Die junge Heilerin Jenna hat mit ihren würzig duftenden Kräutertinkturen und Salben vielen Menschen geholfen. Doch als ein Unwetter die Felder der Bauern verwüstet und ein Schwein tote Ferkel gebiert, wird sie der Hexerei beschuldigt und unter üblen Beschimpfungen aus ihrem Dorf gejagt. Eine Gruppe von Gauklern nimmt sie bei sich auf, vor allem der hübsche Amando schließt sie gleich ins Herz. Als Jenna jedoch eines Abends allein durch die Gassen Kölns streift, um die Zutaten für ihre Heiltränke zu besorgen, bezichtigt man sie des Diebstahls. Sie wird ins Haus der gefallenen Töchter gesperrt, das von dem skrupellosen Patrizier Hermann Quattermart errichtet wurde, um die verdorbenen Frauen der Stadt auf den rechten Weg zurückzuführen. Dort freundet sich Jenna mit der Dirne Ursula an, der heimlichen Geliebten von Hermann Quattermart. Während Amando verzweifelt nach Jenna sucht, schmieden die beiden Frauen einen waghalsigen Plan, um ihrem Gefängnis zu entkommen …
Historischer Roman
Ullstein
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Originalausgabe im Ullstein Taschenbuch
1. Auflage Dezember 2018
© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2018
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Titelabbildung: © Christie's Images Ltd / ARTOTHEK
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ISBN 978-3-8437-1804-2
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Für meinen Mann Josef,
mein Bohdan
Gernot, der Schmied des Weilers Buckelmeunt, fegte zornig mit der Hand über das Regal. »So ein überflüssiges Zeug! Ich werde dir zeigen, was deine Bestimmung ist!«
Die sorgfältig aneinandergereihten Tiegel flogen zu Boden und verströmten den herben Duft der Natur. Jenna ballte die Hände hinter dem Rücken und schwieg, um Gernot nicht weiter zu reizen.
»Und nun ab mit dir an die Kochstelle!« Ruppig stieß er seine Frau aus dem Schuppen. Sein Gesicht leuchtete rot vor Zorn. Anstatt den Kiesweg zu benutzen, trampelte er quer durch Jennas Kräutergarten zu dem Eingang ihrer Hütte.
Während Jenna ihm folgte, krampfte sich vor Wut ihr Magen zusammen. Was wusste er schon von der Heilkraft der Pflanzen? Und davon, was sie ihm Gutes tat, wenn sie mit den Kräutern die Mahlzeiten würzte?
Vor dem Eingang griff Gernot nach ihrem Arm und zog sie durch die Tür zu dem Kessel, der sauber und erkaltet an einer Kette über der Feuerstelle hing. Der Blick ihres Mannes war finster. »Kochen, Weib, das ist deine Bestimmung, und mich des Nachts wärmen, sonst nichts.« Er schnaubte wie ein Ochse. »Nach getaner Arbeit hat gefälligst das Essen auf dem Tisch zu stehen.«
Jenna berührte den Stein, den sie an einem Lederband um ihren Hals trug, und konnte nicht länger stumm bleiben. »Himmel, ich hab doch nur die Zeit vergessen! Was ist so schlimm daran?« Die warme glatte Oberfläche des Ligurs zu spüren, beruhigte sie ein wenig. Sanft umfasste sie den Stein mit den Fingern und rieb daran.
Gernot presste die Lippen zusammen. Er war nicht riesig, aber da Jenna ziemlich klein und zierlich war, musste sie dennoch den Kopf in den Nacken legen, wenn sie zu ihm aufsah. Die kräftigen Arme in der ärmellosen Lederweste waren vom Ruß des Schmiedeofens bedeckt, und auf Gernots Kopf wucherte das dunkelblonde Haar in alle Richtungen. »Ich sag dir, was passiert, wenn du noch einmal die Zeit vergisst.« Er hob eine Braue und fasste nach ihrem Kinn, damit sie ihm genau in die Augen sah. »Dann fackele ich deine verdammte Kräuterküche ab.« Gernot stieß seine Frau von sich.
Jenna taumelte gegen den Kessel, der sich daraufhin an der Kette drehte. Nun breitete sich doch Angst in ihrem Bauch aus. »Es … es wird nicht wieder vorkommen.« Hastig nahm sie den Holzeimer auf und eilte aus der Küche, um am Keilershof Wasser zu holen.
Die späte Sonne berührte mit ihren goldenen Strahlen bereits das Dach der Scheune, und die Luft roch nach der Gerste, die in voller Ähre auf den umliegenden Feldern stand. Der Keilershof befand sich unweit ihrer Schmiede im Weiler Buckelmeunt vor den Mauern der freien Reichsstadt Köln. Da Gernot dem Bauern hin und wieder Gerätschaften für den Ackerbau schmiedete, durften sie sich im Gegenzug am Brunnen bedienen. Hannes, der Bauer, war ein freundlicher Mann und vor nicht allzu langer Zeit in der Bauerbank vor der Ehrenpforte zum Gebuirmeister berufen worden. Er sorgte auf den Äckern und Höfen vor Köln dafür, dass unter den Bauern alles mit rechten Dingen zuging, hielt den Feldfrevel im Auge und die Wege passierbar.
