Titelseite
Impressum
Widmung
Alexandria, Jahr 20, Monat 1 des Schomu (7. April 31 v.u.Z.)
Jerusalem im Monat Nissan (April, 31 v.u.Z.)
Alexandria, Jahr 209, Monat 2 des Schomu, Tag 4 (Mitte April 31 v.u.Z.)
Alexandria, Jahr 20, Monat 2 des Schomu, Tag 13 (Ende April 31 v.u.Z.)
Jerusalem Anfang des Monats Ijjar (Ende April 31 v.u.Z.)
Alexandria, Jahr 20, Monat 3 des Schomu, Tag 2 (Mitte Mai 31 v.u.Z.)
Palästina im Monat Sivan (Anfang Juni 31 v.u.Z.)
Alexandria, Jahr 21, Monat 1 der Hochwasserzeit Akhet, Tag 1 „Wep Renpet“ („Eröffnung des Jahres“, 19. Juli, 31 v.u.Z.)
Actium Jahr 20, Monat 2 der Hochwasserzeit Akhet (1. September römischer Zeit, 31 v.u.Z.)
Actium Jahr 20, Monat 2 der Hochwasserzeit Akhet ( 2. September römischer Zeit, 31 v.u.Z.)
Alexandria, Jahr 20, Monat 2 der Hochwasserzeit Akhet, Tag 19 und die Tage danach (Anfang September und Tage danach; 31 v.u.Z.)
Palästina Versöhnungstag und Wochen danach (10.9. 31 v.u.Z. und danach)
Alexandria, Jahr 21, Monat 3 der Peretzeit, Tag 5 und Wochen danach (Mitte März 30 v.u.Z. und danach)
Alexandria, Jahr 21 und 22, Monat 4 der Schomuzeit und Monat 1 der Akhetzeit (Anfang Juli bis zum 12. August 30 v.u.Z.)
Alexandria, Jahr 22, Monat 1 der Akhetzeit 8. Monat, 12. Tag römischer Zeit (12. August 30 v.u.Z.)
Worterklärungen / Ortserklärungen
Sacherklärungen und Anmerkungen
Die Geburt des Abendlandes
Band 1
Historischer Sachroman
Engelsdorfer Verlag
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Alle Rechte beim Autor
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eISBN: 978-3-86901-129-5
- Für Juliane und Fabian -
„Glaube und Hoffnung sind es, die allein dem Menschen eigen sind und ihn ein Leben lang begleiten. Erscheinen Glaube und Hoffnung vielen als Gabe von Kraft und Verheißung, widerfahren sie uns doch ebenso oft auch als süße Verführung: Mal in Kostüm und Maske zur trügerischen Ausflucht aus der Alltäglichkeit, ein andermal im Gewand des schmeichelnden Begleiters auch auf unseren Irrwegen. Und so sind Spiritualität und Zuversicht immer auch der Balsam unserer suchenden Seele, der je nach Kraft unseres Wesens und der verabreichten Dosis als Labsal und Medizin oder Dunstwerk und Gift für uns bereit gehalten wird.“
Der Mann, der diese Zeilen an den Beginn seiner Lebensbeschreibung gesetzt hatte, war der Sohn des jüdischen Großhändlers Matthan, ein wohlhabender Händler und Seefahrer aus Arimathaia1, der in den Häfen des Großen Meeres2 seit vielen Jahren einen hohen Ruf genoß.
Man schrieb das Jahr 722 seit der Gründung Roms, das 20. Jahr der Regierung Kleopatras in Ägypten, das Jahr, das man Jahrhunderte später als das Jahr 31 vor Christi Geburt bezeichnen wird.
Am Abend des 7. April kreuzte das Kauffahrerschiff Ben Matthans nur wenige Seemeilen vor Alexandria. Nun, nach dem fünften Tag auf See, näherte sich der aus seinem syrischen Heimathafen Japho kommende Einmaster mit südwestlichem Kurs geradewegs dieser bedeutenden ägyptischen Hafenstadt an der afrikanischen Küste. Beim spärlichen Licht einer Öllampe saß Ben Matthan in seiner kleinen Kajüte. Über einen langen Streifen Papyrus gebeugt, war er dabei, die Geschichte seines Lebens aufzuzeichnen. Noch vor dem Eintreffen in Afrika sollte der erste Teil dieser Erinnerungen einen Abschluß finden. Jetzt, da er seine Erfahrungen und Erkenntnisse zu sammeln suchte, kamen ihm erneut all die Gedanken in den Sinn, die ihn schon seit der Abreise von Judäa unablässig beschäftigt hatten. Er musste all diese wichtigen Begebenheiten und Erfahrungen in seinem Leben auch seinem kleinen Sohn mitteilen, den er wegen seiner Reisen viel zu selten sah und der jetzt noch zu jung war, die Gedanken des Vaters zu verstehen. Vielleicht würde Joseph später die Besorgnis seines Vaters um seine Familie, sein Volk und seine Heimat Judäa zu teilen wissen. Vielleicht würde er besser begreifen, was seinem Volk von Nutzen sein würde und mehr bewirken, als es seinem Vater jetzt möglich schien.
Noch einmal überflog Ben Matthan seine letzten Zeilen, mit denen er heute seine Niederschrift begonnen hatte.
„Ja, Glaube und Hoffnung sind es wohl, die uns Menschen am meisten leiten und doch für sich allein nicht ausreichen, das Leben zu meistern“, überlegte der Handelsherr. „Unser Leben ist nicht allein von Menschenwerk bestimmt. War es nicht mehr als Glaube und menschliches Hoffen, war es nicht sogar göttliche Verheißung, die einst zu Zeiten der Vorväter als großes Geschenk seinem kleinen Volk zuteil wurde, einem Häuflein Nomaden, das mit seinen Familien und Schafherden durch die schier grenzenlose Wüste des Sinai irrte und endlich, nach langem Weg zwischen Großem Meer und todbringender Wüste, das ersehnte Ziel des langen Marsches in einer neuen Heimat fand?“
Ihr Aufbruch hatte aber nicht nur der Suche nach diesem gelobten Land gegolten, in dem ihnen Milch und Honig versprochen waren. Ihr Weggang aus dem Großen Pharaonenreich am Nil war auch der Beginn eines langen Weges zu festerem Glauben und neuem Hoffen. Am tiefsten Punkt des bewohnbaren Jordantals angekommen, war hier am toten Salzmeer und den grünen Ufern des Flusses die neue Heimat der Israeliten, hatte ihnen später ihr König David ein eigenes Reich geschaffen und sein Sohn Salomo mit einem prächtigen Tempel auch dem Herrn eine Heimstatt gegeben. Doch erneut zeigten sich Glauben und Hoffen trügerisch, führten Machthunger und Gier der Menschen zu Kriegen und Gewalt, zur Verschleppung in den Schoß der Hure Babylon und zur Zerstreuung des jüdischen Volkes in alle Teile der Ökumene.
