Improvisieren!

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E-Book-Leseproben von einigen der beliebtesten Bände unserer Reihe [Was bedeutet das alles?] finden Sie hier zum kostenlosen Download.

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Endnoten

  1. Eine Vielzahl an Diskussionen, etwa mit Alessandro Bertinetto und Daniel Martin Feige haben uns geholfen, dieses Verständnis zu schärfen. Ihnen gebührt genauso Dank wie Günther Huesmann, Bertram Lomfeld, Christoph Paasch und Robin Rüsenberg für Kommentare zu unterschiedlichen Teilen des Texts sowie Juliane Baruck und Tilman Giustozzi für ihre umfassende und umsichtige Durchsicht.

  2. Kant 1784/2017, S. 7.

  3. Kant 1785/2019, S. 52.

  4. Bertinetto 2012.

  5. Jarrett 2003, S. 11.

  6. Heile 2016, S. 244.

  7. Vorzügliches Material liefert hier die Weimar Jazz Database (https://jazzomat.hfm-weimar.de/dbformat/dboverview.html), eine Kollektion von knapp 500 digital gespeicherten, monophonen Soli. Sie lassen sich online auf ihre Strukturen hin analysieren.

  8. Canonne 2018.

  9. Jarrett 2003, S. 12.

  10. Berkowitz 2010, S. 121 ff.

  11. Furtwängler 1949, S. 62.

  12. Ebd., S. 63.

  13. Schütz 1972, S. 177.

  14. Caskel 2019, S. 96.

  15. Die Webseite jazzstandards.com listet tausend Stücke auf.

  16. Dörre 2016, S. 15.

  17. Doniol-Valcroze 1973.

  18. Mouellic 2013, S. 20.

  19. Ebd., S. 163.

  20. Ranisch 2017.

  21. Globokar 1979, S. 25.

  22. Feige 2014, S. 105121.

  23. Brecht 2012, S. 29.

  24. Mastroianni 2021, S. 1.

  25. Kleist 180506/1984, S. 344.

  26. Nietzsche 1873/2015, S. 14.

  27. Fricker 2007.

  28. Hölderlin, »Friedensfeier«: »Viel hat von Morgen an, / Seit ein Gespräch wir sind und hören voneinander, / Erfahren der Mensch; bald sind wir aber Gesang.« (Hölderlin 2015, S. 82.)

  29. Berkowitz 2010, S. 182.

  30. Clarke 2015.

  31. Lydia Goehr spricht von »improvisation impromptu« (Goehr 2016); bei Joel Krueger und Alessandro Salice ist von »inexpert improvisation« (Krueger/Salice 2021, S. 50) die Rede.

  32. Taylor 2017.

  33. Kivy 1990, S. 25.

  34. Roeske/Kelty-Stephen/Wallot 2018, S. 8.

  35. Rothenberg 2016, S. 519.

  36. McPherson/Limb 2019, S. 551.

  37. CD-Titel, 2006.

  38. Barrett 2020, S. 11.

  39. Dietrich 2017, S. 19.

  40. Borgo 2019, S. 114.

  41. Port 1884, S. 6.

  42. Ebd., S. 7.

  43. Goehr 2016.

  44. Holden 2005, S. 541.

  45. Ebd., S. 543.

  46. Schmelz 2009, S. 41.

  47. Harréus 2018.

  48. Kahnemann/Sibony/Sunstein 2021, S. 315.

  49. Ebd.

  50. Harendza 2020.

  51. Shahawy/Watson/Milad 2019, S. 1846.

  52. Watson 2011.

  53. Peirce 1877.

  54. Nietzsche 1887/2000, § 295, S. 196.

  55. Bertinetto/Bertram 2020, S. 212215.

  56. Gibson 1979, S. 127.

  57. Alexander 2017, S. 110.

  58. van Middelaar 2019, S. 11.

