Gerald Hüther

Lieblosigkeit macht krank

Was unsere Selbstheilungskräfte stärkt und wie wir endlich gesünder und glücklicher werden



Abb003

Der Abdruck des Gedichts Stufen auf S. 172 erfolgt mit freundlicher Genehmigung aus: Hermann Hesse, Sämtliche Werke in 20 Bänden. Herausgegeben von Volker Michels. Band 10: Die Gedichte. © Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 2002. Alle Rechte bei und vorbehalten durch Suhrkamp Verlag Berlin.


© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2021

Alle Rechte vorbehalten

www.herder.de


Umschlaggestaltung: Verlag Herder

Umschlagmotiv: © sykono / iStock / Getty Images,

© Mackey Creations / shutterstock,

© AlexanderTrou / shutterstock

E-Book-Konvertierung: Daniel Förster, Belgern


ISBN eBook: 978-3-451-82120-2

ISBN Print: 978-3-451-60099-9

Inhalt

Einleitung
Irren ist menschlich ...

1. Was hält uns gesund?

2. Was macht uns krank?

3. Wie funktioniert Selbstheilung?

4. Was schwächt unsere Selbstheilungskräfte?

5. Was stärkt unsere Selbstheilungskräfte?

6. Wie kann eine gesundmachende Veränderung gelingen?

7. Wie reagieren unser Gehirn und unser Körper auf Lieblosigkeit?

8. Wie lange lässt sich eine liebevolle Beziehung zu sich selbst unterdrücken?

9. Wie können wir unser Zusammenleben liebevoller gestalten?

10. Es ist nie zu spät, um wieder gesund zu werden

Ausleitung
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde ...

Über den Autor

Einleitung

Irren ist menschlich ...

Wir Menschen sind sonderbare Wesen. Keinem Tier und erst recht keiner Pflanze muss erklärt werden, was sie tun sollten, um gesund zu bleiben. Sie alle, die Sonnenblumen und Kuckuckslichtnelken, die Grashüpfer und Nacktschnecken, die Dachse und Iltisse, ja sogar die Affen wissen von ganz allein, was ihnen guttut und was sie brauchen, um möglichst lange gesund zu bleiben, einen Fortpflanzungspartner zu finden und Nachwuchs zu bekommen. Na ja, dass sie es »wissen« ist vielleicht der falsche Ausdruck, sie tun es einfach, machen alles so, wie es gut für sie ist. Ihre über viele Generationen durch Mutation und Selektion optimierten genetischen Programme steuern die Herausbildung ihrer körperlichen Merkmale, die Regulation ihres Stoffwechsels, auch die Herausbildung ihres Gehirns und damit auch ihr jeweiliges Verhalten ganz von allein. Und das geschieht immer so, dass sie möglichst lange gesund bleiben und möglichst viele, möglichst gesunde Nachkommen haben. Ungünstig ist nur, dass sie mit ihren festgefügten genetisch programmierten Gehirnen dann auch kaum noch etwas Neues dazulernen können. Deshalb werden sie krank und sterben aus, wenn sich die Welt, in der sie leben, zu verändern beginnt. Verantwortlich dafür sind allerdings schon seit langem nicht sie selbst oder ihre genetischen Programme, sondern wir Menschen, weil wir ihre bisherige Lebenswelt zerstören. Und am anfälligsten für alle möglichen Erkrankungen werden all jene Tiere, die wir nach unseren Vorstellungen gezüchtet und aufgezogen haben. Die sind uns in Bezug auf ihre Krankheitsanfälligkeit am ähnlichsten.

Wir stammen zwar von tierischen Vorfahren ab, sind aber doch ganz anders als sie unterwegs. Der Grund dafür ist unser zeitlebens lernfähiges Gehirn. Mit dem können wir so gut wie alles lernen, was uns andere Menschen beibringen, und noch besser all das, was sie uns tagtäglich selbst vorleben. Leider gehört dazu auch vieles, was uns später krank macht. Wir wissen nicht von allein, was gut für uns ist. Wir müssen es erst im Lauf unseres Lebens herausfinden. Jeder und jede Einzelne, aber auch wir alle zusammen.

