Finanzierung von Exporten
und Direktinvestitionen

Bernd G. Kiefer, Urs Gerspacher (Hrsg.)

Finanzierung
von Exporten
und Direktinvestitionen

Ein Handbuch
für Schweizer KMU

Inhalt

 

Herbert Wight und Bernd G. Kiefer Vorwort

Aussenhandel: Schweizer KMU im Umbruch

Bernd G. Kiefer

2.1 Der Aussenhandel in der Schweizer Volkswirtschaft

Bernd G. Kiefer

2.2 Aussenhandel heute und historische Entwicklung

Urs Gerspacher

2.3 Wandel in den Kunden- und Käuferbedürfnissen

Überblick über die Finanzierung von Exporten und die Zahlungsabsicherungl

3.1 Bonding: Avale und private Kreditversicherung

Brigitte Brüngger

3.1.1 Avale: Wert für die Zahlungssicherung und deren Abwicklung

Jörn Volk

3.1.2 Private Kreditversicherungen

Jean-Claude Feusier und Thomas Enz

3.2 Risikomanagement und Zahlungsabsicherung

3.2.1 Risikomanagement

3.2.2 Vertragsstrukturen

3.2.3 Liefervertrag und Projekt-Cashflow

3.2.4 Zahlungsrisiko und -absicherung

3.2.5 Fazit

3.3 Klassische Formen der Exportfinanzierung

Thomas Enz

3.3.1 Lieferanten- und Käuferkredit

Martin Gisiger

3.3.2 Grundzüge des OECD-Konsensus und der internationale Wettbewerb

Kasten I

Heribert Knittlmayer und Lars Ponterlitschek
Die Schweizer Exportrisikoversicherung SERV

3.4 Moderne Formen der Exportfinanzierung

Raphael Steiner

3.4.1 Vorfinanzierung

Andres Heusser und Jean-Claude Feusier

3.4.2 Leasingmodelle

Raphael Steiner

3.4.3 Projektfinanzierung

Kasten II

Dieter Tobler
Exportfinanzierung aus der Sicht einer Grossbank

3.5 Finanzierung als proaktive Verkaufsunterstützung

Urs Gerspacher

3.5.1 Die «guten alten Zeiten»

Urs Gerspacher

3.5.2 Neue Herausforderungen für die Exportkreditversicherung …….

Kasten III

Peter Jenelten
Stadler Rail AG

Brigitte Brüngger

3.5.3 Financial-Sales-Support – Wie Finanzierungen als Verkaufsunterstützung genutzt werden können

Raphael Steiner Direktinvestitionen im Ausland

4.1 Herausforderungen und Lösungen

4.2 Direktinvestitionen

4.2.1 Möglichkeiten und Grenzen der lokalen Finanzierung

4.2.2 Kofinanzierung durch multilaterale Entwicklungsbanken

Kasten IV

Raphael Steiner
Multilaterale Entwicklungsbanken

Erfahrungsberichte

Peter Silberschmidt

5.1 Erfahrungsbericht – Von der ERG zur SERV

Raphael Steiner

5.2 Tansania – Kleinwasserkraftwerk Tulila

Michele Molinari

5.3 Äthiopien: Awash-Weldia Railway Project

Andres Heusser

5.4 Fallbeispiel: Leasingstruktur unter Zuhilfenahme eines «Special Purpose Vehicle»

Raphael Steiner

5.5 Optrel AG – Lieferantenkreditfinanzierung Russland

Xport Finance AG – ein neuer Anbieter im Schweizer Markt für Exportkredite

6.1 Weltwirtschaftlicher Hintergrund

6.2 Der Schweizer Markt für Exportkredite

6.3 Strukturelle Gründe für die Störung zwischen Angebot und Nachfrage im Exportkreditmarkt

6.4 Xport Finance AG

6.5 Zusammenfassung

Exkurs Schweiz – Deutschland

Brigitte Lorch

7.1 Projektfinanzierung, Bürgerfinanzierung und Crowdfunding…

7.1.1 Projektfinanzierung

7.1.2 Bürgerfinanzierungsmodelle

7.1.3 Crowfunding

7.1.4 Fazit

Bernd G. Kiefer und Raphael Steiner

7.2 Public-Private-Partnership

Bernd G. Kiefer und Raphael Steiner
Exportabsicherungs- und Exportfinanzierungsbedarf: Wie als Unternehmen konkret vorgehen?

Anlaufstellen für KMU und Weblinks

10 Begriffserklärungen

Autorinnen und Autoren

Literaturverzeichnis

Vorwort

VON HERBERT WIGHT UND BERND G. KIEFER

 

 

 

1

 

 

Die Schweizer Exportfirmen mussten sich in den letzten Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, immer wieder grossen Herausforderungen stellen. Insbesondere die globale Finanzkrise 2008 und die darauffolgende starke Aufwertung des Schweizer Frankens gegenüber dem US-Dollar und dem Euro hinderten den wichtigen Zweig der Schweizer Industrie an der Ausnützung seines bedeutenden Potenzials.

Vor allem traf dies die kleineren und mittelgrossen Unternehmungen (KMU), die gezwungen wurden, auf der Kostenseite tiefgreifende Massnahmen umzusetzen und ihren Abnehmern im Ausland schmerzhafte Konzessionen preislicher Art und/oder in Bezug auf die Zahlungsbedingungen zuzugestehen, ohne auf die Produktion im Ausland ausweichen zu können oder zu wollen. Gleichzeitig führte die Finanzkrise zu einer zurückhaltenden Kreditpolitik der Banken.

Auch wenn es so aussieht, als ob die Talsohle, insbesondere bezüglich der Exportleistungen der MEM-Industrie (Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie) heute durchschritten ist, ist es sehr zu begrüssen, dass es mit dem vorliegenden Handbuch gelungen ist, bekannte Autoren zu motivieren, jeweils aus ihrer Sicht die vorhandenen Instrumente zur Unterstützung von Export- und Investitionsprojekten zu beschreiben. Das Buch bekämpft auch das Vorurteil, dass Instrumente zur Unterstützung von Exporten nur für Grossunternehmen und Grossprojekte bereitstehen. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass insbesondere die neueren Unterstützungsmöglichkeiten auch auf die Bedürfnisse der KMU zugeschnitten sind.

Im Schweizer Markt fehlte bisher eine praxisorientierte Zusammenfassung des aktuellen Wissens und der Werkzeuge für die Exportfinanzierung und Direktinvestitionen im Ausland. Zudem sind KMU in der Schweiz und im Ausland immer häufiger mit neuen Finanzierungsinstrumenten wie Projektfinanzierung, Crowdfunding oder Bürgerfinanzierung konfrontiert. Der Leserschaft soll deswegen im vorliegenden Buch ein schneller und trotzdem fundierter Einblick in die wichtigen Instrumente, in die Chancen und Risiken von Exporten und Direktinvestitionen im Ausland sowie in heute bereits absehbare Entwicklungen gegeben werden.

