N. Bernhardt

Buch V: Rückkehr ins Unbekannte

Der Hexer von Hymal

N. Bernhardt

Buch V: Rückkehr ins Unbekannte

Der Hexer von Hymal

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2019
2. Auflage, ISBN 978-3-954182-95-4

www.null-papier.de/hymal

null-papier.de/katalog

Inhaltsverzeichnis

Ers­tes Ka­pi­tel: Flucht in den Nor­den

Zwei­tes Ka­pi­tel: Adept auf Ab­we­gen

Drit­tes Ka­pi­tel: Früh­stück mit Schwie­rig­kei­ten

Vier­tes Ka­pi­tel: Der gru­se­li­ge Graf

Fünf­tes Ka­pi­tel: Der Wi­der­stand in Skingár

Sechs­tes Ka­pi­tel: Eine Lek­ti­on für Fort­ge­schrit­te­ne

Sieb­tes Ka­pi­tel: Fürst ohne Fürs­ten­tum

Aus­blick

Knapp dem Ar­ka­nen Or­den ent­kom­men, ver­schlägt es Nik­ko wie­der in den Nor­den. Der Graf von Skingár ge­währt ihm und Pe­ryn­dor Asyl. Doch ist der Graf wirk­lich, wer er scheint? Je­den­falls hat der selt­sa­me Kerl so ei­ni­ge Lek­tio­nen für Nik­ko pa­rat. Lek­tio­nen ganz be­son­de­rer Art!

Website

Wei­te­re In­for­ma­tio­nen zur Rei­he und zum Au­tor fin­den Sie un­ter:

hy­mal.info

Erstes Kapitel: Flucht in den Norden

Nik­ko sah noch im­mer nur schwarz, als ihn eine Stim­me aus sei­ner Be­nom­men­heit riss. Wie lan­ge hat­te er hier wohl ge­le­gen? Die Stim­me. Jetzt war es wohl vor­bei. Xan­thúal war zu­rück und wür­de ihn tö­ten!

»Wacht auf, Adept«, hör­te er je­man­den sa­gen. »Wir müs­sen schnell ver­schwin­den!«

Das war doch aber gar nicht Xan­thúal, der da sprach. Es war die Stim­me Pe­ryn­dors! War er etwa ge­ret­tet oder träum­te er nur?

Dann plötz­lich konn­te er end­lich wie­der se­hen und sich so­gar be­we­gen. Er lag auf ei­ner Bah­re in ei­nem fens­ter­lo­sen Raum, den ei­ni­ge ma­gi­sche Lich­ter an den Wän­den in wi­der­na­tür­li­ches Licht tauch­ten. Pe­ryn­dor stand ne­ben der Bah­re und wirk­te ner­vös. Je­den­falls konn­te Nik­ko so hof­fen, dass dies die Wirk­lich­keit war. Er schi­en ge­ret­tet!

»Kommt end­lich wie­der zu Euch!«, mahn­te der Erz­ma­gier. »Wir müs­sen weg hier, so schnell es nur geht!«

Wie hat­te der Alte ihn nur ge­fun­den? Er wuss­te ja selbst nicht ge­nau, wo er über­haupt war. Was war ei­gent­lich ge­sche­hen? Was war wirk­lich pas­siert und was ge­träumt?

»Was…«, keuch­te Nik­ko. »Wo…«

»Kei­ne Zeit!«, dräng­te Pe­ryn­dor. »Wir re­den spä­ter. Rafft Euch jetzt auf. Wir ha­ben ein gu­tes Stück­weit Weg vor uns.«

Der Groß­meis­ter half dem Adep­ten dann, von der Bah­re auf­zu­ste­hen. Nik­ko war völ­lig nackt und schäm­te sich in den Bo­den. Die Haut, wo man die Spu­ren der Blitz­fol­ter gut se­hen konn­te, tat noch im­mer furcht­bar weh. Doch jetzt hieß es, die Zäh­ne fest zu­sam­men­zu­bei­ßen und die Schmer­zen zu ver­drän­gen.

