E I N E L I E B E I M S C H N E E
(DIE LIEBE AUF REISEN – BUCH 4)
SOPHIE LOVE
Sophie Love
#1 Bestseller-Autorin Sophie Love ist die Schöpferin der romantischen Comedy-Reihe, DIE PENSION IN SUNSET HARBOR, die aus 8 Bänden besteht und welche mit Band 1 beginnt FÜR JETZT UND FÜR IMMER (DIE PENSION IN SUNSET HARBOR – BUCH 1).
Sophie Love ist außerdem die Autorin einer neuen humorvollen Romantik-Reihe, DIE LIEBE AUF REISEN, die 5 Bände enthält (weitere in Arbeit) und mit DAS FESTIVAL DER LIEBE (DIE LIEBE AUF REISEN – BUCH 1) beginnt.
Sophie würde sehr gern von Dir hören, also besuche sie doch auf ihrer Webseite: http://www.sophieloveauthor.com.
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Copyright © 2018 by Sophie Love. Alle Rechte vorbehalten. Außer, wie gemäß dem U.S. Copyright Gesetz von 1976 ausdrücklich erlaubt, darf kein Teil dieser Veröffentlichung ohne vorherige Erlaubnis der Autorin vervielfältigt, verbreitet oder in irgendeiner Weise oder in irgendeiner Form übertragen, in einer Datenbank oder in einem Datenabfragesystem gespeichert werden. Dieses E-Book ist nur für den persönlichen Gebrauch zugelassen. Dieses E-Book darf nicht weiterverkauft oder an andere Personen weitergegeben werden. Wenn Sie sich dieses E-Book mit einer anderen Person teilen möchten, kaufen Sie bitte eine zusätzliche Kopie für jeden weiteren Empfänger. Wenn Sie dieses Buch lesen, es jedoch nicht selbst gekauft haben und es auch nicht ausschließlich für Ihren eigenen Gebrauch gekauft wurde, dann geben Sie es bitte zurück und erwerben eine eigene Kopie. Vielen Dank für Ihren Respekt für die harte Arbeit dieser Autorin. Bei diesem Buch handelt es sich um Fiktion. Namen, Charaktere, Unternehmen, Organisationen, Orte, Veranstaltungen und Vorkommnisse sind entweder das Produkt der Fantasie der Autorin oder sind fiktiv eingesetzt. Jede Ähnlichkeit mit real existierenden Personen, lebend oder tot, ist reiner Zufall. Umschlagbild Copyright vvita, unter der Lizenz von shutterstock.com.
BÜCHER VON SOPHIE LOVE
DIE PENSION IN SUNSET HARBOR
FÜR JETZT UND FÜR IMMER (Buch #1)
FÜR IMMER UND EWIG (Buch #2)
FÜR IMMER MIT DIR (Buch #3)
WENN ES DOCH NUR FÜR IMMER WÄRE (Buch #4)
FÜR IMMER UND EINEN TAG (Buch #5)
FÜR IMMER UND NOCH EIN TAG (Buch #6)
FÜR DICH, FÜR IMMER (Book #7)
FÜR IMMER WEIHNACHTEN (Book #8)
DIE LIEBE AUF REISEN
DAS FESTIVAL DER LIEBE (BUCH #1)
ITALIENISCHE NÄCHTE (BUCH #2)
L'AMOUR IN PARIS (BUCH #3)
EINE LIEBE IM SCHNEE (BUCH #4)
GRIECHISCHER ZAUBER (Book #5)
INHALTSVERZEICHNIS
KAPITEL EINS
KAPITEL ZWEI
KAPITEL DREI
KAPITEL VIER
KAPITEL FÜNF
KAPITEL SECHS
KAPITEL SIEBEN
KAPITEL ACHT
KAPITEL NEUN
KAPITEL ZEHN
KAPITEL ELF
KAPITEL ZWÖLF
KAPITEL DREIZEHN
KAPITEL VIERZEHN
KAPITEL FÜNFZEHN
KAPITEL SECHZEHN
KAPITEL SIEBZEHN
KAPITEL ACHTZEHN
KAPITEL NEUNZEHN
KAPITEL ZWANZIG
KAPITEL EINUNDZWANZIG
KAPITEL ZWEIUNDZWANZIG
KAPITEL DREIUNDZWANZIG
KAPITEL VIERUNDZWANZIG
KAPITEL FÜNFUNDZWANZIG
KAPITEL SECHSUNDZWANZIG
KAPITEL SIEBENUNDZWANZIG
KAPITEL ACHTUNDZWANZIG
KAPITEL NEUNUNDZWANZIG
KAPITEL DREISSIG
KAPITEL EINUNDDREISSIG
Keira öffnete ein Auge. Während ihr Gehirn langsam vom Schlaf in den Bewusstseinszustand überging, dämmerte ihr, wo sie sich befand. Bryns Couch. Immer noch. Genau wie gestern und den Tag davor und den Tag davor.
Sie stöhnte, kniff die Augen wieder zu und versuchte wieder einzuschlafen. Wenn sie schlief, verschwanden all die Dinge mit Cristiano. Sie konnte so tun, als hätte sie ihm nie das Herz gebrochen, als wäre sie niemals von der möglicherweise besten Liebe ihres Lebens davongelaufen. In ihren Träumen konnte sie auch so tun, als hätte sie ihr Leben unter Kontrolle, dass sie nicht noch immer auf Bryns Couch schlafen würde, ihre Tage damit verschwendete, Reality-TV zu schauen, die Anrufe ihrer Freunde ignorierte und noch immer die Bitte ihres Bosses Elliot, doch endlich den Ort für ihre nächste Reise auszusuchen, hinauszögerte.
Das Zimmer war dunkel im schwachen Licht des frühen Dezembers. Als sie dort auf der Couch lag und die Decke anstarrte, hörte Keira das Geräusch von fließendem Wasser. Die Dusche. Bryn musste schon wach sein, was wirklich ungewöhnlich war, wenn man bedachte, dass es ein Samstagmorgen war und Bryn bislang an jedem Samstagmorgen ihres Erwachsenenlebens verkatert gewesen war.
Verwirrt setzte Keira sich auf, die alte Couch knarrte unter ihr und sie konnte das Gurgeln der Kaffeemaschine hören. Sie konnte den Duft des Kaffees jetzt auch riechen. Bryn war wach und machte Kaffee? Das klang überhaupt nicht nach ihrer Schwester! Irgendetwas war los. Bryn war die Chaotin von ihnen beiden, aber in letzter Zeit war es Keira, die den ganzen Tag herumhing und nichts auf die Reihe brachte. Aber sie konnte nicht anders. Nach allem, was mit Cristiano passiert war, war sie einfach nicht bereit, sich der Welt zu stellen.