Das Anliegen des Handbuchs ist es, Ihnen als KMU-Mitarbeiter die gesamte Bandbreite von Instrumenten und Möglichkeiten zur Verbesserung Ihrer Wettbewerbsfähigkeit als Exporteure und als Direktinvestoren im Ausland aufzuzeigen und anhand von Erfahrungsberichten zu illustrieren. Diese Ausführungen werden eingebettet in die historische Entwicklung des Schweizer Aussenhandels und in die Aussenhandels-politik des Bundesrats. Die Autoren wagen zudem einen Blick in die Zukunft mit ihren neuen grossen Herausforderungen, vor welchen die internationale Handelspolitik angesichts der aktuellen geopolitischen und machtpolitischen Umbrüche steht.

Den Schluss bilden neue Lösungsansätze wie die aus dem KMU-Umfeld heraus gegründete Xport Finance AG, die kostengünstige Finanzierung von kleinen Transaktionen (inkl. Vorfinanzierungen) sicherstellt, sowie ein Exkurs über Projektfinanzierung, Crowdfunding und Bürgerfinanzierung.

Wir hoffen, wir haben Ihr Interesse geweckt. Wir sind davon überzeugt, dass der vorliegende Leitfaden viele Fragen bezüglich Exportfinanzierung und Zahlungsabsicherung beantwortet.

Wer ist die Leserschaft?

Das vorliegende Handbuch ist von Praktikern der Exportfinanzierung für Praktiker in den Schweizer KMU geschrieben, welche mit der Finanzierung von Exporten und Direktinvestitionen im Ausland konfrontiert sind. Er richtet sich somit besonders an die Vertriebs- und Exportverantwortlichen sowie an Geschäftsleitungsmitglieder in den betroffenen Unternehmen.

Wer sind die Autorinnen und Autoren?

Die Autorinnen und Autoren sind alle seit vielen Jahren in verschiedenen Funktionen mit den Themen des vorliegenden Leitfadens konfrontiert, sei dies als Fachverantwortliche in exportorientierten Unternehmen, bei finanzierenden Banken, bei staatlichen oder privaten Versicherern, als Vertreter der Bundesbehörden in internationalen Gremien oder als KMU-Berater. Die Kurzlebensläufe der Autorinnen und Autoren finden Sie ab Seite 296.

Wie wir das Buch strukturiert haben

Die einzelnen Kapitel sind möglichst so abgerundet, dass sie für sich alleine verständlich sind. Sie müssen also nicht bei Kapitel 1 beginnen, sondern können sich die Kapitel «herauspicken», welche Ihnen besonders interessant oder wichtig erscheinen. Wo es sich anbietet, werden Verweise auf detailliertere Ausführungen in anderen Kapiteln gemacht, damit Wiederholungen möglichst vermieden werden können.

Um den Praxisbezug zusätzlich zu erhöhen, werden konkrete Fallbeispiele angeführt. An dieser Stelle deswegen ganz herzlichen Dank an diejenigen Unternehmen, welche die entsprechenden Texte geschrieben respektive freigegeben haben. Mit den Fallbeispielen wird es Schweizer KMU ermöglicht, von den aktuellsten Erfahrungen ihrer Kollegen zu profitieren. Dass nur positive Fallbeispiele aufgeführt werden, liegt in der Natur der Sache. Doch wird in den Fachkapiteln jeweils auf die entsprechenden Risiken hingewiesen, welche sich in der Unternehmenspraxis gezeigt haben.

Am Ende des Buches haben wir einen Entscheidungsbaum und Ablaufprozess entwickelt, mit dessen Hilfe Sie bei neuen Exportprojekten Schritt für Schritt zum Lieferangebot und Entwurf des Liefervertrags geführt werden. Zusätzlich sind wichtige Anlaufstellen und weiterführende Literatur und Weblinks aufgeführt. Nicht zuletzt rundet ein Glossar der Fachbegriffe das Buch ab.

Ihr Feedback ist uns willkommen

Sie halten hier die erste Ausgabe unseres Handbuchs in der Hand. Wir freuen uns über Ihr Feedback auf BOOK@ailsf.ch. Damit ermöglichen Sie uns, allfällige Fehler zu korrigieren, Lücken zu schliessen oder uns verständlicher auszudrücken. An dieser Stelle bereits herzlichen Dank!

Nicht zuletzt hoffen wir, dass Ihnen unser Leitfaden im Alltag hilft, Klippen zu umschiffen und erfolgreiche Abschlüsse mit Kunden im Exportgeschäft zu tätigen.

Zürich, Mai 2018

Herbert Wight, ehemaliger Direktor der SERV

Bernd G. Kiefer, Herausgeber, AIL Structured Finance Ltd.

Aussenhandel:
Schweizer KMU
im Umbruch

2

Welches Volumen und welche Bedeutung hat der Schweizer Aussenhandel für die Schweizer Volkswirtschaft? Wie hat sich der Schweizer Aussenhandel historisch entwickelt? Diese Fragen sollen im vorliegenden Kapitel einleitend behandelt werden, um der Leserschaft ein besseres Verständnis der schweizerischen Aussenhandelspolitik und ihrer aktuellen Herausforderungen im internationalen Kontext zu geben. Darauf aufbauend wird gezeigt, wie sich die Kunden- und Käuferbedürfnisse gewandelt haben und warum neue Exportabsicherungs- und -finanzierungsinstrumente notwendig sind.

2.1 Der Aussenhandel in der Schweizer Volkswirtschaft

VON BERND G. KIEFER

Schweizer Aussenhandelspolitik

Die Schweiz als kleine, offene Volkswirtschaft ist v.a. mit europäischen Ländern wirtschaftlich stark verflochten. Um die Vorteile des internationalen Handels ausnützen zu können, hat sich die Schweiz, gestützt auf die Bundesverfassung, prinzipiell einer liberalen Aussenwirtschaft verschrieben. Es geht hierbei um die Sicherung des Marktzugangs im Ausland, d.h. schweizerischen Exporteuren den Eintritt in ausländische Märkte zu ermöglichen resp. zu erleichtern. Dabei ist der Abbau von Hemmnissen bei der grenzüberschreitenden Wirtschaftstätigkeit nötig, wie z.B. der Abbau von Zollschranken oder sonstiger Behinderungen (nicht tarifliche Handelshemmnisse). Ebenso gehört der Aufbau von transparenten, leistungsfähigen und international kompatiblen Regeln für den Wirtschaftsverkehr dazu. In einem weiteren Sinne zielt die Aussenwirtschaftspolitik des Bundes auch darauf ab, einen Beitrag zur Entwicklung in Partnerländern zu leisten und am wirtschaftspolitischen Dialog innerhalb internationaler Wirtschaftsorganisationen aktiv mitzuwirken. Als kleine Volkswirtschaft ist die Schweiz der Dynamik der Weltwirtschaft ausgesetzt und muss sich daher aktiv in die internationalen Integrationsbestrebungen einbringen, um gehört zu werden. Gelingt dies nicht, können dadurch in der Schweizer Volkswirtschaft unerwünschte Folgen zum Beispiel in Bezug auf den Strukturwandel und auf die Veränderung der Einkommensverteilung entstehen [1].