Pe­ryn­dor wirk­te dann einen Zau­ber, den Nik­ko zwar wahr­nahm, aber nicht ver­stand. Er hat­te jetzt al­ler­dings auch wahr­lich nicht die Muße, das kom­pli­zier­te Mus­ter zu er­grün­den.

Plötz­lich war nun al­les bläu­lich und ir­gend­wie ver­zerrt. Ob­wohl sie noch im­mer in der Kam­mer zu sein schie­nen, sah al­les un­wirk­lich aus. Pe­ryn­dor stütz­te sei­nen Schü­ler, in­dem er des­sen rech­ten Arm über die Schul­ter nahm. So steu­er­te er auf die Tür zu, wenn man das selt­sam ver­form­te Ob­jekt denn über­haupt noch so be­zeich­nen konn­te.

»Wir sind in ei­ner an­de­ren Pha­se, Adept«, er­klär­te der Alte, doch Nik­ko hat­te kei­ne große Lust zu­zu­hö­ren. Noch im­mer war er wie be­nom­men.

An der Tür wirk­te der Erz­ma­gier einen wei­te­ren Zau­ber. Dann schrit­ten die bei­den durch die­se hin­durch, ohne sie über­haupt zu öff­nen.

So führ­te Pe­ryn­dor den ge­ret­te­ten Adep­ten durch Flu­re und ei­ni­ge Trep­pen hin­auf. Si­cher wa­ren sie noch auf dem An­we­sen des Or­dens. Auch wenn al­les selt­sam de­for­miert war und in Blau­tö­nen wa­ber­te.

Bald schon be­glei­te­ten sie auch noch ko­mi­sche Krea­tu­ren auf ih­rem Weg. Wie von al­lein schwe­ben­de Schlan­gen mit sil­bern leuch­ten­der Haut und bös­ar­ti­gen Köp­fen. Spit­ze Fang­zäh­ne droh­ten den bei­den Be­su­chern. Schon ver­such­ten ei­ni­ge zu­zu­schnap­pen! Doch Pe­ryn­dor wehr­te die An­grif­fe ge­konnt mit ei­nem Fin­ger­zeig ab.

»Ver­fluch­te Bies­ter«, me­cker­te der Alte den­noch, als sie schließ­lich drau­ßen auf der Stra­ße zu des­sen An­we­sen wa­ren. So je­den­falls schi­en es dem Jun­gen. Genau zu­recht­fin­den konn­te er sich in die­ser ver­zerr­ten Welt in Blau aber nicht.

Als sie dann ein gan­zes Stück auf der Stra­ße zu­rück­ge­legt hat­ten, wur­den die An­grif­fe der ko­mi­schen Schlan­gen im­mer hef­ti­ger. Hun­der­te der Bies­ter um­schwirr­ten die bei­den nun und schnapp­ten im Se­kun­den­takt zu. Pe­ryn­dor hat­te so­gar einen Schutz­schild wir­ken müs­sen, der bei je­dem Biss so hef­tig auf­fla­cker­te, als ob er gleich zu­sam­men­zu­bre­chen droh­te.

Der Schild hielt, doch das Voran­kom­men wur­de im­mer schwie­ri­ger. Noch im­mer schie­nen mehr und mehr der Krea­tu­ren hin­zu­zu­kom­men und ver­stopf­ten nun die gan­ze Stra­ße. An ein Voran­kom­men war so bald nicht mehr zu den­ken.

»Es hat kei­nen Sinn«, keuch­te Pe­ryn­dor und wirk­te wie­der einen Zau­ber.

Von ei­nem Au­gen­blick auf den an­de­ren wa­ren die Vie­cher ver­schwun­den. Doch was war das? Die Welt schi­en wie­der völ­lig nor­mal. Sie wa­ren wohl zu­rück in der Wirk­lich­keit.

