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© eBook: 2021 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München

© Printausgabe: 2021 GRÄFE UND UNZER VERLAG GmbH, Postfach 860366, 81630 München

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Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, sowie Verbreitung durch Bild, Funk, Fernsehen und Internet, durch fotomechanische Wiedergabe, Tonträger und Datenverarbeitungssysteme jeder Art nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlages.

 

Die Originalausgabe erschien 2020 unter dem Titel »Dog’s Best Friend: A Brief History of an Unbreakable Bond« bei Weidenfeld & Nicolson, ein Imprint der Orion Publishing Group, London, England.

 

First published by Weidenfeld & Nicolson, an imprint of the Orion Publishing Group, London.

 

Projektleitung: Fabian Barthel

Übersetzung: Dr. Cornelia Panzacchi

Lektorat: Antje Becker für bookwise medienproduktion GmbH, München

Covergestaltung: Bettina Stickel, ki 36 Sabine Krohberger Editorial Design, München

eBook-Herstellung: Linda Wiederrecht

 

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ISBN 978-3-8338-8215-9

1. Auflage 2021

 

Bildnachweis

Coverabbildung: Shutterstock

Fotos: Alamy Stockfoto; Beinecke Rare Book and Manuscript Library; David Hockney/Richard Schmidy; Getty Images; Hans Christian Adam; Magnum Photos; Mary Evans Picture Library; Private Eye Magazine; Simon Garfield; Shutterstock; Unbekannt; Virginia Woolf; WeRateDogs

Syndication: www.seasons.agency

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Einer wie wir? Ausgehbereiter viktorianischer Gentleman.

Eine Freundschaft fürs Leben

Ludo ist ein Hund – Simon Garfields geliebter schwarzer Labrador Retriever, einer von Millionen von Hunden, die zu einem festen Bestandteil unseres Lebens geworden sind. Aber wie kam es, dass diese treuen Tiere uns nicht nur bei der Jagd, sondern auch bei der Bombenentschärfung und Krebserkennung halfen – und schließlich zu unseren engsten Begleitern wurden? «Des Hundes bester Freund» durchleuchtet klug und mit Witz, wie sich diese Bindung im Laufe der Jahrhunderte entwickelte und wie sie unzählige Leben verändert hat, sowohl das der Menschen als auch das der Hunde.

Für all die Hunde, die wir lieben.

»Wenn Sie keinen Hund haben, dann heißt das nicht unbedingt, dass mit Ihnen etwas nicht stimmt. Vielleicht stimmt aber mit Ihrem Leben etwas nicht.«

Roger Caras

»Nur selten hat ein Hund den Menschen auf das Niveau seiner Klugheit hochziehen können. Dafür hat der Mensch den Hund nur allzu häufig auf sein Niveau hinuntergezerrt.«

James Thurber

»Dass ein Hund Gerüche wahrnimmt, die ein Mensch nicht riechen kann, macht den Hund nicht zu einem Genie. Sie macht ihn zu einem Hund.«

Temple Grandin

Einleitung: Das Hundehafte des Hundes

Warum ist er hier?

Warum liegt mein Hund, während ich das hier schreibe, wie ein Halbmond eingerollt zu meinen Füßen? Seit wann mag ich seinen warmen und gleichzeitig leicht aufdringlichen Geruch? Warum ist sein fischiger Mundgeruch immer wieder Gegenstand witziger Bemerkungen, wenn Freunde zum Abendessen da sind? Warum blättere ich Jahr für Jahr über 1000 Pfund für seine Versicherung hin? Und warum liebe ich ihn so sehr?

Ludo ist kein außergewöhnlicher Hund. Er ist einer von vielen Labrador Retrievern; allein in Großbritannien leben ungefähr 500.000 von ihnen. Ludo hat mit all diesen Hunden viel gemeinsam. Er spielt gern Ball, und natürlich kann er gut apportieren. Er könnte das ganze Futter des Universums auffressen und den anderen Hunden kein Krümelchen übrig lassen. Er neigt zu Hüftdysplasie. Besonders gut macht er sich auf einem Plüschkissen in einem Haus mit Zentralheizung – weit, weit weg von der neufundländischen Heimat seiner Vorfahren.

Trotz alledem ist Ludo für mich und seine übrige Menschenfamilie einzigartig. Mit seinen zwölfeinhalb Jahren ist er mittlerweile ein älterer Herr, und wir würden so ziemlich alles dafür tun, dass er glücklich ist. Es macht uns nichts aus, bis auf die Knochen nass zu werden, wenn er im Park spannende Gerüche verfolgt. Unsere Tage sind nach seinen Bedürfnissen getaktet: seine Mahlzeiten, seine Spaziergänge, die Einnahmen lebenswichtiger Medikamente (weil unser armes Schätzchen an Epilepsie leidet), und wir geben einen absurd großen Teil unseres verfügbaren Einkommens für ihn aus.1 Ich freue mich, dass ich ihn kennenlernen durfte. Nur der Himmel weiß, wie wir damit fertig werden, wenn er eines Tages stirbt.

Dieses Wochenende will ich in einem Messezentrum im Osten Londons eine Veranstaltung besuchen, bei der Hunde Agility- und Obedience-Prüfungen ablegen. Ich werde dort Gelegenheit haben, 200 Hunderassen kennenzulernen, von denen einige leicht in meine Tasche passen würden, während für andere sogar mein Auto zu klein wäre. Ich werde dort zudem unzählige Artikel für Hundebesitzer und allen möglichen anderen Mist kaufen können, darunter Ölgemälde, Kleidung und Geschirr mit Aufdrucken wie »Wenn ich meinen Hund nicht mitbringen darf, komme ich nicht« oder »Ich würde jetzt lieber mit meinem Schnauzer Gassi gehen«. Um Ludo dafür zu entschädigen, dass er nicht mitkommen kann, weil man zu dieser Veranstaltung das eigene Tier nicht mitbringen darf, werde ich am darauffolgenden Freitag zusammen mit ihm eine Vorstellung von Rocketman im Exhibit Cinema im Süden Londons besuchen. Zwar ist Ludo kein ausgewiesener Elton-John-Fan, aber er wird seinen eigenen Sitzplatz neben mir, eine Decke und Hundesnacks bekommen. An diesem Abend haben Hunde freien Eintritt, und im Gegenzug dürfen die Kinoangestellten sie knuddeln. Während der Vorführung wird das Licht im Saal außerdem nur gedimmt und nicht abgeschaltet, damit die Dunkelheit die Hunde nicht stresst.

Wie ist es so weit gekommen, dass der Hund zum Chef geworden ist? Wie kann es sein, dass Hunde ins Kino gehen? Wie und wann haben wir gemerkt, dass Hunde dem Menschen nicht nur bei der Jagd helfen können, sondern auch bei der Bombenentschärfung und Krebserkennung? Warum haben wir Menschen eines Tages einfach klein beigegeben und es zugelassen, dass unser Alltag – unsere Arbeitszeiten, wie sauber unsere Teppiche sind, wo wir unseren Urlaub verbringen – von nun an durch die Bedürfnisse eines Tiers bestimmt werden, das ursprünglich draußen gelebt und für sich selbst gesorgt hat? Wann und warum haben das Sofa und Fertigfutter die Suche nach fressbaren Abfällen ersetzt?

Dieses Buch geht der Frage nach, wie sich die starke gegenseitige Verbindung über Jahrhunderte hinweg herauskristallisiert und auf welche Weise sie das Leben von Millionen Menschen und Hunde verwandelt hat. Wenn es zumindest ein Stück weit stimmt, dass die Welt »aufgrund des Verstands der Hunde existiert«, wie Nietzsche es behauptete, dann stimmt es möglicherweise auch, dass uns eine Betrachtung des Hundes wertvolle Selbsterkenntnisse ermöglicht.

Warum ist er hier?

Warum macht dieser Mann etwas, bei dem diese leisen, klopfenden Geräusche entstehen, und warum seufzt er dabei immer wieder? Wie oft holt er sich noch etwas Heißes zu trinken und unterbricht dabei das Klopfen? Warum stellt er mir mein Mittagessen niemals pünktlich hin? Warum erinnert sich dieses Hundebett mit sogenanntem Memory Foam nicht daran, wie ich mich gestern hineingekuschelt habe? Warum macht es mich so glücklich, bei diesem Menschen zu sein?

Das Vermenschlichen von Hunden ist kein neues Phänomen. Auf meinem Schreibtisch steht ein Foto aus dem 19. Jahrhundert, das einen schwarzen Labrador zeigt, der mit Jackett und Zylinder bekleidet ist und eine Pfeife im Maul hat. Praktisch seit es den Tonfilm gibt, kommen in Filmen sprechende Hunde vor. Doch die Kollusion von Hund und Mensch hat noch nie derart üppige, fantasievolle und absurde Früchte hervorgebracht wie heute. Das Wesen unserer Verbindung, unsere gegenseitige Hingabe, scheint sich im Laufe der letzten 50 Jahre vertieft zu haben – nicht zuletzt, weil Erkenntnisse in der Genetik unser wissenschaftliches Verständnis vom Hund verändert und unsere soziologische Interpretation des Hundeverhaltens uns mehr Möglichkeiten erschlossen hat, uns mit ihm zu beschäftigen. Leider hat eine solch heftige Leidenschaft nicht immer ein Happy End. Neben dem Foto des viktorianischen Hunde-Gentlemans steht eines von einem Hund, der mit Kangol-Mütze und Brille aussieht wie Samuel L. Jackson. Auf meinem Computer habe ich Bilder von Hunden, die lesen, segeln oder Fahrrad fahren. Ich weiß, dass diese Bilder in gewisser Weise unmoralisch sind, doch kann ich ihnen einfach nicht widerstehen und speichere in meinem Ordner ständig neue ab.

Immer häufiger erhalten Hunde Namen, die man eigentlich Kindern gibt. Statt Fido und Major heißen sie jetzt Florence oder Max. Vor 30 Jahren war das noch anders. Die heutigen Hundenamen sind oft auch die Namen menschlicher Helden. Nelson ist immer noch beliebt, und bald werden wir viele Gretas haben. Britische Rechtsanwälte nennen ihren Hund gern Shyster (»Winkeladvokat«), Architekten bevorzugen Zaha (nach der inzwischen verstorbenen Star-Architektin Zaha Hadid), und es tollen derzeit massenhaft junge Fleabags umher (dank einer gleichnamigen britischen Fernsehserie). Nur in der Welt der Rapmusik hält man es mit den Namen andersherum: Snoop Dog, Phife Dawg, Nate Dogg, Bow Wow.

Genau die Regierung, die wir verdienen. Pluto, Minister für Arbeit und Renten, sagt: »Ich kann es kaum erwarten, endlich loszulegen.«

Immer öfter bemühen wir den Hundevergleich. Ein taffer Radiointerviewer ist ein Rottweiler, ein allzu nachgiebiger ein Pudel (oder Welpe). Freundliche, loyale Figuren in Romanen sind Labradore, korrupte und dabei erfolgreiche Geschäftsleute Pitbulls. Jemand, der nie aufgibt, ist ein Terrier, ein Detektiv folgt dem Verdächtigen wie ein Bluthund. Sie verstehen schon. Sie verstehen, weil Sie flink sind wie ein Windhund und schlau wie ein Schäferhund.

Seit Langem müssen Hunde herhalten, wenn wir unser Handeln und unsere Gefühle beschreiben. Nachdem wir gearbeitet haben wie ein Hund, sind wir hundemüde. Sind wir krank, ist uns hundeelend. Bei schlechtem Wetter jagen wir keinen Hund vor die Tür. Finden wir nach langer Suche die Ursache für etwas, dann liegt dort der Hund begraben. Haben wir eine erhellende Erkenntnis, ist das des Pudels Kern. Manchmal stehen wir da wie ein geprügelter Hund oder wie ein begossener Pudel, wir heulen wie die Schlosshunde. Gelegentlich beißt sich der Hund in den Schwanz, und wir alle kennen einen Menschen, der bekannt ist wie ein bunter Hund. Wir verachten den Underdog, bellen den falschen Baum an und gehen schließlich vor die Hunde.

Ich beendete die Arbeit an diesem Buch im virusgeplagten April 2020, und Ludo war als Einziger in der Familie nicht gedrückter Stimmung. Stattdessen war er erschöpft. Es wurde schon vielfach festgestellt, dass Hunde von der Pandemie profitieren: Sie müssen nicht mehr so lange alleine zu Hause bleiben und werden beinahe öfter Gassi geführt, als sie verkraften. Freunde und Nachbarn betteln darum, sie sich »ausleihen« zu dürfen, denn wer einen Hund hat, hat einen Grund, aus dem Haus zu gehen. Die Tierheime berichten von einer Flut von Anfragen. Das Messezentrum, in dem wenige Monate zuvor die Veranstaltung Discover Dogs stattgefunden hatte, ist in ein Krankenhaus mit 4000 Betten umgewandelt worden. In den sozialen Netzwerken wird man mit Corona-Hundevideos und -Hundecartoons förmlich überschüttet. Der Sportreporter Andrew Cotter hat seine Labradore Olive und Mabel zu Internetstars gemacht. Allein lebende Hundebesitzer sind ihren Vierbeinern für die Gesellschaft, die sie ihnen leisten, dankbarer als je zuvor.

Auch wenn man selbst noch nie Hunde hatte, weiß man, dass unsere Beziehung zu Hunden vielschichtig, verwirrend und kompliziert ist – ebenso vielschichtig, verwirrend und kompliziert wie unsere Beziehungen zu unseren Mitmenschen. Hunde sind zunehmend nicht einfach nur Teil des Haushalts, sondern ein vollwertiges Familienmitglied. Die Beziehung zu ihnen ist die engste, die wir uns trauen, mit einer anderen Spezies einzugehen.

Dieses Buch beleuchtet unsere menschlichen Versuche, diese Beziehung noch weiter auszubauen, um aus dem Hund das perfekte Tier zu machen und ihm menschenähnliches Verhalten zu bescheinigen. In vielerlei Hinsicht sind Hunde zu einer Erweiterung unseres Selbst geworden. Albert Einstein hat einmal gesagt, sein Drahthaar-Foxterrier Chico verfüge sowohl über hohe Intelligenz als auch über die Fähigkeit, nachtragend zu sein. »Ich tue ihm leid, weil ich so viel Post bekomme. Deshalb versucht er, den Postboten zu beißen.« Nur Sozialwissenschaftler bezeichnen eine derartige Einstellung hartnäckig als Anthropomorphismus; wir Hundefreunde dagegen finden sie vollkommen normal. Verhaltensforscher bewerten sie als unmenschlich, doch das stört uns nicht. Tatsächlich ist uns die Vermenschlichung unserer geliebten Vierbeiner mittlerweile so selbstverständlich geworden, dass wir uns fragen, ob es noch zu verantworten ist, ihnen Futter ohne Kurkuma vorzusetzen.

Als das Exhibit Cinema 2017 mit seiner Veranstaltungsreihe für Hunde und ihre Besitzer begann, wurden Hundefilme gezeigt wie Susi und Strolch oder Ataris Reise. In letzter Zeit jedoch klingen die Titel nur noch so, als habe der Film etwas mit Hunden zu tun. Nach dem Film bleibt den modernen Hunden ihr Hollywood-Glamour erhalten: Wir legen ihnen teure Mäntel und glitzernde Halsbänder an und machen sie auf Instagram zu Stars.2

Dieses Buch soll vor allem die Intelligenz, Neugier, Schönheit und Loyalität der Hunde würdigen. Ich frage mich, ob je ein Hund auf die Idee käme, ein entsprechendes Lob über den Menschen zu schreiben? Sie werden auf den folgenden Seiten aufbauende und absurde, herzerwärmende und erschreckende, lustige und traurige Hundegeschichten finden. Gleichzeitig wird dieses Buch einige ernste Fragen über unseren heutigen Umgang mit den geliebten Caniden aufwerfen. Zum Beispiel hinterfragt es, ob die Liebe zu unseren Haustieren nicht in Respektlosigkeit umschlägt und unsere Begeisterung für Vielfalt und Neues nicht in Ausbeutung. Haben wir womöglich vergessen, wo Hunde herkommen und wie sie ursprünglich gelebt haben? Versuchen wir stets, ihnen das bestmögliche Leben zu bieten, oder optimieren wir immer nur unser eigenes? Und laufen wir Gefahr, das zu verlieren, was die Hundepsychologin Alexandra Horowitz als das »Hundehafte des Hundes« bezeichnet?

Im Mittelpunkt dieses Buchs steht die Frage: Wie ist es gekommen, dass wir früher mit dem Eurasischen Wolf (einer von vielen Varianten von Canis lupus) auf die Jagd gegangen sind und heute einem Cavalier King Charles Spaniel (einer weiteren Variante von Canis lupus) ein elektrisch beheizbares Hundebett kaufen? Um diese Frage zu beantworten, begeben wir uns auf eine kulturelle und wissenschaftliche Reise, die uns nach Australien, Japan, in die USA und zu den Crufts im Messezentrum Birmingham führt.

Unterwegs kläre ich die Herkunft des Cheagle (Kreuzung aus Chihuahua und Beagle) und des Chiweenie (Kreuzung aus Chihuahua und Dackel) und was ein Designerhund ist. Das Buch betrachtet die Sequenzierung des ersten vollständigen Hundegenoms und die wichtigsten aktuellen wissenschaftlichen Experimenten und Theorien. Ich gehe der Frage nach, ob Charles Darwin für seine Arbeit über Hunde nicht ebenso gewürdigt werden sollte wie für seine Arbeit über die Evolution und ob Charles Dickens tatsächlich ein Gewehr kaufen wollte, um wahllos Hunde zu erschießen. Ich erkunde zusammen mit Ihnen einen abgelegenen Hundefriedhof und untersuche auch andere Formen des Andenkens an unsere vierbeinigen Lieblinge. Ich versuche auch zu erklären, warum sich Kunstdrucke mit Poker spielenden Hunden eine Zeit lang so gut verkauft haben und warum Sie sich auf YouTube unbedingt »Ultimate Dog Tease« anschauen sollten – ein Video, auf dem ein Hund namens Clark erzählt bekommt, welche Leckereien aus dem Kühlschrank sein Herrchen ihm vorenthält, und das bisher über 200 Millionen Mal angeschaut wurde.

Ludo als Welpe, der ein wunderschönes Leben vor sich hat.

Weil ich selbst weder Psychologe noch Verhaltensforscher bin und schon gar kein Genetiker, habe ich die Arbeiten von Experten auf diesen Gebieten herangezogen. Meine eigenen Recherchen sind journalistischer Natur, außerdem berichte ich von meinen Erlebnissen mit den Hunden, die im Laufe von 30 Jahren unter meinem Schreibtisch vor sich hin gedöst haben: ein Basset Hound namens Gus, ein gelber Labrador Retriever namens Chewy und mein schwarzer Labrador Ludo. Also werde ich hin und wieder sentimental werden (und ihre Eigenschaften annehmen; in einer Rezension eines meiner Bücher in der Sunday Times wurde ich einmal als »überschwänglicher Trüffelhund« bezeichnet). Man kann nicht auch nur eine Stunde mit einem gut erzogenen Hund zusammen sein, ohne sich zu fragen, was er oder sie wohl gerade denken mag, was ihm oder ihr Angst oder Freude macht und wie man sich am besten zusammen amüsieren könnte. (Insgesamt tendiert dieses Buch zu einem positiven Hundebild. Auf der Welt gibt es auch viele böse Hunde; ich selbst wurde als Kind einmal von einem Deutschen Schäferhund gebissen. Die Folgen waren eine Tetanusspritze für mich und ein wütender Brief meines Vaters, seines Zeichens Rechtsanwalt, an den Schäferhund. Dennoch habe ich beschlossen, mich auf die zum Glück überwiegend harmonischen Aspekte der Beziehung zwischen Hund und Mensch zu konzentrieren.)

