Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

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© 2019 Gopal Norbert Klein

Foto Buchcover: Bachblüte Nr. 34 "Water Violet", die Sumpfwasserfeder

Satz, Umschlaggestaltung, Herstellung und Verlag:

BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN: 978-3-7504-4731-8

INHALT
  1. Was ist FLOATING?
  2. Wirkungsweise im Nervensystem
  3. Praktische Anwendung
  4. Erfahrungsberichte von Teilnehmern
  5. Aufgaben des Therapeuten
  6. Hinweise für Teilnehmer
  7. Fortbildung
  8. Transfer in die Gesellschaft
  9. Eine Geschichte für die Seele (Märchen)
  10. Nichts existiert aus sich heraus
  11. Danke
  12. Anhang
VORWORT

Dieses Buch freut sich, wenn es bei dir sein darf … das Handbuch einer neuen transgenerationalen Methode, um uns Menschen von alten traumatischen Belastungen zu befreien. Es ist mit Licht und Liebe geschrieben: für Interessierte, Teilnehmer und Therapeuten.

FLOATING beruht auf einfachen Prinzipien: Ehrlicher Kommunikation, Gruppenregulation, Achtsamkeit, Langsamkeit. Es ist eine Methode, die Aspekte der Polyvagaltheorie und der Spiritualität in die Praxis umsetzt, und zwar so, dass ein Gruppenfeld entsteht und der begleitende Therapeut nicht mehr viel tun muss, als für einen stabilen Rahmen zu sorgen. Es führt uns zurück zur Natur, zu dem, was eigentlich von alleine da wäre, wenn wir von der Gesellschaft nicht so verbogen worden wären. Insofern ist diese Arbeit nichts Kompliziertes, sondern im Gegenteil das Einfachste und Selbstverständlichste, was es überhaupt gibt :-)

FLOATING braucht keinerlei Zugriff auf Lebensdetails, wie vergangene Erlebnisse, Informationen oder Ideen und beschäftigt sich auch nicht mit der Zukunft. Es geht nicht einmal um Symptome oder Krankheiten, auch nicht um Heilung und Problemlösung: Der ehrliche Austausch unserer Körperempfindungen, Gefühle und Gedanken hier/jetzt erzeugt die Verbindung, die alles Leiden aus früher Kindheit mit absoluter Präzision auflöst.

Ziel dieses Buches ist es, ein weiteres Template in den Nervensystemen unserer Gesellschaft zu etablieren, welches an der Ursache allen Leidens ansetzt und von dort unsere innere und später auch äußere Welt verwandelt. Im Moment muss FLOATING noch von professionellen Therapeuten begleitet werden, da wir noch zu sehr in dysregulierten Zuständen verloren sind. Bald jedoch kann es Teil unseres ganz normalen Alltags werden und so zu einer ständigen Steigerung unseres Wohlbefindens beitragen. Es ist in der Lage, jeden Konflikt in Minuten aufzulösen. Ich möchte außerdem, dass FLOATING den Weg in die öffentlichen Medien findet und dort live gezeigt wird!

Das vorliegende Buch beschreibt und erklärt FLOATING in allen Details, mit konkreter Anleitung für die Praxis, Schaffung optimaler energetischer und organisatorischer Rahmenbedingungen. Es enthält außerdem wertvolle Erfahrungsberichte von Teilnehmern. Ich möchte, dass wir alle unabhängig von spirituellen Lehrern und Psychotherapeuten werden. Daher erfährst du in diesem Buch exakt, wie FLOATING angewendet wird, in der Hoffnung, dass es irgendwann eine Standardprozedur in unserer Gesellschaft wird. Es ist ein sehr mächtiges Instrument und ich überlasse es deiner Verantwortung, zu entscheiden, ob du als Therapeut die notwendigen inneren und äußeren Voraussetzungen hast, den Prozess sicher handhaben zu können. Nur mit eigener tiefer Prozesserfahrung und traumatherapeutischer Ausbildung solltest du das Verfahren mit anderen Menschen anleiten.