Keira hörte das Klicken des Schlosses der Badezimmertür, gefolgt vom Geräusch von Bryns Schritten, als sie den Flur entlang hüpfte. Keira konnte sie eine eintönige Melodie pfeifen hören. Sie kam um die Ecke. Sie war in ein gelbes Handtuch gewickelt und hatte ein weiteres Handtuch als Turban auf ihrem Kopf.
„Oh, du bist wach“, sagte Bryn, blieb stehen und grinste breit. „Ich habe Kaffee gemacht, möchtest du welchen?“
Keira runzelte misstrauisch ihre Stirn. „Warum hast du so gute Laune? Es ist Samstagmorgen. Warum bist du überhaupt wach?“
Bryn lachte. „Ich hatte einen ruhigen Abend zu Hause. Es stellt sich heraus, dass, wenn deine Leber nicht damit beschäftigt ist, Gifte aus deinem Körper zu filtern, man sich sogar ziemlich gut fühlt.“
„Ich habe schon seit Jahren versucht, dir das zu verklickern“, murmelte Keira. Sie sank zurück auf die Couch und starrte wieder die Decke an. Eine Sekunde später erschien Bryn Gesicht über ihr. Wasser tropfte von ihren nassen Haarsträhnen hinunter auf Keiras Gesicht.
„Du lieferst eine ziemlich überzeugende Darstellung einer Leiche ab“, sagte Bryn zu ihr.
Keira verschränkte beleidigt ihre Arme und drehte sich von ihrer Schwester weg.
„Das ist ja noch besser!“, witzelte Bryn.
Keira ignorierte sie einfach. Sie hörte, wie Bryn sich wegbewegte und zurück in ihr Zimmer ging, um sich für den Tag fertig zu machen. Keira fühlte sich schlecht, dass sie so schnippisch zu ihrer Schwester gewesen war, insbesondere in Anbetracht dessen, dass diese ihr einen riesigen Gefallen tat, sie kostenlos in ihrer Wohnung wohnen zu lassen. Aber dann erinnerte sie sich an die unzähligen Male, die Bryn zu ihr schnippisch und undankbar gewesen war und entschied, dass ein wenig vertauschte Rollen gar nicht so schlimm waren.
Sie hörte, wie Bryn zurück ins Wohnzimmer kam. „Ich gieße dir einen Kaffee ein“, teilte sie mit. Keira seufzte und setzte sich auf. „Ich will keinen Kaffee“, sagte sie. „Ich will überhaupt nichts, was meinen Schlaf unterbricht. Ich will einfach für immer schlafen.“
Sie sah hinüber zu Bryn, die ihre Aussage einfach ignorierte und ihr einen Kaffee, in der größten Kaffeetasse im Haus, eingoss. Sie kam hinüber und reichte ihn Keira.
„Ich werde dich nicht noch einen Tag auf dieser Couch verschwenden lassen, mit Netflix und Selbstmitleid“, sagte sie, als sie ihr die Tasse reichte. „Trink. Wache auf. Wann hast du dich das letzte Mal geduscht?“
Keira zog eine Grimasse, als sie die heiße Tasse nahm. „Donnerstagabend.“
Bryn rollte mit den Augen. Sie wirbelte zurück zum Küchentisch und goss sich ebenfalls eine Tasse Kaffee ein.
„Warum bist du überhaupt so früh wach?“, murmelte Keira und nippte an ihrem Kaffee. Er war brühend heiß. Sie stellte ihn auf den Kaffeetisch.
„Weil...“ sang Bryn, während sie sich auf ihre Zehenspitzen stellte, um eine neue Flasche ihres Lieblingskaramellsirups vom Küchenschrank zu greifen. „Felix und ich Pläne haben.“ Sie landete wieder auf ihren Füßen, Sirup in der Hand und grinste Keira triumphierend an.
Felix. Felix. Felix. Das war alles, worüber Bryn seit einiger Zeit überhaupt noch sprach. Sie war von einer Serien-Femme Fatale zu einer treuen Freundin geworden. Unter normalen Umständen wäre Keira außer sich vor Freude für ihre Schwester gewesen, dass diese sich endlich in eine feste Beziehung eingelassen hatte, aber Felix war im gleichen Alter wie ihre Mutter und Keira konnte sich nicht helfen, dies etwas unheimlich zu finden. Für sie klang es mehr, als hätte Bryn Vaterkomplexe entwickelt. Der Fakt, dass ihr eigener Vater sie verlassen hatte, als sie noch Babys waren, untermauerte die Wahrscheinlichkeit dieser Theorie stark.
„Welche Art Pläne?“, fragte Keira.
Sie sah, wie eine eindeutige Röte Bryns Hals hinaufschoss. Sie zuckte mit den Schultern, in einer Art, die Keira sofort als einen Versuch, lässig zu wirken, durchschaute. „Oh, wir wollen nur ein paar Einrichtungsgegenstände einkaufen.“
Keira kniff ihre Augen zusammen. Warum würde dies Bryn erröten lassen? Vielleicht, weil es eines dieser Dinge war, die Erwachsene taten und Bryn hatte, ähnlich wie Peter Pan, geschworen niemals erwachsen zu werden. Oder vielleicht war es ihrer Party-liebenden Schwester peinlich, zuzugeben, sie könnte genauso viel Spaß dabei haben, mit ihrem Liebhaber Lampen auszuwählen, wie damals, als sie noch die Nächte in New Yorker Nachtclubs durchtanzte. Oder...
„Wenn du Einrichtung sagst, meinst du keine dekorative Porzellankatze für den Kaminsims, oder?“, fragte Keira und drehte ihren Kopf, um einen besseren Blick auf Bryns Gesicht zu bekommen.
„Nein“, antwortete Bryn in ihrer gleichen Sing-sang-Stimme. „Ich meine eher Möbel.“
Keira schnappte nach Luft. „Warum suchst du Möbel mit Felix aus?“
Bryns Gesicht färbte sich sofort in einen tieferen Ton von Rot. „Er hat eine neue Wohnung, das ist alles. Es bedeutet überhaupt nichts. Höre auf mich so anzugucken!“
„Ziehst du bei ihm ein?“, forderte Keira mit einer weiteren schnellen Frage an ihre strauchelnde Schwester.
„Ich weiß es nicht“, lachte Bryn. „Wer weiß?“ Sie vergrub ihr Gesicht hinter der Kaffeetasse, in einem Versuch ihr Grinsen zu verstecken, aber sie versagte kläglich. Es gab keine Kaffeetasse auf der Welt, die groß genug wäre, um Bryns breites Grinsen hinter sich zu verstecken.
Keira war erstaunt. Sie konnte einfach nicht glauben, was sie da hörte. Ihre Schwester war endlich gezähmt worden. Die Dramatik war fast einen ihrer Artikel wert!
