1. Schritte

 

Die Haustür klappte zu, ein nur leises und doch auch sehr endgültiges Geräusch. Lisa zog fröstelnd die Schultern hoch. Es war wieder mal ein extrem heißer Tag gewesen, aber jetzt, am späten Abend, wehte eine kühle Brise, die eine Gänsehaut auf Lisas sonnengewöhnter Haut verursachte. Ein Gewitter lag in der Luft, falsches Zwielicht ließ die Häuser leuchten und es wurde rasch dunkler. Lisa blickte skeptisch zum Himmel hoch, wo sich die dunklen Regenwolken nurmehr erahnen ließen. Zum Glück war ihr Heimweg nicht weit, so dass sie wohl zu Hause wäre, bevor der Himmel seine Schleusen öffnete.

Sie marschierte los, die Häuserzeile entlang, völlig in Gedanken versunken, als sie die Schritte hörte. Sie erklangen direkt hinter ihr und waren weit und breit das einzige Geräusch in einer menschenleeren Straße – abgesehen von ihren eigenen Schritten. Lisa schluckte. Ihr wurde mulmig, weil sie allein unterwegs war, und sie bereute, das Angebot ihres Freundes, sie zu begleiten, angesichts des kurzen Weges ausgeschlagen zu haben. Sie versuchte, sich einzureden, dass es auch nur jemand wäre, der vor dem Regen noch nach Hause wollte, so wie sie – aber diese irrationale Furcht, die einen allein im Dunkeln so schnell beschlich, erwies sich als hartnäckig, und ihr schlug das Herz bis zum Halse. Also beschleunigte sie ihren Gang, doch die Schritte blieben in unverändertem Abstand hinter ihr. Schließlich hielt sie es nicht mehr aus, und bei der nächsten Haustür huschte sie die Stufen hinauf, gleichsam als wäre sie an ihrem Ziel angelangt, und während ihre Hand bei den Klingeln verweilte, wartete sie darauf, dass der nächtliche Wanderer passierte.