Martin Kamphuis
Buddhismus
Religion ohne Gott
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2. Auflage 2007
Hänssler – KURZ UND BÜNDIG
Bestell-Nr. 394.635
ISBN 978-3-7751-4635-7 (lieferbare Buchausgabe)
ISBN 978-3-7751-7007-9 (E-Book)
Datenkonvertierung E-Book:
Fischer, Knoblauch & Co. Medienproduktionsgesellschaft mbH, 80801 München
© Copyright 2007 by Hänssler Verlag, D-71087 Holzgerlingen
Internet: www.haenssler.de
E-Mail: info@haenssler.de
Umschlaggestaltung: Jens Vogelsang, Aachen
Titelbild: Martin Kamphuis
Satz: OADF, Holzgerlingen
Druck und Bindung: Ebner & Spiegel, Ulm
Printed in Germany
Die Weblinks wurden bei Redaktionsschluss der 1. Auflage überprüft. Zwischenzeitliche Änderungen vorbehalten.
Inhalt
Kurz und bündig
Vorwort des Herausgebers
I: Buddhismus – Lehre und Entwicklung
II: Diskussionen und Kontroversen
III: Praktische Empfehlungen
Weblinks und Literaturhinweise
Anmerkungen
Kurz und bündig
Geht es Ihnen nicht auch so? Über manch einen Themenbereich würde man gerne als Normalbürger Bescheid wissen (oder muss es vielleicht sogar). Doch was die Fachleute schreiben, ist im Normalfall zu kompliziert und zu umfangreich. Wer hat schon Zeit, sich in jedes Thema wochenlang einzuarbeiten!?
Hier wollen wir Hilfestellung leisten. In Hänssler kurz und bündig geben Fachleute, die sich mit einem Thema schon seit Jahren intensiv beschäftigen, kurz und verständlich einen Überblick über das, was man wissen muss, wenn man Bescheid wissen will und mitreden können möchte.
Dabei enthält jeder Band der Reihe Hänssler kurz und bündig die folgenden Elemente:
• Fakten und Basisinformationen
• die Diskussion kontroverser Fragen
• praktische Hilfen und Hinweise zum Weiterarbeiten
All das ist so angelegt, dass der Leser sich in zwei bis drei Stunden (also etwa statt des Abendkrimis oder auf einer Zugfahrt) ein Thema in seinen Grundlagen aneignen kann. Die Anwendung im Leben oder das anschließende Gespräch mit anderen wird dann aber sicher etwas länger dauern …
Ich würde mir wünschen, dass dieser kleine Band Ihren Horizont erweitern kann und die Informationen liefert, die Sie suchen.
Thomas Schirrmacher
Vorwort des Herausgebers
Der Buddhismus ist eine der großen Weltreligionen. Er ist in Deutschland zwar nicht allgegenwärtig, aber doch nicht zu übersehen, so dass jeder von uns in den Medien und persönlich seinen Anhängern und Vorstellungen häufig begegnet und deswegen jeder gut daran tut, kurz und bündig über den Buddhismus informiert zu sein.
Während Christen in Europa mit dem Islam eine lange kontroverse und hochpolitische Geschichte verbindet und belastet, sind die Beziehungen zwischen dem europäischen Christentum und dem Buddhismus immer friedlich gewesen und recht unbelastet. Das erleichtert das Verständnis des Buddhismus. Aber gleichzeitig ist uns der Buddhismus als östliche Religion meist viel fremder als der Islam, und es sind viel mehr Wunschvorstellungen über ihn im Umlauf, da er mit den westlichen Denkkategorien nicht zu erfassen ist. Ein völlig anderes Wahrheits- und Toleranzverständnis und ein völlig anderes Lebensgefühl lassen uns den Buddhismus recht fremd erscheinen.
Um den Buddhismus gut erklären zu können, braucht man einerseits die Innenperspektive; denn nur jemand, der den Buddhismus gelebt hat, kann ihn auch verständlich machen. Andererseits ist auch die Außenansicht nötig, um den Buddhismus mit dem Christentum vergleichen zu können und seinen Anhängern gegenüber gesprächsfähig zu werden.
Von daher bin ich dankbar, dass wir mit Martin Kamphuis einen Autor gewinnen konnten, der selbst längere Zeit den tibetischen Buddhismus praktiziert und in Zentren des Buddhismus gelebt hat. Er kennt den Buddhismus aus persönlicher Anschauung und weiß, wie man sich als Buddhist „fühlt“. Zugleich ist er als christlicher Fachreferent zum Thema jemand, der mit Buddhisten ebenso wie mit Christen ständig im persönlichen Gespräch ist. Er führt uns kurz und bündig in eine uns oft unbekannte Welt ein und versetzt uns in die Lage, den Buddhismus zu verstehen und gleichzeitig den eigenen Standpunkt im Gespräch mit Buddhisten freundlich und überzeugt vertreten zu können.
Thomas Schirrmacher
I: Buddhismus – Lehre und Entwicklung
Einführung
Vor dem Eingang des Hallenstadions in Graz standen etliche tibetische Mönche. „Was halten Sie von dieser Aussage?“, fragte ich einen von ihnen und wies auf ein Schild mit der Aufschrift: „Jesus Christus: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben, niemand kommt zum Vater, denn durch mich. – Lasst euch versöhnen mit Gott!“. Ein bärtiger, älterer Mann hielt es täglich auf dem Vorplatz des Gebäudes, in dem der Dalai Lama ein elftägiges Einweihungsritual (Initiation) abhielt, den Tausenden von Teilnehmern entgegen.
Lächelnd antwortete der Mönch: „Das ist doch wunderbar! Jesus ist doch auch ein Buddha!“ Wäre es eine muslimische Veranstaltung gewesen, hätte der Mann mit seinem Schild wahrscheinlich nicht so lange dort gestanden. Aber Buddhisten geben sich zumindest in Europa erst einmal tolerant. Die Antwort des tibetischen Mönchs zeigte den Grund seiner Toleranz: Er gab Jesus und Gott einfach einen Platz in seinem, dem ihm bekannten Glaubenssystem.
Unwissenheit über den Buddhismus im Westen
Diese Form von „Toleranz“ ist auch bei uns sehr verbreitet. Letztendlich ist es aber nur Unwissenheit, wenn Menschen immer wieder von der Annahme ausgehen, Buddha sei doch nur ein anderer Name für Gott. Damit integrieren sie, ähnlich wie der tibetische Mönch es mit Jesus machte, den Begriff „Buddha“, dessen Bedeutung sie nicht kennen, in ihre traditionell-christlichen Glaubensvorstellungen.
Toleranz aufgrund von Unwissenheit mag bequem und in gewisser Weise angenehm sein, führt jedoch nicht zu einer verantwortlichen, freiheitlichen und bewussten Entscheidung in Bezug auf die Wahl des Glaubens oder der Religion.
Das Nebeneinander verschiedener Religionen in unserer heutigen westlichen Gesellschaft bringt die Notwendigkeit eines Dialogs mit sich. Sie sollte allerdings nicht zu einer Integration aller Frömmigkeitsübungen führen, die letztendlich in eine universale Religiosität münden würde. Damit würde die spezifische Eigenart einer jeden Religion übersehen und ihr Ziel nicht erkannt.
Es fällt auf, dass manche Vertreter fernöstlicher Religionen häufig einen klareren Standpunkt einnehmen als Vertreter des Christentums. So betonte der Dalai Lama im Dialog mit einer Gruppe von Christen den wesentlichen Unterschied zwischen Buddhismus und Christentum, indem er wiederholt deutlich machte, dass der Buddhismus keinen Schöpfergott und keinen persönlichen Erlöser kenne. Er warnte sogar vor Menschen, die sich „buddhistisch-christlich“ nennen1. Dieser weltbekannte Vertreter des Buddhismus und gern gesehene Gast in öffentlichen religionsübergreifenden Foren erkennt die wesentichen Unterschiede zwischen den Religionen und weiß um die Grenzen des Dialogs besser, als es nach außen hin scheint.2
Dieses Buch soll dazu beitragen, sich über Grundlehren des historischen Buddha und das von ihm formulierte Ziel des Buddhismus zu informieren. Erst durch Information besteht die Möglichkeit zu einer fundierten Beurteilung oder einem wahren Dialog mit Menschen buddhistischer Herkunft oder Prägung.
Buddhismus: eine Religion?
„Buddhismus ist doch keine Religion, sondern eher eine Lebensphilosophie oder sogar eine Wissenschaft“, meinte eine Dame ein wenig triumphierend, als sie mit der Frage konfrontiert wurde, ob es gut sei, sich als Christin auf buddhistische Meditationsformen einzulassen. „Buddha hat sich nie anbeten lassen!“, so ihr Statement.
Diese Aussage über den historischen Buddha hatte sie offensichtlich so angesprochen, dass sie sich überlegte, weitere buddhistische Kurse zu besuchen. Obwohl der Buddhismus allgemein zu den fünf Weltreligionen zählt, hört man heute immer öfter unüberprüfte Pauschalaussagen wie diese. Um dem auf den Grund zu gehen, müssen wir uns zunächst die Frage stellen: „Was sind wesentliche Merkmale einer Religion?“
Ein älteres Wörterbuch bezeichnet Religion schlicht als „Gottes-(ehr-)furcht“3. Im Rahmen dieser Definition dürfte der Buddhismus tatsächlich nicht als Religion bezeichnet werden, da er die Existenz eines ewigen Gottes ablehnt.
Ein Lexikon definiert Religion folgendermaßen: „Das positive Verhalten, sowohl des Einzelnen als auch einer gesellschaftlichen Gruppe, gegenüber einer überweltlichen und zugleich weltüberlegenen Macht“4.