„Aber egal, höre auf zu versuchen, das Thema zu wechseln“, sagte Bryn plötzlich. „Wir sprachen über dich und darüber, dass du zum Stubenhocker wirst. Du kannst nicht noch ein Wochenende zu Hause verbringen. Bitte geh raus und unternehme etwas. Es ist wirklich nicht gut für dich, den ganzen Tag drinnen herumzusitzen.“
„Es ist kalt draußen“, stöhnte Keira.
„Und?“, antwortete Bryn. „Setze eine Mütze auf! Du wurdest in New York City geboren und bist hier aufgewachsen, du kannst die Kälte ab!“
Keira kaute auf ihrer Lippe. Sie erinnerte sich an eine Nachricht, die sie gestern Abend von Shelby erhalten hatte. Sie hatte ihr noch nicht geantwortet, aber ihre Freundin hatte sie zu einer Party am Samstagabend eingeladen, was heute war.
„Ich gehe heute Abend übrigens aus“, erzählte Keira Bryn in einem selbstgefälligen Ton.
„Wirklich?“, fragte Bryn und zog mit offensichtlichem Unglauben eine Augenbraue hoch.
„Ja“, antwortete Keira unverblümt. „Ich gehe zu einer Party. Ich wollte dich fragen, ob du mitkommst.“
„Das freut mich zu hören. Aber ich kann nicht. Felix und ich werden einen ruhigen Abend haben.“
Keira lachte laut los: „Wer bist du?“
Bryn lachte. Mit einem leichten Schulterzucken sagte sie: „Menschen ändern sich.“
Als Keira mit nicht mehr als einem kleinen Grunzen antwortete, setzte sich Bryn neben sie hin und streichelte ihr über den Rücken. Es war ungewöhnlich für Bryn, so fürsorglich zu sein.
„Ich weiß, dass dein Herz schmerzt“, sagte sie in einer beruhigenden, mütterlichen Stimme. „Aber im Schmerz zu versinken, wird dir nicht helfen zu heilen. Du musst aufstehen und dem Tag ins Auge sehen. Eine Dusche wird dir guttun.“
„In Ordnung“, grummelte Keira. „Ich habe schon verstanden.“
Sie stand von der Couch auf. Ihre Muskeln schmerzten. Und ihr verspannter Hals wurde langsam zu einer permanenten Angelegenheit.
„Ich werde schon weg sein, wenn du fertig bist“, sagte Bryn.
„Okay, viel Spaß wünsche ich dir“, sagte Keira. „Sag Hallo zu Felix von mir.“
Bryn wurde sofort wieder rot.
Keira ging ins Badezimmer und schüttelte ihren Kopf, erstaunt über die komplette Verwandlung von Bryn. Es war außerordentlich, wie sehr die Liebe eines Mannes ihre Schwester verändert hatte, dachte sie, während sie ihren schmuddeligen Schlafanzug auszog und das Wasser in der Dusche aufdrehte. Sie stieg in die Kabine und schloss die Tür hinter sich.
Als das Wasser über ihre Haare und Haut lief, staunte sie über den Rollentausch, durch den sie und ihre Schwester gingen. So viel Bryn sich zum Besseren gewandelt hatte, fühlte Keira sich, als hätte sie sich zum Schlechteren verändert. Das Ende der Beziehung mit Cristiano hatte sie wie ein Blitz getroffen. Es hatte sogar einen schlechten Einfluss auf ihre Arbeit. Elliot wollte sie unbedingt wieder auf Reisen schicken, für ihren nächsten Auftrag, aber sie hatten bereits drei Mal deswegen zusammengesessen und jedes Mal hatte Keira eine Ausrede gefunden, sich nicht auf einen Ort festlegen zu müssen. Wenn er drängelte, erinnerte sie ihn daran, wie er ihr nach dem letzten Auftrag mehr kreative Freiheit versprochen hatte und das würde ihn für einen Moment zum Schweigen bringen. Aber es konnte nicht für immer so weitergehen, das wusste sie. Genau wie in Bryns Wohnung zu wohnen und auf ihrer Couch zu schlafen, keine Dauerlösung war. Keira würde sich früher oder später zusammenreißen müssen.
Sie spülte den Schaum aus ihren Haaren und realisierte, dass Bryn recht gehabt hatte. Eine Dusche war genau, was sie brauchte, um ihren Geist in Schwung zu bringen. Vielleicht würde es gut für sie sein, heute Abend auf eine Party zu gehen, selbst wenn sie sich nicht danach fühlte. Manchmal sind, was du willst und was du brauchst, zwei verschiedene Dinge, sagte sie zu sich selbst. Diese Worte waren zu ihrem persönlichen Motto geworden, wann immer sie sich selbst wegen der Dinge, die mit Cristiano passiert waren, fertig machte. Nur weil sie ihn wollte, hieß das nicht, dass er der Richtige für sie war. Und dennoch, manchmal war es leichter, ihren eigenen Worten zu glauben, als denen von anderen.
Sie stieg aus der Dusche und wickelte sich in frische Handtücher ein. Sie ging zurück ins Wohnzimmer, um ein paar frische Sachen für den Tag zu finden. Alle ihre Sachen waren noch in Kisten und Koffern, aber sie hatte sich jetzt an diese Art zu leben so sehr gewöhnt, dass sie wusste, wo sie die meisten Dinge finden konnte. Das Oberteil, welches sie suchte, würde sich im Schuhkarton unter dem Kaffeetisch befinden. Sie hockte sich hinunter um heranzukommen. Als sie dies tat, fiel ihr Blick auf ihr Handy.
Sie bekämpfte den gewöhnlichen Drang nachzuschauen, ob Cristiano sich gemeldet hatte und griff stattdessen nach der Kiste und wühlte darin nach dem Oberteil, das sie wollte. Als sie es herauszog, erinnerte sie sich an das letzte Mal, als sie es getragen hatte: Paris, während einem ihrer romantischen Spaziergänge durch die verregnete Stadt. Ihr Herz schmerzte spürbar und sie ließ das Oberteil fallen und griff nach ihrem Handy, alle Willenskraft war plötzlich verschwunden.
Sie hatte keine Benachrichtigungen, aber prüfte jede App einzeln nur für den Fall, dass er sich entschlossen hatte, sie auf eine etwas unauffälligere Art zu kontaktieren, wie beispielsweise ein „Gefällt mir“ auf einem ihrer Fotos zu hinterlassen oder durch das Teilen eines Links zu einer relevanten Nachrichtenmeldung auf ihrer Pinnwand. Mit einem traurigen Seufzen merkte Keira, dass da nichts war. Cristiano hatte keinen Versuch unternommen, sie zu erreichen, nicht einmal ganz dezent, seit sie die Beziehung am Charles de Gaulle Flughafen beendet hatte.
Das unangenehme Gefühl in Keiras Brust ließ Keira realisieren, wie sehr sie es brauchte, ihre Freundinnen heute Abend zu sehen. Eine Party war vielleicht nicht die beste Umgebung für sie im Moment, aber Zeit mit Maxine und Shelby zu verbringen, würde ihr guttun. Zum ersten Mal seit langer Zeit konnte sie fühlen, dass sie sich auf menschliche Gesellschaft freute.