Wer nicht als Therapeut arbeitet, erfährt hier interessante Details und Einblicke in diesen erstaunlichen Beruf. Du kannst sehen, wie hochgradig komplex eine solche Arbeit in der Praxis ist. Ich beschreibe die wesentlichen Aspekte und Voraussetzungen für Traumatherapie, damit eine tiefe und sichere Transformation der Teilnehmer stattfindet. Dabei wird der Therapeut ebenfalls gewandelt.

In diesem Buch sollen alle zusammenkommen: Therapeuten, Teilnehmer und auch jene, die die Fortbildung bei mir machen. Teilnehmer erfahren, wie der Prozess funktioniert und vor allem auch warum, sodass es einfacher ist, sich dem Ganzen anzuvertrauen. Therapeuten und spirituelle Lehrer können eine weitere, extrem wirksame Methode kennenlernen und in ihre bestehende Praxis integrieren. Darüber hinaus stellt das Buch das Unterrichtsmaterial für meine Trauma-Fortbildung dar. FLOATING ist wie von selbst aus meiner Gruppenarbeit entstanden, als ich begann klarer zu sehen, wie wir dauernd (unbewusst) versuchen, uns in Gruppen selbst zu heilen, und was notwendig ist, damit dieser Vorgang tatsächlich komplettiert werden kann.

Bevor es losgeht, noch ein paar Worte zur Abgrenzung vom »Lokalen Gruppen«-Prozess. Dieser ist etwas völlig anderes! Dabei handelt es sich um kein therapeutisches Verfahren, sondern um eine Methode zur Gruppenregulation in Form von Selbsthilfegruppen. Sie dient dazu, eine Basis von Stabilität im Nervensystem zu erzeugen ohne Anleitung durch einen Psychotherapeuten oder spirituellen Lehrer. FLOATING hingegen ist ein therapeutisches Verfahren, welches tiefste Prozesse auf sichere Weise an die Oberfläche bringen und komplettieren kann. Es muss derzeit noch von erfahrenen Therapeuten begleitet und gesteuert werden.

Du möchtest sicher mit diesem Buch arbeiten, aber das Buch möchte auch mit dir arbeiten :-) Also sei dir bewusst, dass du darin Unvertrautes finden wirst und mit dem Lesen verschiedene Dinge in Bewegung geraten könnten … Das Buch spricht, wie alle meine Bücher, mehrere Ebenen gleichzeitig an.

FLOATING ist komplett so, wie in diesem Buch beschrieben, von mir selbst entwickelt worden bzw. wurde mir im Geist gegeben. Ich wünsche uns allen nun viel Freude auf dieser Heimreise …

Kontakt und Beziehung ist ganz leicht

Wir initialisieren das Lesen dieses Buches mit 12 Symbolen, zur Aktivierung aller Ebenen von Heilung, Glück und planetarer Gemeinschaft:

1 WAS IST FLOATING?

FLOATING ist Englisch und bedeutet übersetzt »schweben, treiben«. Es handelt sich um einen Vorgang völliger Passivität, der mit angenehmen Zuständen assoziiert ist. Tatsächlich gibt es sogenannte Floating-Tanks, in denen man im Wasser anstrengungsfrei schweben kann. Der Salzgehalt ist so hoch, dass selbst der Kopf von alleine schwimmt und alles losgelassen werden kann. Man wird dabei vom Wasser sicher getragen, sodass sich jedes Gefühl von Grenzen auflöst und eine derart tiefe Entspannung entsteht, wie sie in anderen Umgebungen oder Umständen kaum zu erfahren ist.

Was hat all das mit Beziehung, Kommunikation und Gruppenregulation zu tun? Den natürlichen, anstrengungslosen Fluss des Lebens kann man durchaus mit diesem Floaten vergleichen. Wenn keine Traumata und Energieblockaden vorhanden sind, fließt das Leben tatsächlich von alleine, ohne unser Zutun. Das heißt nicht, dass wir nichts machen, sondern nur, dass da niemand mehr ist, der gegen irgendetwas ankämpft. Aktivität kann trotzdem geschehen …

Dieser Lebensfluss besteht im Wesentlichen daraus, auf Menschen zuzugehen oder Menschen an uns heranzulassen und dieser natürlichen Anziehungskraft Raum zu geben. Es ist ein Schweben und Treiben aufeinander zu. Diese frei fließenden Bewegungen zwischen ∞ uns ist das, was FLOATING wieder ermöglicht. Es löst alle Hindernisse, die der Liebe entgegenstehen auf.