Und wer nicht aus sich selbst heraus weiß, wo es entlanggeht, kann sich eben auch allzu leicht auf seiner Suche nach einem glücklichen, erfüllten und gesunden Leben verirren. Leider bemerken wir das aber oft erst dann, wenn es zu spät ist und wir bereits krank geworden sind.

Hier liegt also der große Unterschied zwischen uns und den Tieren und Pflanzen. Im Gegensatz zu ihnen lassen wir uns nicht von den aus dem eigenen Körper kommenden Signalen und unseren natürlichen Empfindungen leiten, sondern von irgendwelchen Vorstellungen, die wir von anderen übernommen oder die wir uns selbst zusammengebastelt haben. Wir leben nicht so, wie wir sollten, um gesund zu bleiben, sondern wir leben so, wie wir das aufgrund dieser Vorstellungen für richtig halten. Selbst dann, wenn uns das danach gestaltete Leben krank macht.

Mit all diesen Vorstellungen im Kopf haben wir es weit gebracht. Ihnen sind wir gefolgt und haben uns eine Lebenswelt geschaffen und Lebensmöglichkeiten eröffnet, von denen kein Tier auch nur zu träumen imstande ist. Wir haben die Welt, in der wir leben, ständig nach unseren jeweiligen Vorstellungen verändert. Immer schneller, immer nachhaltiger, immer effektiver. Und auf diese Weise haben wir uns ein Problem eingehandelt, das die Tiere und Pflanzen nicht kennen. Im Gegensatz zu uns brauchen die sich – durch sehr langsame und nur gelegentlich auftretende, vorteilhafte Veränderungen ihres Erbgutes – einfach nur innerhalb der von ihnen bewohnten Lebensräume zu behaupten, müssen also nur möglichst gesund und reproduktiv bleiben. Weil sie diese einmal erschlossene Lebenswelt kaum selbst verändern – außer wenn sie sich zu stark vermehren, aber das machen sie ja nur für kurze Zeitspannen –, können diejenigen Tiere und Pflanzen dann auch besonders gut überleben, die sich am besten an diese jeweilige Lebenswelt, ihre ökologische Nische, angepasst haben.

Das diesem Leben zugrunde liegende Prinzip kennen wir nun schon seit Darwins Theorie vom »Survival of the Fittest« zur Genüge, und die weltweite Verbreitung dieser Vorstellung als »Evolutionstheorie« war enorm erfolgreich. Sie ist als eine grundlegende Vorstellung von dem, worauf es im Leben ankommt, also der Stärkste, der Beste, der Cleverste und der Erfolgreichste zu sein, tief in unseren Gehirnen verankert. Das Problem, das entscheidende Problem ist nur, dass diese Theorie vom »Überleben der am besten Angepassten« eben nur für all jene Lebewesen gilt, die ihren eigenen Lebensraum selbst nicht allzu sehr verändern. Wie die Sonnenblumen also, oder die Grashüpfer, die Dachse und sogar die Affen. Für uns Menschen trifft das allerdings nicht zu. Wir müssen uns ständig verändern und an die von uns selbst verursachten neuen Gegebenheiten anpassen. Die aus Darwins Theorie abgeleitete Vorstellung, im Leben möglichst erfolgreich sein zu müssen, verleitet uns dazu, ein Leben zu führen, das uns mit all dem sich daraus ergebenden Zwang zum Wettbewerb, zum Erfolg, zu Höchstleistungen und allem, was uns irgendwie hilft, »fitter« als alle anderen zu werden, früher oder später krank macht.

In einer sich durch unser eigenes Handeln ständig verändernden Lebenswelt können wir nur dann gesund bleiben, wenn wir als erkenntnisfähige Menschen bereit sind, uns selbst auch ständig mit zu verändern. In der Lage dazu wären wir schon. Jedenfalls haben wir ein Gehirn, das uns dazu befähigt. Und manche tun das ja auch und bleiben gesund. Aber wie viele Menschen sind heutzutage bereit, sich selbst auch ständig weiterzuentwickeln? Wie viele haben den Mut, sich auf die Herausforderungen, die das Leben für sie bereithält, auch immer wieder neu einzulassen? Wie kann jemand lernen, sie zu meistern, solange sie oder er sich ihnen nicht zu stellen wagt und sie anzunehmen bereit ist? Weiterentwicklung ist ja etwas völlig anderes als die bloße fortwährende Anpassung an die jeweiligen von uns selbst geschaffenen Verhältnisse. Ent-Wicklung bedeutet ja genau das Gegenteil: nämlich die Selbstbefreiung aus all den Ver-Wicklungen, in die wir durch unsere bisherigen Vorstellungen geraten sind. Diese Verwicklungen sind es, die uns krank machen.

Das ist der zentrale Ansatz, den ich in diesem Buch vorstellen möchte: Krank werden wir nicht davon, dass uns von außen etwas Krankmachendes überfällt oder ereilt. Krank werden wir deshalb, weil wir das, was uns krank macht, für etwas halten, das uns glücklich machen soll. Und dafür sind wir bereit und haben leider auch allzu gut gelernt, völlig lieblos mit uns selbst und mit anderen umzugehen. Viele Menschen sind auf der Suche nach möglichst viel Anerkennung, Erfolg, Reichtum und Besitz lieblos geworden. Anderen war es besonders wichtig, alles im Leben zu optimieren und zu kontrollieren, oft sogar sich selbst. Auch das hat sie lieblos gemacht. Manche wünschen sich, von anderen gebraucht, von ihnen beschützt und umsorgt zu werden Aber es ist nicht liebevoll, die Verantwortung für sich selbst an andere abzugeben. Auch dann nicht, wenn es sich dabei um Götter, Herrscher oder andere Mächtige handelt.

Gern dürfen Sie dieser Aufstellung noch weitere Vorstellungen davon hinzufügen, worauf es im Leben ankommt. Keine einzige davon trägt dazu bei, dass jemand, indem er ihr konsequent folgt, davon gesund bleibt oder schneller wieder gesund wird. Die meisten dieser Vorstellungen sind bestenfalls dazu geeignet, das krankmachende Leben, das wir führen, noch ein paar Jahre länger auszuhalten.

Ja, ich meine es ernst! Was die Pest im Mittelalter war, sind in den heutigen, hoch entwickelten Industriestaaten die immer häufiger werdenden chronischen körperlichen oder psychischen Erkrankungen. Die bekommt man aber nicht von Rattenflöhen und irgendwelchen von ihnen übertragenen Erregern, sondern weil es zu viele Menschen gibt, die ihre Freude, ihre Lebendigkeit und alle spielerische Leichtigkeit hinreichend nachhaltig und oft über viele Jahre hinweg unterdrückt haben, um so perfekt wie möglich zu funktionieren: als Lebenspartner, als Kind ehrgeiziger, oft auch noch zerstrittener Eltern, beim ständigen Wettbewerb um Bedeutsamkeit, um Macht und Einfluss und die besten Positionen – in der Schule, im Berufsleben, oft auch in allen anderen Bereichen unseres Zusammenlebens. Weil so viele Menschen lieblos mit sich selbst umgehen, werden so viele von ihnen krank.

Auch die Erreger der Pest, die von Rattenflöhen übertragen wurden und die den Bewohnern ganzer Landstriche im Mittelalter den Tod brachten, waren nur vordergründig die Ursache dieser verheerenden Epidemie. Die Pesterkrankungen waren in Wirklichkeit eine zwangsläufige Folge der katastrophal unhygienischen Verhältnisse, unter denen die Menschen in den damaligen Städten lebten. Sie bildeten den idealen Nährboden, auf dem die Ratten sich ungehindert ausbreiten und prächtig gedeihen konnten. Weil die religiösen Anführer damals meinten, Katzen seien Verbündete des Teufels, wurden diese natürlichen Rattenbekämpfer nun auch noch massenhaft umgebracht. Hinzu kam, dass sich die Bewohner dieser Städte einfach nicht darum kümmerten, ihre Behausungen von Ungeziefer freizuhalten – weil ihnen etwas anderes viel wichtiger war: den Reichen all das, wovon sie glaubten, dass es sie glücklich macht, und den Armen die Vorstellung, in diesen mittelalterlichen Städten besser und glücklicher leben zu können als in den Dörfern, aus denen sie kamen. Lieblosigkeit überall.

Ja, atmen Sie jetzt gern tief durch. Das ist eine etwas andere Betrachtungsweise als die, die Sie bisher in den meisten Gesundheitsratgebern gefunden und möglicherweise auch für zutreffend gehalten haben. Deshalb gleich noch einmal: Was uns krank macht, sind nicht die psychischen Belastungen, die körperlichen Abnutzungserscheinungen oder die vielen Krankheitserreger, die überall umherschwirren. Krank werden wir deshalb, weil wir unser Leben nach Vorstellungen gestalten, die uns krank machen. Um gesund zu bleiben, müssten wir uns also von diesen Vorstellungen befreien. Dazu werden wir allerdings erst dann imstande sein, wenn wir etwas finden, vielleicht auch einfach nur etwas wiederfinden, das für uns bedeutend wichtiger und anziehender ist als all die bisher von uns verfolgten, verwickelten und krankmachenden Vorstellungen.

Glücklicherweise gibt es etwas, das uns Menschen zwangsläufig, also ganz von allein, aus all diesen Verwicklungen befreit und in eine Ent-Wicklung führt. Jedenfalls dann, wenn wir es in uns selbst finden oder besser: wiederfinden oder vielleicht auch einfach nur zulassen. Es hat in jedem Kulturkreis den schönsten Namen, den sich die dort lebenden Menschen vorstellen können. Und es ist das, wovon dieses Buch handelt: LIEBE, LOVE, AMORE ...

Aber bevor Sie jetzt mit einem verklärten Blick in Ihrem Sessel versinken: Diese Liebe, die hier gemeint ist, hat nichts mit dem zu tun, was die meisten Menschen dafür halten. Deshalb rede ich hier auch nicht von der Liebe. Das haben andere vor mir hinreichend oft getan, und es hat nicht dafür gesorgt, dass wir uns heute einig sind, worum es sich dabei wirklich handelt. Worum es mir in diesem Buch geht, ist die Lieblosigkeit. Denn was sie bedeutet, hat wohl jeder Mensch, überall auf der Welt, irgendwann im Leben schon am eigenen Leib erfahren müssen. Und jeder weiß auch, was er tun müsste, um etwas liebevoller mit sich selbst und mit anderen umzugehen. Was mich interessiert und was ich hier darstellen möchte, sind die Folgen von lieblosen Einstellungen und Verhaltensweisen gegenüber sich selbst, gegenüber anderen Menschen und auch gegenüber anderen Lebewesen.

Noch vor wenigen Jahren wäre eine solche Betrachtung nicht möglich gewesen und sehr wahrscheinlich im Esoterikregal der Buchhandlungen gelandet. Aber inzwischen ist eine solche Vielzahl an neuen naturwissenschaftlichen und medizinischen Untersuchungen zu unserem bisherigen Erkenntnisstand hinzugekommen, dass der Titel dieses Buches keine These mehr ist, sondern eine unabweisbare, objektiv nachgewiesene Tatsache: Lieblosigkeit macht krank.

1. Was hält uns gesund?

Das tiefe Wissen einer Kultur offenbart sich in den Worten, die von den dort lebenden Menschen für die von ihnen wahrgenommenen Phänomene gefunden worden sind. »Lieblosigkeit« ist so ein besonderes Wort. Lieblosigkeit macht Menschen unglücklich, zerstört Beziehungen, untergräbt Vertrauen und, ja, macht eben auch krank. Über viele Generationen hinweg haben unsere Vorfahren das immer wieder beobachtet und dann irgendwann dafür diesen einen, alles umfassenden Begriff der »Lieblosigkeit« gefunden. Das ist interessant, aber wirklich spannend wird es, wenn wir nun nach einem Begriff suchen, der zum Ausdruck bringt, was uns gesund macht. Der müsste ja das Gegenteil von Lieblosigkeit bezeichnen. Aber »Liebevollheit« oder »Liebhaftigkeit« gibt es in unserer Sprache nicht. Weshalb eigentlich? Genauso, wie sie beobachtet und verspürt haben, was uns krank macht, müssten unsere Vorfahren doch auch erkannt haben, was uns gesund macht. Oder kann es sein, dass es gar nichts gibt, was uns gesund machen kann, dass Gesundheit etwas ist, das sich immer wieder von ganz allein einstellt? Das würde bedeuten, dass jeder lebende Organismus aus sich selbst heraus einen Zustand anstrebt, den wir »Gesundheit« nennen.

Gesund auf die Welt zu kommen und gesund zu bleiben, wäre dann genauso normal und selbstverständlich wie lebendig zu sein. Und für das, was uns lebendig macht, haben wir ja auch kein Wort. Wohl aber für all das, was unserem Leben ein vorzeitiges Ende bereitet: ein tödlicher Unfall, Mord, Blutvergiftung, Organversagen. Wir können verhungern, verdursten und ersticken, ja sogar unser Leben selbst beenden. All das kann uns zustoßen und dazu führen, dass wir sterben. Aber wieder lebendig machen kann uns nichts und niemand.

Mit der Freiheit ist es genauso. Wir alle bringen das Bedürfnis, unser Leben selbst zu gestalten, schon mit auf die Welt. Wir tragen also die Sehnsucht nach Freiheit von Anfang an in uns. Deshalb kann uns auch nichts und niemand auf der Welt frei machen. Wir sind es schon und wollen es auch alle bleiben. Aber uns dieser Freiheit zu berauben, das ist durchaus möglich. Sogar auf sehr vielfältige Weise und nicht nur durch die Maßnahmen und Anordnungen anderer. Manche bauen sich sogar freiwillig ein Gefängnis unfrei machender Vorstellung ins eigene Gehirn. Grundsätzlich ist die Fähigkeit, sich zu entfalten, das Leben mit all seinen Möglichkeiten, die es uns bietet, zu ergreifen, glücklich zu werden und gesund zu bleiben jedoch von Anfang an in jedem Menschen angelegt.

Etwas, das von ganz allein entsteht und sich normalerweise auch immer wieder von ganz allein herausbildet, braucht nichts und niemand, der es »macht«. Das müssen unsere Ahnen auf der Suche nach Worten für die von ihnen beobachteten Phänomene bereits verstanden haben. Sie waren in der Lage zu erkennen, was Menschen unfrei, unglücklich oder krank macht. Dafür haben sie auch Worte gefunden, die wir noch heute verwenden. Aber das, was sie frei, glücklich und gesund werden ließ und sie am Leben erhielt, konnten sie weder beobachten noch messen. Für etwas, das immer da ist, weil es ein Grundmerkmal des Lebendigen ist, braucht es keinen Begriff, das lässt sich nicht mit Worten beschreiben.

So leben, wie es unserer Natur entspricht

Was wir für die Aufrechterhaltung und Wiederherstellung unserer Gesundheit tun können, wäre also nichts anderes, als so zu leben, wie es unserer Natur entspricht. Wir müssten uns einfach nur so ernähren, dass alle Zellen in unserem Körper das bekommen, was sie brauchen, um all das möglichst gut tun zu können, was sie lebendig bleiben lässt. Und natürlich müssten wir auch unserem Körper als Ganzem all das bieten, was er braucht, um gesund zu bleiben. Viel Bewegung gehört genauso zu seiner Natur wie frische Luft zum Atmen und sauberes Wasser zum Trinken. Und die Nervenzellen in unserem Gehirn brauchen Phasen der Beanspruchung, aber auch Zeit für Entspannung und Erholung. Hektik und Schlafmangel entspricht nicht ihrer Natur. Zu viel Durcheinander im Hirn auch nicht.

Was unser Körper alles braucht, um gesund zu bleiben, ist inzwischen bis ins kleinste Detail erforscht. Die Kinder lernen es schon im Kindergarten oder der Schule. Es lässt sich in Sachbüchern und Gesundheitsmagazinen nachlesen, wird im Rundfunk und Fernsehbeiträgen beschrieben und als Audio- und Videodateien im Internet verbreitet. Längst sind es also nicht mehr mangelndes Wissen oder fehlende Gelegenheiten, sich dieses Wissen anzueignen, was so viele Menschen daran hindert, ihr Leben so zu gestalten, dass sie gesund bleiben. Wie in zahlreichen anderen Bereichen haben wir kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem.

Auch durch noch weiter verbesserte Aufklärung wird sich das nicht überwinden lassen. Denn was Menschen dazu bringt, ihren bisherigen Lebensstil und ihr Verhalten zu verändern, ist nicht die objektive Beschreibung dessen, was ihrer Natur entspricht und deshalb gesund für sie wäre. Wenn ihnen das, was sie auf diese Weise erfahren, nicht unter die Haut geht, passiert auch nichts in ihren Gehirnen. Und unter die Haut geht einem Menschen eine solche Information nur dann, wenn sie in ihr oder ihm ein Gefühl auslöst, also zu einer Aktivierung emotionaler Bereiche im Gehirn führt. Erst dann bekommt das Gelesene oder Gehörte für die betreffende Person auch eine subjektive Bedeutung. Erst dann ist sie bereit, darüber nachzudenken, sich ihrer ungesunden Lebensweise auch selbst bewusst zu werden und diese wieder in Einklang mit den natürlichen Bedürfnissen ihres Körpers zu bringen.

Auf die Signale aus dem eigenen Körper achten

Normalerweise brauchen wir Menschen gar keine Ratgeber, die uns vor Augen führen, was alles ungesund ist. In die natürliche Beschaffenheit unseres Körpers ist von Anfang an die Fähigkeit eingebaut, ein entsprechendes Signal zu erzeugen und zum Gehirn weiterzuleiten, wenn wir etwas tun – und dadurch im Körper etwas ausgelöst wird –, das uns nicht guttut. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn wir ein körperliches Bedürfnis verletzen, wenn wir etwa zu wenig schlafen, zu viel oder zu wenig trinken oder essen, uns körperlich überlasten, zu lange irgendwo herumsitzen oder zu wenig Sauerstoff einatmen. Wenn also etwas nicht mehr so ist, wie es natürlicherweise sein sollte, meldet sich der Körper und leitet eine entsprechende Botschaft nach oben, zum Gehirn, weiter.

In der Regel ist dieses Signal stark genug, um im Gehirn entsprechende Reaktionsmuster auszulösen, die geeignet sind, die aufgetretene Störung abzustellen. »Stark genug« ist ein solches Signal aber nur dann, wenn es von der betreffenden Person nicht nur einfach wahrgenommen wird, sondern wenn sie ihm ihre Aufmerksamkeit zuwendet und die damit einhergehende Aktivierung emotionaler Bereiche nicht unterdrückt. Erst dann erlangt diese aus dem eigenen Körper kommende Botschaft für diese Person auch eine subjektive Bedeutung. Jetzt erst wird sie ihr Verhalten so verändern, dass dann auch im Körper alles wieder besser zusammenpasst. Beispielsweise, indem sie aufhört, etwas zu tun, das ihr nicht guttut.