*
Keira eilte die Treppenstufen zu Shelby und Davids Haus hinauf. Es war eiskalt und sie trug nur in ein fast nicht existierendes, kleines schwarzes Kleid. Sie zitterte auf der Treppe, als sie immer wieder die Türklingel drückte, ungeduldig, dass jemand die Tür für sie öffnete.
Endlich öffnete sie sich und ließ Licht, Musik und Geschnatter hinaus zu Keira strömen. Sie rieb sich ihre Arme und sah hinauf zu Rob, Davids Bruder, der dort in der Tür stand.
„Hallo“, sagte er und sah an ihr hinauf und hinunter. Dann zeigte sich ein amüsiertes Stirnrunzeln zwischen seinen Augenbrauen. „Keira Swanson? Bist du es wirklich?“
„Ja“, antwortete Keira. „Kann ich hereinkommen? Ich bin am Erfrieren!“
„Natürlich!“, antwortete Rob und ging einen Schritt zur Seite. Keira eilte an ihm vorbei, aus der Dunkelheit hinein in den hell beleuchteten Flur. Er schloss die Tür hinter ihr. „Ich habe dich nicht erkannt. Du hast dich verändert.“
„Ich bin keine einundzwanzig mehr, falls es das ist, was du meinst“, antwortete Keira, als sie ihre Jacke auszog.
Rob nahm ihre Jacke ab und hängte sie auf einen freien Haken. „War das, als wir uns das letzte Mal gesehen haben?“
Keira nickte. „Ja. College Abschlussfeier.“ Die Hitze der Wohnung begann sie aufzuwärmen und sie hörte auf, ihre Arme so heftig zu rubbeln. „Also, wie geht es dir?“, fragte sie Rob in einem Versuch freundlichen Small Talk zu führen.
„Mir geht’s großartig“, antwortete er strahlend. „Ja, alles ist gut.“ Er kratze seinen Kopf, offenbar unsicher, was er sagen sollte. „Ähem, warum kommst du nicht rein?“
„Klar“, sagte Keira.
Mit einladender Handbewegung deutete er auf die Küchentür. Keira folgte den Geräuschen in Richtung Küche. David und Shelby hatten ein schönes Haus, insbesondere wenn man in Betracht zog, dass niemand sonst in ihrem Freundeskreis in der Lage war, bereits ein eigenes Haus zu kaufen. Zur Hölle, Keira konnte noch nicht einmal genug Geld zusammenkriegen, um die Kaution für eine Mietwohnung zu bezahlen!
Sie fand die anderen in der Küche, wo Shelby neben der großen Kücheninsel hockte und mit einigen Leuten redete, die Keira nicht kannte. Arbeitskollegen, schlussfolgerte Keira. Sie sahen alle hübsch zurechtgemacht aus mit ordentlichen Haaren, trendigen Outfits und selbstbewussten Lächeln. Keira fühlte sich plötzlich sehr unwohl in der Gegenwart dieser offensichtlich ruhigen, gefassten anderen Freunde von Shelby.
„Keira!“, rief Shelby aus, als sie Notiz von ihr nahm. „Du bist gekommen!“ Sie stellte ihr Glas klirrend auf die Küchenbank und wankte zu ihrer Freundin, ganz offensichtlich war sie schon etwas angetrunken. „Oh mein Gott, ich hätte nie gedacht, dich jemals wiederzusehen“, übertrieb sie und warf ihre Arme um Keiras Hals, um sie zu drücken.
Keira strich über den Arm, der sie würgte. „Sei nicht albern“, quietschte sie. „Ich habe mir nur eine Auszeit gegönnt.“
Shelby löste sich aus der engen Umarmung und sah an ihr auf und ab. „Wow, du siehst umwerfend aus!“ Sie zupfte das Material von Keiras Kleid mit den Fingern und ließ es zurück gegen ihre Hüfte schnippen. Dann drehte sie sich um und wandte sich an die Freunde im Raum. „Seht mal, wie umwerfend meine Freundin Keira aussieht!“, rief sie aus. „UND sie ist SINGLE!“
Keira errötete sofort. „Bitte, Shelby“, stotterte sie aus dem Mundwinkel. Sie fühlte sich nicht sonderlich attraktiv, insbesondere dank der extra Kilos, die sie in der letzten Zeit zugelegt hatte.
„Was denn?“, kicherte Shelby. „Du bist wieder zu haben und ich habe einige sehr gutaussehende Freunde. Und Süße, dein Hintern sieht fantastisch aus.“
„Es gibt einen Unterschied zwischen fantastisch und fett“, stammelte Keira. „Und ich bin noch nicht für etwas Neues bereit. Das ist buchstäblich mein erster Abend seit über zwei Wochen, an dem ich nicht Trübsal blase.“
„Okay, okay“, antwortete Shelby und rollte mit ihren Augen. „Ich werde dich nicht drängen. Aber ich hole dir ein Glas Wein.“ Sie grinste verschmitzt.
„Nein!“, protestierte Keira. Sie wusste nur zu gut, was für eine hemmungslose Betrunkene sie sein konnte und wie sie viel zu leicht zu viel trank, besonders, wenn sie so emotional war. Alkohol war das Letzte, was sie jetzt brauchte.
Aber es war zu spät. Ein überfülltes Glas mit Weißwein wurde durch die Menge zu ihr gereicht. Sie nahm es aus einer ausgestreckten, körperlosen Hand und versuchte durch die Lücke zwischen den Köpfen zu sehen, wer es war, der es ihr reichte.
„MAX!“, heulte Keira, als sie endlich bemerkte, dass die Hand zu ihrer anderen besten Freundin gehörte.
Max drückte sich durch eine kleine Lücke zwischen zwei Typen hindurch, die großgewachsen und unbeweglich dort standen und umarmte Keira.
„Hallo Fremde“, sagte sie. „Es ist so schön dich zu sehen.“ Sie lösten sich voneinander und Maxine lächelte sie an, ihre dunklen Augen glitzerten mit Fürsorge. „Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht, ich habe sogar eine Nachricht an deine Schwester geschickt.“
Keiras Augenbraue zog sich hoch. Maxine und Bryn konnten sich nicht ausstehen. Irgendein unerklärlicher Streit, an dessen Anfang sie sich beide nicht erinnern konnten, ließ ihre Beziehung im besten Fall frostig erscheinen.
„Davon hat sie mir nichts gesagt“, sagte Keira.
„Natürlich hat sie das nicht“, antwortete Maxine und rollte mit den Augen. „Egal, ich freue mich, dass du jetzt hier bist. Jetzt kann ich dir persönlich ins Gesicht sagen, dass du eine starke, mächtige, wundervolle Frau bist, die nicht von einem Mann definiert wird.“
Keira lachte. Es fühlte sich an, wie das erste echte Lächeln, das sie seit Tagen gelächelt hatte.