Jenna holte tief Luft und schluckte ihren Ärger hinunter. Als sie vor dem Brunnen stand und sich mal wieder sehr einsam fühlte, musste sie an ihren Vater denken. Nachdem ihre Mutter gestorben war, hatte er versucht, auch seinem Leben ein Ende zu setzen. Der Strick war jedoch nicht fest genug gewesen, und ihr Vater war zu Boden gestürzt. Den Tod hatte er nicht gefunden, litt seitdem jedoch unter Irrsinn. Inzwischen erkannte er selbst seine Tochter nicht mehr und war einmal sogar mit der Axt auf Jenna losgegangen, weil er sie für eine Diebin gehalten hatte. Seitdem saß er im Hospital des Klosters Revilien und wartete dort auf sein Ende. Alles war in so kurzer Zeit geschehen, dass Jenna kaum um die Mutter hatte trauern können. Ihr Herz zog sich bei dem Gedanken an den Tod der Mutter zusammen. Aus einem Husten war rasch eine Lungenentzündung geworden, und Jenna verzieh sich bis heute nicht, dass sie der Mutter nicht mit ihrer Heilkunst hatte helfen können. Immer wieder hatte der Onkel ihr versichert, dass sie den Tod nicht hätte aufhalten können, doch bis heute wollte Jenna das nicht wahrhaben. Sie seufzte. An die Zeit, als die Mutter ihr ein Häschen unter der Schürze hervorgezaubert hatte, erinnerte sich Jenna jedoch mit einem Lächeln auf den Lippen. Vor Jahren hatte Mutter ihr dann ebenfalls das Zaubern beigebracht. Dabei hatte sie aber nie den Schadenszauber angewendet, sondern den Liebeszauber und den Wiederbringzauber. Doch Jenna wusste längst, wie wenig Wirkung solch ein Ritual oder ein Trank hatten. Daher verließ sie sich eher auf die Kraft der Kräuter und stellte Tinkturen, Salben und Aufgüsse nach den Heilmethoden der Hildegard von Bingen her.
Jenna holte tief Luft und hob den Eimer auf den Rand des Brunnens. Etliche Jahre hatte sie regelmäßig ihren Onkel in seinem Kräutergarten der Abtei Brauweiler besucht, um von ihm die Heilkunst der Hildegard zu lernen. Mutters Zaubersprüche hatte sie dabei rasch vergessen. Dann war der Onkel kurz nach dem Tod der Mutter ebenfalls gestorben. Da Jenna ohne Geschwister aufgewachsen war, hatte sie anschließend ganz allein dagestanden. Bald darauf hatte der Abt von Brauweiler ihr den Schmied Gernot vorgestellt und sie mit ihm verheiratet. Seither stand Jenna frei von Sorgen unter dem Schutz eines Mannes, der ihr ein warmes Heim bot. Und sie hatte ihre Heilpflanzen und die Kräuterküche. Was brauchte sie mehr? Seufzend band sie den Eimer an die Kette und ließ ihn den Brunnen hinab.
Der Keilershof bestand aus dem Wohnhaus, der Scheune und den Pferchen, die jeweils im rechten Winkel zueinander gebaut waren, und den angrenzenden Weiden. Schweine wühlten mit ihren Rüsseln den trockenen Boden auf. Zwischen ihnen staksten Hühner umher, pickten hier und da nach einem Korn. Und inmitten von alldem thronte ein Gockel auf einem dampfenden Misthaufen.
Die Bäuerin trat aus dem Wohnhaus und grüßte Jenna mit erhobener Hand. Traudi war eine beleibte Frau und zählte mehr als 30 Lenze. Sie hatte bereits eine Schar Söhne zur Welt gebracht, eine Tochter war ihr bisher jedoch verwehrt geblieben. »Ich muss unbedingt mit dir reden!«, rief sie und eilte auf Jenna zu.
Jenna nickte und zog den Eimer wieder aus dem Brunnen. »Was gibt es denn?«
»Mein Peterchen wird von heftigen Albträumen geplagt. Jede Nacht wacht er schreiend auf und behauptet, er würde von Wölfen gejagt. Beruhigen tut er sich erst wieder, wenn fast schon der Morgen graut. Du kannst mir glauben, ich fühle mich, als wäre ich aufs Rad geflochten worden.«
»Ach herrje. Der arme Junge.« Jenna dachte kurz nach, wie sie dem Knaben helfen könnte. Dann hatte sie eine Idee. »Weißt du was? Ich mache dir morgen ein Säckchen mit getrocknetem Betonikakraut fertig. Lege es in der Nacht neben Peters Gesicht, und er wird bald ruhiger werden.«
Traudi stemmte die Hände in die Hüften und nickte. Einen Augenblick lang schwieg sie, dann grinste sie verschwörerisch. »Ach übrigens, was ich dich immer schon fragen wollte: Die Leute sagen, deine Mutter sei eine Zaubersche gewesen. Stimmt das?«
Jenna sah sie argwöhnisch an. »Weshalb fragst du?« Sie wusste zu gut, dass sich bald alle Bewohner des Schweids vor der Ehrenpforte darüber das Maul zerreißen würden. Es wunderte sie jedoch nicht, dass der Tratsch den Weg von Brauweiler bis hierher gefunden hatte.
