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Katharina Brinkmann
Nicolai Napolski

ISCHIAS-BESCHWERDEN
UND DAS
PIRIFORMIS-SYNDROM

Einfache und effektive Techniken gegen Gesäß-, Bein- und Rückenschmerzen

Katharina Brinkmann
Nicolai Napolski

ISCHIAS-BESCHWERDEN
UND DAS
PIRIFORMIS-SYNDROM

Einfache und effektive Techniken gegen Gesäß-, Bein- und Rückenschmerzen

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen

info@rivaverlag.de

Wichtige Hinweise

Dieses Buch ist für Lernzwecke gedacht. Es stellt keinen Ersatz für eine individuelle medizinische Beratung dar und sollte auch nicht als solcher benutzt werden. Wenn Sie medizinischen Rat einholen wollen, konsultieren Sie bitte einen qualifizierten Arzt. Der Verlag und die Autoren haften für keine nachteiligen Auswirkungen, die in einem direkten oder indirekten Zusammenhang mit den Informationen stehen, die in diesem Buch enthalten sind.

Ausschließlich zum Zweck der besseren Lesbarkeit wurde auf eine genderspezifische Schreibweise sowie eine Mehrfachbezeichnung verzichtet. Alle personenbezogenen Bezeichnungen sind somit geschlechtsneutral zu verstehen.

Originalausgabe

1. Auflage 2021

© 2021 by riva Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Türkenstraße 89

80799 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Redaktion: Susanne Schneider

Umschlaggestaltung: Tobias Prießner, Catharina Aydemir

Umschlagabbildung: shutterstock/Maridav, squaredotmedia

Fotos: alle Fotos squaredotmedia GbR, www.squaredot.media außer: Laélia Media: 123; Privat: 124; Shutterstock/Dzm1try: 23; Shutterstock/ellepigrafica: 8, 11; Shutterstock/Hay-woof: 24; Shutterstock/ Maridav: 105; Shutterstock/SciePro: 6; Shutterstock/Sebastian Kaulitzki: 12; Shutterstock/Tatjana Baibakova: 17

Layout: Katja Muggli, www.katjamuggli.de

Satz: Daniel Förster, Belgern

eBook: ePUBoo.com

ISBN Print 978-3-7423-1843-5

ISBN E-Book (PDF) 978-3-7453-1558-5

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-7453-1559-2

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Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.rivaverlag.de

Beachten Sie auch unsere weiteren Verlage unter www.m-vg.de

Inhalt

Kleiner Piriformis, großes Problem

Auf der Suche nach der richtigen Diagnose

Die Ursachen des Piriformis-Syndroms: Der Alltag – unser schlimmster Feind

Auf dem Weg in einen schmerzfreien Alltag

Den Piriformis entspannen und trainieren in der Praxis

Auf Ursachenforschung gehen – was hilft?

Die Trainingsbasics

Hilfsmittel nutzen

Verspannungen lösen – lokale Dehnungen für den Piriformis

Empfehlungen zum Dehnen

Dehnungen für mehr Hüftmobilität

Die Oberschenkelrückseite – Funktion: Beinbeuger

Die Oberschenkelinnenseite – Funktion: Bein anziehen

Myofasziales Entspannen

Faszien – was ist das?

Rollen – was heißt das und was passiert dabei?

Muskulatur kräftigen

Was Krafttraining alles kann

Empfehlungen zum Krafttraining

Was macht wann Sinn?

Richtiges Sitzen

Begleitende Maßnahmen

Piriformis-Syndrom bei Sportlern

Bewusste Bewegung zur Vorbeugung und Therapie

Verwendete und weiterführende Literatur

Übungsregister

Dank

Über die Autoren

Kleiner Piriformis,
großes Problem

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Als mir vor ein paar Jahren beim Klettern quasi aus dem Nichts ein starker, stechender Schmerz wie ein Stromschlag durch mein linkes Bein schoss, konnte ich überhaupt nicht einschätzen, was da gerade geschehen war. Damals hielt ich mich für einigermaßen fit: Ich saß zwar täglich mindestens acht Stunden im Büro vor dem Rechner, doch in meiner kurzen Freizeit lief ich so oft wie möglich und ging von Zeit zu Zeit klettern. Allerdings hatte ich gerade einen sehr stressigen Umzug hinter mir. Die Tage nach dieser Attacke wurden zur Qual. Ich hatte starke Schmerzen in Gesäß, Beinen und Hüfte, an ein entspanntes Sitzen und Gehen war nicht zu denken.

Die Diagnose des behandelnden Arztes war ziemlich vage: »Irgendwas mit dem Ischias.« Das Resultat: sechs Behandlungen beim Physiotherapeuten, in der Hoffnung, das Problem auf diese Weise irgendwie in den Griff zu bekommen. Zu meinem großen Glück geriet ich an einen wirklich guten und motivierten Fachmann, der mithilfe des richtigen Screenings ziemlich schnell die richtige Diagnose stellte: Piriformis-Syndrom.

Holen Sie sich medizinischen Rat

Wenn Sie ischiastypische Schmerzen verspüren, die auf das Piriformis-Syndrom hindeuten, lassen Sie sich bitte unbedingt von einem Arzt Ihres Vertrauens untersuchen, bevor Sie mit unserem Trainingsprogramm beginnen. Holen Sie gegebenenfalls mehrere Meinungen ein! Gehen Sie zum Chiropraktiker, Physiotherapeuten oder Osteopathen.

Der Piriformis-Muskel und der Ischiasnerv

Der Musculus piriformis ist ein kleiner birnenförmiger, aber wichtiger Muskel, der von der Spitze des großen Rollhügels (dem Trochanter major – er dient als Ansatz der Gesäßmuskulatur) aufwärts und nach hinten gemeinsam mit dem Ischias durch das große Sitzbeinloch (Foramen ischiadicum majus) zur Vorderseite des Kreuzbeins (Os sacrum) verläuft. Dabei kreuzt er das Hüft- und das Iliosakralgelenk. Der Piriformis dient dem Hüftgelenk unter anderem bei der Außenrotation und beim Abspreizen des Oberschenkels sowie zusätzlich als flexibler Beckenstabilisator.

Der fingerbreite Ischiasnerv, in der Medizin als Nervus ischiadicus oder abgekürzt Ischiadikus bezeichnet, ist der stärkste Nerv des Menschen. Er hat seinen Ursprung im Rückenmark in Höhe des 4. Lendenwirbels bis 3. Kreuzbeinwirbels. Bei vielen Menschen tritt er im Becken direkt unterhalb des Piriformis-Muskels aus. Von dort verläuft er weiter durch die Beckenmuskulatur und über die Rückseiten der Oberschenkel bis in die Kniekehle. Danach verzweigt er sich und schickt seine Nervenstränge bis in die Fußspitzen.

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Das Piriformis-Syndrom ist ein Engpasssyndrom zwischen Nerv und Muskel.

Durch die kompetente Beratung des Physiotherapeuten und dank gezielter Übungen gelang es uns, das Piriformis-Syndrom wieder relativ schnell in den Griff zu bekommen. Nach ein paar Wochen war ich – und bin es glücklicherweise immer noch – wieder nahezu schmerzfrei.

Inzwischen habe ich festgestellt, dass ich mit diesem Problem nicht allein bin: Viele Menschen sind von diesem Syndrom betroffen und es werden täglich mehr. Ich lese immer häufiger, dass Bandscheibenoperationen vermieden werden könnten, wenn das Piriformis-Syndrom nur eindeutig diagnostiziert und behandelt werden würde.

Dass es eine Zielgruppe gibt, die besonders vom Piriformis-Syndrom betroffen ist, lässt sich so pauschal nicht sagen. Man vermutet zwar, dass Frauen häufiger unter dem Syndrom leiden, belastbare Zahlen und Statistiken gibt es dazu letztendlich aber nicht. Bei älteren Personen liegen die Ursachen meist in verkürzten Muskeln und degenerativen Veränderungen, während bei jüngeren Menschen das Piriformis-Syndrom oft eher sportbedingt ist.

Aber egal, aus welchem Grund jemand betroffen ist: Von Müttern, die einfach wieder schmerzfrei mit ihren Kindern herumtoben möchten, über Menschen, die in ihrem Job viel sitzen, wie beispielsweise Lkw-Fahrer oder Büromenschen, bis hin zum trainierten Läufer, der wegen seiner Schmerzen kaum noch aus dem Bett kommt – sie alle können von diesem Buch profitieren.

Wenn Sie dieses Buch gelesen haben, werden Sie verstehen, was Sie selbst tun können, um dem Piriformis-Syndrom langfristig entgegenzuwirken oder um im akuten Fall mit gezielten Übungen eine Schmerzlinderung zu erreichen. Es soll Ihnen helfen, wieder zu einem gesunden und unbeschwerten Alltag zurückzufinden.

Auf der Suche nach der richtigen Diagnose

Statistisch gesehen leiden über 30 Prozent der Deutschen regelmäßig an Rückenproblemen. Die Ursachen dafür festzustellen fällt Ärzten nicht immer leicht. Es gibt einfach zu viele Krankheitsbilder, die einander ähneln. Die Fachbücher sind voll davon. Zum Beispiel können das Piriformis-Syndrom, Blockierungen des Iliosakralgelenks, tumoröse und entzündliche Veränderungen, Polyneuropathie oder auch der Hexenschuss Symptome hervorrufen, die sich mit denen eines Bandscheibenvorfalls überschneiden. Der Physiotherapeut Peter Posner fasst die häufigsten Diagnosen folgendermaßen zusammen:

»Lumbalsyndrom oder Lumboischialgie, vielleicht auch LWS-Syndrom- oder rezidivierende Lumbalgien, auch Zustand nach Bandscheibenvorfall beziehungsweise Prolaps, möglicherweise auch Blockierung des Iliosakralgelenkes oder Ähnliches …« Manche dieser Krankheitsbilder lassen sich mit leichter Schmerztherapie oder Haltungskorrekturen beheben, bei anderen ist gar ein operativer Eingriff notwendig. Doch welche Behandlung gewählt wird, muss letztlich ein Arzt entscheiden. Versuchen Sie deshalb, einen möglichst präzisen Befund für Ihre Schmerzen zu bekommen, und holen Sie verschiedene Meinungen ein. Leider haben Ärzte oft nicht mehr die nötige Zeit, um eine umfassende Untersuchung vorzunehmen. Dies zeigen viele Erfahrungsberichte. Wie in meinem Fall werden Patienten häufig ohne konkrete Diagnose zum Physiotherapeuten geschickt. Viele fühlen sich alleingelassen und verunsichert.

Ein Grund, warum es so schwierig ist, das Piriformis-Syndrom zu diagnostizieren, liegt unter anderem daran, dass es sich anhand gängiger Tests nicht mit hundertprozentiger Sicherheit feststellen lässt.

Einer der bekanntesten neurologischen Standardtests ist der Lasègue-Test. Bei diesem liegt der Patient auf dem Rücken und der Physiotherapeut hebt dessen im Knie gestrecktes Bein langsam an, so hoch es geht – bis maximal 90 Grad, sodass das Bein zur Zimmerdecke zeigt. Üblicherweise fangen die Dehnungsschmerzen zwischen 40 und 70 Grad Beugung an. Sie können ein Hinweis darauf sein, dass der Ischias oder aber die Nervenwurzeln gereizt sind.

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Der Lasègue-Test kann eine Beteiligung der Bandscheiben ausschließen.

Im Anschluss daran wird häufig der Bragard-Test durchgeführt. Auch hierbei liegt der Patient auf dem Rücken. Wieder hebt der Physiotherapeut dessen Bein mit gestrecktem Knie an, zusätzlich wird der Fuß flektiert, sodass die Zehen Richtung Kopf zeigen. Strahlen die Schmerzen aus dem Rückenbereich in Richtung Oberschenkel aus, kann dies ein Hinweis auf eine Reizung der Nervenwurzeln sein.

Treten die Schmerzen allerdings im Oberschenkel auf, deutet das auf eine Verkürzung der ischiosakralen Muskulatur im Beckenbereich hin.

Doch selbst wenn die richtige Diagnose gestellt wird – wie zum Beispiel ein entzündeter Piriformis –, hilft diese nur selten weiter. Für eine langfristig erfolgreiche Therapie ist es wichtig, die Ursache der Symptome zu finden und gezielt dagegen vorzugehen.

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Das Becken ist aufgrund der komplexen Anatomie anfällig für Disbalancen.

Die Hüfte – Dreh- und Angelpunkt im Körper