„Herr, vergebt mir die Störung, aber ihr solltet bald an Deck kommen, der Steuermann hat die Küste gesichtet und es kommt Wind auf.“
„Ja, Dodo, danke! Ich werde für heute mit dem Schreiben aufhören. Das Schiff beginnt zu rollen und die Lampe schaukelt mir schon über dem Kopf. Sag dem Steuermann, dass ich gleich bei ihm sein werde. Sag ihm, er soll diesmal direkt auf den Westhafen Alexandrias zuhalten.“
Zur Zeit des ptolemäischen Weltreiches lebten die meisten der jüdischen Diaspora-Exilanten in der Handelsmetropole Alexandria, der westlichen Hauptstadt dieses hellenistischen Vielvölkerstaates. Hunderttausende Juden hatte es einst in diese Metropole des alten Makedonierreiches verschlagen. Viele lebten schon Generationen hier am westlichen Nildelta, direkt an der Küste des Großen Meeres*. Doch nun hatte das römische Reich wie ein Krake seine gierigen Arme über die Völker rund um dieses Meer ausgebreitet, das Meer, das jetzt auf den neuen Landkarten des Imperiums als Mare Internum bezeichnet war und von den Römern als Zentrum ihres Einflussbereiches beansprucht wurde. In seinem scheinbar unstillbaren Hunger nach Macht und Geltung hatte Rom aller Herren Länder von den Säulen des Herakles bis nach Syrien, von Karthago bis hin zur Wildnis der Gallier in seine neu gesteckten Grenzen gezwungen. Auch das gelobte Land war seit mehr als dreißig Jahren unter Oberherrschaft des allmächtigen Imperiums und seither nur lästige Provinz am Rand dieses Riesenreiches. Einzig das vieltausendjährige Ägypten, nun von der ptolemäischen Königin Kleopatra VII. regiert, hatte bisher der Expansion des römischen Imperiums widerstanden. Doch nun war auch diese freie Stadt am Nil in die Fänge der römischen Krake gekommen, hatte der römische Triumvirator Octavian der Königin und Pharaonin den Krieg erklärt. Noch war davon in Alexandrien nichts zu spüren. Größer und schöner als alle griechischen Städte und selbst gegenüber der Weltmetropole Rom in nichts geringer, schien Alexandria unantastbar zu sein. In der Tat sollte die entscheidende Schlacht dieses Krieges andernorts ausgefochten werden, wollte es das Schicksal, dass dieser Machtkampf um die Regentschaft des römischen Imperiums, wenn auch nicht spurlos für Ägypten, so doch ohne Schaden für Alexandria zu Ende gehen würde.
Als Ben Matthan das Deck seines Frachtschiffes betrat, war in der Ferne bereits der Lichtpunkt des riesigen Leuchtturms von Alexandria zu sehen. Offenbar hatte der Schiffsführer das nachdenkliche Gesicht Ben Matthans bemerkt, den er nun aufmunternd und pflichtgemäß über die Seelage des Schiffes unterrichtete.
„Die Strömung von West nach Ost wird uns nicht rascher voranbringen, Herr. Doch wenn wir Glück haben, können wir noch vor Anbruch der Nacht einlaufen.“
Der erfahrene Steuermann Ben Matthans hatte das Segel voll aufziehen lassen, um dem schweren Einmaster mehr Fahrt zu geben. Trotzdem lag der dickbauchige alte Frachter tief im Wasser. Es war kein modernes Schiff. Ähnlich den zahlreichen über das Mittelmeer kreuzenden kleinen Handelsschiffen glich er eher den schon von den Phöniziern benutzten Gaulos, die, in ihrer Bauart kaum verändert, seit Menschengedenken das mediterrane Meer befuhren und die alte Welt und ihre drei Erdenteile miteinander verbanden. Das Schiff hatte seine besten Jahre längst hinter sich und einzig der neue Anker ließ erkennen, dass man dem betagten Fahrzeug und seinen Passagieren noch Hoffnung auf bessere Zeiten zugestehen musste. Woher das Schiff kam, wer sein Eigner war und welches Handelsgut in seinem massigen Rumpf verborgen sein mochte, war für fremde Augen nicht zu erkennen. Auch das rostbraune quadratische Segel, das nun von der aufkommenden Brise mehr und mehr gebläht wurde und dem alten Mast und seiner brüchigen Rah das Letzte abverlangte, trug weder ein Wappen noch andere Erkennungszeichen, die Aufschluss über die Herkunft oder das Ziel des Kauffahrers zugelassen hätten. Je mehr sich das Schiff der Küste näherte und mit Untiefen, den scharfkantigen Klippen und der zunehmenden Brandung zu kämpfen hatte, desto geschickter manövrierte die geübte Mannschaft mit Hilfe des kleinen Vorsegels am Bug und einem mächtigen Steuerruder linksseits des Hecks das sich behäbig auf den Wellen wiegende Gefährt.
Seit einer Viertelstunde stand Ben Matthan nun auf der kleinen Galerie am Bug seiner Schaluppe, die immer mehr zum Spielball der unruhigen See zu werden schien. Doch der aufkommenden Brise widerstand der geübte Seefahrer mit stoischer Ruhe. Ein geübter Griff in die Takelage des Klüverbaumes gab ihm festeren Halt. Immer höher spritzte die Gischt der nahen Uferbrandung, die dem kleinen Handelsschiff das Auf und Ab der drei Ellen hohen Wogen aufzwangen. Aber der Blick Ben Matthans war weder auf das bedrohliche Spiel der Wellen noch das am Horizont auftauchende Festland gerichtet. Viel zu oft hatte er diese Reise schon hinter sich gebracht, um noch von der aufgewühlten See oder dem Farbenspiel des Abendhimmels beeindruckt zu sein.
Wieder war Ben Matthan in seine Gedanken versunken. Anders als bei seinen vielen Handelsfahrten zwischen den Häfen der griechischen und römischen Welt mochte diese Reise ein Wendepunkt in seinem Leben sein. Mehr als die Untiefen der afrikanischen Mittelmeerküste galten daher seine Sorgen nicht nur seinen nächsten Geschäften, sondern eher einer wichtigen Mission, deren Ausmaß er noch nicht zu erfassen mochte und die in ihm die tiefe Beklemmung des Unbekannten hervorrief. Ein hohes Mitglied des Sanhedrins*, des aristokratischen jüdischen Senats zu Jerusalem, hatte ihn mit dieser Mission betraut und ihn damit gleichsam zu einem inoffiziellen geheimen Gesandten bestimmt. Nachdrücklich hatte man ihm aber bedeutet, dass niemand außer dem Oberhaupt der alexandrinischen Diaspora-Juden von dieser Mission erfahren durfte. Dazu kam, dass die Ergebnisse dieses geheimen Auftrages nur dem Advokaten des Hohen Rates persönlich übergeben werden sollten und selbst die übrigen siebzig Mitglieder des Sanhedrins nichts von alledem erfahren durften.
Das Ganze bereitete Ben Matthan Unbehagen; ein unbestimmbares Missgefühl, das wohl vom Ungewissen dieser Mission herrührte. Weder das genaue Ansinnen des ganzen Unterfangens noch dessen endgültiges Ziel waren ihm deutlich geworden. Man hatte ihn um diesen scheinbar wichtigen Auftrag gebeten, ihm diese geheime Mission anvertraut, ohne dass er selbst den Sinn der Heimlichtuerei und den Zweck des Vorhabens zu durchschauen vermochte.