Die Schweizer Unternehmen – und hier insbesondere auch die KMU – werden von der Eidgenossenschaft mit einer über Jahrzehnte konsistenten Aussenhandelspolitik sowie durch vielfältige Institutionen und Programme unterstützt. Diese im Vergleich zu vielen anderen Staaten hohe Stabilität bei den politischen Rahmenbedingungen stellt für die Exporteure nicht zuletzt einen komparativen Vorteil dar.

Bedeutung des Aussenhandels für die schweizerische Volkswirtschaft

Für die Schweiz zeigt sich die Bedeutung der Aussenwirtschaft u.a. darin, dass der Warenexport und -import in Relation zum Bruttoinlandprodukt (BIP) je rund 30% betragen; es werden somit pro Jahr Waren im Wert von über 130 Mrd. Fr. sowohl aus- als auch eingeführt. (Im Vergleich liegt die schweizerische Exportquote jedoch deutlich hinter der z.B. von Deutschland und Österreich.) In den letzten Jahrzehnten hat der internationale Austausch von Dienstleistungen und Investitionen auf Kosten der Waren stärker an Gewicht gewonnen.

Die intensive Aussenhandelsverflechtung der Schweiz ist auf die folgenden wichtigsten Gründe zurückzuführen [1]:

• Rohstoffarmut der Schweiz

• Ungenügende Eigenversorgung mit landwirtschaftlichen Produkten

• Kleinheit des Binnenmarktes

• Relative Faktorausstattung (teure Arbeitskräfte, billiges Kapital)

Die Schweiz ist insbesondere auf Importe von Rohstoffen angewiesen. Dies wird sichtbar an den grossen Importüberschüssen bei Energieträgern (Erdöl und Erdgas), Papier, Leder, Kunst- und Baustoffen. Grosse Exportüberschüsse erzielt die Schweiz dagegen mit Chemikalien, Medikamenten, Uhren, Bankendienstleistungen und mit dem Rohstoffhandel.

Seit dem Zweiten Weltkrieg hat die globale Handelsverflechtung stark zugenommen. Die Weltproduktion hat sich seit 1950 etwa verneunfacht, der Welthandel verdreissigfacht [2]. Für die schweizerische Volkswirtschaft – und schlussendlich für unseren Wohlstand – ist der internationale Handel ein entscheidender Erfolgsfaktor.

Absolute und komparative Vorteile der Schweiz im
internationalen Handel

Warum betreiben Länder wie die Schweiz in so grossem Umfang Aussenhandel? Die Volkswirtschaftslehre gibt die vereinfachende Antwort: Länder treiben Handel, weil sie verschieden sind. So exportiert die Schweiz jene Güter mit Erfolg, die sie am besten und effizientesten herstellt. Erfolg haben besonders jene Exportgüter, bei welchen die Schweiz einen sogenannten absoluten Vorteil hat. Ein Land hat dann einen absoluten Vorteil, wenn es fähig ist, ein Gut mit weniger Ressourcen (also kostengünstiger) zu produzieren als die Konkurrenz [2].

Ergänzend hierzu können komparative Vorteile, wie z.B. im Vergleich zu anderen Ländern tiefere Kapitalzinsen oder innovativere Finanzierungsleistungen, für den Erfolg von Exportnationen ebenfalls entscheidend sein. Bei beiden, den absoluten und den komparativen Vorteilen, stehen Schweizer Exporteure im Wettbewerb mit anderen Exportnationen. Doch sind viele Rahmenbedingungen in der Schweiz, wie eingangs bereits angesprochen, derart ausgestaltet, dass sie auch den innovativen KMU einen komparativen Vorteil bringen können (vgl. hierzu Kapitel 3 ff.).

In Abbildung 1 dargestellt sind komparative Vorteile der Schweiz gegenüber ihren internationalen Handelspartnern. Je weiter links auf der Achse, desto mehr liegen die Vorteile bei den internationalen Handelspartnern der Schweiz. Schweizer Exporteure könnten sich also die Frage stellen, wie sie den Nachteil hoher Produktionskosten mit dem Anbieten innovativer Finanzierungs- und/oder Systemlösungen respektive der Kombination der Warenlieferung mit Betriebs- und Unterhaltsdienstleistungen zu einem Vorteil kombinieren können. Die komparativen Vorteile der Schweiz liegen schon länger nicht mehr bei der Herstellung einfacher Güter, sondern bei anspruchsvollen Tätigkeiten, bei welchen das höhere Know-how, die komplexeren Kapitalgüter und die wirkungsvollere Organisation zur Geltung kommt [2].

Abbildung 1: Komparative Vorteile der einzelnen Wirtschaftsbranchen der Schweiz im Vergleich mit ihren internationalen Handelspartnern – negative Zahl bedeutet, die Schweiz ist im Nachteil, positiv bedeutet, sie ist im Vorteil [2]

Herausforderungen für exportorientierte Schweizer KMU

Schweizer KMU sollten sich somit, wie vorher dargelegt, vom isolierten Export industrieller Halbfertig- und Fertigprodukte (Maschinen, Züge, Turbinen) verabschieden und auf die Lieferung gesamter Systemlösungen samt Finanzierung für den Importeur ausrichten (z.B. Kombination einer Lieferung von Spezialmaschinen mit dem Betrieb und Unterhalt samt Leasinglösung). Dies bedingt bei den KMU den Aufbau neuen Know-hows ausserhalb ihrer klassischen Kernkompetenzen. Soll der Welthandel den Schweizer KMU auf lange Frist Vorteile bringen, muss das schweizerische Angebot mit der Nachfrage der globalen Kundschaft immer wieder neu und angesichts der technologischen Entwicklung und der Vernetzung der Märkte immer schneller in Übereinstimmung gebracht werden.

Die zunehmende internationale Arbeitsteilung verlangt von den relativ teuer produzierenden Schweizer KMU also eine sehr hohe Anpassungsfähigkeit und nicht zuletzt hervorragend qualifiziertes Personal mit möglichst internationaler Berufserfahrung. Eine 2013 veröffentlichte Studie [3] zeigt, dass die Schweizer KMU die Zeichen der Zeit erkannt haben: Zunehmend investieren KMU weniger in Sachwerte, sondern mehr in Bereiche, die direkte Wettbewerbsvorteile generieren. Hierzu gehören zum Beispiel Forschung und Entwicklung sowie die Kreativität der Mitarbeitenden.

Risiken in der Exportwirtschaft

Die weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrisen sowie Naturereignisse, Unruhen und Kriege führen den Schweizer Exporteuren fast täglich vor Augen, dass Exportgeschäfte mit nicht zu vernachlässigenden Risiken verbunden sind und nicht zuletzt schon immer mit Risiken verbunden waren. Doch sind es nicht nur ausserschweizerische Risiken, welchen die Exportwirtschaft ausgesetzt ist. Vielmehr waren es historisch immer wieder innerschweizerische Ereignisse und hier insbesondere auch sogenannte Modernisierungskrisen [4], welche den freien Warenverkehr mit dem Ausland bedrohten oder hemmten; so ganz aktuell die Diskussionen mit der EU um die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative, welche die Unterzeichnung des bilateralen Stromvertrags mit der EU blockieren.

In einer Untersuchung von Switzerland Global Enterprise und Postfinance [5] wurden Exportverantwortliche zu den Risiken bei ihren Exportgeschäften befragt. Gemäss diesen sind es jedoch vor allem wirtschaftliche Risiken in den Zieldestinationen, welche die Unternehmen beschäftigen.

Abbildung 2: Risikoarten im Exportgeschäft Schweizer Unternehmen [5]

Die in der Studie bei den Exportverantwortlichen abgefragten Strategien zur Risikovermeidung lassen sich, wie in Abb. 3 dargestellt, klassieren.

Abbildung 3: Strategien zur Exportrisikokontrolle [5]

Ein guter zusammenfassender Überblick über die Möglichkeit, Exportrisiken zu versichern, findet sich in der Broschüre «SERV Kompakt» [6]. Versicherbare Risiken sind:

• Politische Risiken: Unter das politische Risiko fallen ausserordentliche staatliche Massnahmen oder politische Ereignisse im Ausland wie Krieg, Revolution, Annexion und Unruhen. Die Versicherung kommt einerseits zum Zug, wenn die politische Situation Schuldnern die Vertragserfüllung verunmöglicht. Andererseits kommt sie zur Anwendung, wenn die politische Situation zu Verlust, Beschlagnahmung, Beschädigung oder Verhinderung der Wiederausfuhr von Waren des Versicherungsnehmers führt oder wenn die Rechte des Versicherungsnehmers beeinträchtigt werden.

• Transferrisiken: Unter das Transferrisiko fallen devisenrechtliche Massnahmen einer Regierung oder Zentralbank, die dem Abnehmer die Bezahlung in Fremdwährung verunmöglichen. Der Abnehmer hat zwar den Gegenwert in seiner Lokalwährung deponiert, die Zentralbank stellt jedoch die erforderlichen Devisen nicht zur Verfügung. Unter das Transferrisiko fällt auch das Risiko, dass Fälligkeiten eines in finanzielle Notlage geratenen Landes aufgrund einer zwischenstaatlichen Vereinbarung umgeschuldet, d.h. um mehrere Jahre aufgeschoben werden.

• Delkredererisiken: Beim wirtschaftlichen Risiko (Delkredererisiko) handelt es sich um die Zahlungsunfähigkeit oder -verweigerung des Käufers respektive Garanten.

• Risiken der höheren Gewalt: Die Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Versendung von Waren unmittelbar infolge des Eintritts von Risiken höherer Gewalt (Naturereignisse, Unfälle etc.).

2.2 Aussenhandel heute und historische Entwicklung

VON BERND G. KIEFER

Aussenhandel Schweiz heute und wichtige Zieldestinationen

Am 25. November 2015 meldete die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) [1] unter dem Titel «Einbruch der Schweizer Exporte», der Schweizer Aussenhandel sei angeschlagen. Das verdeutlichten die Zahlen der Importe und der Exporte für das dritte Quartal. Neben der Frankenstärke werde auch die schwache Konjunktur in Asien, allen voran in China, zunehmend zum Problem. Diese Meldung wurde gleichentags wiederum in der NZZ im Artikel «Exporte auf neuem Höchststand» [2] relativiert: Mit einem Wert von 208 Millionen Franken hätten die Schweizer Ausfuhren einen neuen Höchststand erreicht. Hiesige Produkte seien vor allem in den USA und China gefragt. Der KMU-Exportindikator der Credit Suisse [3] meldete Ende 2015 unter dem Titel «Vorsichtige Hoffnung», die Stimmung unter den exportorientierten KMU habe sich etwas gebessert. Der Indikator der Exportperspektiven sei knapp über die Wachstumsschwelle gestiegen. Diese drei Meldungen zeigen einerseits das hohe Niveau der Exporte und andererseits die Ende 2015 herrschende Nervosität und die Verletzlichkeit der Exportwirtschaft durch die Konjunktur in den Zielländern. An dieser Nervosität der Schweizer Exporteure hat sich bis zum Erscheinen der vorliegenden Publikation nichts geändert.

Die beiden nachfolgenden Abbildungen zeigen die wichtigsten Schweizer Exportdestinationen im Jahr 2014. Die EU-Länder nehmen mit Abstand den Spitzenplatz ein. Auch bezüglich des Potenzials für zukünftiges Exportwachstum bleibt die EU die wichtigste Weltregion für die Schweiz. Die hohe Bedeutung dieser Beziehung bestätigt sich in den umfassenden gegenseitigen Direktinvestitionen (vgl. unten).

Abbildung 1: Exporte nach Zielregionen [4]

Abbildung 2: Die wichtigsten Handelspartner der Schweiz im Jahr 2014 [5]

Der Blick auf die Exportbranchen (Tabelle 1) belegt die nach wie vor sehr grosse Bedeutung von Pharma, Präzisionsinstrumente, Uhren und Bijouterie sowie Maschinen, Apparate, Elektronik. Die Schweizer Wasserkraft (Energieträger), von der im Zusammenhang mit dem ausstehenden bilateralen Stromabkommen häufig die Rede ist, fällt dagegen stark ab. Tabelle 2 unterstreicht die grosse Bedeutung des internationalen Warenaustauschs für die Schweizer Volkswirtschaft: Die Exportquote beträgt 32%; die Aussenhandelsquote knapp 50 000 Fr. pro Einwohner.

Exporte nach Branchen

in Mio. CHF

Veränderung in % zum Vorjahr

Chemisch-pharmazeutische Produkte

79 012

5.85%

Präzisionsinstrumente, Uhren und Bijouterie

44 040

6.75%

Maschinen, Apparate, Elektronik

33 307

–9.71%

Metalle

11 933

–8.45%

Land- und forstwirtschaftl. Produkte, Fischerei *

8656

2.57%

Energieträger

6846

5.94%

Fahrzeuge

5095

9.05%

Leder, Kautschuk, Kunststoffe

4138

–5.07%

Textilien, Bekleidung, Schuhe

3114

–4.16%

Papier, Papierwaren und grafische Erzeugnisse

2223

–13.03%

Wohnungseinrichtungen, Spielzeuge usw.

1392

–6.01%

Steine und Erden

857

–0.92%

Total 2012

200 612

1.37%

* inkl. Nahrungs- und Genussmittel

Tabelle 1: Exporte nach Branchen im Jahr 2012 [4]

Tabelle 2: Kurzporträt des Schweizer Aussenhandels [6]

Wichtige Hinweise: Alle Ergebnisse über den Aussenhandel beziehen sich ausschliesslich auf den grenzüberschreitenden Warenverkehr und auf das Konjunkturelle Total (Total 1), d.h. ohne den Handel mit Edelmetallen, Edel- und Schmucksteinen sowie Kunstgegenständen und Antiquitäten.

In der Handelsbilanz bedeutet + ein Überschuss und – ein Defizit.

Direktinvestitionen Schweizer Unternehmen im Ausland

Direktinvestitionen im Ausland (Foreign Direct Investments, kurz FDI) sind Vermögensanlagen durch einen inländischen Investor (natürliche oder juristische Personen). Im Unterschied zur Portfolioinvestition sind bei der Direktinvestition der Einfluss und die Kontrolle auf die Geschäftstätigkeit im Ausland und somit auf die Erzielung des Ertrages wichtigstes Abgrenzungskriterium. Es fliessen also nicht nur Kapital, sondern auch Wissen und Technologie. Direktinvestitionen sind also Teil des internationalen Kapitalverkehrs (und somit der Globalisierung). Kennzeichen einer Direktinvestition ist laut Internationalem Währungsfonds eine Beteiligung von mindestens 10% am Unternehmen im Ausland, wobei unter Berücksichtigung des Kontrollaspektes meist von einer Beteiligung von 25% und mehr ausgegangen wird [7].

Schweizer KMU produzieren schon seit Jahrzehnten auch im Ausland. Für die Schweiz gilt, dass die Produktion der schweizerischen Industrie im Ausland die schweizerischen Exporte bei Weitem übersteigt [8]. Schweizer Unternehmen sind heute zunehmend gezwungen, an ihre Warenexporte aus der Schweiz gekoppelte Direktinvestitionen in den Zielländern vorzunehmen.

Kapitalbestände der Schweiz nach Regionen

 

in Mio CHF

Jahr

2010

2011

Europa

463 787

458 040

EU, davon

405 580

404 356

Luxemburg

77 500

78 674

UK

78 144

69 451

Deutschland

55 803

54 656

Niederlande

54 600

52 843

Frankreich

34 323

37 898

Offshore-Finanzzentren

40 998

36 777

Italien

25 921

25 139

Übriges Europa, davon

58 207

53 684

Russische Föderation

6945

7244

Nordamerika, davon

209 391

229 346

USA

177 520

197 582

Mittel- und Südamerika, davon

178 438

182 672

Offshore-Finanzzentren

134 748

136 695

Brasilien

23 422

22 684

Asien, davon

88 737

97 476

Singapur

17 020

19 311

Japan

14 340

14 970

China

8466

13 134

Indonesien

7280

6997

Afrika, davon

11 623

10 416

Südafrika

3934

2240

Ozeanien, davon

18 446

22 352

Australien

17 878

21 651

Tabelle 3: Kapitalbestände schweizerischer Direktinvestitionen im Ausland nach Regionen [4]

Gemäss der Schweizerischen Nationalbank beläuft sich der statistische Wert der als Produktions-, Distributions- und Forschungseinrichtungen von Schweizer Wirtschaftsakteuren im Ausland gehaltenen Direktinvestitionen per Ende 2008 auf 809 Mrd. CHF. Neben den grossen Konzernen sind auch mehrere Tausend KMU daran beteiligt. Gemeinsam beschäftigen sie im Ausland fast 2.44 Mio. Personen. Umgekehrt erreichte der Bestand ausländischer Direktinvestitionen in unserem Land im Jahr 2008 467 Mrd. CHF, was 242 000 Arbeitsplätzen entspricht.

Die Schweiz verfügt im Vergleich mit anderen Ländern über verhältnismässig hohe Direktinvestitionen im Ausland. Dies zeigt sich am Verhältnis zwischen dem Bestand der schweizerischen Direktinvestitionen im Ausland und dem Bruttoinlandprodukt (BIP), welches gemäss der Schweizerischen Nationalbank Ende 2008 bei 149% lag. Auch in einer historischen Perspektive wird die Bedeutung von Auslandinvestitionen für die schweizerische Volkswirtschaft ersichtlich, denn seit dem Jahr 2000 hat sich der Kapitalbestand schweizerischer Investitionen im Ausland vervierfacht [9].

Ein detaillierter Überblick über aktuelle Zahlen zu Direktinvestitionen findet sich auf der Webpage der Schweizerischen Nationalbank [10] und in der Nationalbankpublikation «Zahlungsbilanz und Auslandvermögen der Schweiz 2015» [11].

Schweiz im internationalen Vergleich

Gemäss verschiedenster volkswirtschaftlicher Ranglisten (Tabelle 4) belegt die Schweiz im internationalen Vergleich einen Spitzenplatz, was einen Rückschluss auf die starke Wettbewerbsfähigkeit erlaubt [4].

Die Schweiz belegt Platz 23 der Rangliste der grössten Exporteure (Tabelle 5). 2013 lag die Schweiz in der Rangliste des kaufkraftbereinigten Bruttoinlandprodukts auf Platz 8 [12]. Auch wenn solche Ranglisten mit einer gewissen Skepsis interpretiert werden sollten, muss die Frage gestellt werden, warum die Schweiz beim BIP deutlich besser abschneidet als beim Export. Tabelle 6 zeigt die Entwicklung des Schweizer Aussenhandels zwischen 1997 und 2012. Seit 2007 befindet sich der Schweizer Export in einer Stagnationsphase, welche nur zum Teil auf die Folgen der Finanzkrise zurückgeführt werden kann. De facto hat die Schweiz trotz guter Ausgangslage als Exportnation einen Nachholbedarf. Hintergrundinformationen zur Interpretation der Schweizer Leistungsbilanz finden sich in der Publikation der Schweizerischen Nationalbank «Zahlungsbilanz und Auslandvermögen der Schweiz 2015» [11].

Ranking

Schweiz

WEF

1

(Global Competitiveness Index 2013)

IMD

2

(World Competitiveness Yearbook 2013)

INSEAD

1

(The Gobal Innovation Index 2012)

Transparency International

6

(Corruption Perceptions Index 2012)

ETH KOF

10

(Index of Globalization 2013)

The Heritage Foundation

5

(Index of Economic Freedom 2013)

City Ranking

2

(Mercer 2012)

(Zürich)

City Ranking

8

(Mercer 2012)

(Genf)

City Ranking

9

(Mercer 2012)

(Basel)

Tabelle 4: Schweiz in volkswirtschaftlichen Ranglisten

Weltweit grösste Exporteure 2011

in Mrd. USD

1.

China

1899

2.

USA

1481

3.

Deutschland

1474

4.

Japan

823

5.

Niederlande

660

6.

Frankreich

597

7.

Südkorea

555

23.

Schweiz

235

Tabelle 5: Weltweit grösste Exporteure 2011 [4]

Historische Entwicklung der Schweizer Exportwirtschaft

«Bei der Gründung des Bundesstaats 1848 ist die Wirtschaft der meisten Kantone bereits stark vom Weltmarkt abhängig. Mit dem Bau moderner Transportmittel wächst diese Abhängigkeit. Seit 1950 schwankt der Exportanteil für Waren und Dienstleistungen wertmässig zwischen 25 und 41% des Bruttoinlandproduktes. Rund ein Drittel der in der Schweiz verbrauchten Güter kommt wertmässig aus dem Ausland, und prozentual noch mehr Arbeitsplätze in diesem Land hängen an den Fäden von Auslandsgeschäften. Addiert man bei der Warenausfuhr die Zulieferindustrie und bei den Bankdienstleistungen die in der Schweiz verbleibenden Erträge, so wird rund jeder zweite Franken im Ausland verdient.» [13]

Einen guten Einblick in die historische Entwicklung gibt das Historische Lexikon der Schweiz: Im Mittelalter intensivierten sich Handelsbeziehungen zwischen den Gebieten der heutigen Schweiz und den umliegenden Ländern. Im 14. Jh. spezialisierten sich bestimmte Regionen auf den Export tierischer Erzeugnisse (z.B. Hartkäse), Textilien (Wollstoffe in Freiburg, Leinengewebe in St. Gallen) oder Leder (Freiburg). Diese Tendenz dauerte im 16. und 17. Jh. an; Zürich setzte beispielsweise um 1650 in Heimarbeit hergestellte Textilien in Süddeutschland und Frankreich ab. Im 18. Jh., in dem sich die Baumwollindustrie in der Ostschweiz rasch ausbreitete (Baumwolle), verstärkte sich diese Entwicklung. Im 19. sowie 20. Jh. wurde dann auch die Produktpalette differenzierter: Die Ausfuhr von Textilien wurde zunächst ergänzt und schliesslich ersetzt durch jene von Uhren, Maschinen und chem. Erzeugnissen – darunter solche des wichtigen pharmazeutischen Sektors. Hatten daher 1840 die Textilien noch 72.6%, Uhren 8.2%, chemische Produkte 0.4% und Maschinen 0.1% der Ausfuhren ausgemacht, so lagen die entsprechenden Ziffern 2003 bei 1.6%, 7.8%, 34.5% und 23.6%.

Die Schweizer Unternehmen begnügten sich nicht mit der Ausfuhr von Waren, sondern exportierten ab der Mitte des 19. Jh. auch Kapital in Form von Direktinvestitionen. Die Enge des Binnenmarktes, wirtschafts-, geld- und zollpolitische Massnahmen ausländischer Regierungen und auch Erwägungen bezüglich ihrer Rohstoffversorgung bewegten Firmen wie Brown Boveri & Cie., Nestlé, Ciba oder Saurer zum Aufbau von Fertigungseinheiten im Ausland. Am Vorabend des 1. Weltkriegs war die Schweiz das Land mit den weltweit höchsten Bruttodirektinvestitionen im Ausland pro Kopf der Bevölkerung. Ab den 1920er-Jahren übertrafen die Direktinvestitionen wertmässig die Exportkapazitäten der in der Schweiz ansässigen Unternehmen. Dieses besondere, von den multinationalen Konzernen geprägte Wirtschaftsprofil der Schweiz hatte über das ganze 20. Jh. Bestand.

1 ERG: Exportrisikogarantie

Die Schweiz hat überdies eine lange Tradition des Exports von Dienstleistungen. Das Reislaufen leistete im 16. und 17. Jh. einen nicht zu vernachlässigenden Beitrag zur Schweizer Wirtschaft. Die fremden Dienste linderten einerseits teilweise die chronische Unterbeschäftigung, anderseits förderten die aus ihnen resultierenden Einkünfte die Bildung grosser Vermögen und trugen zu einer positiven Zahlungsbilanz sowie zur Sanierung der öffentlichen Haushalte bei.

Exporte aus der Schweiz und ERG-Engagement1 (in Milliarden Franken) [13]

Abbildung 3

Im 18. Jh. spielten Genfer, Neuenburger, Basler und Zürcher Financiers eine bedeutende Rolle auf dem europäischen Kapitalmarkt. Die Entwicklung der Schweiz zu einem internationalen Finanzplatz setzte allerdings erst Ende des 19. Jh. ein und vollzog sich im Wesentlichen nach dem 1. Weltkrieg. Die von den Banken im Ausland erhobenen Kommissionsgebühren wurden für die Schweizer Wirtschaft zu einem zunehmend wichtigeren Bilanzposten; 1995 belief sich der Anteil der Banken am Positivsaldo der Dienstleistungsbilanz auf fast 50%. Auch für das Versicherungsgewerbe markierte der 1. Weltkrieg einen Wendepunkt. Bis ins 20. Jh. hinein war der schweizerische Markt zum Teil von deutschen, französischen oder englischen Gesellschaften beherrscht worden, während die Schweizer Firmen im Ausland wenig präsent gewesen waren. Nach 1918 eroberten die Schweizer Versicherungen in Folge des Konkurses der grossen deutschen Gesellschaften den Binnenmarkt und drangen sogar in den deutschen Markt ein. Die Expansion in auswärtige Märkte ist noch nicht abgeschlossen: 1996 stammten mehr als 60% des Prämienaufkommens der Schweizer Assekuranzen aus dem Ausland.

Für die Zeit vor Mitte des 20. Jh. ist es mangels Zahlen schwierig, die Bedeutung der Ausfuhren für die Schweizer Wirtschaft zu ermessen. Von 1950 an schwankte der Exportanteil für Waren und Dienstleistungen am Inlandprodukt zwischen 25 und 40%, wobei die Warenausfuhren weiterhin überwogen. Im Zeitraum von 1960 bis 1990 betrug der Mittelwert 33.2%, während er sich in den OECD-Ländern auf 15.8% belief. Wenn man die indirekten Auswirkungen dieser Exportaktivitäten (öffentliche Arbeiten, Binnentransporte) berücksichtigt, so scheint die oben zitierte Aussage, jeder zweite Schweizer Franken werde im Ausland verdient, die Verhältnisse in etwa zu treffen. Allerdings sind einige Branchen stärker von äusseren Absatzmärkten abhängig als andere. Das frappierendste Beispiel dafür ist die Schweizer Uhrenindustrie, die seit dem 19. Jh. an die 90% ihrer Produktion ausführt [14].

Abbildung 3 zeigt die historische Entwicklung der Schweizer Exporte und der im Ausland verwalteten Vermögen. Trotz kurzzeitiger Rückschläge während der beiden Weltkriege und den Wirtschaftskrisen ist ein stetiges und seit der zweiten Hälfte der Sechzigerjahre starkes Wachstum zu verzeichnen (deutlich erkennbar sind die Auswirkungen der internationalen Finanzkrise nach dem Jahr 2008). Dabei ist das Wachstum der in der Schweiz verwalteten Vermögen deutlich grösser als jenes der Exporte. Vereinfacht ausgedrückt, wächst der Finanzplatz deutlich schneller als der exportorientierte Werkplatz.