Ein Hund residiert stolz und selbstbewusst in jenem Gefüge, das der Biologe Jakob von Uexküll als eigene Welt oder Umwelt bezeichnete. Der Primatologe Frans de Waal wiederum betitelte eines seiner Bücher: Are We Smart Enough to Know How Smart Animals Are? (»Sind wir schlau genug, um zu wissen, wie schlau Tiere sind?«) Wenn ein Hund unser Zeitkonzept oder Wirtschaftssystem nicht begreifen kann, liegt das nicht an mangelnder Intelligenz, sondern daran, dass diese Dinge in seiner Welt keine Bedeutung haben.

Das Gehirn eines Hundes ist durchschnittlich ungefähr ein Drittel so groß wie das durchschnittliche Gehirn eines Menschen. Andererseits sitzen in der Hundenase über 200 Millionen Geruchsrezeptoren, im Gegensatz zu fünf Millionen in der menschlichen Nase, was darauf schließen lässt, dass Hunde ganz andere Prioritäten haben. Ungefähr ein Drittel der Masse des Hundegehirns ist mit dem Geruchssinn beschäftigt, während es bei uns Menschen nur fünf Prozent sind. Immer wieder fällt mir auf, wie mein Hund mit seiner Nase die Welt erkundet. Seine exzellenten olfaktorischen Fähigkeiten ermöglichen ihm, nicht nur seine Umgebung und andere Hunde, sondern auch Menschen kompetent zu beurteilen: Er merkt, welche Leute Angst vor Hunden haben, und kann sie meiden; er erinnert sich, wer ihm in der Vergangenheit besondere Aufmerksamkeit geschenkt hat, und wird ihn bei der nächsten Begegnung fröhlich und mit einem Lieblingsspielzeug im Maul begrüßen; und er weiß, wann seine menschlichen Gefährten traurig sind und Trost benötigen. Manchmal frage ich mich, ob wir ihn und seine vielen Freunde mit ebenso viel Einfühlungsvermögen und Respekt behandeln.

Neben der Tatsache, dass Welpen verdammt süß sind, ist ihre Neugier eine der vielen Eigenschaften, die uns ansprechen. Sie untersuchen gern alles, was ihnen vor die Nase kommt. Diese Neugier reift mit dem Älterwerden, verschwindet aber nie: Hört ein älterer Hund ein ungewohntes Geräusch, dann wird er ihm auf den Grund gehen wollen. In gewisser Weise gleicht dieses Buch einem Hund, der die Welt um sich herum erforschen will: ungewöhnliche Geräusche, ein sich schnell änderndes Umfeld und eine zunehmend größer werdende Aufmerksamkeit durch Fremde. Diese Fremden sind wir, die wir mit welpenhafter Neugier und zunehmend forensischer Präzision erkunden wollen, was genau einen Hund zu einem Hund macht und warum die Beziehung zu ihm beide Seiten derart bereichert. Auch wenn wir Hundemenschen uns untereinander nicht kennen, sind wir als Hundebesitzer und Hundeliebhaber Teil einer riesigen Gemeinschaft: Die Verbindung mit unseren Hunden teilen wir mit Millionen von Menschen auf der ganzen Welt, mit denen wir dadurch gleichermaßen verbunden sind.

 

1 Falls Sie darüber nachzudenken beginnen, ob Sie sich Ihren ersten Hund anschaffen sollten, und einen Kaufpreis von 800 Pfund überteuert finden, muss ich Ihnen leider sagen: Dieser ist – verglichen mit den Folgekosten für Tierarzt, Futter, Hundebetreuung und wichtiges sowie überflüssiges Zubehör – geradezu lächerlich niedrig.

2 Vielleicht ist der Kinoabend mit Hund doch keine neue Erfindung. Hier ein Witz aus den 1990ern: Als ich das letzte Mal ins Kino ging, war da eine Frau mit ihrem Hund. Der Hund lachte während des ganzen Films, und als der Held am Ende starb, weinte er bitterlich. Nach der Vorstellung ging ich zu der Frau, um ihr zu sagen, wie erstaunt ich sei, dass ein Hund einen Film so genießen konnte. »Ich bin genauso erstaunt wie Sie«, sagte die Frau, »denn das Buch hat ihm überhaupt nicht gefallen.«