Ben Matthan war Geschäftsmann. Doch anders als bei sonstigen Handelsreisen waren weder das Ergebnis dieses Auftrages noch dessen Erlös zu kalkulieren. Als Kaufmann hatte er gelernt, wie wichtig Soll und Haben und eine ausgeglichene Bilanz waren. Unwägbarkeiten bedeuteten dagegen immer ein Risiko und letztlich Unbehagen. Dazu kamen die Sorge um seine Güter in Arimathaia, das Schicksal der zurückgebliebenen Töchter und ihrer Familien, die Zukunft seines einzigen Sohnes und die Warnzeichens des natürlichen Alterns, die den rastlosen Händler in den letzten Jahren immer häufiger ermahnten, mehr an sich selbst zu denken.
„Herr, ich bringe euren Leibrock, es wird kühl und ihr solltet euch nicht ohne Schutz dem aufkommenden Westwind aussetzen.“
Die mahnenden Worte seines treuen Leibeigenen und steten Begleiters hatten Ben Matthan in seinem Grübeln unterbrochen. Nun zog er sich den prachtvollen Mantel aus wärmender Wolle über den seidenen Leibrock, um bald darauf wieder etwas Wärme und Behagen zu spüren.
„Dodo, sag ihr, sie möchte mit Joseph heraufkommen. Ich habe den beiden versprochen, sie noch vor der Ankunft in Alexandria zu rufen. Sie sind gespannt auf Pharos und die Lichter der Stadt. Zeruja soll sich aber stets am Längstau festhalten und Joseph nicht von der Hand lassen.“
Während Dodo im kleinen Kajüthaus des Frachters verschwand, um den Jungen und sein Kindermädchen an Deck zu holen, verloren sich die Gedanken des Kaufmannes erneut in die Wirren der letzten Jahre. Bilder der glücklichen wie der betrüblichen Momente mischten sich zu einem verwirrenden Mosaik der Gefühle, einem Wechselspiel tiefer Eindrücke und flüchtiger Erinnerungen. Seit sich das schier unersättliche Ungeheuer Rom auch die Heimat der Juden einverleibt und die Menschen von Raphia bis Palmyra zu Untertanen des Kaisers in seiner Provinz Syria bestimmt hatte, war vieles, was seit Generationen Bestand gehabt hatte, anders geworden. Schon als das Großreich Alexanders einst in die sich streitenden Teile Makedonien, Syrien und Ägypten zerfallen war und Karthago als Nutznießer dieser Auseinandersetzungen seine Macht im Mittelmeer festigen konnte, hatte Rom seine ehrgeizigen Ziele für die Expansion ins gesamte Mittelmeergebiet abgesteckt. Drei große Kriege gegen Karthago hatten der einst aufstrebenden Republik bereits die uneingeschränkte Vormachtstellung über die fünf überseeischen Provinzen im östlichen Mittelmeer gebracht, eine Machtposition, die das wuchernde Imperium nun nach und nach auch gen Osten auszudehnen begann. Hier hatte man sich als erstes das alte Makedonien einverleibt, dem nun die westlichen Küstenstreifen Phrygiens, Lydiens und Lykiens, dann Cyrene, Kreta, Bithynien, Pontus und Kilikien folgten. Es war nur eine Frage der Zeit gewesen, bis auch Zypern und Syrien als Provinzen dem unersättlichen Machthunger dieses Molochs zum Opfer gefallen waren. Einzig das alte Ägypten hatte dem Heißhunger der Macht bisher widerstanden und durch die Ränkespiele ihrer stolzen Königin Kleopatra das zerbrechliche Juwel der Unabhängigkeit bewahrt. Doch nun war selbst das stolze Großreich am Nil durch die Auseinandersetzungen zwischen Antonius und Octavian in Gefahr, eine tributpflichtige Provinz des römischen Reiches zu werden. Was aus einem Land werden kann, wenn das Imperium erst seinen Fuß darauf setzte, hatten die Judäer am eigenen Leibe verspürt. Seit mehr als dreißig Jahren war Ben Matthans Heimat nun schon kaiserliche Provinz. Doch das im Norden Syriens nahe Antiochia stationierte IV. römische Legionslager Cyrrhus sollte nicht das einzige bleiben, das den Ländern östlich des Mittelmeeres vor Augen führte, wer der wahre Herr im Lande war. Wo einst an der Ostküste des Großen Meeres die farbigen Segel der Handelsschiffe das Bild der kleinen Häfen zu einem buntgetupften Teppich werden ließen, lagen nun die großen römischen Galeeren aus Ravenna und Misenum vor Anker. Aus unbedeutenden Küstenbuchten waren Kriegshäfen geworden und die reichen Handelsniederlassungen dienten scheinbar einzig als Umschlagsplätze und Vorratskammern für die ungeheuren Waremenge, die die Metropole des neuen Riesenreichs täglich schluckte.
Das Imperium gierte nach ständigem Nachschub. Rom brauchte die ganze Welt.
Doch der Appetit der Krake war scheinbar zu groß für ihren kleinen Magen Rom; die Republik begann an ihrer eigenen Unersättlichkeit zu kranken. Die römische Verfassung war nicht geschaffen für die Verwaltung eines in zahllose überseeische Kolonien, senatorische und kaiserliche Provinzen, tributpflichtige Vasallenstaaten, Kleinreiche und Stadtstaaten zersplitterten Machtgebietes. Immer wieder aufflammende Bürgerkriege wühlten nun auch im Herzen dieses gierenden Molochs und eine blutige Entscheidung über das Wohl und Wehe des einst stolzen Bürgerstaates lag näher denn je.
Auch für die alte und ehrwürdige Kaufmannsfamilie Matthan hatte sich vieles geändert. Ben Matthan hatte sich nicht mit der neuen Zeit abfinden können. Die Familie war ihm immer Fluchtburg und Halt gewesen. Doch dieses Rom und seine neue Welt waren auch hier eingedrungen, hatten ihm seinen ältesten Sohn genommen und damit den hoffnungsvollen Zweig dieser alten jüdischen Familie gebrochen. Seit der ruhmreichen Zeit Königs David hatte die Geschlechterfolge Bestand, die damals, nach der Gräueltat an seinem Sohn Hakkoz, aufhören sollte zu existieren.
