Copyright © by Mathias Voelchert GmbH
Verschriftlichung und Übertragung
ins Schriftdeutsche: Nuka Matthies
Verlagsredaktion: Mathias Voelchert GmbH
Umschlaggestaltung: Mathias Voelchert GmbH und Sead Mujić
Typografische Bearbeitung und Satz: Sead Mujić
Herstellung BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
Printed in Germany
ISBN 978-3-947101-35-1
Copyright für die deutsche Ausgabe 2020
© by Mathias Voelchert GmbH Verlag, Windberg, edition + plus
1. Auflage 2020
Alle Rechte vorbehalten. Reproduktion, Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, Wiedergabe auf elektronischen, fotomechanischen oder ähnlichen Wegen, Funk und Vortrag, auch auszugsweise, gerne mit schriftlicher Genehmigung der Copyrightinhaber.
Kontakt: mvg@mathias-voelchert.de
www.familylab.de
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Anmerkung des Herausgebers:
Wir haben uns entschieden, in diesem Text durchgängig die weibliche Form zu verwenden, wenn allgemein von Personengruppen die Rede ist. Natürlich sind in diesen Fällen immer alle Geschlechter gemeint.
Vorwort
Erziehen mit Herz und Hirn – Gespräch zwischen Jesper Juul und Gerald Hüther
Interview mit Jesper Juul
Die Vorstellung von perfekten Eltern ist absurd. Die besten Eltern, die ein Kind haben kann, sind diejenigen, die Verantwortung für ihre Fehler übernehmen, wenn sie ihnen bewußt werden.
Jesper Juul
In der familylab-Schriftenreihe finden Sie zeitlose Gedanken zu Beziehung und Familie von Jesper Juul, und anderen Autoren. Die Überlegungen können Eltern, Lehrern, Mitarbeitern, Menschen in Leitungsfunktionen, wie auch Fachleuten dazu dienen, die Qualität ihrer Beziehungen zu reflektieren und zu modifizieren.
Zu Jesper Juul
Jesper Juul, 1948–2019 wurde in Dänemark geboren, war Lehrer, Gruppen- und Familientherapeut, Konfliktberater und Buchautor. Er war bis 2004 Leiter des »Kempler Institute of Scandinavia«, welches er 1979 gründete. Mit 16 Jahren fuhr er zur See, jobbte später als Bauarbeiter, Tellerwäscher und Barkeeper. 1972 schloss er sein Studium der Geschichte, Religionspädagogik und europäischen Geistesgeschichte ab. Statt die Lehrerlaufbahn einzuschlagen, nahm er eine Stelle als Heimerzieher und später als Sozialarbeiter an und bildete sich in Holland und den USA bei Walter Kempler zum Familientherapeuten weiter. Seit Anfang der 1990er Jahre arbeitete er in Kroatien mit Flüchtlingsfamilien. 2004 gründete er familylab International. Mathias Voelchert gründete in Zusammenarbeit mit Jesper Juul familylab Deutschland im Jahr 2006. Familylab bietet Elternkurse, Schulungen und Weiterbildungen in Deutschland, Österreich, der Schweiz und mittlerweile in 22 weiteren Ländern an. Jesper Juul starb im July 2019 in Dänemark.
Im Jahr 2008 fand ein richtungweisendes Gespräch zwischen Jesper Juul und Prof. Gerald Hüther in München im Literaturhaus statt. Es war ein festlicher Anlass, mit einer großen Zuhörerschaft, zu wichtigen Themen wie:
Ein dutzend Jahre später, nach diesem Lifegespräch, hat sich bei einem stetig wachsenden Teil der Eltern, eine wesentlich freundlichere Haltung gegenüber ihren Kindern eingestellt. Eltern haben verstanden, dass Ihre Kinder Ihre Führung brauchen, jedoch nicht gehorchen müssen. Das ist bisher leider noch nicht in größerem Maß in unseren Schulen angekommen. Im aktuellen Schulsystem setzt man immer noch auf Disziplinierung, Notendruck, überfüllte Lehrpläne, Lehrermangel, und geht unfreundlich mit den wichtigsten Erwachsenen um, die es nach den Eltern für Kinder gibt, den Lehrerinnen und Lehrern. Z.B. müssen sich Lehrer in den großen Ferien arbeitslos melden, weil ihre Zeitverträge davor enden. Nach den Ferien erwartet man sie wieder mit frischem Mut und gut erholt, und das Spiel beginnt von vorne. 2019/2020 ist den 16 Kultusministerien aufgefallen, dass 6 Jahre zuvor mehr Kinder als erwartet geboren wurden, für die sie 6 Jahre später Lehrer brauchen würden (z.B. 26 300 Grundschullehrer fehlen, Quelle: SZ vom 6.12.2019). Kinder, Eltern, Lehrer, Schulleitungen müssen diese bürokratische Fehlleistung nun ausbaden.
Schule bietet immer mehr Kindern keinen verstehbaren, tragfähigen, insbesondere Sicherheit gebenden Rahmen mehr. Kinder, die aus der Reihe tanzen, manchmal sogar als »Systemsprenger« bezeichnet werden, kann nicht mehr in ihrer Not geholfen werden. Als Mittel der Wahl gelten ruhigstellende Medikamente. Anstatt wirklich in Beziehung zu treten und diesen – wie allen Kindern – Klarheit und Sicherheit, Berechenbarkeit, Zeit anzubieten, von dem ihre Eltern ihnen wahrscheinlich nicht genügend mitgeben konnten. Anstatt also in persönliche Beziehung zu treten, verweisen Lehrerinnen und Lehrer mit Recht darauf, dass sie dafür nicht ausgebildet wurden. Doch anstatt verstärkt darin zu investieren, dass diese Lücke zügig geschlossen wird, bleibt es beim Lamentieren. Wenn man Gespräche in den Lehrerzimmern mitbekommt, bemerkt man auch, dass Schule immer noch Teil des Problems ist. Und es wohl noch einige Zeit dauern wird, bis sich Schule als Teil der Lösung verstehen kann, und entsprechend handelt.
Zwei der großen Impulsgeber für eine Pädagogik der Zukunft: Der Familientherapeut Jesper Juul und der Gehirnforscher Prof. Dr. Gerald Hüther im Gespräch darüber, was Kinder wirklich brauchen und wie eine Erziehung mit Herz und Hirn aussehen kann. Erleben Sie eine Sternstunde der Pädagogik. Zwei von tiefer Menschlichkeit und großer fachlicher Kompetenz geleitete Wissenschaftler und Praktiker im Dialog.
Jesper Juul: »Es gibt heute einen Trend: ›Man muss Kinder erziehen‹ – dabei glaube ich, dass Kinder in den ersten 3–4 Jahren nur eine liebevolle Begleitung brauchen. Wir haben so viel Freiheit bekommen, jetzt müssen wir verantwortlich sein. Man kann entweder verantwortlich sein (für sich selbst) oder man wird Opfer (von seinen Kindern, Partner, oder anderen).«
Gerald Hüther: »Ich glaube, dass wir an einer Zeitenwende stehen, etwas wie eine zweite Aufklärung, wo es nicht mehr um die Gestaltung im Außen geht, sondern wo es darum geht uns selber zu verstehen. Uns selbst gegenseitig die Chance zu geben unsere Potenziale zu gestalten! Dazu bräuchten wir keine andere Schule! Dazu bräuchten wir eine andere Beziehungskultur.«