ihr fiel keine andere Formulierung ein.
»Mehr oder weniger«, stimmte Müller freimütig zu. »Und jetzt … bin ich deswegen vorläufig vom Dienst suspendiert.« Als M’Ress’ Kinnlade herunterfiel, hielt Müller stolz die Flasche hoch. »Was denn, Sie dachten doch wohl nicht, dass ich im Dienst trinken würde, oder?«
»Wieso?«, fragte eine maßlos erstaunte M’Ress.
»Es war eine beiderseitige Entscheidung«, sagte Müller. Sie wollte schon weitersprechen, entschied sich dann aber, ihr Glas erst einmal nachzufüllen. Sie kippte die Flasche, verpasste aber leider das Glas, und die Flüssigkeit ergoss sich platschend über den Tisch. Angesichts dieser Verschwendung seufzte sie tief, hob die Flasche an die Lippen und trank einfach direkt daraus. Dann senkte sie die Flasche wieder, und ihr Blick konzentrierte sich auf einen Punkt etwa acht Zentimeter rechts von M’Ress. »Ich bin zum Captain gegangen und habe erklärt, dass ich wohl eher ungeeignet bin, an der Untersuchung des Mordes an Gleau mitzuwirken.«
»Sie … wissen also mit Sicherheit, dass es Mord war?«, fragte M’Ress. Ihre Stimme zitterte bei der Frage leicht.
Müller schaffte es, herauszufinden, wo M’Ress tatsächlich saß, und richtete ihren Blick auf die Caitianerin. »Er wurde zerfetzt. Klingt in meinen Ohren eher nicht wie Selbstmord. Wenn doch, hat Gleau mit Sicherheit die schmerzhafteste Methode gefunden, sich selbst aus der Geschichte zu entfernen.«
»Ja, das … stimmt wohl«, seufzte M’Ress. »Es ist nur … Moment mal …« Sie erfasste plötzlich die Bedeutung von Müllers Worten. »Was meinen Sie damit, Sie seien eher ungeeignet?«
»Oh, er und ich hatten einen halböffentlichen Krach.«
»Einen ›Krach‹?«
Müller nickte. »Ich habe ihm ein paar Ohrfeigen verpasst, weil ich inzwischen davon überzeugt war, dass er sich in Ihre Träume schlich und Sie bedrohte.«
M’Ress schnappte nach Luft. Mit weit aufgerissenen Augen stammelte sie: »Ich … ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich … ich dachte, Sie …«
»Sie dachten, ich würde Sie für verrückt halten. Oder denken, Sie heischen nach Aufmerksamkeit. Oder Sie seien darauf aus, Gleau das Leben zur Hölle zu machen, weil er dank seiner selelvianischen Gedankentechnik, dem ›Talent‹, Sex mit Ihnen hatte. Das und noch viel mehr ist mir auch durch den Kopf geschossen, und Sie sind dabei nicht gerade gut weggekommen.« Sie spitzte die Lippen und fuhr – ohne sich dessen bewusst zu sein – mit dem Finger über die dünne Linie der Heidelberger Fechtnarbe, die ihre linke Gesichtshälfte zierte.