Ben Matthans Gedanken verloren sich in der zerklüfteten Bergwelt von Bet-Horon. Hier im Grenzgebiet zwischen Israel und Judäa gab es seit der römischen Besatzung immer wieder dieses Morden und Brandschatzen zahlreicher Banden, die sich den Verlust der alten und das Fehlen einer neuen Ordnung zunutze machten, um die kleinen Dörfer in den Bergen des Grenzlandes und der Küste zu plündern. Gesetzlose und Heimatvertriebene, entflohene Sklaven und skrupellose Banditen, die die Inseln unweit der Ostküsten des Großen Meeres zu ihrer Fluchtburg gewählt hatten und nun von den Seepiraten Zyperns unterstützt wurden, trieben ihr Unwesen auch im Küstenland nahe Judäa. Dabei kam ihnen zugute, dass Zypern als senatorische Provinz weniger als die kaiserlichen Provinzen Syria und Judäa von den Römern kontrolliert wurde und die Banden sich nach ihren Raubzügen ungeschoren auf die Insel zurückziehen konnten. Zwar hatte der Kampf Roms gegen die weitverzweigten Piratennetze schon vor mehr als 30 Jahren zur Eroberung von Cyrene und Kreta geführt, aber in den zahlreichen Meeresbuchten und den alten Stollen der Kupferminen hatten die Piraten noch immer einen sicheren Unterschlupf gefunden.1
Von Zyperns Nordspitze war es nur eine halbe Tagesfahrt bis Hamat und selbst ein kleines Küstenboot konnte diese Strecke rasch bewältigen. Auch nach Tyrus, der nördlichsten Hafenstadt Judäas, war der Weg nicht weit. Überfälle dieser Piraten und Diebe waren daher seit der römischen Besatzungszeit fast alltäglich geworden. Damals, als sein Sohn Hakkoz gemeuchelt wurde, war ein Trupp mit seinen Booten nördlich von Jopha gelandet, um sich mit Proviant zu versorgen und die jungen Mädchen der kleinen Dörfer als Sklavenware zu entführen.
Und gerade als Hakkoz mit seinen Eselskarren von Jerusalem in die Hafenstadt Jopha unterwegs war, um das Schiff seines Vaters zu beladen, stießen sie an einem Hohlweg bei Bet-Horon mit den Banditen zusammen. Seitdem sah Ben Matthan seinen Erstgeborenen nie wieder.
Bis heute krampfte der Schmerz in Ben Matthans Brust, wenn er an die Nachricht der Dorfbewohner zurückdachte. Ben Matthan vermochte dabei kaum zu atmen oder über die Dinge zu sprechen. Seine Qual äußerte sich physisch. Sie nahm dem starken Mann die Fähigkeit zu begreifen und entschlossen zu handeln. Sie verwandelte sein Leid in Erstarren und ließ die unbesiegte Wut in tiefer Trauer versinken. Längst hatten sich die Berichte der Dorfleute in seinem Kopf zu eigenen Bildern verfestigt, Szenen, die sich beim Denken immer wieder hervordrängten und die Träume wie das Fühlen des Handelsherrn bestimmten.
„Warum gerade sein Sohn, warum gerade Hakkoz?“
Immer wieder quälten diese Gedanken, wenn er das Geschehene vor Augen hatte. Die Bilder waren merkwürdig verschwommen, doch immer wieder gleich. So als hätte er das Geschehene selbst erlebt, so als wäre er dabeigewesen, als stummer Zeuge und unfähig einzugreifen. Da gab es die Hütten der Bergdörfler und der Brunnen am kleinen Wasserfall, dort waren die Eselskarren mit ihrer Ladung, er sah die Mädchen des Dorfes und seinen Sohn. Und dann, nach diesem unwirklichen Idyll das Geschrei der Mädchen...
Als Hakkoz und die Begleiter der kleinen Karawane den entführten Mädchen zu Hilfe eilen wollten, kam es zum Kampf. Hakkoz hatte den Drachenhauptmann, wie die Dorfbewohner den Anführer der Bande wegen seiner Drachentätowierung auf seiner Brust nannten, vom Pferd gestoßen. Mit bloßen Händen hatte Hakkoz den Bandenführer am Boden gehalten. Der Besiegte hatte sich bereits ergeben und eine Befreiung der Mädchen wäre geglückt, wenn nicht ein weiterer Trupp der Sklavenräuber Hakkoz und seine beiden Begleiter überwältigt und gefangen genommen hätte.
Ben Matthan holte tief Luft, als ihm eine Böe ins Gesicht fuhr und ihn aus seinen Erinnerungen reißen wollte. Wie oft hatten sich diese scheinbar unwirklichen Szenen in seine Gedanken eingeschlichen, wie oft hatte sein Inneres geschrieen, wenn er die letzten Bilder seines Sohnes sehen musste, ohne sie wirklich zu begreifen.
Nach dem Überfall brannten die Banditen das Dorf nieder. Für den Widerstand, den man ihnen entgegengebracht hatte, rächten sie sich grausam. Unter dem Hohn und Spott der Horde band man Hakkoz und seine Männer an ein gefälltes Dornengebüsch.
„So wie euer Gott sollt auch ihr sein!“, hatte der Drachenhauptmann hohnlachend gebrüllt und dabei mit eigener Hand das dürre Gestrüpp entzündet, um das herum man die drei Gefangenen gebunden hatte. Gleichsam wie eine Walze lodernden Feuers rollten sie dann das auffackelnde Menschenbündel den langen Abhang ins Tal hinunter, um die gebundenen Leiber in den Flammen umkommen zu lassen. Zurück blieb nicht nur ein Streifen verbrannten Landes, das noch bis zur nächsten Ernte von diesem Raub- und Mordzug Zeugnis gab. Zurück blieben auch die qualvollen Erinnerungen an Hakkoz und diesen Schmachort der Unmenschlichkeit.
Ben Matthan vermochte dies alles nicht verstehen. Er hatte sich immer nur für seine Familie und die Geschäfte interessiert. Doch seitdem die römische Ordnung das alte Judäa verwandelt hatte, schien die Welt aus den Fugen, waren Gesetz und Recht nicht mehr in der Hand derer, die sie geschaffen hatten. Gab es überhaupt noch Rechte und Gesetze? Oder nur diese neuen Regeln und Befehle, die mit den Römern ins Land gekommen waren und dem Gewohnten unwillkommen Neues gegenüberstellten. Ben Matthan mochte das Römische nicht. Was hatte ihnen Rom gebracht, außer neuen Moden und Menschenopfern? Außer einem Kaiser und Kreuzigungen? Außer Tod und Trauer?
Und dann der viel zu frühe Tod seiner geliebten Frau Jaala, der die treue Gefährtin unvermittelt von seiner Seite riß. Nun lagen nicht nur die Lasten der Familie allein auf den Schultern des Kaufmanns. Vor allem fehlten das vertrauliche Teilen der Sorgen und ihre immer wieder aufmunternde Stimme. Ben Matthan vermisste die herzlichen Tage im Kreise der Familie, wenn er von seinen langen Reisen nach Hause kam. Nun waren dem erfolgreichen Handelsherrn allein die Aufgaben als Hausverwalter und Erzieher, Familienvater und Tröster auferlegt.
Wie sehr hatten sich Jaala und er nach dem schrecklichen Tod ihres Erstgeborenen einen weiteren Sohn und Erben gewünscht. Doch als ihre Gebete endlich erhört wurden und seine Frau nach vielen Jahren erneut einem Jungen das Leben schenkte, forderte der Gerechte dafür das Leben der Mutter. Noch bevor man das Neugeborene in die Arme des Vaters legte, hatte Jaala ihren Mann ein letztes Mal mit ihrem sanftmütigen Lächeln angeschaut. Wie schwer hatte sie an der Geburt getragen, sie, die schon vier Kindern das Leben geschenkt hatte und die sich nun so sehr auf diesen jüngsten Spross des Hauses Matthan gefreut hatte. Die Hebammen hatten Ben Matthan mit gesenktem Blick ins Haus gerufen. Nun lag Jaala in den Armen ihres Mannes, zu schwach, um noch etwas zu sagen, zu müde, die Augen aufzutun. Mit fahlem Gesicht und bleichen Lippen, doch wie immer mit diesem Lächeln, das mehr zu sagen vermochte, als liebende Worte. Es war ihr letztes Lächeln, ihr stummer Abschiedsgruß. Jaala starb noch am selben Abend in seinen Armen.