  59. Ebd.

  60. Korte 2021.

  61. Habermas 1981, S. 52.

  62. Korte 2021.

  63. Reckwitz 2021, S. 42.

  64. Korte 2020, S. 11.

  65. Brinkmann [u. a.] 2017, S. 11.

  66. Shaw/Stacey 2006.

  67. Vgl. Weick 1998.

  68. Wachtendorf 2004, S. 256.

  69. Williams 2015.

  70. Vossebrecher 2011, S. 3.

  71. Mitschrift der Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Angela Merkel zur aktuellen Lage. 21. Januar 2021.

  72. Dworkin 1986, S. 228238.

  73. Hirsch 2006, S. 161.

  74. Ramshaw/Stapleton 2017.

  75. MacDonald/Wilson 2020, S. 43.

  76. Johnstone 1979, S. 119.

Dieser Essay plädiert für ein anderes Verständnis vom Improvisieren und damit für eine andere Sicht auf uns Menschen. Er will mit einigen Irrtümern aufräumen, die uns eine klare Sicht auf uns und auf die Bedeutung des Tuns im Offenen gleichermaßen versperren. Wir sollten lernen, im Improvisieren eine Stärke zu sehen, die uns als Menschen ausmacht.

Die folgenden Überlegungen sind das Ergebnis einer Bemühung, die in unterschiedlichen Akzenten verläuft: auf der einen Seite das Interesse für viele Bereiche, in denen improvisatorische Praktiken und Strukturen anerkanntermaßen relevant sind, und für all das, was sich in Bezug auf das Improvisieren sagen lässt und was dazu gesagt wird; auf der anderen Seite das Nachdenken über den Begriff der Improvisation, seine Bedeutung für menschliche Praktiken sowie über die Gründe, deretwegen diese Bedeutung immer wieder verborgen bleibt. Beide Ansätze werden in dem vorliegenden Essay zusammengeführt.

Den Ausgangspunkt bildet die Frage, warum wir das Improvisieren oft falsch verstehen. Dieser programmatische Auftakt führt uns zum Jazz im Besonderen sowie zur Musik und den Künsten im Allgemeinen, der Wahlheimat des Improvisierens. Dass das Improvisieren sich auf diese Bereiche nicht eingrenzen lässt, zeigt ein Blick auf etwas, das uns sehr vertraut ist, auf das Gespräch. Im Anschluss geht es um Evolution, Tiere und Medizin sowie schließlich um Politik, Management und Organisation sowie Fußball und Recht. In einigen dieser Bereiche wird schon jetzt von Improvisation gesprochen, in vielen aber auch nicht – in nicht wenigen ist der Begriff sogar verpönt. Wir wollen zeigen, wie der Blick auf konstitutiv improvisatorische Momente uns hilft, die Dinge klarer zu sehen.

Die einzelnen Abschnitte des Essays sind so gestaltet, dass

Mit dem Improvisieren ist das so eine Sache. Wenn wir nicht gerade an die Jazzmusik denken, kommt es uns eigenartig vor. Dort scheint man damit viel anfangen zu können. Aber in unserem eigenen alltäglichen Leben? Der Improvisation haftet der Ruf des Beliebigen an, des Halbfertigen, nicht ganz Gelungenen. Improvisation verspricht höchstens eine Lösung für den Augenblick, doch im Anschluss muss eine Sache wetterfest gemacht werden.

Wir halten diese Perspektive für falsch. Wir gehen davon aus, dass Menschen sich in vielerlei Hinsicht durchaus auf das Improvisieren verstehen. Sie missverstehen sich aber darin, was dies für sie bedeutet. Sie halten Improvisation überwiegend für etwas, das nur dann erforderlich wird, wenn sie nicht (ausreichend) vorbereitet sind, wenn etwas schiefgeht – oder wenn ein Ereignis unerwartet und urplötzlich eintritt: ein Unfall. Vielleicht benutzt man den Begriff ab und an beim Kochen, doch eher dann, wenn man einen Fehler in der Zubereitung oder das Fehlen einer Zutat auszubügeln hat. In den Künsten setzen wir oft bewusst auf Risiko, darauf, dass etwas anders als geplant verlaufen und so auch schiefgehen könnte: Das erhöht die Spannung und macht einen besonderen künstlerischen Reiz aus.