Entwicklung des Schweizer Aussenhandels (in Mio. CHF)

Tabelle 6: Entwicklung des Schweizer Aussenhandels [4]. Aktuellere Daten: Exporte 2013: 201, 2014: 208. Importe 2013: 178, 2014: 179 (in Mrd. CHF) [15]

2.3 Wandel in den Kunden- und Käuferbedürfnissen

VON URS GERSPACHER

Mit zunehmender Globalisierung der Finanzwelt, der schnellen Entwicklung in der Kommunikations- und IT-Technologie und dem Markteintritt neuer internationaler Wettbewerber im Exportmarkt haben sich die Bedürfnisse der Kunden in den letzten Jahren stark gewandelt. Wichtige Elemente dieser veränderten Käuferbedürfnisse werden im vorliegenden Kapitel kurz umrissen.

Finanzierungsangebot als Element der Lieferofferte

Finanzierungsofferten sind im Exportgeschäft ein wichtiges Instrument, um einer Lieferofferte zum Erfolg zu verhelfen. Exporteure machen sich dabei im Wesentlichen ein Gefälle zwischen den Kreditbedingungen von In- und Ausland zunutze: Refinanziert sich ein ausländischer Kunde zu deutlich schlechteren Konditionen, als sie der Exporteur über ein Zahlungsziel oder eine Kreditofferte seiner Hausbank anbieten kann, dann wird das Element «Finanzierung» für den Exporteur zu einem zusätzlichen komparativen Vorteil seines Lieferangebotes. Dieser Vorteil lässt sich für den Lieferanten in einem Inlandsgeschäft nicht erzielen.

Eine wichtige Rolle bei der Erleichterung und Konditionsgestaltung für Exportkredite spielen die staatlichen Exportkreditversicherungen wie die Schweizerische Exportrisikoversicherung SERV. Mit ihrer Hilfe lassen sich nicht nur politische und wirtschaftliche Risiken im Importland für den Exporteur bzw. die beteiligten Banken absichern, sondern auch – je nach Branche und Lieferprojekt – Kreditpakete schnüren, die z.B. längere Laufzeiten beinhalten als sie selbst im Exportland marktüblich sind. Internationale Ausschreibungen für Infrastrukturprojekte im Energie- und Verkehrssektor enthalten aus diesem Grund häufig die Anforderung nach einem Finanzierungsangebot; ohne diese Finanzierungsofferte wäre das Lieferangebot aus Käufersicht nicht komplett und würde zum Ausscheiden des Bewerbers führen. Der Exporteur muss deswegen, kombiniert mit dem Produktangebot, eine Finanzierungsofferte zu bestimmten Mindestkonditionen bereitstellen.

Wird die Finanzierungsofferte in der Ausschreibung nicht explizit verlangt (Fachbegriff: Angebotszwang), kann das freiwillige Angebot einer Exportfinanzierung hingegen ein kreatives Offertelement darstellen, welches Exporteure aktiv zur Unterstützung ihrer Lieferofferte im Ausland und zur Verbesserung ihrer Wettbewerbschancen nutzen können.

Von der Einzelfinanzierung zur Gesamtlösung

In der Schweiz wird das von der SERV abgesicherte langfristige Exportfinanzierungsvolumen besonders von der Schienenfahrzeugindustrie sowie der Maschinen-, Elektro- und Metallverarbeitungsindustrie (MEM-Industrie) genutzt (vgl. Abbildung 1).

Die Erfolgsbedingungen beider Branchen haben sich für den Export in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren deutlich gewandelt. Stetiger Kostendruck der Produzenten aus dem Ausland einerseits und die Verschiebung der Märkte nach Asien andererseits zwingen die Unternehmen, sich ständig kreativ den neuen Bedingungen anzupassen, um ihre relativ teuren Produkte in einem preissensitiven und teilweise schrumpfenden Markt absetzen zu können [3]. In der Währungsinsel Schweiz kommt zum allgemeinen Konkurrenzdruck die laufende Aufwertung des Schweizer Frankens zum Euro hinzu (siehe Kapitel 3.5.2). Kleinere Unternehmen, welche fast ausschliesslich in die Nachbarländer der Schweiz exportieren, stehen unter einem doppelten Anpassungszwang, da es ihnen wegen der fehlenden kritischen Grösse schwerer fällt, durch den Zukauf ausländischer Unternehmen in die Absatzmärkte zu expandieren [4].

Zu den klassischen Anpassungsstrategien von Schweizer Exporteuren gehören in erster Linie kontinuierliche technische Innovationen und damit verbunden hohe Investitionen in Forschung und Entwicklung [4]. Weitere wichtige Massnahmen sind Kostensenkungen durch Verschlankung der Prozesse und Automatisierung, inklusive dem verstärkten Bezug von Vorfabrikaten aus dem günstigeren Ausland, und – wenn immer

Abbildung 1: SERV Neuexposure: Versicherungspolicen, mittel- und langfristig, in Mio. CHF (eigene Darstellung) [1] [2] möglich – die Verlagerung von Teilen der Produktion ins Ausland. Daneben spielt in den letzten Jahren zunehmend die Ergänzung der Produkte mit Dienstleistungen eine Rolle, die dem Kunden einen Mehrwert zur reinen Maschinenlieferung bieten.

Das Führen eines Ersatzteillagers beim Kunden oder die Ausstattung eines Stromnetzes mit Sensoren zur Messung von wartungssensitiven Daten wie Temperatur und Last sind Beispiele für Dienstleistungen, welche dem Kunden über die reine Anschaffung hinaus einen störungsfreien Betrieb der Anlage ermöglichen. Der Trend zur Digitalisierung und Steuerung der Produktion aus der Cloud, oftmals zusammengefasst unter dem Schlagwort «Industrie 4.0», schafft auch zahlreiche neue Service-Möglichkeiten für den innovativen Anlagen- und Maschinenbau. Eine Studie von Deloitte aus dem Jahre 2015, für die rund 400 Unternehmen der Schweizer MEM-Industrie befragt wurden, gibt einen Eindruck davon, wo KMU-Unternehmen für sich Wachstumschancen sehen:

• 63% der befragten Unternehmen sehen in der Kundeneinbindung über die Individualisierung von Produkten und Dienstleistungen eine neue Wachstumschance

• 47% der Unternehmen sehen in der Weiterentwicklung des Dienstleistungsgeschäfts, dem Bündeln margenstärkerer Dienstleistungen mit Industrieprodukten und der Einführung neuer, exklusiver Dienstleistungen einen Wettbewerbsvorteil [5].