Das Recht der Mutter, dem Neugeborenen einen Namen zu geben, blieb nun dem trauernden Vater. Er hatte seinen jüngsten Sohn Joseph genannt. Dies bedeutet ‚er nimmt hinweg, er fügt hinzu’ und so mochte ihn der Name des Jungen immer an das doppelte Schicksal von Tod und Geburt erinnern.
Jaala fehlte. Seitdem sie nicht mehr da war, vergingen die Jahre freudloser. Obwohl sich eine Amme und seine Töchter liebevoll um den kleinen Joseph gekümmert und die Bewirtschaftung seines großen Haushaltes übernommen hatten, vermisste der Witwer nicht nur die liebende Frau an seiner Seite. Was halfen ihm Vermögen und Besitz, wenn niemand da war, sich daran zu erfreuen. Das Schicksal schien auch vor Ben Matthan einen Weg auszubreiten, dessen Ziel vom Schleier der Ungewissheit verhüllt und schwer erfassbar war. Weder der Erfolg seiner Vorhaben in Alexandria noch das fernere Leben des Kaufmanns versprachen, das vertraute Gefühl eines geordneten Lebens wieder herzustellen. So unbestimmt, wie die Winde der kalten Jahreszeit, die auch den erfahrendsten Seeleuten ein unbeschwertes Befahren des Meeres nur mit Beginn des Frühlings gestatteten, so unsicher war auch die Zukunft des Hauses Matthan.
Doch nun, nach dem Ende der Winterstürme und Wochen langer Vorbereitung war er aufgebrochen, um sein eigenes Leben und das seiner Familie neu zu ordnen und die ihm anvertraute Mission in Angriff zu nehmen.
An Bord des Einmasters überquerten neben der Schiffsmannschaft auch drei Passagiere voller Erwartungen das Meer, um endlich diejenige Stadt zu betreten, die für sie in den nächsten Jahren zum neuen Zuhause werden sollte. Ben Matthan war der Entschluss schwer gefallen, den kaum sechsjährigen Sohn zusammen mit einem Diener und dem Kindermädchen nach Alexandria zu bringen. Doch in der Heimat gab es kaum eine Möglichkeit, dem begabten Jungen eine angemessene Ausbildung zu geben. Seit er der Familie seine Absichten mitgeteilt hatte, hatten sich die drei auf das große Abenteuer gefreut. Joseph würde hier sicher Freunde finden und sein Vater könnte ihn sogar häufiger sehen, als es seine seltenen Heimreisen in die Berge Palästinas bisher möglich gemacht hatten. Es war wohl unter Abwägung aller Vorteile und Bedenken letztlich eine gute Entscheidung, Joseph in das Land zu bringen, das als einziges noch nicht in den Klauen Roms war.
„Vater, Vater schau nur!“
Die drei Passagiere waren aus dem Steuerhaus gekommen und auf die kleine Heckgalerie gestiegen, um die Einfahrt nach Alexandrien zu erleben. Joseph saß nun auf dem Rücken des riesigen hölzernen Schwanenhalses, der dem Schiff als Heckfigur diente und dem Fünfjährigen hier an Deck das einzige Spielzeug war. Jetzt hatte der Junge bemerkt, wie rasch die Sonne ins Meer tauchte und seinen Vater auf dieses Ereignis aufmerksam machen wollen.
„Vater, warum geht die Sonne jetzt ins Wasser? Wo bleibt sie denn in der Nacht?“
Lächelnd ging Ben Matthan den Dreien entgegen.
„Das wirst du alles in der Schule lernen, aber glaub mir, die Sonne verschwindet nicht. Weißt du Joseph, wenn die Sonne im Westen untergeht, kommt sie bald als großes Licht über den Osten. Schau, dort, wo es jetzt viel dunkler zu sein scheint, wird es morgen umso heller sein.“
Mit halb gerafftem Segeltuch manövrierte der Einmaster jetzt an der Küste Alexandrias vorüber. Landeinwärts kamen die schützenden Molen des ‚portus magnus’, des ‚Großen Hafens’ in Sicht, der über eine schmale Öffnung die Zufahrt zum Zentrum der Stadt gestattete.
„Haltet euch weiter seewärts! rief Ben Matthan seiner Mannschaft zu. „Wir werden die Halbinsel Pharos umschiffen und erst im Westhafen an Land gehen.“
„Schaut doch nur, wie schön die Stadt ist“, rief Zeruja begeistert aus. „Und die vielen Häuser und Lichter. Wie alles glitzert und sich im Wasser spiegelt. Und dort, welch prächtiger Palast.“
Zeruja hatte auf einer der weit in das Meer hineinragenden Landzungen eine prächtige Villa entdeckt, die einem Adlernest gleich hoch oben auf dem Kap Lochias thronte und deren Spiegelbild im Licht der Abendsonne wie ein karminrotes Seidentuch auf den Wellen tanzte.
„Es ist kein Palast, Zeruja“, erklärte Ben Matthan. „Es ist die Privatvilla Kleopatras, der Königin von Ägypten und Hohenpriesterin der göttlichen Isis. Es ist das Haus der wohl mächtigsten Frau der Welt. Aber seht weiter links, dort hinter den Hafenmolen ist der königliche Palast zu sehen. Seine Gebäude beanspruchen fast ein Drittel der inneren Stadt.“
Wie ein pastellfarbener rosa Saum erstreckte sich das Gelände des riesigen Palastbezirkes am Horizont, verschmolzen die weißen Marmortempel und Prachtbauten, die hohe Umfassungsmauer und die zahlreichen Gebäude der königlichen Manufakturen und Behörden zu einem schier endlosen Band, das Himmel und Erde trennte.
„Sie muss eine mächtige Königin sein, diese Kleopatra“, dachte auch Joseph, der andächtig auf seinem hölzernen Schwan saß und bei dem die flüchtigen und rasch vorbeiziehenden Bilder dieses unvergesslichen Erlebnisses einen tiefen Eindruck in seiner kindlich staunenden Gedankenwelt hinterließen.
Rasch brach die Dämmerung herein und die Blicke der Reisenden richteten sich wieder nach vorn. Der weltberühmte Leuchtturm von Alexandria lag nun direkt vor ihnen und in der aufkommenden Dunkelheit war dessen glühender Kopf bald das Einzige, was von der ersehnten Ferne sichtbar blieb. Noch vor Einbruch der Nacht erreichte der Einmaster den Westhafen Alexandrias. Mit einem letzten Wendemanöver wurde die Westspitze der Halbinsel Pharos umfahren, auf der mehr und mehr Fackeln des Poseidontempels den Einbruch der Nacht verkündeten. Auch auf dem Schiff wurden die Öllampen entzündet. Über das nun ruhige Brackwasser des Eunostos-Hafens erreichten die Reisenden den Ankerplatz in einer schützenden Ummauerung. Hier, im Kibotos-Becken war das Schiff besonders sicher. Und auch der neue Anker gab das erste Mal halt. Das erste Ziel war erreicht.