»Aber Sie haben mir am Ende doch geglaubt. Commander, ich kann gar nicht …« Sie merkte, dass sie lauter wurde und ungebetene Aufmerksamkeit auf sich zog. Lediglich Janos starrte gedankenvoll vor sich hin. Sie senkte ihre Stimme fast zu einem Flüstern: »Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie viel es mir bedeutet, dass Sie …«
»Sparen Sie sich das«, unterbrach Müller barsch. »Ich habe zugelassen, dass meine subjektive Wahrnehmung Sie betreffend meine Handlungsweise in der Gleau-Situation beeinflusste. Hätte ich Ihnen früher Glauben geschenkt … wenn ich etwas anderes getan hätte, als Sie einfach abzuweisen …«
»Das konnten Sie nicht ahnen.«
»Ich hätte es wissen sollen«, versetzte Müller brüsk. »Aber ich wusste es nicht. Und als meine Nachforschungen zusammen mit dem seltsam unvollständigen psychologischen Profil von Gleau mich zu dem Schluss brachten, dass da etwas im Argen liegen könnte – da hab ich’s vermasselt. Mist gebaut. Alles noch schlimmer gemacht. Wenn mir früher klar gewesen wäre, dass Gleau eine Bedrohung war …«
»Eine Bedrohung?« M’Ress wiederholte das Wort. Sie hatte das Gefühl, als drehe ihre Welt sich schwindelerregend schnell und sie sei kurz davor, herunterzufallen. Es war ihr wie eine Ewigkeit vorgekommen, dass sie sich einsam und allein Sorgen wegen Gleau gemacht hatte. Sich ausgeschlossen gefühlt hatte, ohne jeglichen Rückhalt. Das, was Müller jetzt sagte, kam einer Rechtfertigung gleich. »Sie meinen, eine Bedrohung für jemand anderen, außer mir?«
»Ich weiß es nicht«, sagte Müller. Sie klopfte frustriert mit ihren Fingerknöcheln auf den Tisch. »Als ich ihn zur Rede stellte, war da etwas in seinen Augen … Ich wusste es einfach. Wusste, dass da noch mehr Ärger dahintersteckte, als ich dachte. Doch ich hatte nichts Konkretes. Es war nur …«
»Instinkt?«, fragte M’Ress. »Glauben Sie mir, Kat, davon verstehe ich eine Menge.« Dann kreisten ihre Gedanken wieder um die Unterhaltung. »Also, wollen Sie sagen, dass Sie und der Captain gemeinsam beschlossen haben, Sie vom Dienst freizustellen, weil jemand die Vermutung hat, Sie hätten etwas damit zu tun?«
Sie nickte. »Alles ist möglich.«
»Aber … die Vorgehensweise! Wie könnte man denn glauben, dass Sie … ihn einfach so zerfetzt haben? Dass Sie das könnten?«
»Das erscheint nicht besonders vernünftig, oder?«
»Nein! Na ja, wenn man Gelegenheit und Motiv bedenkt, wäre es naheliegend, dass ich …«
Sie brach ab, starrte Müller an und kniff die Augen zusammen. Ihre Nasenflügel zuckten. »Ohhh, jetzt verstehe ich.«
»Verstehen?« Müller starrte sie ausdruckslos an. »M’Ress, Sie wirken angespannt.«
»Wie kommen Sie denn darauf?«
»Ihre Ohren hängen herab und ihr Schwanz ist schnurgerade nach hinten gerichtet.«
»Ach wirklich?« M’Ress lachte kühl. »Na, das ist ja eine Überraschung. Andererseits, es sollte eigentlich keine Überraschung sein, nicht wahr? Ich hätte wissen müssen, dass Sie genauso sind wie die. Genauso!« Ihre Stimme war überall zu hören, und niemand im Zehn Vorne gab noch vor, in eine andere Richtung zu sehen. »Sie haben gar nicht versucht, nett zu mir zu sein. Sie haben nicht Partei für mich ergriffen. Sie wollten mir ein Geständnis entlocken.«
»Haben Sie denn etwas zu gestehen?«, fragte Müller. Jegliches Zeichen von Trunkenheit – wenn es je eines gegeben hatte – war aus ihrem Gesicht verschwunden.
»Das würde Ihnen so passen, nicht wahr? Es würde Ihren Job sehr erleichtern. Die Außenseiterin, der Sternenflottenoffizier aus der Vergangenheit, hat ihren hundert Jahre alten Gerechtigkeitssinn von Auge um Auge ins heutige Zeitalter mitgebracht. Nun, das können Sie vergessen, Commander!«
»Lieutenant, setzen Sie sich«, sagte Müller und klang etwas müde. »Sie haben das in den falschen Hals bekommen …«
»Nein, ich habe das schon genau in den richtigen Hals bekommen! Sie schnüffeln herum und untersuchen …«
»Es ist unnötig, herumzuschnüffeln«, fuhr Müller sie an und stand auf. »Doc Villers führt eine gründliche forensische Untersuchung des Turbolifts und von Gleaus Leiche durch. Das dauert eine Weile, weil der Lift so verdammt oft benutzt wird. Doch sobald das geschehen ist, werden wir es wissen. Und damit ist die Sache erledigt.«
»Und Sie hatten … was genau vor?«, wollte M’Ress wissen und warf ihre Mähne zurück. »Falls die Beweise eindeutig auf mich hinweisen, wollten Sie versuchen, es mir einfacher zu machen? Vielleicht ein Geständnis aus mir herausholen, damit es im Abschlussbericht besser aussieht? Wenn ich Reue zeige, wird meine Strafe um ein paar Jahre geringer ausfallen?«
»So etwas in der Art«, gab Müller zu.