»Dann kannst du bestimmt auch zaubern, oder?«, fragte Traudi.
»Nein … Also, ein wenig vielleicht«, druckste Jenna herum. »Aber keinen Schadenszauber, den kann ich nicht und den würde ich auch niemals anwenden.« Sie löste die Kette vom Griff des Eimers. »Außerdem ist mir die Heilkunst lieber.«
Traudi strich sich sichtlich verlegen das Haar aus der Stirn. »Was ist mit dem Liebeszauber? Kennst du dich damit aus?«
Jenna zuckte mit den Schultern. »Mehr oder weniger. Mal hilft er, mal nicht. Warum willst du das wissen?«
Traudis Wangen röteten sich. »Ach, der Hannes macht mir ebenfalls Kummer. Nach der Geburt unseres Jüngsten will er einfach nicht mehr bei mir liegen. Dabei wünsche ich mir doch nichts sehnlicher als ein Töchterchen. Kannst du da nicht ein wenig …« Sie biss sich auf die Unterlippe. »Du weißt schon … ein wenig zaubern?
Jenna neigte den Kopf zur Seite. Was war verwerflich daran, wenn sie Traudi zum Glück verhalf? Außerdem konnte sie nie gut etwas abschlagen. »In Ordnung, ich werde es versuchen. Brauche dazu aber ein Büschel von deinem Haar und ein Büschel vom Hannes. Bring mir beides morgen, und dann sehen wir weiter.« Jenna nahm den Eimer auf und wünschte Traudi einen geruhsamen Abend. Insgeheim hoffte sie, die Bäuerin würde es nicht schaffen, unbemerkt ein Büschel vom spärlichen Haar des Bauern abzuschneiden.
Auf dem Weg zur Schmiede war Jenna in Gedanken wieder bei ihren Kräutern und hoffte, dass Gernot mit seinen großen Füßen nicht allzu viele Pflanzen platt getrampelt hatte. Wenn ihr Mann den Bauch voll hatte, würde sie sich um ihre Kräuter kümmern.
Gernot saß auf einem Baumstumpf vor ihrer Hütte und stierte in den Krug, den er in den Händen hielt. Als Jenna an ihm vorbeischlich, sah er auf. »Hast du das Wasser in Köln geholt, oder was?«
Ohne etwas zu erwidern, begab sich Jenna in die Hütte zur Kochstelle und schüttete das Wasser in den Kessel.
»Hab schon das Feuer geschürt!«, rief Gernot in die Hütte. Offensichtlich war er nun etwas friedlicher gestimmt.
Jenna hörte seine Schritte hinter sich. »Übrigens hat der Hannes mir heute erzählt, dass deine Mutter eine Zaubersche gewesen sei. Stimmt das?« Jenna seufzte. Traudi hatte also bereits das Gerede angestachelt. Sie winkte mit dem Holzlöffel in ihrer Hand ab. »Was heißt eine Zaubersche? Hier und da hat sie sich am Wiederbringzauber versucht. Hat aber nur in den seltensten Fällen geklappt.«
Gernot kratzte sich am Kopf und wirkte ein wenig eingeschüchtert. »Und du? Zauberst du auch?«
»Ich? Ach was. Das ist nichts für mich.«
»Das will ich dir auch geraten haben«, murmelte er in seinen Bart und verließ die Hütte wieder.
Als Jenna den Brei aus Dinkelmehl mit einem Eidotter angerührt hatte, dämmerte es bereits. Sie rief nach Gernot, und kurz darauf nahmen sie schweigend das Mahl ein. Dabei musterte Jenna verstohlen ihren Mann. Er schob sich schmatzend einen Löffel nach dem anderen in den Mund. Was war ihr anderes übrig geblieben, als ihn zum Mann zu nehmen und den kleinen Hof ihrer Eltern zu verkaufen? Gernot hatte ihre Mitgift gern genommen und seine Schmiede damit ausgebaut. Ob er sie jedoch auch gern zur Frau genommen hatte, wagte Jenna an solchen Tagen wie heute zu bezweifeln.
Sie erhob sich und räumte die Schalen fort. Dann schaute sie hinaus zu ihrem Kräutergarten, der schon im Dunkeln lag. Es ergab keinen Sinn mehr, nach den Heilpflanzen zu sehen, also begab sie sich mit ihrem Mann bald darauf auf die Strohsäcke. Wie fast jeden Abend streichelte Gernot kurz ihre Oberschenkel unter dem Nachtgewand, schob ihr den Saum über die Hüften und legte sich auf sie.
Am nächsten Morgen stand Jenna vor Gernot auf und wärmte den restlichen Dinkelbrei vom Vorabend auf. Mittlerweile wusste sie zu gut, dass ihr Mann nur mit einem vollen Bauch umgänglich war. Nach dem Frühmahl zog sich Gernot pfeifend die Lederweste über, versetzte Jenna einen Klaps auf den Hintern und begab sich in die Schmiede unweit der Hütte.