In dieser Definition ist die fernöstliche Religiosität in Form des Buddhismus miteinbezogen. Die überweltliche oder weltüberlegene Macht drückt sich zwar nicht in einem externen Gott aus, wohl aber in einem perfekten Zustand, nämlich dem Zustand der Erleuchtung, der auch Bodhi genannt wird, von dem das Wort „Buddha“ abgeleitet ist. In diesem Zustand wird nach einer Einheitserfahrung gestrebt und nicht nach einer Begegnung mit einem Gott außerhalb des Menschen. Die Einheitserfahrung liege jedoch jenseits aller Erfahrungen dieser Welt. In diesem Sinne kann sie als „überweltliche Macht“ bezeichnet werden. Der „Same“ für diesen Zustand sei allerdings bereits im Inneren eines jeden Menschen als so genannte „Buddhanatur“ vorhanden.
Im Allgemeinen ist Religion auf ein oder mehrere unsichtbare Wesen oder eine überweltliche Realität ausgerichtet. Um diese zu ehren, günstig zu stimmen oder sich mit ihr bzw. ihnen eins zu machen, werden sie angebetet oder es werden rituelle Handlungen ausgeführt. Diesen allgemeinen Annahmen zufolge (denen ich mich anschließe) wird Religion nach zwei Hauptmerkmalen definiert:
1. Im Zentrum steht ein außerweltliches Ziel;
2. der Mensch bemüht sich, das vorgegebene Ziel zu erreichen.5
In vielen asiatischen Ländern sehen wir Menschen, die Buddhastatuen anbeten. Der historische Buddha lehnte zwar tatsächlich die Anbetung seiner Person ab, behauptete aber, dass seine Gebeine als Reliquien anbetungswürdig wären. Da Buddhastatuen häufig Reliquien beinhalten und durch diese besonderen Segen und Kraft erhalten sollen, ist auch deren Anbetung in seinem Sinne. Nicht nur Reliquien sind für den Buddhisten Ehrfurcht gebietend. Auch die Buddhastatuen selbst sollen ehrfürchtig betrachtet werden, denn sie seien eine Erinnerung an das zu erlangende Ziel, den Zustand der Erleuchtung. Anstelle von „Gottes-(ehr-)furcht“ kann hier „Buddhaehrfurcht“ die Ehrfurcht vor dem überweltlichen Zustand Bodhi gesetzt werden. Demgemäß wäre der Buddhismus sogar Religion im Sinne der ersten Definition.
Anbetung und Persönlichkeitsmerkmale des Buddha
Anbetung spielt im Buddhismus eine viel größere Rolle, als allgemein angenommen wird. Durch das Anbeten einer Buddha-Statue soll eine Kraft oder ein Segen auf den Betenden übertragen werden. Gerade das Anbeten solch einer Statue erweckt den Anschein, als würde der Mensch sich einem Wesen zuwenden. Wie aber bereits gesagt wurde, handelt es sich jedoch nicht um ein äußeres Wesen, sondern um die jedem Menschen, jedem Tier und jedem Gegenstand innewohnende Buddhanatur. Ihre völlige Entfaltung soll zu dem perfekten Zustand der Erleuchtung oder Bodhi führen. Da der Zustand Bodhi mit Worten nicht zu beschreiben ist – denn er bedeutet eine vollkommene Auflösung des Ich, in dem es auch kein Bewusstsein mehr geben soll –, weiß der Buddhist nicht genau, wie das Ziel seines Strebens aussieht. Es wird behauptet, dass dieser Zustand sowohl von innen aus ihm heraus als auch von außen über ihn komme. Im Sinne unserer oben angeführten Definition wäre die buddhistische Versenkungsmeditation die Anbetung dieses inneren perfekten Zustands.
In späteren Strömungen des Buddhismus hat die übersinnliche Macht des Buddha in gewisser Weise Persönlichkeitsmerkmale, denn es wird angenommen, dass sie auch von sich aus wirksam sei. Sie könne zum Beispiel helfend eingreifen, wenn eine Person sich ihr zuwende.
Fazit
Zusammengefasst muss gesagt werden, dass es aufgrund dieser Merkmale zu wenig wäre, den Buddhismus nur als eine Wissenschaft oder eine Lebensphilosophie zu bezeichnen. Denn diese beiden Begriffe beschreiben hauptsächlich innerweltliche Phänomene, die mit dem Verstand nachvollziehbar sind. Daran ist ein Buddhist jedoch überhaupt nicht interessiert6, denn alles Sichtbare ist für ihn letztendlich Illusion. Da das Ziel des buddhistischen Strebens jenseits aller Erfahrungen in dieser Welt liege, sei es mit dem Verstand nicht zu erfassen, sondern habe das Leben dieser Welt völlig hinter sich gelassen (transzendiert).
In dem Sinne, dass der Buddhismus erstens ein außer- oder überweltliches Ziel anstrebt, welches zwar keinen Gott kennt, sondern einen transzendenten Zustand namens Bodhi7