Wenn im Anfang der Dioptrik und der Meteore einige Dinge zuerst Anstoß erregen, weil ich sie als Hypothesen bezeichne, und es scheint, als ob ich nicht Lust hätte, sie zu beweisen, so wolle man die Geduld haben, das Ganze mit Aufmerksamkeit zu lesen, und ich hoffe, man wird sich zufriedengestellt finden. Denn die Gründe, wie mir scheint, folgen einander so, dass die letzten bewiesen werden durch die ersten, die ihre Ursachen sind, und die ersten wiederum durch die letzten, die ihre Wirkungen sind. Und man darf nicht meinen, dass ich hierin jenen Fehler begehe, den die Logiker einen Zirkel nennen, denn da die Erfahrung den größten Teil dieser Wirkungen außer Zweifel setzt, so dienen die Ursachen, woraus ich sie ableite, nicht sowohl dazu, sie zu beweisen, als zu erklären; vielmehr sind es im Gegenteil gerade die Ursachen, die durch die Wirkungen bewiesen werden. Und ich habe sie nur deshalb Hypothesen genannt, damit man wisse, dass ich sie aus jenen ersten, oben erklärten Wahrheiten ableiten zu können meine, aber dass ich es ausdrücklich nicht habe tun wollen, um zu verhindern, dass gewisse Geister, die sich einbilden, in einem Tage alles zu wissen, was ein anderer in zwanzig Jahren gedacht hat, sobald er ihnen nur zwei oder drei Worte davon gesagt hat, und die, je scharfsinniger und lebhafter sie sind, um so leichter dem Irrtum unterliegen und um so weniger zur Wahrheit fähig sind, hieraus einen Anlaß nehmen können, irgendeine überspannte Philosophie auf meine vermeintlichen Prinzipien zu gründen, und man mir dann die Schuld davon zuschriebe. Denn was die Ansichten betrifft, die durchaus die meinigen sind, so entschuldige ich nicht ihre Neuheit, da man, ihre Gründe richtig erwogen, sie ohne Zweifel so einfach und mit dem gesunden Verstande so übereinstimmend finden wird, dass sie weniger ungewöhnlich und seltsam erscheinen werden als irgend andere, die man über dieselben Materien haben kann, und ich rühme mich gar nicht, sie zuerst gefunden zu haben, wohl aber, dass ich sie angenommen habe, weder weil sie andere gesagt, noch weil sie andere nicht gesagt haben, sondern nur weil die Vernunft mich davon überzeugt hat.
Wenn die Handwerker die in der Dioptrik auseinandergesetzte Erfindung nicht sogleich ausführen können, so darf man, glaube ich, deshalb nicht sagen, sie sei schlecht. Denn da Geschick und Fertigkeit dazu gehört, um die von mir beschriebenen Maschinen zu machen und einzurichten, ohne dass ein Umstand dabei fehlt, so würde ich mich ebensosehr wundern, wenn sie beim ersten Versuch gelängen, als wenn jemand in einem Tage lernen könnte, die Laute vortrefflich zu spielen, bloß dadurch, dass man ihm eine gute Tabulatur gegeben. Und wenn ich Französisch, die Sprache meines Landes, lieber als Lateinisch, die Sprache meiner Lehrer, schreibe, so geschieht es, weil ich hoffe, dass diejenigen, die ihre natürliche, ganz reine Vernunft brauchen, besser von meinen Ansichten urteilen werden als die, welche nur den Büchern der Alten glauben; und was jene betrifft, die den gesunden Verstand mit dem Studium verbinden, welche allein ich mir zu Richtern wünsche, so werden sie, ich bin dessen gewiß, nicht so parteiisch für das Latein sein, dass sie meine Gründe deshalb zu hören ablehnen, weil ich sie in der Volkssprache entwickle.
Übrigens will ich hier nicht im einzelnen von den Fortschritten reden, die ich in Zukunft in den Wissenschaften zu machen hoffe, noch auch gegen das Publikum mich in irgendein Versprechen einlassen, das ich nicht sicher bin zu erfüllen; sondern ich werde nur sagen, dass ich entschlossen bin, die noch übrige Zeit meines Lebens bloß darauf zu verwenden, mir einige Naturkenntnisse der Art zu erwerben, dass sich daraus gewissere Regeln für die Medizin gewinnen lassen, als die man bis jetzt gehabt, und dass meine Neigung mich von allen anderen Plänen, namentlich von solchen, die den einen nur nützen können, indem sie den anderen schaden, so sehr entfernt, dass, wenn mich irgendein Anlaß in diese Richtung nötigte, ich mir keine Fähigkeit zutraue, hier mit Erfolg tätig zu sein. Darüber gebe ich hier eine öffentliche Erklärung, von der ich wohl weiß, dass sie nicht angetan ist, um mich in der Welt angesehen zu machen, aber ich habe auch gar keine Lust, es zu sein, und ich werde mich denen, durch deren Gunst ich ungestört meine Muße genieße, stets für verpflichteter halten, als ich es denen wäre, die mir die ehrenvollsten Ämter der Erde anböten.