In die Hand spielt den Schweizer Exporteuren des Maschinenbaus dabei, dass ihre Kunden, und hier insbesondere grosse Unternehmen, kürzere Investitionszyklen aufweisen, also Ersatzinvestitionen weit vor Ablauf der technischen Lebensdauer einer Anlage tätigen, und parallel externe technische und IT-basierte Serviceleistungen bei der Wartung und Steuerung einer Anlage durch den Lieferanten stärker gewichten [6]. Dies führt zu einer horizontal verlängerten Wertschöpfungskette mit der Einbindung der Hersteller einer Produktionsanlage in den Produktionsprozess ihrer Kunden. Innovative Leasing- und Betreibermodelle konnten sich so in den letzten Jahren zu einer neuen Absatzform für Schweizer KMU im Exportgeschäft entwickeln (siehe hierzu auch das Beispiel Stadler Rail in Kasten III). Für beide Modelle ist Exportfinanzierung ein wichtiges Erfolgskriterium. In den folgenden Abschnitten wird das Prinzip dieser neuen Finanzierungsmodelle, welche dem Kunden eine Gesamtlösung anbieten, kurz erläutert.

Vom Kauf zur Nutzung: Investitionsgüterleasing

Das Leasen einer Produktionsanlage oder eines anderen Betriebsmittels ist für wachstumsstarke Unternehmen mit hohem Investitionsbedarf traditionell eine prüfenswerte Alternative zum Kauf. Beim Leasen muss die Anlage vom Käufer nicht über eine Bank vorfinanziert werden. Stattdessen wird der Lieferant (oder ein anderer Leasinggeber) erst aus dem laufenden Produktionsprozess bezahlt (pay as you earn). Weitere Vorteile für den Leasingnehmer sind die laufende Wartung und Erneuerung des Maschinenparks durch den Leasinggeber, Tätigkeiten also, die für ein Produktionsunternehmen zeit- und wissensintensiv sind und in der Regel nicht zu seinen Kernkompetenzen gehören.

Neue Modelle des Investitionsgüterleasings variieren die Leasingrate in Abhängigkeit der Stückzahl, die zum Beispiel eine Werkzeugmaschine stanzt, der Leistung in kWh, die etwa ein Kraftwerk liefert, oder der Kilometerleistung, die ein Fahrzeug im Einsatz ist (pay per use). Vorteil für den Leasingnehmer ist, dass er seine Kosten flexibel an Absatzschwankungen anpassen kann. Wegen der damit einhergehenden Risikoreduktion ist er grundsätzlich bereit, eine höhere Leasingrate zu bezahlen. Der Leasinggeber übernimmt seinerseits zwar Marktrisiken des Kunden, doch kann er bei konstant hoher Auslastung der von ihm gelieferten Maschine höhere Leasingraten verbuchen und bei konstant niedriger Auslastung einen höheren Wiederverkaufswert nach Rücknahme der Maschine realisieren. Das Risiko ist somit sowohl für ihn als auch für den Leasingnehmer begrenzt. Die Beispiele in Tabelle 1 zeigen die Bandbreite von Pay-per-Use-Modellen.

Branchen

Anwendungsbeispiele

Leasingform

Pay per Unit

Lackieranlagen, Röntgengeräte, Waschstrassen, Stanzmaschinen, Kopiergeräte, Drucker

Pay per Hour

Flugzeugturbinen, Kraftfahrzeuge, Baumaschinen, Maschinen zur Metallbearbeitung, Roboter, Produktionsstrassen, Prüf- und Messmaschinen

Pay per km

Autovermietung, Flugzeuge, Schienenfahrzeuge

Pay per kWh

Mobile Blockheizkraftwerke, Fotovoltaikanlagen

Tabelle 1: Beispiele für nutzungsabhängiges Leasing: Pay per Use

Innovative Leasingmodelle erlauben den Herstellern im Exportgeschäft, neue Kunden zu erschliessen, die auf flexible Finanzierungskosten bei der Nutzung ihrer Produktionsanlage Wert legen. Zielmärkte sind in erster Linie Industrieländer. In Europa ist das Leasen von Investitionsgütern u.a. in Grossbritannien, Deutschland, Frankreich, Italien, Polen und in den skandinavischen Ländern stark verbreitet [7].

Die Schweizerische Exportrisikoversicherung SERV deckt Herstellerleasing nach den Bedingungen des Lieferantenkredits mit einem Selbstbehalt von 5% und einer Mindestanzahlung von 15% durch den Leasingnehmer. Der Leasinggeber kann dabei neben dem politischen Risiko auch das Zahlungsrisiko – der Leasingnehmer zahlt die Leasingraten nicht – absichern.

Vom Verkauf zum Betrieb: Betreibermodelle

Betreibermodelle (Pay on Production) gehen einen Schritt weiter als Leasing. Der Hersteller eines Investitionsgutes übernimmt hierbei neben der Finanzierung nicht nur die Wartung, sondern auch den Betrieb seiner Anlage beim Kunden. Analog zum nutzungsabhängigen Leasing ermöglicht der Hersteller und Betreiber seinem Kunden, die Kosten variabel zu halten und das unternehmerische Risiko zu reduzieren. Der Kunde überträgt dafür einen Teil seiner Produktion an eine für diesen Zweck gegründete externe Betreibergesellschaft (Special Purpose Vehicle), welche auch die Finanzierung übernimmt. Bezahlt wird nur noch der Preis für die produzierte Ware. Das unternehmerische Risiko wird auf diese Weise noch stärker als beim nutzungsabhängigen Leasing vom Hersteller und Betreiber getragen.

Abbildung 2

Abbildung 2: Vergleich Leasing und Betreibermodelle [8]

Die Schweizerische Exportrisikoversicherung SERV deckt Zahlungsrisiken aus Betreibermodellen nach den Versicherungsbedingungen für Projektfinanzierungen. Die Kreditrückzahlung ist an den Cashflow angepasst und kann flexibler gestaltet werden als bei einem gewöhnlichen Lieferanten- oder Bestellerkredit. Bei Kraftwerken im Bereich erneuerbare Energien sind zudem Laufzeiten bis zu 18 Jahren möglich.

Fazit: Produkt- mit Finanzierungsinnovationen verbinden

Die oben geschilderten Beispiele zeigen, dass die klassischen Stärken im Engineering bei Maschinen- und Anlagenbauer innovativ mit Finanzierungslösungen im Export verknüpft werden können. Auf diese Weise kann sich die Industrie trotz des anhaltenden Preisdrucks durch die internationale Konkurrenz und die Frankenstärke behaupten. Finanzierungslösungen werden zu wichtigen Absatzinstrumenten, welche Kostensenkungsprogramme oder die Verlagerung der Produktion ins Ausland ergänzen. Hier lassen sich das Know-how der Finanzbranche mit dem der produzierenden Industrie in idealer Weise verknüpfen.

Die Anforderungen für KMU steigen dadurch sowohl finanzierungs- als auch risikotechnisch, die Strukturen sind komplexer und vom Exporteur alleine oft nicht mehr zu bewältigen.