Gut, dass es Nacht war, ging es Nik­ko durch den Kopf, als er sich wie­der be­wusst wur­de, dass er ja im­mer noch völ­lig nackt war. Er schäm­te sich zwar schreck­lich. Zum Glück aber wa­ren die Stra­ßen der Stadt jetzt men­schen­leer. Je­den­falls hier oben im sechs­ten Ring.

»Wir sind fast bei mei­ner Re­si­denz«, er­mu­tig­te ihn Pe­ryn­dor. »Nur ei­ni­ge Mi­nu­ten noch.«

»Sucht Euch schnell Eure Sa­chen zu­sam­men, Adept«, mein­te der Erz­ma­gier dann, als sie sein An­we­sen be­tra­ten, wo zu Nik­kos Er­leich­te­rung so spät kei­ne Be­diens­te­ten mehr zu­ge­gen wa­ren. »Un­se­re… Rei­se ist lei­der noch lan­ge nicht vor­bei.«

Nik­ko war gar nicht fä­hig, zu viel nach­zu­den­ken, als er sei­ne Sa­chen zu­sam­men­pack­te. Noch im­mer war er et­was be­nom­men und von den selt­sa­men Ge­scheh­nis­sen die­ser Nacht völ­lig über­rum­pelt. Doch ei­nes war klar. Der Alte hat­te ihm das Le­ben ge­ret­tet.

Viel zu pa­cken gab es ei­gent­lich nicht. Das di­cke Buch von Tho­ro­dos, in dem er zu­letzt viel zu we­nig ge­le­sen hat­te, nahm er na­tür­lich mit. Si­cher wür­de er jetzt ei­ni­ges dar­in ver­ste­hen kön­nen. An­sons­ten war da nur noch Klei­dung. Zum Glück hat­te der Alte ihm meh­re­re der blau­en Ro­ben zur Ver­fü­gung ge­stellt. So konn­te er eine da­von gleich an­zie­hen und hat­te dann noch eine fri­sche üb­rig. Auch die brau­ne No­vi­zenkluft war noch da. Al­les im Ruck­sack ver­staut, mach­te sich der Jun­ge dann gleich auf zu Pe­ryn­dor.

»Folgt mir in den Kel­ler«, for­der­te der Erz­ma­gier ihn ohne wei­te­ren Kom­men­tar auf und mach­te sich so­gleich auf den Weg. Of­fen­bar woll­te er kei­ne wei­te­re Zeit ver­geu­den.

Nik­kos Geist war noch im­mer zu lahm, um sich über­haupt zu fra­gen, was der Alte denn vor­hat­te. So folg­te er dem Groß­meis­ter die Wen­del­trep­pe hin­ab nach un­ten. Dies­mal steu­er­te Pe­ryn­dor auf eine an­de­re Tür zu, hin­ter der ein qua­dra­ti­scher Raum war­te­te, den ma­gi­sches Licht fahl er­leuch­te­te.

»Stellt Euch in die Mit­te des Krei­ses«, ord­ne­te der Meis­ter an. »Ver­hal­tet Euch dort ru­hig.«

Was für ein Kreis? Ach ja, in den Bo­den war ein Ring ein­ge­las­sen. Der Ring, in dem meh­re­re Men­schen Platz hät­ten, war wohl aus Me­tall oder dunklem Ge­stein. Nik­ko ge­horch­te und be­gab sich in die Mit­te.

Pe­ryn­dor wirk­te et­was auf ei­ni­ge Stel­len im Ring. Was ge­nau, war dem Jun­gen nicht klar. Es schi­en aber so, als wol­le er si­cher­stel­len, dass der Ring ge­schlos­sen war. Als der Meis­ter dann zu­frie­den war, be­gab er sich eben­falls ins In­ne­re und wirk­te dort einen wei­te­ren Zau­ber.

Plötz­lich war schon wie­der al­les an­ders! Das Licht war an­ders, der Raum war viel grö­ßer. Nur der Ring schi­en un­ver­än­dert. Was war hier ge­sche­hen?

