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1. Auflage 2021
Umschlaggestaltung: Michael Reichmuth (Illustration: JL G, pixabay)
Sämtliche Rechte an den einzelnen Beiträgen sind den Autoren vorbehalten.
Printed in Germany
Deines Herzens Dichtung,
ohne Worte der Klang,
meines Sehnens Richtung,
zu finden den Gang.
Für dich erst erfunden,
das Spiel der Worte,
musste sie erst erkunden,
zu erreichen die Pforte.
Ein Schloss an dem Tor,
nun zweifelnd ich schwor,
welch’ Zauber denn kann
ohne Worte so binden?
Mein Scheitern daran,
werd ich ihn je finden?
Du hast mich gelehrt,
wer suche, wer horte,
zu greifen begehrt,
lass los selbst die Worte!
Ihrer Muse Gewinn,
Spiel meines Herzens,
des Reimes sein Sinn,
nun Meister meiner Schmerzen.
Über Zweifel erhaben,
die Melodie, die berührt,
des Dichters Begaben,
die Gedanken entführt.
Du einziger Stern
im Meer aller Sonnen,
erst nah, nun ganz fern,
mein Herz hast du gewonnen.
Vom Küssen die Träume,
was ist schon real,
süßer Duft Haares Säume,
mein Herz es befahl.
Die Sehnsucht ist Flucht,
das Heimweh des Herzens,
Einkehr gesucht,
zu beenden die Schmerzen.
Leidenschaft wie auch Fluch
meine Augen erblicken,
Begierde dort ruht,
der Duft ihrer Lippen.
Jedes Anfangs Magie,
der Liebende sie sucht,
wird fangen ihn nie,
den Moment wie die Luft.
Zeitentrissen wie wundersam still,
der Moment im ewigen Beginn,
vermag einzig erhoffen,
er enden nie will.
38.
„Liebe bunte Versemännchen,
kerzengerad wie Gartentännchen“ ,
schilt es? „Brav wie Spielzeuglämmchen,
auf den Köpfen Glühwurmflämmchen?
Kleine Köpfchen, schöne Füßchen,
die sich gern symmetrisch heben,
meist am Ende Hände geben
und kaum hinken (mal ein bißchen)?
Ob die Flämmchen lustig blinken,
weil sie auf Brandwut Verzicht tun?
Sollten sie nicht hinkend winken,
und wer sagt, daß sie es nicht tun?“
Eva (zwar verrätrisch)
war nicht asymmetrisch –
wir nun? Vorwind weht frisch:
Sollen Singer, Klinger,
Springer, Flämmchenschwinger
(spätre Freudebringer?)
recht gen Versland wandern,
gab gleich vielen andern
hilfreich man uns Finger.
39.
Eins, zwei, drei– | gemein und fein, | |
ich bin getreu; | ein weher Schrein | |
vier, fünf, sechs– | voll Daseinspein | |
groß heißt die Hex; | und Sternenschein; | |
sieben, acht, neun– | soll niemand belohnen, | |
bin Schein und Sein, | drin wohnen und thronen | |
eng im Gebein; | als Magnamaga allein. | |
mein Herz ist dein, | ||
kein Stein, kein Wein, | Und nun zehn – | |
amen, amen. |
P(ost) P(recationem): Elf und zwölf –
Ahne Wölfelfe helf.
(Unsre Hexe, wie man sieht,
hat durchaus Herz und Gemüt.)
40.
Das Vielheitskind, ins Zimmer eingesperrt,
spielt und entdeckt entlegne Ecken –
da drin trieb es Asmodi, hohnverzerrt
einst eine Bombe zu verstecken.
(Im Globuszimmer. Und schwer zu entdecken.)
Es spielt das Kind, eilige Zeit verrinnt,
wer weiß, wo beides schließlich mündet.
Groß wachsen Kind und Neugier windgeschwind;
Mut zittert: Wenns die Bombe findet?
(Zeitquelle quillt, schwillt, mündet und verschwindet.)
Ernst spricht die Hex: „Du siehsts und spürsts an dir,
der Viel ist immer noch sehr Tier.
Wir sollen, wollen uns jedoch erheben
und recht vom Tierhaften wegstreben?“
(Spielend das Kind, die Zeit treibt ihr Pläsier –
der alte Hexenmeister? Nicht mehr hier.)
41.
Im Nordost-Harz bei Thale, gegenüber
der Roßtrappe im Tal der Bode steht er;
auf ihm umtreibt sichs nächtlich wie im Fieber.
(Höhe: vierhunderteinundfünfzig Meter
über Meeresspiegel.)
Herr, o gib uns Flügel.
Auf laßt uns fahren. Matter Viertelmond,
grünliches Feuer, drum ein wilder Reigen,
der weder Felsscheitel noch Füße schont;
was Hexen angstverstecktem Lauscher zeigen,
sprengt festeste Riegel.
(Herr, matt deine Flügel –)
Es schwärmt und schwirrt verrücktestes Gefaxe
toll um des Berges unsichtbare Achse,
dienend, daß Klarheit völlig jetzt erwachse,
Kult, Tradition, Vergnügen, Prophylaxe
ohne Zaum und Zügel.
(Herr, schützen uns Flügel?)