Dieses Verständnis von Improvisieren wollen wir in Frage stellen, denn wir sollten es überwinden. Um das zu zeigen, müssen wir weiter ausholen.

Beginnen wir mit dem, was normalerweise als Gegenteil des Improvisierens verstanden wird. Für das Gegenteil haben wir viele Ausdrücke: komponieren, sich sicher sein, über verlässliche Fähigkeiten verfügen, vernünftig sein, aus festen

Der griechische Philosoph Platon (um 428347 v. Chr.) entwickelte in seinen Dialogen ein Programm der Erinnerung an Urbilder, die dem Menschen Stabilität verleihen sollen. Dabei erkennt er das Grundproblem menschlicher Existenz in der Flüchtigkeit all dessen, was uns umgibt. Die Welt und die Umstände, in denen wir uns befinden, ändern sich von Tag zu Tag und sogar von Moment zu Moment. In dem, womit wir konfrontiert sind, findet sich keinerlei Konstanz. Unsere Existenz ist umgeben von flackernden Schatten, wie sie in Platons Gleichnis vor den Höhlenbewohner*innen an die Wand geworfen werden. Nicht nur Platon hat aus dieser Grundsituation der menschlichen Existenz heraus den Schluss gezogen, der Mensch habe aus sich heraus für Verlässlichkeit und Festigkeit zu sorgen. Er muss sich an Bestimmungen halten können, die ihm Sicherheit geben. Diese Bestimmungen liegen entweder, wie Platon denkt, jenseits unserer Sinnenwelt oder sie müssen, wie in der Neuzeit immer wieder behauptet, vom Menschen selbst entwickelt werden.

Dieses Bild des Menschen wurde in der Aufklärung und dort von seinem wichtigen Vertreter Immanuel Kant (17241804) bekräftigt. Versteht Kant Aufklärung als den »Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit«2, so begegnet er dieser Unmündigkeit damit, das menschliche Tun durch selbstgesetzte Regeln zu stabilisieren. Dies soll dadurch geleistet werden, dass man das eigene Handeln an Regeln orientiert, die für alle gelten können. Der entsprechende

Was im abendländischen Denken so prominent vertreten wurde, bestimmt das Selbstverständnis von Menschen weit über diesen Kontext hinaus. Prägend wurde der Gedanke, dass das Ziel des menschlichen Lebens in Selbststabilisierung liegt. Und genau dieser Gedanke ist mit einem bestimmten Verständnis des Improvisierens verknüpft. Vielen ist Improvisieren verdächtig und darf nur dann durchgeführt werden, wenn die Selbststabilisierung in bestimmten Momenten und in Bezug auf spezifische Umstände nicht greift.

Denken wir zum Beispiel an die Medizin: Fragt man Chirurg*innen, ob sie improvisieren, dann werden einige sicher die Frage empört zurückweisen. Wer seine Materie beherrscht, der muss nicht improvisieren. Er weiß genau, was er tut. Aber stimmt das? Wodurch zeichnet sich etwa eine Chirurgin aus, die ihr Metier beherrscht und die über viel Erfahrung verfügt? Offensichtlich dadurch, dass sie auch mit schwierigsten Situationen umzugehen vermag.

Es ist charakteristisch für unsere menschliche Existenz, dass wir mit Unsicherheiten umgehen lernen und sie für uns produktiv machen können. Wir können Unsicherheiten sogar dezidiert suchen und tun dies auch oft. Dafür haben wir improvisatorische Fähigkeiten entwickelt.

Mit diesen Fähigkeiten ist ein zeitlicher Aspekt verbunden, der sich von der Wortgeschichte her erschließen lässt. Das Wort Improvisation kommt aus dem Italienischen (also nicht aus dem Lateinischen, wie man vielleicht denken mag). Das italienische improvvisare (›aus dem Stegreif agieren‹) ist ein Verb, das von improvviso (›unerwartet, unvorhergesehen, unvermutet‹) abgeleitet ist. Improvviso lässt sich wiederum auf das lateinische

Das Substantiv Improvisation lenkt den Blick stärker auf das Ergebnis. Doch wenn wir beim Verb bleiben, wird die offene Struktur deutlicher. Wer etwas Unvorhergesehenes tut, ist auf die Zukunft hin orientiert, in der sich entscheiden wird, was die Mitwelt aus dem Angebot macht.

