Based on
Star Trek
created by Gene Roddenberry
Ins Deutsche übertragen von
Helga Parmiter & Claudia Kern
Die deutsche Ausgabe von STAR TREK – NEW FRONTIER: MEHR ALS GÖTTER wird herausgegeben von Amigo Grafik, Teinacher Straße 72, 71634 Ludwigsburg. Herausgeber: Andreas Mergenthaler und Hardy Hellstern, Übersetzung: Helga Parmiter & Claudia Kern; verantwortlicher Redakteur und Lektorat: Markus Rohde; Lektorat: Katrin Aust und Gisela Schell; Satz: Rowan Rüster/Amigo Grafik; Cover Artwork: Martin Frei; Print-Ausgabe gedruckt von CPI Morvia Books s.r.o., CZ-69123 Pohorelice. Printed in the Czech Republic.
Titel der Originalausgabe: STAR TREK – NEW FRONTIER: GODS ABOVE
German translation copyright © 2015 by Amigo Grafik GbR.
Original English language edition copyright © 2003 by CBS Studios Inc. All rights reserved.
™ & © 2015 CBS Studios Inc. STAR TREK and related marks and logos are trademarks of CBS Studios Inc. All Rights Reserved.
This book is published by arrangement with Pocket Books, a Division of Simon & Schuster, Inc., pursuant to an exclusive license from CBS Studios Inc.
Print ISBN 978-3-86425-776-6 (April 2015) · E-Book ISBN 978-3-86425-727-8 (April 2015)
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DANTER
EXCALIBUR
TRIDENT
EXCALIBUR
RUNABOUT
EXCALIBUR
TRIDENT
EXCALIBUR
TRIDENT
EXCALIBUR
TRIDENT
EXCALIBUR
DANTER
EXCALIBUR
IRGENDWO
TRIDENT/EXCALIBUR
DANTER
TRIDENT
EXCALIBUR
DANTER
EXCALIBUR
DANTER
TRIDENT
ROMANE BEI CROSS CULT
Der Alte Vater war belustigt.
Aus seinem Exil heraus betrachtete er den Wahnsinn, den seine Kinder verbreitet hatten, und das Chaos, das sie gerade anrichteten. Er konnte das, was er da sah, nur bewundern. Er wusste nicht genau, ob er stolz auf sie sein sollte, weil sie so gut von ihm gelernt hatten – oder ob er sich dessen, was sie gelernt hatten, schämen sollte. Schließlich entschied er sich für beides und da er endlos und mannigfaltig war, kam es ihm nicht in den Sinn, dass das eine das andere ausschließen könnte.
Seine Kinder waren sehr, sehr fleißig gewesen. Sie waren in einen Kosmos zurückgekehrt, in dem man sie für Legenden hielt – für Götter aus den Zeiten der alten Griechen, Römer, Ägypter und Nordländer. Dort hatten sie sich nach besten Kräften bemüht, einen der Ihren zu sich zu holen … ein Halbblut, einen genetischen Rückschlag, der in der sogenannten wirklichen Welt unter dem Namen Mark McHenry aufgewachsen war.
McHenry hatte einen merkwürdigen Weg eingeschlagen und war Offizier an Bord eines Raumschiffs, der Excalibur, geworden. Der Alte Vater erinnerte sich an den Moment, als er derartige Schiffe das erste Mal zu Gesicht bekommen hatte. Sie warfen sich mit derselben Begeisterung und Zuversicht in den Abgrund, die Helden wie Odysseus oder die Argonauten an den Tag gelegt hatten, als sie das erste Mal zur See fuhren. Das Meer musste jenen Entdeckern ebenso weitläufig und beängstigend erschienen sein wie der Weltraum diesen unerschrockenen Seelen. Beeindruckend war, dass das Potenzial für Katastrophen in beiden Fällen gleich groß war.