Was durch FLOATING transformiert wurde, kann nicht mehr an nachfolgende Generationen weitergegeben werden. Das, was an Negativem weitergegeben wird, sind vor allem unbeleuchtete Beziehungs- und Bindungsmuster. Diese werden durch FLOATING vollständig aufgelöst und aktualisiert. Es ist daher auch eine transgenerationale Arbeit.

Von der praktischen Vorgehensweise ähnelt es dem Familienstellen, hat jedoch fundamentale Unterschiede:

Nach meinen Erkenntnissen und Erfahrungen behaupte ich, dass Familienstellen in der klassischen Form nicht mehr benötigt wird. Der Grund ist, dass es in Wirklichkeit immer nur um ein Thema geht, es gibt nur ein Problem. Und alle Menschen haben dasselbe: Fehlende Bindung. Alles Leiden kristallisiert sich als Folge darum herum. Dieses können wir direkt hier/jetzt durch Mitteilen auf lösen, ohne weitere therapeutische Konstrukte zu benötigen.

Um die Wirkungsweise nachzuvollziehen, müssen wir verstehen, dass das Nervensystem in jeder Gruppe, zu der wir hinzukommen, ob wir wollen oder nicht, immer wieder die Kindheit herstellt. Anschließend versucht es automatisiert, auf alte, nichtfunktionale Weise, diese zu komplettieren (die Verbindung zu bekommen, welche damals nicht möglich war). Dazu nutzt das Nervensystem ausschließlich die physisch anwesenden Personen als Projektionsfläche, sodass keine Ahnen oder sonstigen Menschen herangezogen werden müssten, die im Moment gar nicht da sind.

Ist das Bindungsproblem gelöst, ist das Leiden zu Ende. Es gibt sonst nichts zu bearbeiten. Alles Leiden, alle Probleme lassen sich auf Bindungsprobleme zurückführen, die sich in jedem Moment neu mit den vorhandenen Menschen manifestieren. Der Weg, diese aufzulösen, findet durch einen ehrlichen Austausch des Inhaltes unserer drei Daseinsebenen statt (Gedanken, Gefühle, Körperempfindungen). Die »Kunst«, das zu tun, wird in diesem Buch bis ins Detail beschrieben und erklärt. Energetische Wahrnehmungen sind weniger relevant und werden zur Transformation nicht benötigt. Trotzdem ist es hilfreich, diese mit einzubeziehen, vor allem als Gruppenleiter. Die maximale Gruppengröße für diese Arbeit beträgt 30 Personen. Die Idealgröße liegt bei ca. 14.

2 WIRKUNGSWEISE IM NERVENSYSTEM

Die außergewöhnliche Wirkung von FLOATING beruht auf dem Verständnis, was uns im tiefsten Inneren wirklich antreibt. Ausgangspunkt all unserer inneren und äußeren Bewegungen ist der verzweifelte Versuch, die gescheiterte Bindung der Kindheit doch noch zu realisieren. Da unser Nervensystem aber während der Wachstumsphase dysfunktionale Beziehungsmuster erfahren hat, erleben wir nicht nur, dass unsere Beziehung zur Welt nicht klappt, sondern wir erleben es so, als ob wir dieses Scheitern sind!

Es wird zur scheinbaren Realität von uns selbst und dem Universum: Mit mir oder den anderen ist etwas grundsätzlich nicht in Ordnung und niemand kann mir helfen. Exakt so kann es sich anfühlen. Als erwachsener Mensch stimmt das objektiv jedoch nicht mehr, da ich mir beliebige Menschen als Beziehungspartner auswählen und grundsätzlich neue Beziehungsmuster leben kann. Diese reale Situation ist uns heute aber nicht zugänglich, solange wir nicht grundlegend erfahren haben, wie sich echte Bindung und Kontakt anfühlt. Da das Nervensystem keine Muster für eine solche Beziehung hat, kann es das nicht herstellen und (er-)leben. Somit stecken wir in einem scheinbaren Teufelskreis fest, den es in Wirklichkeit gar nicht mehr gibt.