»Tja, vergessen Sie es!« M’Ress begann, eine Runde durchs Zehn Vorne zu drehen. Dabei bewegte sie sich wie eine Großkatze auf Beutesuche und spürte eine gewisse innere Befriedigung, wenn die anderen vor ihr zurückzuckten. Alle, außer Janos, dessen unendlich trauriger Blick ihr durch den ganzen Raum folgte. »Wenn irgendjemand von Ihnen erwartet, dass ich auch nur eine Träne seinetwegen vergieße, vergessen Sie es! Er hat mir das Leben zur Hölle gemacht. Und ich könnte nicht glücklicher darüber sein, dass er tot ist. Ich kann sehen, was Ihnen allen durch den Kopf geht. Sie denken: ›Wie kann sie das nur sagen? Weiß sie nicht, wie schuldig sie dadurch klingt?‹«
»Ich muss zugeben, das ist mir in den Sinn gekommen«, ergriff Janos das Wort.
»Oh? Wie wäre es denn dann hiermit: Nur jemand mit vollkommen reinem Gewissen würde es wagen, ihrem Glück darüber Ausdruck zu verleihen, dass jemand, der eine Gefahr für sie dargestellt hat, nicht länger unter uns weilt und es diese Gefahr nicht mehr gibt. Und das bin ich! Reines Gewissen von vorne bis hinten.« Sie drehte sich lautlos auf ihren Pfotenballen um und sah Müller an. »Sie wollen eine Entschuldigung hören, Commander? Also bitte: Es tut mir leid, dass ich den Schweinehund nicht höchstpersönlich zur Strecke gebracht habe. Ich hätte das niemals getan, denn ich bin ein anständiges, ethisches Wesen. Doch in meinem Inneren, Commander«, und sie beugte sich vor, »existiert ein ursprünglicher, wilder Teil, der seine Freude daran gehabt hätte, zu fühlen, wie sein Blut aus einer Arterie pumpt, die ich selbst durchtrennt habe. Meine helle Freude. Und wenn etwas zu denken, in diesem Jahrhundert bedeutet, dass man es auch wirklich tut, dann schicken Sie die Sicherheitsleute her, damit sie mich abführen!«
In dem Moment öffnete sich die Tür zum Zehn Vorne. M’Ress roch den vertrauten Geruch von Arex, bevor er durch die Tür kam. Drei Sicherheitsleute waren bei ihm. Alle hatten ihre Phaser gezogen. Offenbar erwarteten sie einen Kampf.
Auf beiden Seiten ging jeweils ein Captain: Shelby auf der linken Seite, Calhoun auf der rechten. Ihre Mienen waren finster. M’Ress vermutete, dass Calhoun ganz besonders aufgebracht war, denn die Narbe auf seinem Gesicht war tiefrot. Die Captains hatten ihre Waffen nicht gezogen. Sie waren offenbar sicher, dass das Sicherheitsteam genug Feuerkraft besaß.
M’Ress, die bis zum Äußersten getrieben worden war, zögerte nicht. Knurrend sprang sie durch den Raum und landete genau vor dem Sicherheitsteam. Arex wirkte leicht verdutzt und starrte sie fragend an.
»Also, wie machen wir es, Arex?«, wollte sie wissen. »Wirst du mich in ein kleines Zimmer zerren? Mir Stunde um Stunde Nahrung und Wasser verweigern, bis ich euch das sage, was ihr hören wollt? Ganz gleich, ob es wahr ist oder nicht?«
Er riss seine Augen auf. »Shib, wovon zum Teufel redest du eigentlich?«
Seine offensichtliche Verwirrung ließ sie zurückprallen.
»Lieutenant«, sagte Shelby und machte einen Schritt vor. Dabei stand eine Härte in ihren Augen, die keine weitere Unterbrechung duldete. »Ich weiß, dass Sie in letzter Zeit viel mitgemacht haben, und berücksichtige das. Doch ich erteile Ihnen jetzt den direkten Befehl, sofort aus dem Weg zu gehen.«
»Aus dem … Weg zu gehen?« Sie verstand nicht, trat jedoch automatisch zur Seite. Erst dann erkannte sie, dass das Sicherheitsteam direkt an ihr vorbeistarrte.