* * *
Genau drei Jahrhunderte vor dem Eintreffen Ben Matthans und seiner Begleiter in der ägyptischen Metropole hatte der große Welteroberer Alexander die fruchtbare Ebene am nordwestlichen Zipfel des Nildeltas erwählt, um hier die neue Hauptstadt seines Riesenreiches zu gründen. Als erste von vielen späteren Neugründungen sollte sie seinen Namen tragen und ebenso wie die vielen anderen in seinem kurzen Leben neu errichteten Städte vom Ruhm des unbezwungenen Makedonierkönigs künden.
Nun war Alexandria die wohl glanzvollste Stadt der Welt. Prachtvolle Bauten wie das Theater, die Thermen oder die Tempel der griechischen Götter und der ägyptischen Isis fügten sich ebenso harmonisch in das Bild dieser Metropole wie die weitläufige Agora mit ihren zahllosen Skulpturen, architektonischen Kleinodien und Händlerpassagen. Die Kanopos-Straße, die als pompöser Boulevard das Mondtor im Westen mit dem Sonnentor im Osten verband und auf ganzer Länge von Säulengängen flankiert war, maß 30 Stadien in der Länge. Sie führte bis in die nordwestliche Vorstadt Eleusis und erfüllte gleich einer Aorta das gesamte Stadtgebiet mit pulsierendem Leben. Auch die anderen parallel und quer dazu angelegten Hauptstraßen überspannten das gesamte Stadtgebiet wie die Adern eines gesunden Organismus, so dass auch die zahlreichen Nord-Süd-Verbindungen dieses fischnetzartigen Geflechtes einen raschen Verkehr zwischen den beiden Hochseehäfen an der Meeresküste und dem Mareotis-See ermöglichten. Gleichzeitig wirkten diese von der Küste heraufführenden Straßen mit ihren mehrgeschossigen Prachtbauten wie natürliche Schlote, die den von der Küste auflandenden kühlen Seewind in die leicht erhöht liegende Stadt lenkten und so auch in der heißen Jahreszeit stets für ein angenehmeres Klima sorgten.
Ebenfalls parallel zu diesem Netz gut ausgebauter Hauptstraßen verliefen breite Fahrstraßen, Verbindungswege, Seitengassen und Zufahrten zu einzelnen Gebäudekomplexen und Prachtbauten. Durch diese konsequente Gliederung Alexandrias in unzählige große und kleinere Quartiere war die Stadt trotz ihrer Größe schnell zu erkunden. Entsprechend dem griechischen Alphabet hatte man die zu größeren Einheiten zusammengefassten Stadtviertel mit Buchstaben benannt, so dass auch der Fremde sehr schnell sein Ziel zu finden wusste. Die geometrische Klarheit und Nüchternheit dieser ionischen Art der Städteplanung mit ihrem stets rechtwinklig die Agora umspannenden Straßennetz waren in dieser Stadt jedoch dem Gigantischen und Prachtvollen gewichen, einer urbanen Monumentalität und Großartigkeit, die alles vereinte, was Reichtum, Baukunst und architektonische Tradition des Hellenentums wie des Orients zu geben vermocht hatten. Alexandria war mehr als nur eine Stadt, sie war die Residenz einer Gottkönigin.
Bereits mit dem ersten Morgendunst war die Mannschaft Ben Matthans wieder an Deck. In Alexandrias Häfen begann der Alltag früh und schon bald übertönten die lauten Kommandos der Schiffseigner und Großhändler das gleichmäßige Rauschen der Meeresbrandung. Trägerkolonnen übernahmen das Löschen und Beladen der zahllosen Frachtschiffe, während die Fischer in ihren kleinen Booten den Morgenfang für den Fischmarkt sortierten und in Körben und Kisten verteilten. Auch Ben Matthan hatte seinen Leuten genaue Anweisungen gegeben, um die wertvolle Ladung seines Schiffes ohne Verluste zu löschen. Fässer und Amphoren mit verderblicher Ware mussten noch heute für den Stadtmarkt verladen werden. Besondere Sorgfalt galt der kostbaren Purpurfarbe, die das Haus Matthan schon seit Jahrzehnten an ein befreundetes Handelshaus in Alexandrien lieferte. Einige Amphoren des heimatlichen Weines gingen ins jüdische Viertel und eine Taverne in der Nähe des Hafenmarktes, mit denen ebenfalls regelmäßige Lieferungen vereinbart worden waren. Anders die vielen Dutzend Kisten mit den farbigen Glaswaren,2 die das Handelshaus erst seit dem Aufblühen der neuen syrischen Manufakturen in alle Teile der mediterranen Welt zu liefern wusste. Sie mussten in ein gepachtetes Lager gebracht werden, bis man einen zahlungskräftigen Großabnehmer für das neuartige Handelsgut gefunden hatte. Ähnlich wie schon sein Vater hatte Ben Matthan immer wieder neue Güter in sein Handelskontor aufgenommen und dadurch der zwingenden Not vieler Kleinhändler begegnen können. Große römische Handelsfrachter sorgten mehr und mehr für stete und rasche Verbindungen zwischen den wichtigsten Häfen des Mittelmeers, so dass es den kleinen Kauffahrern und Karawanenhändlern immer schwerer wurde, nach alter Handelsart Gewinne zu erzielen. Nicht die Menge der Waren, sondern deren Seltenheit und Außergewöhnlichkeit brachten in diesen Tagen Erlös. Ben Matthan hatte dies schnell erkannt und seine weit über das Syrische hinausgehenden Geschäftsbeziehungen und Erfahrungen auf den Umschlag von Luxusgütern gerichtet. Auserlesene Stoffe aus Gaza, die begehrten Purpurfarbe und die seit wenigen Jahren mehr und mehr beliebten Glaswaren, aber auch zahlreiche seltene Schriftdokumente gehörten nun zum wichtigsten Handelsgut des Hauses Matthan. Für die neuartigen Produkte mussten aber immer wieder auch neue Großhändler gefunden werden, die den recht teuren und noch weitgehend unbekannten Produkten einen Markt gaben und sie weiter verkaufen würden.
„Lasst die großen Kisten mit unseren persönlichen Dingen noch an Bord. Bis wir eine geeignete Unterkunft gefunden haben, bleiben sie unter Deck!“, wies Ben Matthan die Seeleute an.
Besondere Order hatte der Händler für zwei kleinere Truhen erteilt. Sie enthielten den wertvollsten Teil der Ladung, die Pergamente und Papyrusrollen für die Bibliothek des Museions. Insgesamt hatten die Männer wohl an die Hundert Tonnen aus dem wuchtigen Bauch des Schiffes zu bringen. Es würde Tage dauern, bis jedes Handelsgut an Ort und Stelle war.
Nach einer letzten Frühmahlzeit an Bord bereiteten sich auch die drei Fernreisenden auf den Abschied von ihrer schwimmenden Unterkunft vor. Vor ihnen lag Alexandria, das nun vielleicht für viele Jahre ihr neues Zuhause werden sollte. Seit Tagen hatte man von nichts anderem mehr gesprochen und selbst Joseph, dem die fünftägige Überfahrt mehr Abenteuer als Anstrengung bedeutete, hatte nun vom Schiff genug und freute sich aufs unbekannte Neue.