„Danke, Max“, sagte sie und stupste ihre Freundin an.
Sie fühlte sich ein wenig glücklicher und nippte an ihrem Wein. Er war gut, mit einem delikaten, leichten Geschmack. Sofort konnte sie sich Cristianos Stimme in ihrem Kopf vorstellen, wie er ihr sagte, der Wein würde wunderbar zu Meeresfrüchten passen. Sie fühlte einen Anfall von Verlust über sich kommen.
„Hast du bemerkt, dass Rob dich anstarrt?“, fragte Maxime plötzlich und unterbrach ihre Gedanken.
„Nein“, sagte Keira und sah hinüber zu ihm. Er stand auf der anderen Seite der Küche und lehnte sich gegen den Kühlschrank. Er sah sofort weg.
„Du solltest mit ihm reden“, drängte Maxine. „Er scheint dich zu mögen.“
Keira schüttelte den Kopf. „Ich bin nicht im richtigen Zustand im Moment, um gemocht zu werden. Cristiano war meine Ablenkung von Shane, erinnerst du dich? Und schau, wie das geendet ist.“
„Shane war die Ablenkung von Zach“, erinnerte sie Maxine. „Und das war die beste Entscheidung, die du in einer Weile für dich getroffen hast.“
Keira schüttelte wieder ihren Kopf. Sie sprach mit leiser Stimme: „Kann ich bitte nur einen Abend haben, ohne an irgendwelche Beziehungen denken zu müssen?“
Maxine stieß ein zögerliches Seufzen aus. „Also gut. Aber unter einer Bedingung.“ Sie nahm Keiras Hand. „Du tanzt den ganzen Abend mit mir!“
Keira atmete geräuschvoll aus, aber wehrte sich nicht übermäßig, als Maxine sie in die Mitte des Wohnzimmers schob. Die Sofas waren an die Wand geschoben worden, der Kaffeetisch an die Seite und es gab bereits einige andere Leute, die in dem Bereich in der Mitte tanzten. So mitten im Raum zu stehen, war bestimmt nicht Keiras erster Gedanke, wenn sie an Spaß dachte, aber alles war besser, als dazu gezwungen zu werden, mit jemandem zu flirten.
Shelby kam zu ihnen hinüber und warf ihre Arme um sie beide, Keira und Maxine.
„Meine Liebsten!“, heulte sie. „Habe ich euch in letzter Zeit mal gesagt, wie sehr ich euch liebe?“
Keira lachte.
„Jemand ist betrunken“, kommentierte Maxine.
„Ja!“, bestätigte Shelby. Dann erhob sie ihre Stimme und rief laut, um die Musik zu übertönen: „Und es fühlt sich fantastisch an!“
Sie begannen zusammen zu dem Song zu tanzen, mit albernen übermäßig enthusiastischen Tanzbewegungen. Keira ließ sich in den Moment fallen. Sie trank noch mehr von ihrem Wein und erlaubte sich selbst Spaß zu haben und sich ein bisschen gehen zu lassen. Mit ihren besten Freundinnen an ihrer Seite konnte sie die Zügel etwas lockerer lassen.
Ihr Glas war leer, als Shelby plötzlich lauf ausrief: „Oh mein Gott! Wann war das letzte Mal, dass wir gemeinsam Shots getrunken haben?“
Sie griff nach ihren Händen und sah sie beide mit erwartender Aufregung an, als hätte sie soeben die beste Idee auf der Welt gehabt.
„Auf gar keinen Fall“, sagte Keira und schüttelte ihren Kopf. Sie hatte bereits ein sehr großes Glas Wein getrunken. Da noch Shots hinzuzufügen, könnte gefährlich werden.
„Komm schon!“, sagte Shelby beleidigt. Sie sprang aufgeregt hoch und runter. Ihr Gesichtsausdruck und ihre zierliche Bauweise ließen sie ein bisschen wie eine launische Fee wirken. „Wir haben Tequila!“
Keira erinnerte sich, wie sie zusammen mit ihren beiden Freundinnen bei College Partys immer Tequila Shots getrunken hatte, es war fast wie ein Ritual gewesen, wenn sie zusammen ausgingen und sie erinnerte sich, wie viel Spaß sie immer gehabt hatten.
„Um der alten Zeiten willen?“, sagte Maxine und stieß sie an.
Einer kann vielleicht nicht schaden, dachte Keira.
„Okay, okay“, sagte sie endlich und gab zum wiederholten Male an diesem Abend dem Gruppenzwang nach.
Shelby griff Keiras Schultern und schob sie in Richtung Küchentresen. Maxine folgte ihnen im Gänsemarsch. Dort stand David, der mit einer Gruppe seiner männlichen Freunde sprach. Rob war ebenfalls dort.
„Schatz, wir trinken Tequila“, lallte Shelby, legte einen Arm um seine Schulter und gab ihm einen betrunkenen Kuss auf den Hals. Ihr Verlobungsring glitzerte unter dem hellen Licht.
David sah sie verliebt an und Keira musste wegsehen, als sie einen Anflug der Eifersucht tief in ihrem Magen spüren konnte. Als sie ihren Blick abwandte, sah sie unbeabsichtigt direkt in Robs Augen. Er schien den gleichen Ausdruck in seinem Gesicht zu zeigen, wie sie selbst, so als würde er den Neid zurückhalten müssen. Sie fragte sich, ob auch er gerade, so wie sie selbst, mit den Auswirkungen einer gescheiterten Beziehung zu tun hatte.
„Natürlich, mein Schatz“, sagte David zu Shelby und küsste ihre Nase.
Sie löste ihre Arme von seinem Hals und ging hinüber zu den Schränken und sammelte alles zusammen, was sie brauchen würden – die Tequila Flasche, Salz und Shot Gläser.
„Rob, kannst du bitte die Limetten holen?“, wies Shelby ihn an und deutete mit dem Finger auf den Kühlschrank, an den er sich lehnte.
Keira sah ihm zu, wie er eine Tüte mit Limetten aus dem Kühlschrank angelte. Er kam hinüber zum Tresen und legte sie dort hin.
„Ich trinke auch so einen“, sagte er und deutete auf die Reihe von Shot Gläsern, die David vor sich aufstellte.
„JA VERDAMMT!“, rief Shelby aus.
Sie griff nach einem Messer, um zu beginnen, die Limetten zu schneiden und sofort nahm Maxine es ihr aus der Hand.
„Lass mich das machen, okay, Süße?“, sagte Max mit einem Kichern.
Shelby nickte.
Sobald alles fertig war und die Shot Glaeser gefüllt waren, positionierten sich David, Rob, Keira, Maxine und Shelby vor ihnen und machten sich bereit für den Countdown.