»Folgt mir«, mein­te Pe­ryn­dor und ver­ließ den Ring in Rich­tung der Tür, die jetzt auch wo­an­ders war.

Nik­ko ging hin­ter dem Erz­ma­gier her und konn­te sich nur wun­dern. Das war doch gar nicht das An­we­sen des Al­ten. Sie muss­ten ir­gend­wo an­ders sein. Aber wo? Hat­te der Meis­ter sie etwa weg­tele­por­tiert?

»Wo sind wir?«, woll­te der Jun­ge es dann end­lich wis­sen, als Pe­ryn­dor ihn in eine klei­ne Schlaf­kam­mer führ­te.

»In Te­rys«, ant­wor­te­te der Erz­ma­gier. »Ruht Euch hier et­was aus, jun­ger Adept. Wir wer­den mor­gen ei­ni­ges zu be­spre­chen ha­ben.«

Nik­ko hat­te eine alb­traum­ge­plag­te Nacht hin­ter sich, als er spät am nächs­ten Mor­gen auf­wach­te. Im­mer wie­der war ihm Xan­thúal er­schie­nen und spä­ter dann auch die schreck­li­chen Schlan­gen. An Ein­zel­hei­ten konn­te er sich nicht mehr er­in­nern, was wohl auch bes­ser war.

Schweiß­ge­ba­det lag er nun im Bett und brauch­te ei­ni­ge Au­gen­bli­cke, um sich wie­der in Erin­ne­rung zu ru­fen, wo er ei­gent­lich war. Te­rys! Die Stadt am Meer, an die er ja fast nur gute Erin­ne­run­gen hat­te.

Nun aber mel­de­te sich der lee­re Ma­gen zu Wort. Nik­ko wuss­te gar nicht mehr, wann er zu­letzt et­was ge­ges­sen hat­te. Er wuss­te ja noch nicht ein­mal, wie lan­ge der Or­den ihn ge­fan­gen ge­hal­ten hat­te.

Die Ge­fan­gen­schaft und Fol­ter! Jetzt, wo er nicht mehr in Ge­fahr schweb­te, wich die Angst schnell dem Ge­fühl großer Er­nied­ri­gung. Nackt hat­te er auf der Bah­re ge­le­gen, als das Schwein Xan­thúal ihn mit den Blit­zen mal­trä­tier­te. Was für eine Schmach! Er­nied­ri­gung wan­del­te sich schnell in blan­ke Wut. Mit ei­nem Faust­schlag auf den klei­nen Tisch im Zim­mer schwor sich Nik­ko, die­sen Xan­thúal zur Re­chen­schaft zu zie­hen. Und mit ihm am bes­ten auch den gan­zen ver­fluch­ten Or­den!

We­nigs­tens die Wun­den schie­nen lang­sam zu ver­hei­len, zu­min­dest die auf der Haut. Sie war zwar noch et­was ge­reizt und brann­te leicht. Aber es wür­den wohl kei­ne Nar­ben blei­ben, hoff­te Nik­ko je­den­falls. Den­noch, Xan­thúal wür­de da­für bü­ßen müs­sen!

Jetzt aber galt es erst ein­mal, den lee­ren Ma­gen zu fül­len, der schon un­ge­dul­dig knurr­te. Wo ging es hier bloß zur Kü­che? Er wür­de sie wohl su­chen müs­sen.

Mit Pe­ryn­dor wür­de er si­cher­lich auch ger­ne das ein oder an­de­re Wort wech­seln wol­len, sin­nier­te er auf sei­ner Su­che durch die un­be­kann­ten Räum­lich­kei­ten. Na­tür­lich muss­te er ihm für sei­ne Ret­tung dan­ken. Oh je, er hat­te den Al­ten ja letzt­lich doch ver­ra­ten! Das hat­te der Jun­ge schon fast wie­der ver­ges­sen. Oder doch eher ver­drängt? Konn­te er es ris­kie­ren, dem Erz­ma­gier zu beich­ten, dass er dem Or­den des­sen War­nung an Tho­ro­dos be­stä­tigt hat­te?