Jenna machte sich auf in ihre Kräuterküche und sah sich um. Die Tiegel, die Gernot am Vortag zu Boden gefegt hatte, waren nur mit getrockneten Kräutern aus ihrem Garten gefüllt gewesen. Und der Sommer war noch lang genug, um neue zu ernten. Die seltenen Kräuter, die hierzulande nicht wuchsen, bewahrte Jenna in einer verschlossenen Truhe auf, sodass diese keinen Schaden genommen hatten. Neben einigen Tränken und Salben gehörten sie zu dem Erbe, das der Onkel ihr hinterlassen hatte. Bald wollte sie jedoch unbedingt nach Köln gehen, um dort auf den Märkten nach Heilpflanzen aus aller Herren Länder Ausschau zu halten. Und natürlich um ihren Vater zu besuchen.
Jenna hob die Tiegel auf, stellte sie wieder ins Regal und versuchte, so viel wie möglich von den auf dem Boden verstreuten Kräutern und Blüten zu retten. Später im Kräutergarten zupfte sie den platt getretenen Liebstöckel aus dem Boden. In der Hütte band sie das Kraut dann zusammen und hängte es zum Trocknen am Dachbalken auf. Gerade als sie sich die Hände an ihren Röcken abwischte, betrat Traudi mit einem Weidenkorb die Kräuterküche und wünschte Jenna einen guten Tag. Sie stellte den Korb auf den Tisch und holte zwei kleine, zusammengefaltete Leinentücher hervor.
»Hier sind die Haarbüschel. Eins vom Hannes und eins von mir.« Sie grinste. Dann griff sie wieder in den Korb und holte einige Eier heraus. »Und die sind als Bezahlung für das Betonikakraut gedacht.«
»Vielen Dank, Traudi.« Jenna reichte ihr das Leinensäckchen, das sie kurz zuvor mit dem getrockneten Kraut gefüllt hatte. »Bald werden deine Nächte wieder ruhiger sein.«
»Bis ich dann endlich mein Töchterchen habe.« Traudi sah sich verstohlen um. »Was machst du denn nun mit den Haaren?«
»Das ist ein Geheimnis.« Verschwörerisch spitzte Jenna die Lippen und legte den Zeigefinger darauf.
»Na ja. Hauptsache, es hilft. Muss ich sonst noch etwas beachten?«
Jenna sah zu dem Liebstöckel, den sie gerade aufgehängt hatte. Die Pflanzen hatten reichlich gelitten und würden ihr vielleicht nicht mehr nützlich sein. Jenna nahm sie wieder vom Dachbalken und reichte sie Traudi. »Hier, gib sie zu dem Wasser in deinem Badezuber und wasche dich damit. Der Duft wird deinen Hannes liebestoll machen.«
Traudi nahm die Pflanzen, roch daran und rümpfte die Nase. »Baden, sagst du? Ich? Ich weiß gar nicht, wann ich das letzte Mal gebadet habe. Hannes würde Verdacht schöpfen. Reicht denn nicht der Zauber, den du machst?«
Bei den Ausdünstungen, die Traudi verströmte, wagte Jenna dies zu bezweifeln. »Dann gib die Pflanzen halt dem Hannes ins Badewasser.«
»Wenn wir mal einen Badezuber hätten.«
»Dann lass es eben und koch einfach eine Suppe daraus.« Allmählich wurde Jenna ungeduldig, denn Traudi raubte ihr wertvolle Zeit.
»Wunderbar. Mit etwas Speck darin haben wir heute Mittag eine schmackhafte Mahlzeit.« Traudi legte das Kraut in den Korb.
»Lass den Speck weg und nimm lieber Hühnerfleisch, das schadet euch wenigstens nicht. Dazu solltet ihr viel Gemüse essen, das fördert eine gute Verdauung.«
Sichtlich angewidert verzog Traudi das Gesicht. »Ach, lass mal. Speck passt schon. Der Hannes braucht Fett auf die Rippen.«
Jenna zuckte mit den Schultern. »Wie du meinst. Aber wenn du willst, erzähle ich dir mehr von der Wirkung der Speisen auf die Säfte des Menschen.« Sie wusste, dass nicht alle Menschen einsehen wollten, was die Speisen in ihrem Leib bewirken konnten. Im Guten wie im Schlechten. Zu fette und zu blutreiche Speisen machten krank. Sie waren zu glitschig, und der Magen konnte sie nicht bis zur gesunden Verdauung in sich halten. So bekam der Mensch davon oft Bauchbeschwerden und am Ende womöglich die Gicht. Hingegen bestanden zum Beispiel die Saubohnen aus erwärmenden Stoffen und besaßen heilsame Kräfte, die gegen Nieren- und Darmleiden halfen.