„Drei, zwei, eins!“, rief Shelby aus.
Keira trank den Shot in einem Zug. Der Likör brannte sofort in ihrem Hals. Der Geschmack war intensiv und sie schluckte ihn schnell hinunter und fühlte, wie die Hitze in ihrer Speiseröhre brannte. Schmerzverzerrt leckte sie schnell das Salz, griff dann nach einem Stück Limette und saugte daran.
Mit tränenden Augen sah sie hinüber zu ihren Freunden. Shelby zog die Limette aus ihrem Mund und warf sie auf die Küchentresen, bevor sie plötzlich würgte. Dann drehte sie sich um und übergab sich ins Spülbecken.
David brach in Gelächter aus und eilte dann hinüber, um sie zu trösten. Maxine folgte ihm, warf ihre Limette weg und kicherte laut.
Keira war mit Rob zurückgeblieben. Sie sah zu ihm hinüber. Er lachte mit seiner Limette noch immer im Mund.
„Shelby ist so ein Fliegengewicht“, sagte er, als er sie endlich aus dem Mund nahm.
Keira nahm ihre eigene Limette aus ihrem Mund. Als der Tequila ihren Magen erreichte, breitete sich Wärme in ihrem Körper aus.
„Es liegt nicht an ihr“, sagte sie mit einem Lächeln. „Es gibt nicht viele Frauen um die 1,50 m und 50 Kilo, die viel Alkohol vertragen.“
„Dir scheint es zu bekommen“, kommentierte er.
Keira strich sich über ihren neuen runden Bauch, als wäre der die Erklärung dafür.
„Also, Rob“, sagte sie. „Was hältst du von deinem Shot?“
„Es war okay“, sagte Rob und zuckte beiläufig mit den Schultern. „Aber ich muss zugeben, ich bin eher ein Biertrinker. Aber ich dachte, ich probiere es mal aus.“
„Wie lobenswert“, antwortete Keira.
Sie konnte fühlen, wie ihre Wangen von der Mixtur aus Wein und Tequila warm wurden. Zum ersten Mal seit Tagen fühlte sie sich gewillt und in der Lage eine Unterhaltung zu führen.
„Also Rob, erzähle doch mal, was hast du die letzten...“, sie zählte in ihrem Kopf, „...sieben Jahre so gemacht?“
„Jede Zelle in meinem Körper regeneriert“, sagte er.
Keira verzog verwirrt ihr Gesicht. „Hä?“
„Sieben Jahre. Das ist, wie lange es dauert, bis sich jede Zelle deines Körpers regeneriert hat“, erklärte er. „Es gibt die Theorie, dass dies der Grund ist, warum es in Beziehungen das ‚verflixte siebte Jahr’ genannt wird.“
„Aha“, sagte Keira. „Ich glaube nicht, dass ich es jemals zu sieben Jahren in einer Beziehung schaffen werde.“
Rob lachte. „Nein. Ich auch nicht. Ich kann eins. Manchmal zwei. Aber alles darüber hinaus ist unerforschtes Gebiet.“
„Genau wie bei mir“, sagte Keira. Sie merkte schon, dass der Alkohol ihre Zunge etwas gelöst hatte. Es fühlte sich gut, wieder einmal eine Unterhaltung genießen zu können. Sie griff nach dem Tequila. „Noch einen?“
Rob hob seine Augenbrauen. „Klar.“
Keira goss ihnen beiden noch einen Shot ein. Nacheinander streuten sie sich gegenseitig Salz auf ihre Hände und dieses Mal zählte sie: „Drei, zwei, eins!“
Gemeinsam tranken sie den Tequila, knallten ihre Gläser gleichzeitig auf den Tisch, leckten das Salz von ihren Händen und griffen nach den Limetten. Sie griffen beide nach dem gleichen Stück und Keira schob verspielt seine Hand weg und stahl das Stück Limette. Sie saugte daran, lachte und nahm es dann aus ihren Lippen.
„Das hat Spaß—“, begann sie, aber ihr Satz wurde unterbrochen, als Rob sich plötzlich vorbeugte und sie küsste. Keira schob ihn von sich, sie war außer sich. „HEY!“, schrie sie ihn an. „Was zum Teufel war das denn?“
Rob sah geschockt aus. „Was meinst du denn?“, fragte er. „Du hast mit mir geflirtet.“
„NEIN, habe ich nicht!“, erwiderte Keira. Schlimmer noch, als die Lippen eines Fremden ohne ihr Einverständnis auf ihren eigenen zu spüren, war die Anschuldigung, dass sie ihm auf irgendeine Art grünes Licht dafür gegeben hätte, wenn dies ganz definitiv nicht der Fall gewesen war.
„Oh, ich bitte dich“, antwortete Rob empört. „Warum hast du mich dann die ganze Zeit angeschaut? Warum hast du mir noch ein Getränk angeboten?“
„Seit wann ist Angucken mit Flirten gleichzusetzen?“, antwortete Keira.
„Ähem, seit den Zeiten, als unsere Spezies klar unterscheidbare männliche und weibliche Körperteile entwickelt hat?“, erwiderte Rob.
Er sah wütend aus. Keira merkte, dass er tatsächlich ganz schön betrunken war. Er hatte es vorher nicht gezeigt, aber mit den zwei Tequila Shots in kürzester Zeit nacheinander, war er offensichtlich über die Grenze hinausgegangen, was sein Körper vertragen konnte und er sah plötzlich ziemlich zerzaust aus.
Keira drehe sich weg, sie war definitiv nicht bereit, mit einem betrunkenen Idioten die Nuancen des Flirtens zu diskutieren. Aber als sie von ihm fortlief, griff Rob plötzlich nach ihrem Arm und versuchte sie aufzuhalten.
„Hey“, sagte er. „Du solltest dich entschuldigen.“
„Wie bitte?“, wetterte sie und der Tequila in ihrem Magen verlieh ihr Selbstvertrauen. „DU solltest dich entschuldigen. Ich habe nichts gemacht.“
„Du hast mir etwas vorgemacht!“
Keira fühlte, wie die Wut sie übermannte. „Du bist ein Schwein!“, kreischte sie und griff nach dem nächsten Glas mit Alkohol. Sie fand ein stehengelassenes, volles Weinglas und schüttete den Inhalt in Robs Gesicht.
Sie eilte los, griff nach ihrem Mantel und verließ hastig das Haus, bevor irgendwer sie stoppen konnte. Sie wollte nicht von Maxine oder Shelby verfolgt werden, die versuchen würden, sie zu trösten. Alles was sie wollte, war einfach nur nach Hause zu gehen.
