Elke Bräunling
Das Haus mit den Butzenscheiben
Ein Zeitreisemärchen rund um die ersten
Weihnachtsbäume
Altmodisch sieht das Haus mit den Butzenscheiben auf Annas
Adventskalender aus, und zuerst ist sie enttäuscht. Aber dann lernt Anna sein Geheimnis kennen.
Mit ihrem Hund Flöckchen landet sie in einer anderen Zeit an einem anderen Ort – im Elsass vor
zweihundert Jahren, wo sie bei einer Familie unterkommt. Auf dieser Zeitreise in das Jahr
1752 erlebt sie mit, wie die ersten Christbäume geschmückt und die ersten Glaskugeln erfunden
werden.
Eine märchenhafte Erzählung mit historischem Kontext für die
Advents- und Weihnachtszeit von Elke Bräunling.
Elke
Bräunling
Das Haus mit den
Butzenscheiben
© 2018 Elke Bräunling und Verlag Stephen Janetzko
eISBN: 9783941923805
Titelbild: Paul G. Walter
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Inhalt:
Gleich zwei Adventskalender
Früher war alles schöner
Das doppelte Flöckchen
Anna, wo bist du?
Lust auf süß
Ein ‚rummeliger’ Tag
Das Haus mit den Butzenscheiben
Papas Weihnachtsland
Ein gemütlicher Abend
Der erste Christbaum
Ein verpatzter Adventssonntag
Was ist schon Weihnachten?
Das Licht im Fenster unten rechts
Mariele und Frederik
Die gemütlichste Küche auf der Welt
Ihr habt es gut
Eine merkwürdige Geschichte
Ein Bauch mehr wird auch noch satt
Weil bald Weihnachten ist ...
Die Sache mit den Äpfeln
Äpfel aus Glas
Der Zug der Kinder
Bei Meister Egbert
O danne! Du bist ein edler Zweig
Na, die werden staunen
Gleich zwei Adventskalender
Dieses Mal bekam Anna zwei Adventskalender geschenkt.
Das war nichts Besonderes. In letzter Zeit
schenkten ihr die Eltern immer alles zweifach.
„Welches Geschenk gefällt dir besser?“, fragte Papa dann. „Meines oder das
von Mama?“
Anna wusste nie, was sie
antworten sollte. Sie hatte doch beide lieb. Mama und Papa. Keiner sollte traurig sein.
Und streiten sollten sie auch nicht
miteinander. Das taten sie in letzter Zeit nämlich oft.
Und jetzt die Sache mit den Adventskalendern.
Was sollte Anna mit zwei Adventskalendern
anfangen?
Der von Mama war toll:
glitzerbunt mit einem Weihnachtsbaum.
Dick war er, der Kalender, und es klapperte so geheimnisvoll, wenn man ihn schüttelte.
Das war die Schokolade hinter den 24 Fensterchen.
Papas Kalender klapperte nicht. Er glitzerte auch nicht, und besonders bunt
war er auch nicht. Er war eigentlich nur ein Bild, das ein altes Haus zeigte mit einem kleinen
Platz und einem Brunnen. Zwei Kinder in altmodischen Kleidern schleppten sich mit schweren Körben
ab. Das sah nicht weihnachtlich aus. Wenigstens schneite es, und eine dünne Schneedecke lag wie
Puderzuckerstaub über der Landschaft. Aber sonst? Nichts erinnerte an Weihnachten. Nur das kleine
Butzenscheibenfenster unten rechts vielleicht, das vom Licht einer Kerze hell erleuchtet
war.
Ein seltsamer Adventskalender!
Anna drehte ihn hin und her und betrachtete ihn von allen Seiten.
Ihre Eltern beobachteten sie erwartungsvoll.
“Na?“, fragte Papa auch schon. „Gefällt dir
mein Kalender?“
Anna zögerte.