Aber Traudi wollte davon wohl ebenfalls nichts wissen, denn sie reckte nur das Kinn vor. »Wann wirst du Hannes den Liebeszauber auferlegt haben?«
»Wenn alles gut klappt, legt sich Hannes heute Abend zu dir.«
Grinsend fuhr sich Traudi mit der Hand über die Hüfte. »Wunderbar! Bald bin ich endlich wieder in froher Erwartung. Du musst dann nur noch mal nachhelfen, damit es auch ein Mädchen wird.« Sie legte die Hand auf die Brust und neigte den Kopf zur Seite. »Ach, was bin ich froh, dass wir dich in unserem Weiler haben.« Sie schenkte Jenna ein ehrliches Lächeln. »Gehab dich wohl, meine Liebe.«
Jenna sah ihr nach, bis sie an der nächsten Weggabelung aus ihrem Blick verschwand, und schüttelte den Kopf. Wunder konnte und wollte sie gewiss keine vollbringen.
Nach dem Mittag begab sich Jenna erneut in ihre Kräuterküche und widmete sich dem Liebeszauber, den Traudi in Auftrag gegeben hatte. Dabei warf sie hin und wieder einen Blick aus dem Fenster, um nach dem Stand der Sonne zu sehen. Alles durfte Gernot ihr nehmen, nur nicht diese winzige Holzhütte, die einst als Schuppen gedient hatte. Jenna mochte sich nicht ausdenken, was wäre, wenn Gernot sie in Brand stecken und fast all ihre Schätze verloren gehen würden. Sie gab die Haarbüschel in den Topf mit dem kochenden Wasser über der Feuerstelle, warf einige Kaninchenknochen dazu und murmelte einen Zauberspruch. So recht wollten ihr die Worte nicht mehr einfallen, die ihre Mutter immer gesprochen hatte, deshalb erfand sie einfach noch welche dazu. Jeweils dreimal sprach sie diese aus, schloss den Zauber mit den Worten »Kreuz Teufel« ab und zuckte mit den Schultern. Dabei konnte sie sich ein Grinsen nicht verkneifen. Dieser Trank hatte so wenig Zauberkraft wie ein Eimer Wasser. Aber so wäre das Gerede über ihre Zauberkünste wenigstens rasch wieder vorbei.
Jenna wischte sich gerade die Hände an einem Tuch ab, als ein rothaariger Junge in die Kräuterküche stürmte. Das Kind, das sie noch nie zuvor gesehen hatte, schnappte nach Luft, ehe es rief: »Du musst zum Pfarrer nach Ossendorf kommen. Schnell!«
Jenna legte dem Jungen die Hand auf die Schulter, um ihn zu beruhigen. »Was ist denn mit dem Pfarrer?«
»Die Beine tun ihm ganz doll weh und dick sind sie auch. Und sogar die Füße sind geschwollen. Er kann nicht mehr seine Sandalen anziehen. Und gehen kann er auch nicht richtig.«
Jenna dachte nach und wägte ab. An dem Wasser in den Beinen würde der Pfarrer nicht gleich sterben. Wohl aber würde ihre Kräuterküche brennen, sollte Gernot nach getaner Arbeit abermals eine kalte Kochstelle vorfinden. Außerdem musste sie erst den Nelkensud ansetzen, der das Wasser aus den Beinen des Pfarrers treiben würde.
»Richte ihm aus, dass ich ihm morgen einen Heiltrank bringe«, sagte sie.
Der Junge riss die Augen auf. »Nein! Du musst sofort mitkommen, sonst zieht er mir die Ohren lang.«
Das konnte sich Jenna bildhaft vorstellen. Der Pfarrer war nicht zimperlich und dafür bekannt, dass ihm gern die Hand ausrutschte. Ihr Blick fiel auf die Ohren des Jungen, die aus seinem roten Schopf herausragten. Der Gedanke, dass der Pfarrer sie wegen ihr noch länger ziehen könnte, stach ihr ins Herz. Außerdem stand die Sonne noch recht hoch am Himmel. Wenn sie schnell ging, war sie gewiss vor dem Abend wieder daheim.
»Also gut«, stimmte sie zu. »Warte nur einen Augenblick.« Jenna öffnete die Deckel der Tiegel auf dem Regal und spähte nacheinander hinein, bis sie die getrockneten Nelkenknospen gefunden hatte. Gerade als sie einige davon in ein Tuch einschlagen wollte, trat Gernot in die Kräuterküche.
»Was will der Bengel hier?«, polterte er sofort los.
»Der Pfarrer aus Ossendorf ist krank. Ich soll zu ihm kommen.«
Gernot kniff die Augen zusammen. »Wie? Heute noch?«
»Er kann kaum gehen, es ist dringend.«
»Was hast du damit zu schaffen? Es ist bald an der Zeit, das Abendessen zu kochen. Soll der Pfarrer doch einen Medicus rufen, wenn es ihm schlecht geht.«
Verzweifelt sah Jenna zu Gernot auf. »Bitte, ich muss ihm helfen.«
Ihr Mann verdrehte die Augen. »An die Kochstelle musst du. Oder willst du, dass ich vor Hunger umfalle?« Er biss sich auf die Unterlippe und sah sie eindringlich an. »Gehorche besser, Weib.« Mit schweren Schritten verließ er die Hütte.