Als sie die Straße hinuntereilte, kam ihr glücklicherweise ein Taxi mit erleuchtetem Schild entgegen. Sie winkte dem Fahrer. Er hielt an der Bordsteinkante an und sie sprang hinein und gab dem Fahrer Bryns Adresse. Als sie davonfuhren, sah sie Maxine und Shelby zur Ausgangstür eilen und sich suchend umsehen. Sie winkte ihnen schwach von der Rückbank des Taxis aus zu, als sie am Haus vorbeifuhren und kauerte sich dann in ihren Sitz.
Ihre Wangen brannten vor Beschämung. Sie wühlte in ihrer Handtasche und griff nach ihrem Handy, um Shelby eine Entschuldigung zu schicken. Aber anstelle ihrer Freundin zu schreiben, schrieb sie stattdessen eine Nachricht an Cristiano. Drei kurze Worte.
Ich vermisse dich.
Als Keira am nächsten Morgen aufwachte, wurde sie von einem Gefühl der Demütigung erfasst. Erinnerungen an die Party kamen zu ihr zurück, an die Tequila Shots mit ihren Freunden und die ganze unangenehme Erfahrung mit Rob, der sie geküsst hatte und wie sie ihm dann den Wein ins Gesicht geschüttet hatte. Aber das war nicht das Schlimmste gewesen. Das Schlimmste, was passiert war, war, dass sie Cristiano eine Nachricht geschrieben hatte.
Sie schob ihre Decke weg, verhedderte sich jedoch darin, als sie eilig versuchte, ihr Handy zu finden und fiel schnurstracks hinunter auf ihr Hinterteil. Vom harten Fußboden aus stöhnte sie und griff nach dem Kaffeetisch, um sich daran hochzuziehen.
Als sie endlich ihr Handy in der Hand hielt, hatte sie zu viel Panik um nachzusehen. Sie zögerte mit ihrem Daumen über dem Knopf, bevor sie endlich ihre Angst überwand und den Daumen hinunterdrückte.
Sofort sah sie, dass sie mehrere Benachrichtigungen über SMS Nachrichten hatte. Ihr Herz schlug bis zum Hals. Könnte eine von ihnen von Cristiano sein? Sie drückte auf das Symbol.
Die erste Nachricht war von Maxine, die fragte, ob sie okay war. Die nächste; nochmal Maxine, in der sie bat, sie wissen zu lassen, ob sie gut nach Hause gekommen war. Dann mehrere von Shelby, mit einem Strom von nicht miteinander verbundenen Worten mit Rechtschreibfehlern, noch eine von Maxine von heute Morgen, in der sie schrieb, wenn Keira sich bis Mittag nicht gemeldet hatte, würde sie die Polizei rufen und schlussendlich eine Nachricht von ihrer Mom, die fragte, ob sie jemals Kokosnussmilch in ihrem Milchkaffee probiert hatte. Aber nichts von Cristiano.
Ihr Herz sank und Enttäuschung machte sich tief in ihrer Brust breit. Aber sie wurde schnell von einem anderen Gefühl ersetzt: Erleichterung. Sie hatte den ersten Schritt getan und die Wand der Stille zwischen ihnen eingerissen und Cristiano hatte gewählt, ihr nicht zu antworten. Wenigstens wusste sie jetzt, wo sie stand. Sie musste sich nicht mehr fragen. So schwer es auch war zu wissen, dass es wirklich vorbei war, war sie doch froh, dass sie es nun mit Sicherheit wusste.
Sie sah wieder auf Maxines Nachrichten und nun, nicht länger von den Gedanken an Cristiano abgelenkt, schenkte sie ihrer Freundin die Aufmerksamkeit, die sie verdiente.
Bist du okay, Süße? Die Sache mit Rob tut mir so leid! Was für ein Trottel. Ich kenne dich gut genug, um zu wissen, dass es dir wahrscheinlich peinlich ist, aber du bist jetzt gerade buchstäblich meine Heldin!
Sie lächelte zu sich selbst, ihre Demütigung und das Gefühl, dass sie einen Narren aus sich gemacht hatte, lösten sich langsam auf. Sie tippte eine Antwort.
Es tut mir leid, dass ich mich nicht früher gemeldet habe. Ich muss sofort eingeschlafen sein, als ich nach Hause kam. Natürlich ist es mir peinlich, aber wenigstens bist du stolz auf mich.
Sie schickte die Nachricht ab und wollte ihr Handy zur Seite legen, änderte dann aber ihrer Meinung und schickte noch eine Nachricht an ihre Mom, Mallory. Ja. Und es schmeckt lecker.
Sie hörte das Geräusch eines Schlüssels in der Tür und sprang vor Überraschung auf. Als sie sich umdrehte, um über ihre Schulter zu gucken, sah sie, wie Bryn in die Wohnung kam, gekleidet in Sportsachen, pink gefärbte Wangen, verschwitzter Haaransatz und ein breites Grinsen im Gesicht. Dann bemerkte Keira, dass sie nicht alleine war. Felix war im Schlepptau. Für einen älteren Herren sah er auf jeden Fall ziemlich gut aus in seiner Sportbekleidung. Er erinnerte sie ein wenig an ein ‚Vorher Modell’ für eine Werbung für Haarfarbe für Männer.
„Du bist wach“, sagte Bryn zu Keira und lächelte. „Wie war die Party?“
„Hätte besser sein können“, murmelte Keira als Antwort. „Wo wart ihr beiden denn?“
Bryn ging hinüber zur Spüle, um ihre leere Wasserflasche wieder aufzufüllen. Es war Felix, der Keiras Frage beantwortete.
„Wir waren gerade joggen“, sagte er.
Keira musste sich selbst stoppen zu fragen: „In deinem Alter?“ Stattdessen schaffte sie es, sich zurückzuhalten und fragte: „Zu dieser Zeit am Morgen?“
„Es ist die beste Zeit dafür“, antwortete Felix. Er hob eines seiner Beine, lehnte es auf einen der Hocker in der Küche und dehnte sich, um seine Zehen zu erreichen.
Er war fitter als Keira, so viel war offensichtlich. Sie hatte sich diesbezüglich komplett gehen lassen und ihre Hüfte begann langsam darunter zu leiden. Es war alles schön und gut nach Herzenslust zu essen und zu trinken, als sie noch die italienischen Berge hinauf und hinunter gewandert war, aber jetzt, da ihre Abende aus Dauerfernsehen und Brezeln bestanden, war das keine so gute Idee. Sie kniff sich in den Bauch. Der war definitiv weicher als früher. Sie würde bald etwas dagegen unternehmen müssen.
Bryn drehte sich um und nahm einen großen Schluck Wasser aus ihrer Flasche. „Hast du von Mom gehört?“
„Nur eine unwichtige Nachricht über Kokosnussmilch im Milchkaffee“, antwortete Keira.
Bryn lachte: „Sie verliert ihren Verstand. Sie sollte dir wegen des Abendessens heute Abend Bescheid geben.“
„Oh“, antwortete Keira.
„Also?“, fragte Bryn. „Was sagst du? Swanson Mädels Verabredung zum Abendessen?“
„Ist Felix nicht eingeladen?“, fragte Keira neugierig. Mallory schien Felix zu lieben; entweder das oder sie war einfach nur sehr erleichtert, dass Bryn endlich eine feste Beziehung eingegangen war.
Felix wechselte die Position, um sein anderes Bein zu dehnen. Er blickte Keira an, seine Hände waren ausgestreckt und hielten die Spitze seiner Turnschuhe fest. „Ich habe heute Abend Pläne mit meiner eigenen Familie. Meine Eltern haben ihren Hochzeitstag.“
Und erneut musste Keira sich auf die Zunge beißen, um sich zu stoppen, nicht etwas Gemeines herauszuprusten. Aber sie war wirklich überrascht, dass Felix Eltern gesund und munter waren. Sie mussten weit über achtzig sein, das gleiche Alter in dem Keiras Großeltern wären, wären sie noch am Leben.
„Das ist wunderbar“, brachte sie zustande zu sagen.
„Was soll ich Mom sagen?“, fragte Bryn.
„Sag ihr, okay“, antwortete Keira.
Vielleicht würde ein bisschen verhätschelt zu werden, ihr helfen, sich aus ihrem Trott zu befreien. Es gab nichts Besseres, als Mallorys mütterliche Rührseligkeit, um Keira daran zu erinnern, wie wichtig ihr ihre Unabhängigkeit war. Bryn und Felix nickten sich zu und gingen dann in Richtung Tür.
„Wohin geht ihr?“, fragte Keira.
„Die zweiten fünf Kilometer“, antwortete Bryn.
„Zehn vorm Frühstück war schon immer mein Motto“, fügte Felix hinzu.
Sie winkten und wirbelten zur Tür hinaus. Keira war überrascht. Es war schwer zu glauben, dass überhaupt jemand so körperlich aktiv sein konnte, ganz zu schweigen von einem Mann über sechzig. Sie fragte sich, wie lange das Training dauern würde, bis man zehn Kilometer rennen konnte und stellte fest, dass es wahrscheinlich überhaupt nicht sehr lange dauerte. Mit Sicherheit weniger, als ein Jahr. Felix könnte sein Fitnessprogramm nach seinem sechzigsten Geburtstag begonnen haben, soweit sie wusste. Es war niemals zu spät für Veränderungen.
Plötzlich realisierte sie, dass sie aufhören musste herumzusitzen und sich selbst zu bemitleiden.
Von einer Welle der Motivation beflügelt, griff Keira nach ihrer Arbeitstasche und holte ihr Notizbuch heraus. Sie schrieb eine schnelle Liste von all den Dingen, die sie in ihrem Leben verändern musste, einschließlich des Vorhabens, ein paar überflüssige Pfunde zu verlieren und ihren Haaransatz nachzufärben. Sie überflog die Liste und realisierte, dass es eine besonders wichtige Veränderung gab, die sie schnellstmöglich umsetzen musste, um ihr Leben wieder auf die Reihe zu kriegen. Das war, sich eine eigene Wohnung zu suchen. Je länger sie auf Bryns Couch schlief, desto schwieriger wurde es, sich vorzustellen, dass sie je wieder unabhängig auf ihren eigenen zwei Beinen stehen würde.
Sie griff nach ihrem Laptop und ging auf eine Immobilien Webseite. Sie hatte seit bestimmt zwei Jahren keine Wohnungspreise mehr studiert, da sie so lange mit Zach zusammen gewohnt hatte und die aktuellen Preise trieben ihr die Tränen in die Augen. Aber wenn sie ihre Arbeitsboni und die paar Tausend Dollar zusammenrechnete, die sie in den letzten Monaten gespart hatte, einfach nur deshalb, weil sie keine eigene Miete und für kein Essen zahlen musste, könnte sie vielleicht geradezu in der Lage sein, genug für eine Mietkaution zusammenzukratzen. Auf Papier sah sie wie eine sichere Sache aus, da sie eine sichere Anstellung mit gutem Einkommen nachweisen konnte. Zum ersten Mal seit Tagen fühlte sie einen Funken der Hoffnung.
Sie durchforstete die gesamte Liste der Wohnungen auf der Suche nach einer, die in ihrer Preisklasse lag. Die meisten von ihnen sahen ziemlich abgenutzt aus, aber sie mochte Heimwerkerprojekte und hatte kein Problem damit, wenn die Wohnung etwas renovierungsbedürftig war. Sie wollte nur etwas, das ihre eigenen vier Wände waren, einen Ort, den sie zu Hause nennen konnte, nachdem sie endlose Wochen in Hotelzimmern verbracht hatte.
Endlich fiel ihr eine Wohnung ins Auge. Eine Einzimmerwohnung mit Badezimmer weiter westlich von Manhattan, als sie sich normalerweise aufhielt. Nach den Fotos zu urteilen, sah sie so aus, als wäre sie die traurige, verkleinerte Mietwohnung eines Scheidungsopfers gewesen, aber Keira konnte an der faden, lieblosen Einrichtung vorbeischauen. Die Fenster waren riesig, die Decken hoch. Und ohne den grauen Teppich würde der Raum sogar noch größer wirken. Das Gebäude hatte eine Waschküche im Untergeschoss und war weniger als eine Meile von der U-Bahn-Station entfernt.
Es fühlte sich an, als sollte es sein.
Keira griff nach ihrem Handy und wählte die Nummer des Immobilienmaklers. Nachdem es ein paarmal geklingelt hatte, meldete sich die krächzende Stimme einer älteren Frau, mit einem wahrscheinlich über Jahrzehnte entwickelten, kratzigen Raucherhusten.
„Ich rufe an, um mich nach der Wohnung auf ihrer Webseite zu erkundigen“, sagte sie und erklärte, welche Wohnung sie interessierte.
„Oh ja, die ist ein Prachtstück“, antwortete die Frau. „Großartige Lage. Wie groß bist du?“
Keira war etwas überrascht über diese Frage. „Warum?“
„Weil die letzten zwei Typen, denen ich diese Wohnung gezeigt habe, so groß wie Basketballspieler waren und sie wollten mehr Platz. Eine Zeitverschwendung für alle Beteiligten. Und Zeit ist Geld, Kind. Also? Wie groß?“
„Ein Meter achtundfünfzig“, antwortete Keira.
„Perfekt“, krächzte die Frau. „Wann willst du sie dir angucken?“
Keira dachte an ihre Arbeit und die vielen Überstunden, die sie oftmals bei Viatorum arbeiten musste. „Ein Wochenende wäre am besten.“
„Was machst du heute?“, kam die Antwort der Frau. „Ich hatte eine Absage, also kann ich dich dazwischen schieben.“
„Heute?“, wiederholte Keira überrascht. Es war nicht so, dass sie irgendetwas anderes zu tun hätte. „Okay, ja. Heute passt gut!“