„Na ja“, meinte sie vorsichtig, „Schokolade
ist keine drin.“
Mama fing an zu
grinsen.
„Aber in meinem Kalender
ist viel leckere Schokolade“, sagte sie. „Vierundzwanzig kleine, süße Schokoladestückchen. Das
magst du doch, oder?“
Anna nickte.
„Ja, schon.“
„Also gefällt dir mein
Kalender besser als Papas?“
„Warum
soll ihr dein Kalender besser gefallen als meiner?“, schimpfte Papa los. „Sie hat doch noch gar
nichts gesagt. Du mit deiner blöden Schokolade!“
„Und du“, schrie Mama zurück, „kaufst einen Kalender mit einem altmodischen
Bild von einem ollen vergammelten Haus. Ha! Was hat das denn mit Weihnachten zu tun?“
Schon lagen sie sich in den Haaren.
Und dabei hatte Anna doch noch gar nichts
gesagt!
Anna seufzte.
„Komm, Flöckchen“, sagte sie leise. „Wir
gehen besser.“
Sie nahm die beiden
Kalender und ging mit ihrem Hund Flöckchen in ihr Zimmer.
Sie hörte ihre Eltern noch lange streiten.
Früher war alles viel schöner
Achtlos legte Anna die beiden Kalender in ihr Regal.
„Warum müssen sie sich immer streiten?“,
murmelte sie. „Nichts macht mehr Spaß. Mist, blöder!“
Anna war enttäuscht. Und traurig. Sie warf sich aufs Bett und vergrub ihr
Gesicht im Kopfkissen. Was war nur los? Hatten sich ihre Eltern nicht mehr lieb? Immerzu
schimpften sie aufeinander ein. Ob sie sich scheiden lassen wollten?
Davor hatte Anna Angst. Große Angst.
„Ich brauche keine zwei Adventskalender“,
murmelte sie und kämpfte mit den Tränen. „Am liebsten möchte ich gar keinen Kalender haben. Nur
wie früher soll es wieder sein. Ja, wie früher. Da war alles viel schöner.“
Und nun musste Anna doch weinen. Leise schluchzte sie
ihren Kummer ins Kissen.
Da fuhr auf
einmal eine feuchte Zunge über ihr Gesicht, und das Bett begann zu beben wie ein Schiff auf hoher
See. Es war ihr Hund Flöckchen, der seinen schweren Körper mühsam auf Annas Bett wuchtete.
„Oh, Flöckchen“, rief Anna und musste
trotz der Tränen lachen.
Es sah zu
komisch aus, wie Flöckchen sich abmühte.
„Ist ja schon gut“, sagte sie und schlang die Arme um den Hals des Hundes. „Ich bin gar
nicht mehr so traurig. Ich habe ja dich.“
Und dann machten sie es sich gemeinsam auf Annas Bett gemütlich, die kleine Anna und der
große Hund.
Flöckchen war mit seinen
langen, weißgrauen Zottelhaaren nämlich alles andere als ein kleines, zartes Flöckchen. Eher eine
Riesenflocke, oder, wie Papa manchmal sagte, ein rechter Flokatiteppich.
„Ja“, seufzte Anna, „letztes Jahr war alles anders.
Viel schöner. Und da hab ich auch dich bekommen, mein liebes kleingroßes Flöckchen. Du warst mein
allerschönstes Weihnachtsgeschenk.“
Nachdenklich starrte sie auf die beiden Adventskalender, die, mit dem Kopf zuunterst, auf
dem Regal lagen.
„Früher“, erzählte
sie dem Hund, „haben wir das erste Türchen im Adventskalender gemeinsam geöffnet. Dann haben wir
eine Kerze angezündet und „Macht hoch die Tür“ gesungen. Das war schön. Und lustig. Papa hat
nämlich zwischendrin immer nur „La-la-la“ gebrummt, weil er wieder mal den Text vergessen hat,
und Mama hat ihn dann immer in die Seite gepiekst.“