Und Katastrophen waren tatsächlich eingetreten. Zunächst hatte es nicht den Anschein gehabt. Sie hatten einen Abschnitt des Weltraums untersucht, den sie Zone 18 Alpha genannt hatten. Die fortwährende Besessenheit dieser kleinen Kreaturen war schon komisch. Sie mussten allem einen Namen geben. Allem. So war es schon immer gewesen. Sie konnten mit nichts etwas anfangen – ob es sich um neue Länder, neue Krankheiten oder neue Nachkommen handelte –, bis sie einen Namen dafür gefunden hatten. Und in Zone 18 Alpha hatten sie McHenrys frühere Geliebte entdeckt, das Kind Artemis. Sie wünschte, sich noch einmal mit McHenry einzulassen. Im Namen ihrer Art – sie selbst bezeichneten sich nur als »die Wesen« – wünschte sie außerdem, dass alle Völker der Vereinigten Föderation der Planeten an der heiligen Ambrosia teilhaben sollten. Sie wollte allen ein neues, großartiges goldenes Zeitalter der Gesundheit, der Weisheit und der Errungenschaften bescheren. Doch McHenry misstraute ihr und berichtete seinem Kommandanten – einem durchaus edlen Menschen namens Calhoun – von seinen Ängsten. Das trug ihm nicht nur Artemis’ Zorn, sondern auch den ihrer Artgenossen ein. Die Excalibur wurde von den Gottkindern in ihren atemberaubenden und beeindruckenden Schiffen angegriffen. Diese rasten durch das Weltall, sahen für die weltlichen Augen aber wie uralte Trireme aus. Es war eine muntere Schlacht. Doch die Ankunft des Schwesterschiffs der Excalibur – der Trident unter dem Kommando von Elizabeth Shelby – bereitete ihr ein Ende. Dennoch blieb die Schlacht nicht ohne Folgen, denn sie hatte zwei Leben gefordert: McHenrys und das der Frau mit Namen Morgan Primus, die ebenfalls eine beinahe unsterbliche Herkunft hatte. Ihre Leichen waren fast bis zur Unkenntlichkeit verwundet und verbrannt und zeigten keine Lebenszeichen mehr. Obwohl das Leben, wie der Alte Vater erfahren hatte, immer wieder eine Überraschung bereithielt.
Ah, die Trident. Ein Schiff, auf dem es fast so viele aufregende Aktivitäten gab wie auf der Excalibur. Die Trident verfolgte ihre eigene Mission und war unterwegs zur Welt der Danteri. Die Danteri, ein aggressives und kriegerisches Volk, strebten danach, das gefallene Thallonianische Imperium wiederauferstehen zu lassen. Ihr Aushängeschild sollte der ehemalige Angehörige des Königshauses, Si Cwan, sein. Die Trident hatte den sogenannten Lord Cwan gemeinsam mit seiner Schwester Kallinda zu den Danteri gebracht. Dort war man übereingekommen, das Angebot der Danteri anzunehmen, was bei der Besatzung der Trident im Allgemeinen und einer gewissen Robin Lefler – Tochter der verstorbenen Morgan Primus – im Besonderen große Verärgerung und Bestürzung ausgelöst hatte. Doch das ganze Vorhaben, das Imperium wiederaufzubauen, nahm für Lord Cwan eine bittere Wendung … insbesondere als Senatssprecher Lodec von den Danteri einen neuen und noch faszinierenderen Verbündeten fand: das Gottkind Anubis, das den Ägyptern als Vorbote des Todes bekannt war. Anubis stellte sich Si Cwan gerade in diesem Moment in den Weg. Er wollte ein Hindernis für die Anbetung beseitigen, die die Gottkinder als Preis für ihr wertvolles Ambrosia einforderten.
Der Alte Vater lächelte müde. Es gab noch andere Aktivitäten an Bord der Schiffe, die wie immer zu nichts als Kummer und Tod führen würden. Wie immer. Trotz all ihrer Erfahrung und ihres Fortschritts blieben sie doch auf deprimierende Weise immer gleich. Kein Wunder, dass das dahingeschiedene Gottkind Apollo gedacht hatte, es könnte die früheren Versionen dieser Weltraumreisenden dazu bringen, sich vor ihm zu verneigen. Sie waren zwar der Meinung, sie hätten ihre primitive Herkunft hinter sich gelassen, doch sie hatten nichts erreicht, außer ihre eigenen Absurditäten in ein Universum zu tragen, das fassungslos und verblüfft dabei zusah.