Der Tag versprach warm zu werden.
Ben Matthan öffnete eine der Truhen, um sich leichte Kleidung für ihren ersten Landgang auszuwählen.
„Zeruja, leg‘ auch für Joseph nur ein frisches und luftiges Untergewand aus Leinen zurecht, und gib ihm die lockere Tunika mit den hellen Streifen.“
„Ja Herr“, antwortete die junge Frau fröhlich. „Und wenn ich ihm einen leichten Turban binde, sieht er schon aus wie ein Mann.“
Man merkte Zeruja die Freude an, endlich das langersehnte Ziel zu erreichen. Schon den ganzen Morgen hatte sie ein und dasselbe Liedchen gesummt, dessen Text wohl von einer weißen Taube und dem Meer handelte. Nun verschwand sie mit wippenden Schritten in ihren kleinen Verschlag, der ihr und Joseph in den letzten Tagen an Bord zur Unterkunft geworden war.
Ähnlich der Anweisung an Josephs Dienstmädchen zog nun auch Ben Matthan über sein Untergewand nur einen rotblauen Tallith* aus leichter Baumwolle. Darüber streifte er ein helles, sehr luftdurchlässiges Baumwollgewand, das von der Hüfte abwärts zweigeteilt war und anstelle der sonst üblichen Tunika eine besonders bequeme Beinbekleidung hergab. Passend zu seinem Gewand trug er weißes, mit zahlreichen Fransen umfasstes Kopftuch, das er nach Art der Beduinen mit der Spitze nach hinten zum Dreieck faltete und durch eine geflochtene Kordel befestigte. Die Wahl seiner Kleidung gab dem schwarzhaarigen und braungebrannten Handelsmann ein schlichtes, wenn auch elegantes Aussehen. Einzig der kostbar verzierte Ledergürtel und die anstelle der sonst üblichen Sandalen für heute ausgewählten braunen Lederschuhe ließen erkennen, dass der Händler ein reicher Mann war und wohl zu wichtigen Geschäften nach Alexandria gekommen sein mochte. Während der breite Gürtel an seiner Innenseite eine eingearbeitete Geldbörse versteckte, enthielt eine an der rechten Seite nach außen gekehrte Schlaufe zwei zur Hälfte gefüllte Tintenhörnchen, die es dem Handelsherrn jederzeit ermöglichten, eine Kaufnotiz zu fertigen oder Verträge zu unterschreiben. Ein prächtig ziselierter Krummdolch, den Ben Matthan in Byzantium erworben und nun an einer linksseitigen Gürtelschnalle befestigte hatte, vervollständigte den Habitus des Handelsherrn.
Afrika empfing die Ankömmlinge mit frühlingshaftem Wetter. Bis zur Nilschwemme würde es noch Monate dauern und dennoch war auch jetzt zur Trockenzeit das Klima des fruchtbaren Nildeltas angenehmer als sonst in der heißen Jahreszeit. Ein leichter Nordwind verteilte den Geruch des Meeres über die Stadt, die so einladend auf Ben Matthan und seine Begleiter wirkte, dass man schon in den frühen Vormittagsstunden die ersten Besorgungen erledigen und dann den Trubel der Großstadt genießen wollte.
Kaum drei Stadien vom Liegeplatz des Einmasters entfernt, erreichte man nach einem Spaziergang längs eines vielbefahrenen Kanals, der den östlichen Seehafen mit dem südlich der Stadt im Mareotis-See gelegenen Binnenhafen verband, ein riesiges Portal, das berühmte Mondtor. Es war zweifellos das markanteste Bauwerk am westlichen Stadtrand. Mit seinen imposanten Säulen und dem reich verzierten Gesims an der Westseite des Architravs war es vielen Reisenden als der bevorzugte westliche Haupteingang in die Stadt bekannt. Auch Ben Matthan und seine drei Begleiter durchschritten nun dieses Tor. Vor ihnen lag das Juwel Ägyptens, die größte Handelsmetropole der Welt, die Millionenstadt Alexandria.
Ben Matthan und sein Getreuer Dodo kannten die Stadt Kleopatras gut. Mindestens einmal im Jahr war man hierher gekommen, denn der Bedarf an den Luxusgütern aus Syrien, China und Indien war ständig gestiegen und auch die neuen und sehr teuren Glaswaren hatten mehr und mehr ihre Käufer gefunden. Noch gab es in Alexandria nur wenige Glasmanufakturen, und man tat als Kaufmann gut daran, die Gunst der Zeit zu nutzen, um profitablen Handel zu treiben. Heute jedoch galt die Aufmerksamkeit Ben Matthans und seiner Begleiter nicht den eigenen Geschäften, sondern vor allem der Stadt selbst, in der Joseph, Dodo und Zeruja die nächsten Jahre verbringen sollten.
„Seht nur, die hohen Häuser und die vielen Säulen davor. Und dort, schau Joseph, ein Feuerschlucker.“
Zeruja war nicht weniger aufgeregt als ihr staunender Zögling, der nun seinen Kopf reckte, als wolle er über die Menschenmenge hinwegsehen.
Auf der marmorgepflasterten Magistrale wimmelte es von Händlern, Söldnern, Matrosen und Besuchern aus allen Teilen des Erdkreises. Sänftenträger schrieen um des Durchkommens willen immer wieder ihr ‚Elah, Elah’; Reiter und Fuhrwerke verstopften die Seitenstraßen und die unübersehbare Menge der Spaziergänger rettete sich schützend unter die Arkaden, um nicht unter die Räder zu gelangen. Ameisengleich drängte sich die Schar der Fernreisenden hier am berühmten Mondtor, das für die Touristen aus aller Welt gleichsam als Ausgangspunkt ihrer Stadttour wie auch Eingang in diese aufregende Neuwelt zu gelten schien.
Gleich hinter dem Mondtor zeigte eine kleine Gauklertruppe ihre Kunststückchen, denn gerade von den Neuankömmlingen erwarteten sich die Straßenkünstler besondere Aufmerksamkeit. Eben hatte ein indischer Fakir unter viel Beifall eine Probe seines Könnens gegeben. Nun war es ein nubischer Feuerschlucker, der das Interesse aller Umstehenden auf sich zog, während sein in ein buntes Fransengewand gehüllter Kumpan auf riesigen Stelzen seinen Weg durch das Publikum suchte und den verdienten Lohn einforderte. Dazu hatte er ein kleines Bastkörbchen an einem langen Seil befestigt, das er den Zuschauern in Augenhöhe unter die Nase hielt.
„Warte Joseph, ich gebe dir ein As* und wenn er das Körbchen auch zu dir herunterlässt, wirf ihm die Münze hinein.“
Dodo sah seinen Herrn mit hochgezogenen Brauen und einem breiten Grinsen an. Der hatte das eindeutige Mienenspiel Dodos verstanden und die unausgesprochenen Bedenken seines Dieners geteilt. Wenn man schon am Mondtor minutenlang verweilte, was würden Zeruja und Joseph dann erst im Zentrum der Stadt, auf der Agora oder am Hafenmarkt zu bestaunen haben. Man hatte sich vorgenommen, den beiden Neulingen wenigstens die ersten Stadtviertel bis zur Bibliothek zu zeigen. Sie sollten das Gewirr der Straßen und Gassen mindestens soweit kennenlernen, dass sie auch ohne die Männer wieder zurück zum Liegeplatz des Schiffes finden würden.