»Gu­ten Mor­gen, Adept«, er­schrak ihn eine Stim­me. »Wo­hin des We­ges?«

Nik­ko er­kann­te den Meis­ter so­fort. Wie hieß er doch gleich? Sinúl? Ja, das war sein Name.

»Gu­ten Mor­gen, Meis­ter Sinúl«, ver­beug­te sich der jun­ge Adept. »Ich su­che die Kü­che.«

»Ich kann nur ver­mu­ten, dass Ihr die Kü­che des Hun­gers we­gen sucht«, kom­men­tier­te der Meis­ter nicht ohne Spott in der Stim­me. »Wenn dem so ist, dann folgt mir bit­te zum… Spei­se­saal.«

Wort­los führ­te Sinúl den Adep­ten durch die groß­zü­gi­gen Räum­lich­kei­ten. Le­dig­lich der Saal, den sie dann kurz durch­quer­ten, kam Nik­ko be­kannt vor. Vor vie­len Mo­na­ten hat­te er sich ge­nau hier dem Or­den of­fen­bart. Im Or­dens­ka­pi­tel von Te­rys, also im Schloss des Groß­her­zogs, wa­ren sie dem­nach ge­lan­det.

»Gu­ten Mor­gen, Adept Nik­ko«, grüß­te auch Pe­ryn­dor, der schon in das Früh­stücks­sor­ti­ment ver­tieft war. »Ich hof­fe, Ihr konn­tet Euch et­was er­ho­len?«

»Gu­ten Mor­gen, Meis­ter«, ant­wor­te­te der Adept und nahm an der Ta­fel Platz. »Es geht mir schon wie­der bes­ser. Auch die Wun­den hei­len gut.«

»Gut«, nu­schel­te der Erz­ma­gier in sein Ge­bäck und Meis­ter Sinúl ließ die bei­den mit ei­ner flüch­ti­gen Ver­beu­gung al­lein. »Ich schaue mir Eure Wun­den gleich noch ge­nau­er an. Vi­el­leicht kann ich Euch ja wei­te­re Lin­de­rung ver­schaf­fen.«

»Vie­len Dank, Meis­ter«, ant­wor­te­te Nik­ko höf­lich und griff gie­rig zu Ge­bäck und Tee. »Hat der Meis­ter schon ge­speist?«

»Sinúl ist ein Früh­auf­ste­her«, lach­te Pe­ryn­dor. »Aber nach den Stra­pa­zen der letz­ten Nacht war uns ein lan­ger Schlaf nun ein­mal nicht zu ver­weh­ren.«

»Das war ein Tele­portzau­ber, den Ihr im Ring ge­wirkt habt, oder?«, war der jun­ge Adept jetzt wie­der vol­ler Wis­sens­durst.

»Rich­tig«, nick­te der Alte. »Alle Or­dens­ka­pi­tel und die Kel­ler vie­ler ho­her Ma­gier ver­fü­gen über einen sol­chen Tele­por­traum.«

»Doch hat­te Xan­thúal einst einen Tele­port mit­ten in der Wild­nis ge­wirkt«, wun­der­te sich Nik­ko.

»Das Wich­ti­ge am Tele­port ist, dass das Ziel nicht nur be­kannt ist, son­dern vor al­lem frei von Hin­der­nis­sen«, er­klär­te der Meis­ter. »Stellt Euch vor, Ihr wür­det in einen Stein oder einen Baum hin­ein­tele­por­tiert. Das wäre Euer so­for­ti­ger Tod!«

»Da­her also die Räu­me«, nick­te der Adept. »Ihre Po­si­ti­on ist wohl­be­kannt und sie wer­den si­cher­lich im­mer frei ge­hal­ten.«

»Ganz ge­nau«, nick­te der Erz­ma­gier.