Der gesunde Verstand (bon sens) ist die bestverteilte Sache der Welt, denn jedermann meint, damit so gut versehen zu sein, dass selbst diejenigen, die in allen übrigen Dingen sehr schwer zu befriedigen sind, doch gewöhnlich nicht mehr Verstand haben wollen, als sie wirklich haben. Es ist nicht wahrscheinlich, dass sich in diesem Punkte alle Leute täuschen, sondern es beweist vielmehr, dass das Vermögen, richtig zu urteilen und das Wahre vom Falschen zu unterscheiden, dieser eigentlich sogenannte gesunde Verstand oder die Vernunft (raison), von Natur in allen Menschen gleich ist, und also die Verschiedenheit unserer Meinungen nicht daher kommt, dass die einen mehr Vernunft haben als die andern, sondern lediglich daher, dass unsere Gedanken verschiedene Wege gehen und wir nicht alle dieselben Dinge betrachten. Denn es ist nicht genug, einen guten Kopf zu haben; die Hauptsache ist, ihn richtig anwenden. Die größten Seelen sind der größten Laster ebenso fähig wie der größten Tugenden, und die nur sehr langsam gehen, können doch, wenn sie den richtigen Weg verfolgen, viel weiter vorwärtskommen als jene, die laufen und sich vom richtigen Wege entfernen.
Was mich betrifft, so habe ich mir nie eingebildet, dass mein Geist in irgend etwas vollkommener wäre als die Geister vom gewöhnlichen Schlag; ich habe sogar oft gewünscht, den Gedanken so bei der Hand, die Einbildung so fein und deutlich, das Gedächtnis so umfassend und gegenwärtig zu haben wie manche andere. Und ich kenne, um den Geist zu vervollkommnen, keine anderen Mittel als die eben genannten Eigenschaften. Denn was die Vernunft oder den gesunden Verstand betrifft, das Einzige, das uns zu Menschen macht und von den Tieren unterscheidet, so will ich glauben, dass sie in einem jeden ganz vollständig sei, und will hierin der gewöhnlichen Meinung der Philosophen folgen, die sagen, dass es nur zwischen den zufälligen Beschaffenheiten (Akzidenzien), nicht zwischen den Formen oder Naturen der Individuen einer und derselben Art die Unterschiede des Mehr und Weniger gebe.
Aber ich bekenne ohne Scheu: ich glaube darin viel Glück gehabt zu haben, dass ich schon seit meiner Jugend mich auf solchen Wegen angetroffen, die mich zu Betrachtungen und Grundsätzen führten, aus denen ich mir eine Methode gebildet, und durch diese Methode meine ich das Mittel gewonnen zu haben, um meine Erkenntnis stufenweise zu vermehren und sie allmählich zu dem höchsten Ziel zu erheben, welches sie bei der Mittelmäßigkeit meines Geistes und der kurzen Dauer meines Lebens erreichen kann. Denn ich habe schon gute Früchte geerntet. Zwar bin ich in meiner Selbstbeurteilung stets bemüht, mich lieber nach der Seite des Mißtrauens als des Eigendünkels zu neigen, und wenn ich mit dem Auge des Philosophen die mannigfaltigen Handlungen und Unternehmungen der Menschen betrachte, so finde ich fast keine, die mir nicht eitel und wertlos erscheinen. Dennoch lasse ich nicht ab, mich mit einer außerordentlichen Genugtuung des Fortschritts zu erfreuen, den ich in der Erforschung der Wahrheit bereits gemacht zu haben meine, und mit solcher Zuversicht in die Zukunft zu blicken, dass, wenn es überhaupt unter den Beschäftigungen der Menschen, rein als Menschen genommen, eine wahrhaft gute und bedeutende gibt, ich so kühn bin zu glauben, es sei diejenige, die ich gewählt habe.
Doch kann es sein, dass ich mich täusche, und es ist vielleicht nur ein bißchen Kupfer und Glas, was ich für Gold und Diamanten nehme. Ich weiß, wie sehr wir in allem, was die eigene Person betrifft, der Selbsttäuschung unterworfen sind und wie verdächtig uns auch die Urteile unserer Freunde sein müssen, wenn sie zu unseren Gunsten sprechen. Aber ich werde in dieser Schrift gern die Wege sehen lassen, die ich gegangen bin, und darin mein Leben darstellen wie in einem Gemälde, damit jeder darüber urteilen könne, und, wenn mir von Hörensagen solche Urteile zukommen, dies ein neues Mittel zu meiner Belehrung sei, das ich den anderen, die ich zu brauchen pflege, hinzufügen werde.
Meine Absicht ist also nicht, hier die Methode zu lehren, die jeder ergreifen muß, um seine Vernunft richtig zu leiten, sondern nur zu zeigen, in welcher Weise ich die meinige zu leiten gesucht habe. Die sich damit befassen, andern Vorschriften zu geben, müssen sich für gescheiter halten als jene, denen sie ihre Vorschriften erteilen, und wenn sie in der kleinsten Sache fehlen, sind sie tadelnswert. Da ich jedoch in dieser Schrift nur die Absicht habe, gleichsam eine Geschichte, oder, wenn man lieber will, gleichsam eine Fabel zu erzählen, worin unter manchen nachahmenswerten Beispielen vielleicht auch manche andere sich finden werden, denen man besser nicht folgt, so hoffe ich, diese Schrift wird einigen nützen, ohne einem einzigen zu schaden, und jeder wird mir für meine Offenheit Dank wissen.