FLOATING löst diesen illusorischen Teufelskreis auf sanfte Art und Weise auf. Tatsächlich ist es so, dass die Teilnehmer das Ganze selber auflösen. Sie sind die Akteure, weniger der Therapeut.

Um die Wirkungsweise zu verstehen, müssen wir uns klarmachen, dass alles Leiden nur einem einzigen Zweck dient, nämlich Distanz herzustellen. Jedes Problem, jedes Leiden, jede Krankheit dient nur dazu, Abstand zu uns selbst, unseren Gefühlen und damit auch zu unseren Mitmenschen aufrecht zu erhalten. Das ist einerseits gut, da es für das Nervensystem erst mal stabilisierend wirkt, aber es ist eben das alte Notprogramm, was heute nur noch selten gebraucht wird. Stattdessen verhindert es das pralle Leben, was möglich wäre. Die Frage ist nun, wie können wir diesen Mechanismus überwinden und echten, tiefen Austausch erfahren?

Hier setzt FLOATING an. Mit Hilfe des Therapeuten wird ein Teilnehmer, der möchte, vorsichtig eingeladen, statt auf sein altes, tief vertrautes Distanz-/Abwehrsystem zuzugreifen, einen echten Kontakt herzustellen. Sobald ein echter Kontakt entsteht und sei es nur auf minimalster Ebene, fließt sofort mehr Energie durch das Nervensystem und die Transformation beginnt. Der Mensch kommt dadurch in Verbindung mit seinen Gefühlen und damit auch mit seinen Mitmenschen. Entweder sind wir in unseren Zuständen und Geschichten aus der Vergangenheit verloren oder wir befinden uns in einem echten Austausch mit dem Menschen, der jetzt in diesem Moment da ist. Beides schließt sich gegenseitig aus! Verbunden sind wir immer, die Frage ist nur, ob mit alten inneren Szenarien oder mit der aktuellen äußeren Umgebung jetzt.

Da alle Menschen in Wirklichkeit nur ein Thema, nur ein Problem haben, passiert beim FLOATING prinzipiell immer das Gleiche: Unter professioneller Anleitung bewegen sich die Teilnehmer aufeinander zu, indem sie ihre Gefühle mitteilen. Das klingt erst mal simpel, jedoch ist genau dieser Vorgang im Inneren des Menschen mit hoher Gefahr oder sogar Lebensgefahr verschaltet worden. In der Kindheit waren wir völlig offen und ohne jeden Schutz. Mit dieser Offenheit wurde nicht liebevoll und adäquat umgegangen, stattdessen haben wir von den Eltern Distanzierungsmechanismen erfahren müssen, z.B. Wut, Trennung, Manipulation, Gleichgültigkeit usw. Diese Dinge erlebt ein kindlicher Organismus, wenn es sich um dauerhafte Beziehungsmuster handelt, als lebensbedrohlich: Das Kind braucht die Zuwendung der Eltern, um zu überleben. Es braucht aber gleichzeitig auch einen liebevollen Raum, um sich selbst zu erfahren und zu entwickeln. Diese in der Kindheit unauflösbare Zwickmühle wird später zur subjektiven Realität des Erwachsenen, worüber er sich in der Regel gar nicht bewusst ist. Er erfährt das ganze Leben als scheinbar unlösbares Problem und Leiden. Außen gibt es nur Spiegel.

Mit FLOATING lösen wir dieses Dilemma so grundlegend auf, dass solche Beziehungsmuster nicht mehr an nachfolgende Generationen weitergegeben werden können.