Leicht gewinnt man den Eindruck, dass all das, was von normaler Funktionalität und Beherrschung abweicht, als ›improvisiert‹ bezeichnet wird. Ein markantes Beispiel dafür sind die sogenannten »improvisierten Sprengfallen«, »improvised explosive devices« (IEDs), eine Abart der Landmine. Ein scheinbar arglos zurückgelassener Turnschuh beispielsweise kann sich als eine solche Waffe erweisen. Ihre Herstellung erfordert die strikte Einhaltung eines Planes; dass dabei zur Tarnung unkonventionelle Bausteine verwendet werden, widerspricht ihrer Funktionalität nicht. Improvisation ist dabei nicht im Spiel. Hier wiederholt sich in zugespitzter Weise das bereits angesprochene Missverständnis: Improvisieren gilt als Abweichung vom beherrschbaren Normalfall. All das, was nicht in das Bild geregelter Abläufe und Gegenstände passt, gilt als improvisiert. Damit aber wird das Improvisieren falsch verstanden.

Dieser Essay plädiert dafür, dass wir unser Selbstverständnis ändern sollten. Wir verstehen uns als menschliche Wesen nur dann richtig, wenn wir uns von Fähigkeiten her begreifen, die es uns erlauben, unvorbereitet zu sein und im Ungewissen zu agieren. Es geht um Fähigkeiten, mittels deren wir uns auf Situationen, mit denen wir nicht gerechnet haben, vorbereiten. Für solche Fähigkeiten spielen Regeln – zum Beispiel guter

Beziehen wir uns noch einmal auf das Bild Platons: Es ist richtig, dass gerade die natürlichen Umgebungen, in denen wir leben, uns mit stetem Wandel konfrontieren. Wenn wir uns gegen den Wandel stabilisieren, erreichen wir nur, dass wir den Kontakt zu dem, was uns umgibt, verlieren. Wollen wir diesen Kontaktverlust vermeiden, müssen wir die Instabilität dessen, was uns umgibt, anerkennen und für uns produktiv machen. Das schaffen wir durch improvisatorische Fähigkeiten, die die Grundlage für die produktive Form von Stabilisierung abgeben, die wir erlangen können.

Die Plausibilität dieses Gedankens können wir uns vor Augen führen, wenn wir an Krisensituationen denken. Gerät die Welt – wie in der Corona-Pandemie – aus der Bahn, werden wir nicht mit der Situation zurechtkommen können, wenn wir ausschließlich auf feste Schemata setzen. All die Zusammenhänge gesellschaftlichen Lebens, die fixiert sind, geraten in einer solchen Situation in größere Schwierigkeiten. Die Bereiche und Institutionen hingegen, die darauf eingestellt sind, sich immer wieder aus sich selbst heraus zu verändern, werden deutlich besser zurechtkommen.

Verwaltungsapparate und Unternehmen der Dienstleistungsbranche geben charakteristische Beispiele ab. Während Erstere angesichts unerwarteter Herausforderungen vielfach nicht von den etablierten Abläufen und Routinen abweichen können und in Untätigkeit verfallen, haben sich Letztere grundsätzlich darauf eingestellt, schnell auf sich verändernde wirtschaftliche Situationen reagieren zu können. Die vielfältige

Wenn wir also in dieser Weise unser Selbstverständnis korrigieren, müssen wir auch den fehlgeleiteten Begriff der Improvisation überwinden, der mit dem falschen Selbstverständnis verbunden ist, das auf eine alle Kontingenzen abwehrende Form von Festigkeit setzt. Warum ist dies Verständnis von Improvisation unzureichend? Zwei Aspekte sind entscheidend:

Erstens beruhen Improvisationen auf komplexen Vorbereitungen, auf einem Erwerb besonderer Fähigkeiten. Gerade wenn wir – aus Sicht unseres problematischen Selbstverständnisses – alltäglich zum Improvisieren gezwungen sind, brauchen wir solche Fähigkeiten. Sollten uns die richtigen Materialien oder Werkzeuge für eine handwerkliche Aufgabe oder die passenden Zutaten für ein Kochrezept fehlen, kommen wir nicht weiter, wenn wir nur über ein eng umrissenes Set von Handgriffen verfügen. Wir müssen Fähigkeiten entwickeln, die es uns erlauben, auch unbekannte Wege zu gehen.

Und weiter beim Kochen: Eine Köchin, die viel Erfahrung hat, wird bei unerwarteten Problemen mit den Zutaten anders zurechtkommen als jemand, der nur selten und ohne größeren Enthusiasmus kocht. Die Köchin kann besser improvisieren. Das liegt daran, dass sie über weiter entwickelte Fähigkeiten des Improvisierens verfügt. Dass die Fähigkeiten bei ihr weit entwickelt sind, heißt aber nicht, dass sie bei einem Alltagskoch nicht auch vorliegen könnten. Alles Kochen beruht auf improvisatorischen Fähigkeiten. Aus diesem Grund ist die Gleichung ›aus mangelnder Vorbereitung und Planung folgt Improvisation‹ grundfalsch. Auch den kleinen und großen Improvisationen unseres alltäglichen Lebens wird diese Gleichung nicht gerecht.

Man nimmt anscheinend an, dass Improvisationen letztlich nur in Situationen zustande kommen, in denen es an

creatio ex nihilo

Das bringt uns zum zweiten Aspekt, den es in Bezug auf Improvisationen zu revidieren gilt. Improvisationen gelten als ein regelloses Tun.

Hinter der engen Bindung des Improvisierens an Regeln verbirgt sich ein entscheidender Aspekt: Alles Improvisieren ist in Handlungskontexte eingebunden. Wo nicht gehandelt wird, kann auch nicht improvisiert werden. Handeln ist ein zielorientiertes Tun. Sowohl beim Kuchenbacken als auch bei einem Vertragsschluss wird ein gewisses zukünftiges Ziel verfolgt. Im einen Fall handelt es sich um das zu erreichende Ergebnis des Backens, den Kuchen; im anderen Fall um die vertragliche Bindung, die man eingeht. Wo Ziele verfolgt werden, kann es wichtig werden, zu improvisieren, wie auch im Falle der bereits angeführten Beispiele: Sollten die richtigen Materialien für den Zusammenbau des Schrankes nicht verfügbar sein, muss man sich anderweitig zu helfen wissen. In diesem Fall ist man an dem Ziel orientiert, den Schrank so aufzubauen, dass der Schrank den Erwartungen an seine Funktion gerecht wird. Und wenn die Beschaffenheit des Körpers, auf die man beim Operieren trifft, anders ist, als man es kennt, sind Fähigkeiten entscheidend, mit diesen neuen Vorgaben umzugehen.

Insofern müssen wir lernen, Improvisieren nicht aus einem Gegensatz zur beherrschten Tätigkeit heraus zu verstehen. Improvisieren ist, so könnte man sagen, eine andere Art beherrschter Tätigkeit, ein kontrollierter Kontrollverlust. Beherrschung ist in der Improvisation nicht an festgelegte, stabile Regeln gebunden. Vielmehr liegt die Beherrschung der Improvisation in der situativen Veränderung von Regeln und einem gelingenden Antworten auf etwas, mit dem man nicht

Wir werden im weiteren Verlauf dieses Essays unterschiedlichste Kontexte des menschlichen Lebens und der für es relevanten gesellschaftlichen Praktiken auf die Bedeutung des Improvisierens in ihnen beleuchten. Damit wollen wir weitere Teile des Puzzles finden und zusammensetzen, das am Ende ein neues Verständnis des Improvisierens und seiner Bedeutung für den Menschen zeigen wird.