A. Opfertänze – welch ein Kult:
Fortgewirbelt Sanftheit, Huld;
Flammkopf führt Regie; Weltschuld
stirbt vorm Fluchbuch, am Bockspult;
Lauschendem dehnt sich Geduld.
B. Ankerseil der Tradition:
Ahnehrend – vertrauten Ton
meckert durch das Hexophon
Flammkopfs bester Hexensohn,
Lauschharrendem guter Lohn.
C. Tanzplatzfreundliches Vergnügen:
Zappellust, werktags verschwiegen,
darf jetzt wirbeln, stoßen, wiegen,
reulos sich an Tierglück schmiegen;
Lauscher muß berichtend lügen.
D. Hexekstases Prophylaxe:
Neu massiert sonst träge Haxe,
bannt Bazillengören, -schlakse;
Lauscher staunt – es flüchten Dachse
reimergeben gar und Lachse.
Den Mondmann schauderts. Grün Geflamme knistert.
Wir lernten: waren nicht, werden nie Tänzer;
kulturlos-urwaldhaftem Einst verschwistert
solch Kunst, prägt uns zu ewigem Tanzwutschwänzer.
Lack Petschaft. Schluß. (Siegel.)
Herr, o nimm die Flügel
bitte zurück!
(Und keinen Blick
mehr auf dies Stück.)
42. EIN FESTTAG
Unsrer lieben Kret Geburtstag
stimmt uns nachsichtig und weich,
läßt uns herzlich gratulieren
(hag schrieb zu ebendem Zwecke
eigens übern großen Teich).
Theophil- und Mäxchen haben
ihren Tisch mit Mandeltorte
und mit Kerzen schön bereichert;
um den Stuhl flochten sie eine
grün- und blütenbunte Borte.
Still die Feier, keine Gäste;
leise tönt Eminorator,
Seele hebend; Kaffee mundet –
Wunsch der klugen Jubilarin
war wie stets Organisator.
Post kam ihr jedoch von vielen,
und die mag sie gerne lesen;
denn da fühlt sie gut und wahrer
als bei leiblicher Präsenz der
Adressaten innres Wesen.
Ganz im Namen Magnamagas
gratulieren Gluthaar,
Feuerhaupt und Flammenkopf steif für die
MAGAE; Frau Statistik sendet
einen Zahlenstrauß; Goldschleier-
Briefchen grüßt vom gelben Elfchen;
Onkel Pauls reizendes Schreiben
duftet nach Zigarre; Dr.
Konjunktiv schickt eine
Glückwunschkarte; stets so hexig bleiben
möge sie, wünscht witzelnd aus der
Stadt des Fortlaufs Vetter Sim;
auch von beiden Kränzchenschwestern
kommt ein Brief; und Madam Vielheit
gratuliert ganz ohne Grimm.
Abends sitzt sie bei der Lampe,
wie gewohnt an Feiertagen,
Max und Theophil die reiche
Post vorführend mit Behagen …
„Und welch Lebensjahr ziert unsre
Hex nun?“ hört man Leser sagen –
ei potzblitz! Wer wird schon nach dem
Alter einer Dame fragen.
43. FATUM ODER FATALITÄT
„?“ Niemals. Wer zum Hexographen
auf die Welt kam und zum braven,
treuen Raritätenhorter,
taugte und taugt keinesfalls
(dessen sind wir sicher) als
Eminuvisorreporter.
(Aus einer Hexe wird auch kein Pharmazierat.)
– Sechs vorangegangenen Stücken folgen sieben weitere –
44.
Still äußerte Dr. Konjunktiv,
der bei ‚wenn‘ et cetera nie schlief:
„Vieles findet statt, | Ahnt – wir sind noch Kind –, | ||
zum Beispiel | daß schließlich | ||
Ereignis, | Geglaubtes, | ||
Verständnis, | Geschautes, | ||
Beschreibnis, | Bestauntes, | ||
Erkenntnis– | Vertrautes | ||
wendet auch das Blatt. | völlig anders sind.“ |
(Seinen Bruder bringts im Nu aus der Ruh, der fügt hinzu:
„Bewährtes – verehrt es; Verkehrtes – zerstört es!“)
45.
Wenig Licht im Dunkeln habend,
schwer sich durch dies Dunkel grabend,
lebt man mühevoll, sich grausend
schon so manch liebes Jahrtausend.
Ständig spürt die gleichen Nöte
jedermann (Kröte und Flöte),
hat die gleichen bangen Fragen
und die gleichen starken Klagen.
Man erwartet wohl von ihr,
die im schönen Waldrevier
heimlich wuselt, Hilf und Rat?
(Gar nach Hexschluß und privat?)
Gern gäb Rat kluge Viel-Welt,
deren Geist sehr auf sich hält,
hilft ihr Will, wenn sie nicht kann?
(Besser wär, sie nähm Rat an.)
Kret, die niemand Rat verspricht,
könnte raten: die tuts nicht;
uns frommt weder Ruh noch Rat,
uns hilft einzig gute Tat.
Riechen wir auch früh den Braten,
Weisheit blüht allein in Raten;
gut rät – sie ist auf dem Kien –
nur Frau Stadtrat Dobbertin.
46. ARIA LYCOPODIANA
Glänzend in flacher Mulde farbige Küglein: