Fabian Grolimund
Vom Aufschieber
zum Lernprofi
Bessere Noten, weniger Stress,
mehr Freizeit
© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2018
Alle Rechte vorbehalten
www.herder.de
Umschlaggestaltung: Gestaltungssaal, Rosenheim
Umschlagmotiv: © theromb – 123RF
Abbildungen im Innenteil: Clémence Haller
E-Book-Konvertierung: Carsten Klein
ISBN E-Book 978-3-451-81318-4
ISBN Print 978-3-451-60035-7
Impressum
Hole das Maximum aus diesem Buch heraus
Teil I
Tausche Müllzeit gegen Lern- und Freizeit
Nimm dir frei
Nutze kurze, effektive Arbeitseinheiten
Beginne nur kurz
Hüte dich vor der Flow-Falle
Schreibe eine Have-done-Liste
Arbeite à la carte
Verbringe dein Leben nicht auf dem Beifahrersitz
Stell dich deinen Dämonen
Befreie dich vom Sollen und Müssen
Behindere dich nicht selbst, nur um klug zu wirken
Hole dir Feedback ein
Überwinde die Angst vor Erfolg
Finde deine Berufung
Engagiere dich
Sei kein Rebell
Schone deine Willenskraft
Nutze deine Prime-Time
Werde produktiv: durch Pausen und ein kurzes Nickerchen
Lass Routinen für dich arbeiten
Stähle deinen Willen
Pfeif auf positives Denken
Überwinde jedes Hindernis
WOOPe dich ins Ziel
Zusammenfassung: Die Aufschiebeformel
Teil II
Mach dir das Leben leichter. Mit den richtigen Strategien ...
Gehe Arbeiten geschickt an
Informiere dich, wie und was geprüft wird
Nutze die Lernstrategien der Profis
Bleib dran
Literatur
Über den Autor
Dieses Buch soll dir dabei helfen:
Bist du gerade unter Druck, weil Prüfungen anstehen, der Abgabetermin einer Arbeit näher rückt? Oder sollst du ein Thema für eine Seminar-, Bachelor- oder Masterarbeit finden? Dann profitierst du am meisten, wenn du mit dem zweiten Teil beginnst. Ab Seite 153 lernst du Strategien kennen, die dir dabei helfen, dich bei der Prüfungsvorbereitung auf das Wesentliche zu fokussieren und schriftliche Arbeiten geschickt aufzugleisen.
Falls du Prüfungen vorbereiten oder eine Arbeit schreiben solltest, die Arbeit jedoch vor dir herschiebst, steigst du besser gleich mit dem ersten Kapitel ein. Der erste Teil des Buches besteht aus einer Vielzahl von kurzen Übungen, die dir den Einstieg erleichtern und dich dazu motivieren, dranzubleiben. Wenn du die Übungen machst, wirst du dich im Laufe des Buches besser kennenlernen. Du wirst merken, unter welchen äußeren Bedingungen du am besten arbeiten kannst, welche Strategien dir beim Einstieg in die Arbeit helfen und wie dir das Lernen und Schreiben vielleicht sogar so viel Freude bereiten können, dass du nicht mehr auf den Druck von Deadlines angewiesen bist.
Vielleicht willst du noch etwas über mich wissen? Ich heiße Fabian Grolimund oder einfach Fabian (ich hoffe, es ist in Ordnung, wenn wir uns duzen), bin Psychologe und leite gemeinsam mit Stefanie Rietzler die Akademie für Lerncoaching in Zürich, die Weiterbildungen in Lerncoaching für Fachpersonen sowie Seminare für Studierende, Eltern und Kinder anbietet.
Die Zeichnungen in diesem Buch stammen von der Illustratorin Clémence Haller.
Aber genug von uns. In diesem Buch geht es schließlich um dich! Wir wünschen dir für dein Studium alles Gute und hoffen, dass dir dieses Buch auf deinem Weg ein hilfreicher Begleiter wird.
Macher kommen voran und genießen ihre Freizeit
Aufschieber produzieren Müllzeit
Wahrscheinlich hast du dich beim Lesen der Überschrift gefragt, was zum Henker denn Müllzeit sein soll?
Ganz einfach: Ich unterscheide drei Zeitformen.
Du hast Arbeitszeit verbracht, wenn du dir ein klares Ziel gesetzt hast und vorwärtsgekommen bist. Du hast Fortschritte gemacht, ein Etappenziel erreicht und spürst ein Gefühl der Befriedigung. Du freust dich auf die wohlverdiente Freizeit!
In deiner Freizeit entspannst du dich und machst oder erlebst etwas, das dir Freude bereitet oder dich auf andere Weise bereichert. Danach fühlst du dich je nachdem – aktiviert, erholt oder körperlich müde, aber geistig frisch.
Müllzeit hingegen hast du produziert, wenn du dich weder erholt fühlst noch vorangekommen bist. Müllzeit hast du verbracht, wenn du dich am Abend müde fühlst und dich fragst: »Was habe ich heute gemacht?«
Müllzeit ist eine unheilvolle Verquickung von Lernzeit und Freizeit. Sie entsteht, wenn wir uns ohne klare Absicht an die Arbeit wagen, wie gelähmt vor dem leeren Blatt sitzen und uns durch Chatfenster oder YouTube-Videos klicken. Müllzeit verbringen wir dann, wenn wir einer Freizeitaktivität nachgehen, während uns dabei das schlechte Gewissen plagt. In der Müllzeit denken wir darüber nach, was wir tun müssten, während wir alle möglichen Gründe erfinden, genau das nicht zu tun.
Wir alle verbringen ab und zu Müllzeit. Viele Studierende, die mein Seminar zum Thema Aufschieben besuchen, erzählen mir jedoch, dass sie bis zum Hals drinstecken. Lassen wir einige von ihnen zu Wort kommen.
Sabrina: »Bei mir ist es so, dass ich mir immer vornehme, gleich anzufangen. Nur noch eine Sendung, dann fange ich an. Noch kurz einen Kaffee, dann fange ich an. Noch rasch Facebook checken, dann fange ich – wirklich (!) – an. Das kann den ganzen Nachmittag so gehen. Gestern bin ich acht Stunden vor dem Laptop gehockt und habe Serien geschaut. Ich habe mir vorgemacht, dass ich nach der nächsten Episode mehr Energie haben werde, um endlich anzufangen. Die ganze Zeit über hat mich mein schlechtes Gewissen gequält. Am Ende war ich so erschöpft und frustriert, dass ich bereits um 21.30 Uhr zu Bett ging. Das klingt jetzt blöd, aber Aufschieben ist anstrengend!«
Tom: »Dein Hinweis auf die Müllzeit hat mir die Augen geöffnet: Andere meinen, ich hätte viel Freizeit, aber es ist Müllzeit. Ich war ewig nicht mehr im Kino oder auf dem Snowboard. Wenn Freunde mich zu einer Party oder zum Essen einladen, meldet sich das schlechte Gewissen. Ich sitze seit mehr als drei Jahren an der Masterarbeit und habe ständig das Gefühl, dass ich nicht Snowboarden gehen kann, keine Freunde treffen darf, wenn ich noch nichts dafür getan habe. Ich sage ab und nehme mir vor, stattdessen zu arbeiten – und dann tue ich nichts und fühle mich wie der letzte Versager.«
Wie Sabrina und Tom belegen, können wir Müllzeit mit verschwendetem Leben gleichsetzen: Du fühlst dich dabei müde, lahm und schwach. Am Abend bist du erschöpft, aber weißt nicht warum: Schließlich hast du nichts erledigt.
Beim Lesen des Buches wirst du nach und nach besser verstehen, weshalb du wichtige Projekte wie schriftliche Arbeiten oder das Lernen für Prüfungen vor dir herschiebst. Gleichzeitig wirst du erkennen, wie du gegen diese Tendenz angehen kannst. Du wirst eine Vielzahl von Experimenten und Übungen kennenlernen, die dir dabei helfen, dich für die Arbeit zu entscheiden und deine Freizeit zu genießen – und ein produktiveres, spannenderes und erfüllteres Leben zu führen.
Dieses Buch ist als Training konzipiert. Lies jeweils nur ein einziges Kapitel und lass dich anschließend auf die Übung ein – das Lesen alleine wird dir nicht weiterhelfen.
Nicht jede Übung wird dir gleichermaßen helfen – welche für dich am nützlichsten sind, erfährst du, indem du sie ausprobierst, und nicht, indem du darüber nachdenkst. Ich möchte dich zum Experimentieren einladen. Vielleicht wirst du dabei einige Überraschungen erleben.
Übungen, die dir weiterhelfen, solltest du in dein Repertoire aufnehmen. Passe sie immer weiter an dich und deine Bedürfnisse an und nutze sie regelmäßig.
Hier kommt deine erste Übung:
Übung 1: Überlege dir, wie du deine Zeit verbringst
Der erste Schritt zur Veränderung – hin zu produktiven und befriedigenden Arbeitsstunden und echter Freizeit – besteht darin, dass du dir bewusst wirst, wie du deine Zeit verbringst.
Überlege dir heute vor dem Ins-Bett-Gehen, wie du deinen Tag verbracht hast. Stell dir dazu die folgenden Fragen:
Schreibe eine einzige Sache auf, die du morgen tun könntest, um den Müllzeit-Anteil zu verringern:
Kreuze morgen Abend an, wie nützlich diese Übung für dich war (1 = Zeitverschwendung / 5 = sehr hilfreich).
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Macher gönnen sich Freizeit
Aufschieber stehlen sich Freizeit
Sabrina und Tom, die im letzten Kapitel kurz zu Wort kamen, stehlen sich Freizeit. Ihr schlechtes Gewissen nagt an ihnen und verhindert, dass sie sich bewusst freinehmen, einen Nachmittag lang absichtlich chillen, Snowboarden gehen oder sich mit Freunden treffen.
Stattdessen nehmen sie sich ständig vor, zu arbeiten. Aufschieber sind gefangen in einem Teufelskreis:
Sabrina schildert die Zusammenhänge wie folgt: »Ich komme nach Hause und weiß, dass ich lernen müsste. Im Bus habe ich mir das fest vorgenommen. Aber wenn ich die Bücher sehe, gerate ich unter Druck. Ich weiß, dass ich knapp dran bin, und habe keine Ahnung, wo ich anfangen soll. Dann höre ich diese Stimme in meinem Kopf: Mach dir noch kurz einen Tee, dann läuft es vielleicht besser. Nach dem Tee läuft es nicht besser. Sobald ich die Bücher sehe, spüre ich wieder diesen Druck – und dann fällt mir auf, dass mein Schreibtisch nicht aufgeräumt ist. Ich mache mir vor, dass ich so nicht lernen kann, und fange an, aufzuräumen. In dem Moment, wo ich mich entschließe, das Lernen noch etwas aufzuschieben, fühle ich mich erleichtert – aber danach quält mich das schlechte Gewissen umso mehr!«
Geht es dir ähnlich?
Aufschieber lernen, dass sie den Druck für einen Moment verringern können, indem sie sich anderen Aufgaben zuwenden.
Psychologen sprechen in diesem Fall von Verstärkung. Ein Verhalten – zum Beispiel das Aufschieben – wird häufiger, wenn es belohnt wird. Aufschieben wird dabei meist negativ verstärkt: Es wird dadurch belohnt, dass etwas Unangenehmes wegfällt. Es ist der Abfall von Druck und die damit verbundene, kurzfristige Erleichterung, die du unmittelbar nach dem Aufschieben erfährst, die das Aufschieben so attraktiv machen.
Langfristig steigt durch das Aufschieben die Anspannung. Das schlechte Gewissen nimmt zu. Aber dein Unterbewusstsein hat bereits gelernt, wie es damit umgehen kann: durch Aufschieben, durch Wegschauen, durch Ablenkung.
Das ist so, als würdest du auf Zahnschmerzen reagieren, indem du zum Schmerzmittel greifst. Der Schmerz lässt ein paar Stunden nach, aber das Loch wird größer.
Damit das schlechte Gewissen sie nicht zu sehr quält, nehmen sich Aufschieber nicht wirklich frei. Sie gönnen sich nur kurze Schonfristen – mit Dingen, die ins folgende Raster passen:
Gewählt werden also Aktivitäten, bei denen man sich vormachen kann, dass sie kaum Zeit in Anspruch nehmen, eine Vorbereitung für die Arbeit darstellen oder ebenfalls wichtig sind.
Diese haben aber keinen Erholungswert und bringen dich nicht vorwärts: Müllzeit-Alarm!
Du machst einen ersten Schritt in die richtige Richtung, wenn du anstelle solcher Spielchen wieder echte Freizeit einplanst.
Wenn du dir richtige Freizeit einplanst, kannst du dich erholen und neue Kraft tanken. Auf der anderen Seite weißt du: Meine Arbeitszeit ist begrenzt! Wenn ich mir Arbeitszeit eingeplant habe, muss ich sie auch nutzen – danach steht etwas anderes auf dem Programm.
Mach gleich jetzt deine zweite Übung!
Übung 2: Plane deine Freizeit
Nimm deine Agenda hervor. Plane für jeden Tag der nächsten Woche mindestens eine schöne Aktivität ein: ein Treffen mit Freunden, einen Kinobesuch, ein bewusst eingeplanter »Gammelabend« vor dem Fernseher, Sport oder einen Nachmittag, den du mit deinem Hobby verbringst. Dein Wochenende solltest du mindestens zur Hälfte mit Freizeit verplanen. Geh in den Zoo, ins Museum, Ski fahren, shoppen, unternimm etwas mit Freunden oder reserviere dir einige Stunden für dein Buch oder einen Film.
Und jetzt kommt der Hammer: Halte dich an deine Freizeitpläne, auch wenn du nicht gearbeitet hast!
Ach ja … wenn du dir freinimmst: Hör auf, all diese Bücher mit dir rumzuschleppen, die du doch nicht liest. Du wirst sie auf dem Skilift oder im Schwimmbad nicht auspacken! Ich weiß… Gewissensberuhigung. Das schadet dir! Du verwandelst Freizeit in Müllzeit. Nimm einen spannenden Roman mit.
Kreuze am Ende der Woche an, wie nützlich diese Übung für dich war:
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