»Ensign Janos, würden Sie uns bitte begleiten?«, sagte Shelby.
M’Ress spürte, wie ihr ein kalter Schauer über den Rücken lief. Sie drehte sich um und sah, wie Janos aufstand. Die Art, wie er das tat – das langsame Auseinanderfalten – machte nur noch deutlicher, wie schnell und tödlich er sein konnte, wenn er es wollte. Doch er schien in keinster Weise besorgt, höchstens leicht erstaunt. »Gibt es ein Problem?«
»Janos«, sagte Calhoun und seine Stimme klang angespannt. »Machen Sie es nicht schwerer, als es unbedingt sein muss.«
»Ich bin nicht sicher, wie schwer es ist, da ich nicht sicher bin, um welche Angelegenheit es geht«, erwiderte Janos. »Würde jemand mich freundlicherweise erleuchten?«
»Sie wollen die offizielle Version?«, fragte Shelby. »Also schön, wir können es gerne offiziell machen. Ensign Janos, Sie sind verhaftet wegen des Mordes an Lieutenant Commander Gleau und eines direkten Verstoßes gegen die Vorschrift achtunddreißig, Abschnitte eins bis vier.«
Im Zehn Vorne herrschte kurz Grabesstille. M’Ress spürte, wie sich ihre Nackenhaare aufstellten. Janos seinerseits schien keineswegs beunruhigt. »Wissen Sie, wenn man schon die Notwendigkeit sieht, gezielte Vorschriften gegen den Mord an Offizieren zu erlassen, dann sollte man doch meinen, dass sie eine hohe Priorität haben und nicht auf Nummer achtunddreißig angesiedelt werden.«
»Ensign, diese Angelegenheit ist nicht zum Lachen«, mahnte Calhoun.
»Bei allem Respekt, Sir, für mich ist es das. Das muss ein Witz sein. Ich bin nicht verantwortlich für Gleaus Tod.«
»Die Beweise sagen etwas anderes, Ensign. Ich befehle Ihnen, uns jetzt zum Gefängnis zu begleiten, wo Sie weitere Untersuchungen abwarten werden.«
Wieder Stille, diesmal noch länger.
»Also schön«, sagte Janos leise. Er wirkte gekränkt. »Kümmern wir uns sofort darum, damit wir dieses Missverständnis so schnell wie möglich aufklären können. Meine Herren … meine Damen …« Er verbeugte sich tief, wie ein Magier, der kurz davor ist, nach einer unglaublich guten Vorstellung von der Bühne zu verschwinden. Er drehte sich zum Sicherheitsteam um. »Wäre es Ihnen recht, wenn ich um Sie herumgehe, damit ich vor Ihnen herlaufe? Ich meine, Sie können weiterhin mit Ihren Waffen auf mich zielen und den ganzen Weg rückwärts gehen. Oder wir können Ihnen die Aufgabe erleichtern. Ganz, wie Sie wünschen.«
Calhoun machte eine Geste, dass Janos vor ihnen hergehen solle. »Nach Ihnen«, sagte er.
»Besten Dank, Captain«, erwiderte Janos und ging hoch erhobenen Hauptes mit seinem gewohnten leicht schwankenden anthropoiden Gang hinaus.
»Weitermachen«, rief Shelby dem Rest im Zehn Vorne zu. »XO, wenn es keine allzu großen Umstände macht …«
»Bin unterwegs zur Brücke, Captain«, versicherte Müller sofort.
»Danke, XO«, antwortete Shelby.
Müller drehte sich schnell zu M’Ress um und nahm sich genug Zeit, um zu sagen: »Wir unterhalten uns später.« Dann war sie auch schon hinter Shelby aus der Tür.
Sobald sie verschwunden waren, erfüllten gedämpfte Unterhaltungen das Zehn Vorne. Jeder sah zur Tür, als erwarte man, dass Janos jeden Moment wieder hereinkam. Jegliche Spekulationen über M’Ress, ob schweigend oder sonst wie, hatten plötzlich ein Ende gefunden.
Sie war noch nie in ihrem Leben so erleichtert – und gleichzeitig so verstört – gewesen.
Joshua Kemper war ein großes, gut aussehendes Beispiel eines Sternenflottenoffiziers, mit kantigem Kinn, breiten Schultern und kurz geschnittenem schwarzem Haar.