»Doch warum hat­tet Ihr uns auf der Flucht dann nicht di­rekt in Eu­ren Kel­ler be­för­dert oder so­gar gleich hier­her?«, frag­te Nik­ko.

»Um we­ni­ger Auf­merk­sam­keit zu er­re­gen und un­se­re Spu­ren zu ver­wi­schen«, er­klär­te der Alte mit selbst­zu­frie­de­nem Grin­sen. »Ein ein­fa­cher Tele­port hät­te den gan­zen Or­den alar­mie­ren kön­nen. Sich in der un­be­kann­ten Di­men­si­on da­von­zu­steh­len, war je­doch nichts, was die Töl­pel je er­war­tet hät­ten.«

»Was war das ei­gent­lich für eine ko­mi­sche… Di­men­si­on?«, hak­te der Jun­ge nach. »Was wa­ren das für wi­der­li­che Vie­cher, die dort nach uns schnapp­ten?«

»Das lässt sich al­les nur schwer er­klä­ren, Jun­ge«, seufz­te der Meis­ter. »Die Schlan­gen je­doch sind die Be­woh­ner die­ser… ge­fähr­li­chen Ebe­ne.«

»Wir Ma­gier ha­ben die Mög­lich­keit«, er­klär­te er dann wei­ter, »den Schlä­fern völ­lig un­zu­gäng­li­che Di­men­sio­nen oder Ebe­nen zu be­tre­ten. Es gibt da­von un­zäh­lig vie­le. Ich hat­te die­se ge­wählt, weil sie bei den Ma­gi­ern sehr un­be­liebt ist. Wa­rum, das habt Ihr ja selbst er­lebt.«

»In ei­ner we­ni­ger ge­fähr­li­chen Ebe­ne hät­ten die Zau­be­rer des Or­dens uns wohl eher auf­ge­spürt«, kom­bi­nier­te Nik­ko.

»Ganz ge­nau«, lach­te der Alte. »Mit so vie­len Schlan­gen hät­te ich al­ler­dings nicht ge­rech­net. Ich war schon da­von aus­ge­gan­gen, dass wir es ohne Pro­ble­me in mein An­we­sen schaf­fen. Aber es ist ja trotz­dem al­les gut­ge­gan­gen.«

»Wie habt Ihr mich ei­gent­lich ge­fun­den?«, woll­te der Adept nun Ein­zel­hei­ten wis­sen.

»Ei­ner der Rin­ge, den ich Euch gab, er­mög­lich­te es mir, Euch ganz ein­fach zu or­ten«, er­klär­te Pe­ryn­dor. »Adept, wisst Ihr ei­gent­lich, wie lan­ge Ihr ver­schwun­den wart?«

»Nein«, pus­te­te Nik­ko, auf des­sen See­le die Ge­fan­gen­schaft noch im­mer schwer las­te­te. »Wie lan­ge denn?«

»Vor fast sechs Ta­gen hat­tet Ihr Euch auf den Weg ge­macht.«

Sechs Tage? Dann hat­ten sie ihn also gan­ze fünf Tage lang ge­fan­gen und ge­fol­tert. Was für eine Ge­mein­heit, was für eine Schmach!

»Ich hat­te mich zu­nächst auf of­fi­zi­el­lem Wege nach Eu­rem Ver­blei­ben er­kun­digt«, er­läu­ter­te Pe­ryn­dor wei­ter. »Doch wur­de ich na­tür­lich nur ver­trös­tet. Ich wuss­te, dass Ihr noch im Or­dens­sitz wart. Doch ahn­te ich bald schon, dass Ihr dort nicht län­ger als Gast weil­tet, son­dern wohl als Ge­fan­ge­ner des Ket­ten­hunds Xan­thúal.«

»Na­tür­lich galt es dann, Euch so schnell wie mög­lich zu be­frei­en«, er­klär­te er wei­ter. »Be­vor Ihr noch… zu viel re­det.«

Gut, der Groß­meis­ter wuss­te schein­bar nicht, dass Nik­ko ihn ver­ra­ten hat­te. Das soll­te wohl auch bes­ser so blei­ben. Aber warum hat­te der Or­den den Al­ten denn nicht fest­neh­men las­sen?

»Was wird jetzt?«, woll­te der Adept wis­sen. Er war ja nun in tiefs­te Un­gna­de ge­fal­len und wür­de wohl vom Or­den ge­jagt wer­den.

»Ich wer­de noch heu­te nach Zun­daj zu­rück­keh­ren müs­sen«, über­rasch­te der Alte und grins­te selbst­ge­fäl­lig: »Nicht, dass man mich noch zu sehr ver­däch­tigt. Ob­wohl, ver­däch­ti­gen wer­den sie mich auf je­den Fall. Aber Be­wei­se wer­den sie nicht fin­den.«

»Euch wer­de ich zu­nächst hier in Meis­ter Sinúls Ob­hut las­sen«, mein­te er dann. »Ich hat­te Euch ja schon ein­mal er­zählt, dass Sinúl im Grun­de auf der rich­ti­gen Sei­te steht.«

Ob es eine gute Idee war, sich hier bei Meis­ter Sinúl zu ver­ste­cken, konn­te Nik­ko na­tür­lich nicht ab­schät­zen. Aber soll­te er nun etwa sein gan­zes Le­ben lang in De­ckung blei­ben?

»Wir wer­den nach­her mit Meis­ter Sinúl alle Ein­zel­hei­ten be­spre­chen«, füg­te der Alte hin­zu. »So, jetzt lasst mich aber Eure Wun­den se­hen und ich wer­de schau­en, was ich tun kann.«

Nik­ko mach­te sei­nen Ober­kör­per frei und zeig­te dem Erz­ma­gier die ge­schun­de­ne Haut.

»Blit­ze«, mur­mel­te der Groß­meis­ter. »Doch was spü­re ich da? Hat man Euch etwa schwar­ze Zau­be­rei an­ge­tan?«

»Schwarz ist im­mer nur die Ma­gie der an­de­ren«, äff­te der Adept nach.

»Was ist nur aus mei­nem Or­den ge­wor­den«, schüt­tel­te der Alte sein Haupt und mun­ter­te dann auf: »Macht aber Euch kei­ne Sor­gen, Adept. Eure Wun­den wer­den voll­stän­dig ver­hei­len.«

»Ich habe Euch sel­ten die Lage so un­zu­tref­fend ein­schät­zen se­hen, al­ter Freund«, mahn­te Meis­ter Sinúl, als er und der Groß­meis­ter spä­ter im Ar­beits­zim­mer des Lei­ters des Or­dens­ka­pi­tels und Erz­ma­giers der Stadt Te­rys, so­wie Hof­ma­giers Sei­ner kö­nig­li­chen Ho­heit, des Groß­her­zogs Ar­lenn von Thordám, bei­sam­men sa­ßen.

»Was meint Ihr?«, schi­en der Alte er­staunt. »Habt Ihr etwa Nach­richt aus Zun­daj?«

»In der Tat«, nick­te Sinúl streng. »Falls es Euch in­ter­es­siert, Groß­meis­ter Pe­ryn­dor, wie mir schon heu­te Mor­gen mit­ge­teilt wur­de, seid Ihr vom Or­den als Apo­stat und Ver­rä­ter ge­brand­markt. Herz­li­chen Glück­wunsch!«

Oh je, das war be­stimmt sei­ne Schuld! Hat­te Nik­ko dem wi­der­li­chen Xan­thúal doch al­les ge­beich­tet. Er konn­te nur hof­fen, dass Pe­ryn­dor ihm je­mals ver­zei­hen wür­de.

»Ver­flucht«, schüt­tel­te Pe­ryn­dor den Kopf. »Dann ha­ben sie mir die Be­frei­ung des Adep­ten wohl doch an­ge­las­tet. Vi­el­leicht habe ich ja wirk­lich Spu­ren hin­ter­las­sen.«

War der Alte wirk­lich zu blöd, um Nik­kos Ver­rat zu er­ken­nen? Wie­so war Pe­ryn­dor sich ei­gent­lich so si­cher, dass meh­re­re Tage Haft und Fol­ter die Zun­ge des Adep­ten nicht doch ge­löst hat­ten? Nun gut, wenn der Alte ihn nicht ver­däch­tig­te, dann wür­de er auch kein Wort dar­über ver­lie­ren. Wa­rum auch?

»Was soll es schon?«, lach­te Pe­ryn­dor dann laut und be­herzt. »So frei habe ich mich seit Jahr­hun­der­ten nicht mehr ge­fühlt!«

»Nein«, sprach er mit bren­nen­den Au­gen, »zu lan­ge war ich Ge­fan­ge­ner des Or­dens, der schon seit viel zu lan­ger Zeit nicht mehr für mich sprach. Jetzt kann ich wie­der sein, wer ich wirk­lich bin!«

»Ihr seid doch des Wahn­sinns!«, war Sinúl sicht­bar ent­setzt. »Sie wer­den Euch ja­gen und tö­ten.«

»Sol­len sie es doch ver­su­chen!«, brüll­te Pe­ryn­dor, dass Nik­ko fast das Trom­mel­fell platz­te. »Ich bin nicht um­sonst ein Groß­meis­ter der Ma­gie!«

»Sol­len die Jä­ger lie­ber auf­pas­sen, dass sie nicht zu den Ge­jag­ten wer­den«, lach­te er wei­ter. »Sinúl, al­ter Freund! Ich habe mein Le­ben schon längst ge­lebt. Auch wenn ich mich hier und jetzt um Jahr­hun­der­te jün­ger füh­le. Selbst wenn sie mich er­wi­schen, wer­de ich ih­nen einen Kampf zu bie­ten wis­sen, über den man auch in Jah­ren und Jahr­zehn­ten noch vol­ler Ehr­furcht re­den wird!«

»Über­treibt nicht, al­ter Freund«, be­schwich­tig­te Sinúl. »Das wäre ein sinn­lo­ses Op­fer. Mit Eu­rer großen Er­fah­rung seid Ihr le­bend doch viel wich­ti­ger. Gera­de jetzt, wo es uns an Nach­wuchs so man­gelt. Si­cher­lich kön­nen wir das mit dem Or­den ir­gend­wie wie­der hin­bie­gen.«

»Er­zählt kei­nen Un­sinn«, wie­gel­te Pe­ryn­dor ab. »Ich war den Schwach­köp­fen im Rat doch schon seit Lan­gem ein Dorn im Auge. Ihr habt ja kei­ne Ah­nung, was heu­te dort für Zu­stän­de herr­schen!«

»Na­tür­lich, Groß­meis­ter«, nick­te Sinúl, der ja nur Meis­ter ei­nes nie­de­ren Gra­des war. Wahr­schein­lich war er wirk­lich nicht über die Ma­chen­schaf­ten der Obe­ren des Or­dens im Bil­de.

»Aber bit­te tut mir den einen Ge­fal­len«, bat er dann. »Werft Euch nicht sinn­los in die Schlacht, die Ihr letzt­lich nicht ge­win­nen könnt! Geht nach Skingár, wo Ihr zu­min­dest für eine Wei­le si­cher seid, bis sich die Wo­gen wie­der ge­glät­tet ha­ben.«

»Denkt auch an Eu­ren Adep­ten«, füg­te der Meis­ter mah­nend hin­zu und fi­xier­te Nik­ko mit ei­ser­nem Blick. »Es wäre doch zu scha­de, den wohl jüngs­ten Ma­gier des Reichs sinn­los im Kampf ge­gen den Or­den zu ver­hei­zen.«

»Da habt Ihr nicht Un­recht, Meis­ter Sinúl«, nick­te Pe­ryn­dor und lä­chel­­­­­­­­­­­­