An dieser Stelle möchte ich darlegen, warum ich bestimmte neue Konzepte, Geräte und Methoden nicht (mehr) unterstütze. Es gibt heutzutage immer mehr Dinge, die an sich gut sind und tatsächlich funktionieren, im Gegensatz zu vielen klassischen Ansätzen aus der Psychotherapie, die nur wenig oder gar keine Veränderung bewirkt haben. Trotzdem ist alles, was die implizite Botschaft enthält, dass es eine Lösung alleine, ohne Beziehungskontext gibt, meiner Meinung nach gefährlich. Solche Ansätze bringen uns noch weiter vom Weg ab, das heißt noch weiter in die Isolation, auch wenn sie objektiv erst mal hilfreich sein können. Das Hauptproblem und die Ursache allen Leidens ist ja unsere Trennung voneinander, die von Staat, Bildungssystem, Wirtschaft und anderen alten Strukturen gewollt und teilweise bewusst gefördert wird. Insofern sollten wir uns auf das konzentrieren, was uns wieder zusammenbringt. Und dazu braucht es weder komplizierte Geräte noch komplizierte Methoden.

Auch halte ich alle Entwicklungen, die ein Einzelsetting mit Therapeut erfordern, für überholt. Jeder, der etwas Neues entwickelt, sollte das nach meiner persönlichen Meinung so machen, dass es die Menschen in Gruppen untereinander in Verbindung bringt. Die Bedeutung des professionellen Begleiters muss dabei so schnell wie möglich in den Hintergrund treten, sodass sich die Gruppe in sich und mit sich selbst regulieren kann. Dies führt schließlich zur Befreiung und Transformation aller Menschen. FLOATING ist eine solche Methode, die sich aus meiner therapeutischen Praxis entwickelt hat. Es gibt weitere Methoden wie Tibetan Pulsing, mit einer anderen Ausrichtung. Es werden noch mehr entstehen, weit jenseits unserer jetzigen Vorstellungskraft, wie Netzwerke, die nur noch telepathisch und energetisch arbeiten, völlig unabhängig von physischen Körpern. Unsere Kinder werden uns solche Dinge wohl wieder beibringen müssen :-) Ab diesem Moment kann kein Staat, keine Bank und auch keine Religion die Transformation mehr aufhalten …

Jede Arbeit, die sich ausschließlich mit Symptomen und Krankheiten befasst und auf deren Beseitigung ausgerichtet ist, ist eine Reinszenierung der Kindheit. Dies hat häufig katastrophale Folgen für den Patienten, da der letzte Kanal für die im System festgehaltene Energie nun auch noch geschlossen wird. Energie kann man aber nicht entfernen, wir sind ganzheitlich. So etwas wie eine von uns unabhängige Krankheit oder ein Symptom, das man wegmachen muss, damit dann alles wieder in Ordnung ist, gibt es nicht! Alles ist Teil von uns, alles ist unser Leben. Die Frage ist nur, ob es sich direkt oder eben indirekt ausdrückt. Die inneren Bewegungen mussten in der Kindheit unterdrückt werden und zeigen sich später als Symptom, nun soll auch das noch beseitigt werden?! Etwas Schlimmeres kann man einem Menschen kaum antun. Das, was zu tun ist, ist die in Form von Symptomen und Krankheit gebundene Lebensenergie wieder ins Fließen zu bringen, was letztlich nicht viel mehr bedeutet, als anderen mitteilen zu können, was ich möchte und brauche. Gestaute Energie bringen wir durch Handeln und Kommunizieren wieder in Fluss.

2.1 DIE BIOLOGIE VON INTERAKTION

Um das neurophysiologische Substrat dieser Bindungs-/Beziehungsdynamik zu beschreiben, möchte ich hier ein kurzes Kapitel aus dem ersten Band einflechten. Diese Informationen sind so neu, wichtig und essenziell für unser aller Zusammenleben, dass man sie nicht oft genug lesen und hören kann:

Wir Menschen gehören zur Gattung der Säugetiere. Säugetiere konnten sich in der Evolution über die Reptilien entwickeln, indem sie etwas Neues ins Spiel brachten: Zusammenarbeit!