Der Junge hatte sich mit dem Rücken gegen die Wand gedrückt und sah zur Tür. Seine roten Haare zitterten wie Grashalme im Wind. »Ich gehe wohl besser wieder.«
Rasch drückte Jenna ihm das Tuch mit den Nelkenknospen in die kleine Hand. »Hier, gib das dem Pfarrer. Er soll zwei Stück über Nacht einweichen und den Sud morgen früh trinken. Weitere zwei kann er sofort kauen. Und die Beine soll er hochlegen. Sobald es mir möglich ist, werde ich morgen zu ihm kommen.«
Der Junge schloss die Finger um das Tuch und eilte aus der Hütte. Eine Wolke schob sich vor die Sonne, und in der Kräuter-küche schwand das Licht. Jenna blinzelte die aufsteigenden Tränen fort, verschloss den Tiegel mit den getrockneten Nelkenknospen und stellte ihn zurück auf das Regal.
Schweren Herzens begab sie sich dann in den Gemüsegarten hinter ihrer Wohnhütte und zog einige Rüben aus der Erde. Ihr Blick fiel auf den Holunderbusch am Rand der Beete. Sie legte ihre Ernte in einen Weidenkorb, trat zu dem Busch und schob die Zweige auseinander. Da lag er – der wertvollste Schatz, den sie je in ihrem Leben besessen hatte. Als sie die Holzkiste betrachtete, ging Jenna das Herz auf. Sie bückte sich, hob den Deckel an und schob die Schafshaut zur Seite, die ihren Schatz vor Nässe schützte. Sanft fuhr sie mit dem Zeigefinger über das feine Leder, in das die Abschriften aus den Büchern der Hildegard von Bingen eingeschlagen waren. Ein Erbe ihres Onkels, der diese bis kurz vor seinem Tod verfasst und abgezeichnet hatte. Es waren längst nicht alle Schriften, doch es waren die wichtigsten. Vor allem die, welche die Heilkräuter abbildeten und ihre Zubereitungen und Kräfte beschrieben. Wenn auch mühselig, konnte Jenna dennoch einige Wörter lesen, denn der Onkel hatte ihr nicht nur die Heilkünste beigebracht, sondern auch die Schrift, in der sie verfasst worden waren.
Eine Elster keckerte in den Baumwipfeln und holte Jenna aus ihren Gedanken. Rasch schob sie den Deckel auf die Kiste und bedeckte sie wieder mit den Zweigen des Holunders. Die Wolken waren verschwunden, und die Sonne brannte erneut heiß auf sie herab. Aus der Schmiede klang das gleichmäßige Schlagen des Hammers auf Metall. Jenna wischte sich den Schweiß von der Stirn, brachte den Korb mit den Rüben in die Hütte und eilte zum Keilershof, um Wasser zu holen.
Traudi schöpfte ebenfalls gerade am Brunnen Wasser und stöhnte. »Die feuchte Luft bringt mich noch um.« Sie tauchte die Hände in den Eimer und spritzte sich etwas Wasser ins Gesicht.
»Sicher wird es bald ein Gewitter geben«, sagte Jenna.
Traudi sah hinauf in den stahlblauen Himmel. »Niemals. Außerdem muss es ja nicht gleich ein Gewitter sein. Ein kräftiger Regenguss würde schon ausreichen. Die Felder könnten ihn brauchen.«
»Das ist wohl wahr. Meine Kräuter liegen auch schon fast am Boden.« Eilig ließ Jenna den Eimer in den Brunnen hinab. Sie befürchtete, Traudi würde sie um einen Regenzauber bitten. Doch die Bäuerin verabschiedete sich von ihr und ging zurück zu ihrem Haus. Jenna tat es ihr gleich und begab sich an ihre Kochstelle.
An diesem Abend hatte Gernot keinen Grund, sie zu rügen. Obwohl er wegen der Hitze den Schmiedehammer früher aus der Hand gelegt hatte, dampfte bereits der Eintopf im Kochkessel.
Auch am nächsten Morgen schien die Sonne von einem wolkenlosen Himmel. Nachdem Gernot sich in seine Schmiede begeben hatte, brach Jenna nach Ossendorf auf. Bereits auf halbem Weg vorbei an den Höfen spürte sie, wie ihr der Schweiß in Rinnsalen den Rücken hinablief. Sie dachte an Gernot, der in dieser Hitze am heißen Ofen arbeiten musste. Wen wunderte es, wenn er da missgelaunt und müde war? Irgendwie musste sie es schaffen, ihm gerecht zu werden. Andere Frauen bekamen es schließlich auch hin, neben dem Haushalt noch einer anderen Arbeit nachzugehen. Und das, obwohl sie Kinder hatten.
Die kleine Kirche von Ossendorf tauchte zwischen den mit Stroh gedeckten Dächern der Häuser auf, und Jenna beschleunigte ihren Schritt. Die Hitze flirrte bereits über den Feldern, und sie mochte nicht darüber nachdenken, wie unerträglich heiß der Tag noch werden würde. Am Wegesrand leuchtete der Mohn in der Sonne, und Jenna nahm sich vor, auf dem Nachhauseweg nach weiteren Pflanzen Ausschau zu halten.