„Wenn es so weiter geht, werden wir wohl einige Tage brauchen, um bis zur fünften Querstraße zu kommen“, erwiderte Ben Matthan das Lächeln seines Dieners.
Für die Fremden aus dem kargen Bergland Palästinas schien Alexandria eine andere Welt. Besonders hier in der Kanopos-Straße umfing sie das pulsierende Leben dieser unvergleichlichen Handelsmetropole am Meer. Die belebten Straßen und bunten Gassen, die prächtigen Bauten der ptolemäischen Residenz und das quirlige Leben der Millionenstadt schien sie zu verschlucken. Wohin sich das Auge richtete, entdeckte es diese neue, unbekannte Welt, wurde es geblendet von Überfluss und dem Reichtum ihrer Bewohner. Ein Treffpunkt der Welt und Schmelzpunkt der Nationen. Neben den alteingesessenen Ägyptern, deren Vorfahren aus den Großfamilien um Rhakotis stammten, lebten hier die Menschen aus Kanopos gemeinsam mit den Nachfahren der ersten Kolonisten aus Makedonien. Zusammen mit den Kolonisten waren auch viele Juden, später auch Römer und Italiker ansässig geworden. Die ideale Verbindung von königlicher Residenz, unzähligen Manufakturen und großartigem Hochseehafen führte zu einem raschen wirtschaftlichen Aufstieg. Jährlich nahm die Bevölkerung Alexandrias um Tausende zu und schnell zählte die Stadt mehr als dreihunderttausend freie Einwohner. Fast fünfzigtausend Häuser, so berichtete man stolz, zählte diese Riesenstadt. Neben der bunt gemischten ortsansässigen Bevölkerung, zu der neben den Ägyptern, Griechen und Makedonen vor allem zehntausende Diasporajuden gehörten, traf man hier auf Handelsleute aus aller Welt. Neben Syrern, Persern und Arabern waren es vor allem die Äthiopier und Inder, die stromabwärts den Nil befahren hatten, um hier ihre Ware zu verkaufen und nicht selten gab es wegen der großen Zahl der Händler in der Stadt Probleme, sein Geld in eine der Hauptwährungen umzutauschen.
Gleich hinter den imposanten Pfeilern des Mondtores waren die mehrstöckigen Wohnhäuser der reichen Kaufleute errichtet worden, deren untere Etagen meist großzügigen Geschäftsräumen vorbehalten blieben. Geschützt von Markisen und dem Gewölbe der Kanopos-Kolonnaden boten diese Händler vor den Eingängen zu ihren Läden diejenige Ware an, die jeden Kaufinteressierten in das Innere der Werkstätten und Handelshäuser locken sollte. Auf schmalen hölzernen Tischen, an unzähligen in die Wände eingelassenen Haken, an aufgespannten Schnüren und hölzernen Ständern war das gesamte verführerische Angebot den Käufern ausgebreitet. Junge Burschen priesen die Auslagen lautstark an. Ihre Beredsamkeit und Mimik waren kaum zu überbieten, wenn es galt, einen Käufer ins Geschäft zu locken. Und so ließen es die stets neuen Verführungen kaum zu, im Schatten der Kolonnaden zu spazieren, ohne hier und da einen prüfenden Blick auf das überquellende Angebot zu richten.
Den Läden der Lederhändler schlossen sich die Sandalen- und Harnischmacher an, vielfarbige Bänder und Schnüre aller Art zierten die Auslagen der Stoffläden und Tuchgeschäfte, neben denen die Gewandschneider und Schuhmacher ihre luxuriösen Geschäfte eingerichtet hatten.
An der zweiten Querstraße, die vom südlichen Stadtgebiet Rhakotis über die Kanoposmagistrale bis zu einem künstlich aufgeschütteten Damm führte und so den Südteil der Stadt mit der Leuchtturminsel Pharos verband, waren zahlreiche Werkstätten der Restiores, der Seiler, angesiedelt. Bei einem der Seil- und Segelmacher hatte Ben Matthan für sein Schiff ein neues Hauptsegel bestellt, das er in die Werft schicken lassen wollte. Wie immer dröhnte der Lärm der großen Webstühle bis auf die Straße, und so wurde kaum bemerkt, dass der Schiffsherr die Handelsräume der Manufaktur betrat. Erst als er die große Glocke neben dem Eingang betätigte, kam der Segelmacher mit breitem Grinsen hinter einem Stapel grober Stoffballen hervor, um seinen Freund zu begrüßen.
„Es ist mir eine Ehre, Euch wiederzusehen. Eure Segel werden gerade genäht und wie vereinbart werden sie in wenigen Tagen fertig sein. Wie es Euer Wunsch war, haben wir extra ein besonders festes Tuch aus Tarsus verwendet. Ich bin überzeugt, Ihr werdet zufrieden sein.“
Wie zum Beweis seiner Versicherung streckte der Segelmacher seine Hände nach vorn. Sie waren vom rauen und schwarzen Ziegenhaar ebenfalls dunkel geworden und somit ein steter Beweis des Segelmachers, dass er auch wirklich echtes Kilikum3 aus dem Taurusgebirge verarbeitet hatte.
„Ich glaube Euch unbesehen“, entgegnete Ben Matthan. „Und ich wollte Euch auch nur an den Termin mit der Werft erinnern, zumal ich ganz zufällig hier bei Euch vorbeikam. Soll ich Euch Euren Lohn schon heute geben?“
„Nein Herr, um des Merkurs4 willen, erst wenn der Wind das fertige Stück an seinem Mast bläht, wird es an Euch sein, mir meine Mühen gebührend zu vergelten.“
„Nun, so sehen wir uns in den nächsten Tagen wieder, ich melde mich bei Euch.“
Als Ben Matthan wieder auf die Straße trat, sah er Joseph, Zeruja und Dodo unter einer breiten Markise stehen, die den Eingang zu einem Kunstatelier vor dem grellen Sonnenlicht schützte und mit großen Buchstaben damit lockte, dass man hier sein Konterfei ganz lebensecht auf Papyrus bringen lassen konnte. Ein farbenprächtiges Wandbild, das die ägyptische Göttin Isis mit ihrem kindlichen Sohn Horus zeigte, erregte besonders das Interesse Josephs. Mit gütigem Lächeln zeigte es die Gottesmutter Isis auf einem steinernen Thron. In den Armen hielt sie den nackten Knaben an ihre Brust. Ihr Haupt zierte eine Krone, aus der gewaltige Kuhhörner ragten, deren Bögen eine goldfarbene Mondscheibe umschlossen.
„Zeruja, wer ist diese Frau?“, fragte Joseph leise.
Das Kindermädchen, dessen Aufmerksamkeit ganz der Kunstfertigkeit des Malers gegolten hatte, schien Josephs Frage kaum gehört zu haben und bevor sie sich noch dem Jungen widmen konnte, antwortete der aus dem Geschäft tretende Kunsthändler in