Säugetiere haben sich als Gruppentiere entwickelt und hatten dadurch einen entscheidenden Vorteil gegenüber den Reptilien. Gemeinsam und in koordinierter Zusammenarbeit waren sie den isoliert lebenden Reptilien überlegen. Hinzu kam, dass die Säugetiere sich über ein Frequenzband verständigen, welches Reptilien nicht hören konnten. Säugetiere kommunizieren über höhere Töne als Reptilien wahrnehmen können. Somit konnten sie von Reptilien unerkannt miteinander in Verbindung treten. All dies brachte gewaltige Vorteile in der Evolution. Auf der anderen Seite erforderte dieser Entwicklungsschritt aber auch völlig neue Fähigkeiten für das Nervensystem.

Dadurch, dass Säugetiere in Gruppen leben, müssen sie sich gefahrlos einander annähern und sich gegenseitig signalisieren können, ob dies möglich ist. Unser Nervensystem und unser Gehirn entwickelten sich daher für ein Leben in Gruppen und sozialem Austausch. Ein Eingebundensein in ein Rudel, in eine Gruppe, bedeutete Sicherheit und die Möglichkeit zur Fortpflanzung. Der Ausschluss aus dem Rudel bzw. der Gruppe bedeutete in der Evolution Leiden und Tod.

Unsere Nervensysteme sind also grundlegend, physisch und biologisch, dazu angelegt, in Gruppen, sozialer Interaktion und in langfristigen Beziehungen zu leben! Für uns als Teil der Säugetierwelt gibt es keine Lösung als getrenntes, isoliertes Individuum. Isolation und fehlende soziale Interaktion bedeuten für unseren Körper extremen Stress. Insofern gibt es für uns keine Lösung oder Heilung alleine, sondern das In-Verbindung-Sein *ist* die Heilung, weil es die tiefsten Schichten unseres Nervensystems beruhigt und uns dadurch in einen glücklichen Zustand versetzt. Ob wir uns glücklich und erfüllt fühlen, hängt weitgehend vom Zustand dieser tiefen Nervensystemschichten (Körper) ab und kann nur wenig durch höhere Vorgänge (Gedanken) beeinflusst werden.

Wenn wir die beiden zentralen Grundbedürfnisse unseres Nervensystems erfüllen können, nämlich Sicherheit durch Verbundensein mit anderen Menschen und Fortpflanzung, stellt sich ein Gefühl von Frieden, Glück und Erfüllung ein. Diese werden von tiefen Körperprozessen gespeist, die so gut wie gar nicht durch Denken, Probleme lösen und Planen zu beeinflussen sind.

Die Polyvagaltheorie von Stephen Porges beschreibt diese Zusammenhänge in bisher nie dagewesener Klarheit, Tiefe und Präzision. Sie liefert ein grundlegendes Verständnis der zwischenmenschlichen Interaktionen auf Basis biologischer Vorgänge.1


1 Vgl. Porges, S. (2017). Die Polyvagaltheorie und die Suche nach Sicherheit. Lichtenau/ Westf.: Probst-Verlag

3 PRAKTISCHE ANWENDUNG

Teil 1 und 2 dieses Kapitels dienen als Vorbereitung für die eigentliche Gruppenprozessarbeit in Teil 3. Es geht in den ersten beiden Teilen zunächst darum, Sicherheit und Stabilität bei vertieftem Kontakt zu etablieren. Kontakt bedeutet, Nähe und Distanz gemeinsam gestalten zu können. Der Schlüssel dazu ist Handeln und ehrliche Kommunikation.

Die Grundlage aller Transformation ist Sicherheit. Daher ist das allererste, was der Gruppenleiter der Gruppe mitteilen muss, dass der Raum von außen verschlossen ist und niemand hineingelangen kann und dass die Türen von innen offen sind und jeder im Zweifelsfall, ohne etwas zu sagen, den Raum verlassen kann. Das ist die wichtigste Information, die das autonome Nervensystem braucht. Nur so kann es die Situation als sicher einstufen und sich entspannen. Der physische Raum muss absolut geschützt sein. Zusätzlich sollte durch Fragen sichergestellt werden, dass alle Teilnehmer ihre grundlegenden biologischen Bedürfnisse gestillt haben (Hunger, Durst, Toilette, Unterkunft usw.).