Das kleine Haus des Pfarrers war aus Holzlatten gezimmert und lehnte sich gegen den Westflügel des Kirchenchors. Jenna klopfte gegen die windschiefe Tür, und als ein wehleidiges »Herein« ertönte, schob sie diese auf. Der Pfarrer ruhte rücklings auf seiner Bettstatt. Die geschwollenen Beine hatte er auf einem Strohsack hochgelagert.
»Wie ich sehe, geht es Euch noch nicht besser.« Jenna stellte einen Stuhl an die Schlafstätte und setzte sich.
Der Pfarrer schob die Unterlippe vor und schüttelte den Kopf so heftig, dass seine feisten Wangen erzitterten. Er erinnerte Jenna an ein Kleinkind, das gleich zu weinen beginnen würde. »Das Wasser will nicht weichen. Dabei muss ich doch heute Abend die Messe lesen!«
»Habt Ihr den Sud aus den Nelken angesetzt?« Sie sah zu der Kochstelle. Auf dem Tisch daneben lag unangerührt das Tuch mit den Blüten.
»Wie denn, wenn ich nicht aufstehen darf? Warum bist du gestern nicht gekommen, um mir zu helfen?« Der Bauch des Pfarrers hob und senkte sich unter seinem schweren Atem.
»Mein Mann hat mich nicht gehen lassen«, erwiderte Jenna knapp. »Aber wer hat denn gesagt, dass Ihr nicht aufstehen dürft?«
»Du hast es dem Jungen gesagt. Du hast gesagt, ich solle die Beine hochlegen.«
»Ja, das stimmt. Aber damit meinte ich nicht, dass Ihr Euch ans Bett fesseln sollt.« Jenna erhob sich, ging zu dem Kessel und sah hinein. Es befand sich noch etwas Wasser darin, das sie benutzte, um den Nelkensud aufzusetzen.
Der Pfarrer beobachtete sie. »Ist das mein Heiltrunk?«
»Ja, aber er muss leider bis zum Abend ziehen, damit er wirkt.«
»Ach herrje. Und nun? Kannst du nichts anderes tun?«
Sie gab ihm zwei Nelken in die Hand. »Zerkaut diese und schluckt sie hinunter. Ich mache Euch noch kalte Umschläge. Das müsste die Schwellung lindern.«
Der Pfarrer nickte und zeigte auf den Eimer. »Das Wasser ist frisch, und Tücher sind dort drüben in der Truhe.«
Kurz darauf wickelte Jenna nasse Tücher um die Beine des Pfarrers. »Ich befürchte, das Wasser wird sich wohl immer wieder in Euren Beinen festsetzen.«
Der Pfarrer sah sie entsetzt an. »Aber weshalb denn?«
»Die Säfte Eures Leibs sind durcheinandergeraten. Ich empfehle Euch eine Fastenkur.«
Angewidert verzog er das Gesicht. »Aber faste ich denn nicht schon genug?«
Der füllige Leib des Pfarrers überzeugte Jenna eher vom Gegenteil. »Anscheinend nicht richtig. Ihr solltet Eure Magd anweisen, Euch eine Fastensuppe zu kochen. Sie braucht dazu Dinkelkörner, Gemüse und …«
Der Pfarrer winkte ab. »Dazu ist meine Magd viel zu tumb. Das kann sie nie und nimmer.« Er seufzte und sah Jenna flehend an. »Kannst du mir nicht die Suppe kochen?«
Die Kochstelle im Haus des Pfarrers war mehr als dürftig ausgestattet. Zudem konnte sich Jenna nicht erlauben, noch länger von ihrer eigenen fernzubleiben. »Ich komme morgen wieder und bringe Euch einen Kessel mit der Suppe. Bis dahin nehmt einen Löffel von dem Ingwerpulver ein. Aber seid nicht bang, wenn Ihr Euch danach öfter entleeren müsst. Das Pulver treibt nur die schlechten Säfte aus dem Leib. Die guten bleiben Euch erhalten.«
»Oje. Das auch noch.« Der Pfarrer legte die Hand auf die Brust und sah gegen die Holzbalken an der Decke.
»Grämt Euch nicht. Ihr werdet schon wieder gesund.« Jenna griff nach ihrem Korb. »Ich muss jetzt gehen.«
Gleich am nächsten Morgen setzte Jenna das Gemüse und die Dinkelkörner auf und würzte die Suppe für den Pfarrer sparsam mit Galgant, Quendel und Bertram. Als sie sie köcheln ließ, dachte sie darüber nach, wie wertvoll doch der Galgant war. Sie hatte das Pulver ebenfalls von ihrem Onkel geerbt, und bald würde es zur Neige gehen. Wovon sollte sie neue Gewürze kaufen können, wenn ihr Vorrat aufgebraucht war? Jenna nahm sich vor, gleich nach Mittag zum Pfarrer zu gehen.
Sie fegte gerade die Kräuterküche aus, als Traudi zur Tür hereinkam. Strahlend stemmte die Bäuerin die Hände in die Hüften. »Jenna, du bist eine wahre Zauberin! Stell dir vor, der Hannes hat wirklich wieder bei mir gelegen. Nun musst du mir helfen, dass es ein Töchterchen wird und nicht wieder ein Bub.«
Jenna wurde es flau im Magen. Das konnte nur Zufall gewesen sein, da sie doch die meisten Wörter des Zauberspruchs erfunden hatte! Doch Traudi würde tratschen, sodass die Leute von weit her kämen, wenn sie von der Zauberschen erfuhren. Das durfte nicht sein. Jenna wollte nur die Heilmethoden der Hildegard anwenden und sonst nichts. Wie konnte sie nur so leichtsinnig gewesen sein?
»Hör zu, Traudi. Es war gewiss nicht der Zauber schuld, dass Hannes sich zu dir gelegt hat.«
»Aber sicher!« Traudi nickte heftig mit dem Kopf. »Wenn die Leute erst erfahren, wozu du fähig bist, wirst du eine gefragte Frau sein. Das kannst du mir glauben.«
Jenna riss die Augen auf und hob die Hände. »Nein, Traudi! Das will ich nicht. Ich bin keine Zaubersche. Erzähl das bitte nicht herum. Oder willst du, dass ich in Teufels Küche komme?«
»Wie? In Teufels Küche? Das verstehe ich nicht. Du schadest doch niemandem. Aber gut, wenn du es nicht willst, lasse ich es eben.« Sichtlich beleidigt senkte sie den Blick.
Jenna hoffte, dass sich Traudi auch daran hielt, glaubte jedoch nicht daran. »Wie hat dein Peterchen denn geschlafen?«, fragte sie, um das Gespräch auf die Heilkunst zu bringen.
»Na ja, als der Hannes auf mir gekeucht hat, ist er natürlich wieder wach geworden.«
»Vielleicht schläft er ja in der nächsten Nacht durch. Wenn nicht, lass es mich wissen. Dann koche ich ihm einen Aufguss, der ihn zusätzlich beruhigen wird.«
Traudi kicherte. »Den kannst du ruhig schon mal ansetzen. Wer weiß, wie lange dein Zauber noch anhält.«
Jenna hoffte abermals, der Schwindel würde bald in Vergessenheit geraten sein. »Wann hattest du deinen letzten Monatsfluss?«
»Ich glaube, letzten Vollmond.«
»Dann besteht durchaus die Möglichkeit, dass du empfangen hast. Ich glaube, es hat dann auch eher an dem Geruch deiner Fruchtbarkeit gelegen als an meinem Zauber. Männer haben eine Nase für so etwas.«
Traudi glotzte sie an. »Du meinst, wie bei den Hunden?« Sie schüttelte den Kopf. »Nee du, das ist mir aber noch nie aufgefallen.«
»Ich glaube fest daran.« Jenna begab sich zum Kessel und rührte die Fastensuppe um. »Kann ich dir sonst noch irgendwie helfen?«
»Danke, nein. Im Augenblick sind bei uns alle gesund. Bis auf unsere Sau, die tut sich schwer, weil sie bald wirft.« Traudi klopfte dreimal auf den Tisch. »Aber das wird schon werden«, sagte sie und verabschiedete sich.
Als Jenna nach dem Mittag wieder die vertrauten Schläge des Schmiedehammers vernahm, packte sie den Kessel mit der Suppe in den Korb und machte sich abermals auf den Weg nach Ossendorf. Auch an diesem Tag flirrte die Hitze über den Feldern, deren Erde mittlerweile staubtrocken war. Die Blätter der Gerste verfärbten sich bereits braun und hingen traurig an den Stängeln. Wenn es wirklich nicht bald regnete, würde ihnen eine Dürre drohen.
Als Jenna endlich vor dem Haus des Pfarrers stand, war ihr Mieder nass geschwitzt. Sie hob gerade die Hand, um an die Tür zu klopfen, da hörte sie von innen ein entsetzliches Keuchen. Sie erstarrte. Ob es dem Pfarrer so schlecht ging? Hatte sie die Schwellung seiner Beine etwa nicht ernst genug genommen? Jenna drückte eilig die Klinke hinab und betrat das Haus. Als sie sah, was sich dort auf der Schlafstätte zutrug, fiel ihr vor Schreck der Korb aus der Hand. Der Pfarrer lag immer noch rücklings auf dem Bett, doch auf seinem Schoß saß die Magd mit hochgeschobenen Röcken und entblößten Brüsten. Das Scheppern des Kessels auf dem Boden ließ die beiden in ihrem Treiben erstarren. Sie wandten die Köpfe und starrten Jenna aus großen Augen an.
Dann griff der Pfarrer nach dem Holzkreuz, das er an einem Band um den Hals trug, und richtete es mit zittriger Hand auf Jenna. »Gott steh mir bei!«, stieß er heiser aus.
Jenna nahm ihren Korb und den Kessel auf, zog schnell die Tür hinter sich zu und eilte zurück nach Buckelmeunt.