»Was sind diese Sterblichen nur für Narren«, sagte der Alte Vater. Nur einer hörte ihn und schaute sich um, sah aber nichts.
Si Cwan hatte keine Sekunde lang in Erwägung gezogen, dass er sich jemals hilflos vor Lodec, dem Senatssprecher von Danter, wiederfinden würde. Der kräftig gebaute Thallonianer war einen Kopf größer als Lodec, jünger, in viel besserer Verfassung und einer der furchterregendsten und tödlichsten Kämpfer, die das thallonianische Königshaus je hervorgebracht hatte.
Daher war er höchst erstaunt, als er feststellen musste, dass der viel kleinere Lodec ihn in seinem prunkvollen Anwesen von den Füßen geholt hatte und ihn nun in der Luft baumelnd festhielt. Si Cwan konnte nicht atmen und würgte. Seine Hände klammerten sich um Lodecs Arm, und er versuchte, sich aus seinem Griff zu winden. Doch unter Lodecs Ärmel spürte er nur Muskelstränge, die vor einigen Tagen noch nicht dort gewesen waren.
Kallinda stieß einen wütenden Schrei aus und versuchte, ihm zu Hilfe zu eilen. Die anderen Senatoren fingen sie ab und hielten sie mühelos zurück.
Lodecs Lächeln wurde immer breiter, während er Si Cwans Hilflosigkeit genoss. »Falls Sie es noch nicht gemerkt haben, Lord Cwan … wir haben uns als Testpersonen für Ambrosia zur Verfügung gestellt. Und wir können aus erster Hand bestätigen, wie wirkungsvoll sie ist – und Sie jetzt wahrscheinlich auch. Oh … da ist unser Wohltäter ja.«
Ein Schatten fiel auf Si Cwan, der nur eine monströse Kreatur auf sich zukommen sah.
Kallinda hatte Cwan dieses Wesen als etwa zwei Meter fünfzig groß, mit ebenholzfarbener Haut und einem Gesicht wie ein bösartiger Schakal beschrieben. Die Kreatur beschwor Erinnerungen an die Hunde des Krieges herauf, war aber noch furchterregender. Kallinda hatte nicht übertrieben. Sie sah genauso aus, wie Kallinda sie beschrieben hatte. Ihre Augen brannten vor Zorn, als sie sich auf Si Cwan richteten.
Si Cwan kämpfte verzweifelt, um sich zu befreien, aber er konnte nicht atmen, was äußerst hinderlich war. Er baumelte in Lodecs Griff, hilflos wie ein Baby, und die Welt um ihn herum wurde immer dunkler.
»Ich weiß, ich weiß«, sagte Lodec. »Diese Aussicht des ›Anbetens‹ und dergleichen erscheint so … absurd. Aber Anubis hat uns die Bedürfnisse der Götter erklärt, wir haben darüber gesprochen und wir sind wirklich der Meinung: Was kann es schaden? Das Problem ist nur Ihr Stolz. Wir vermuteten bereits, dass dieser es Ihnen unmöglich machen würde, das anzunehmen. Deshalb mussten wir Sie von vielen dieser Besprechungen fernhalten. Wie sich zeigt, hatten wir mit unserer Annahme recht. Aber ich sage nochmals: Welchen Schaden kann ein bisschen Anbetung anrichten? Wir sagen ihnen, was sie hören wollen. Wir treffen uns zum Gebet – und in der Zwischenzeit stellen sie uns und unseren Verbündeten diese bemerkenswerte Substanz zur Verfügung.«
Anubis beugte sich näher zu Si Cwan, bis er direkt vor seinem Gesicht war. Dann öffnete sich sein Mund und warmer, fauliger Atem hüllte Si Cwan ein. Als Si Cwan in Dunkelheit versank, hörte er als Letztes Lodecs spöttische Stimme, die fragte: »Kommen Sie schon, Lord Cwan, ganz ehrlich … würde es uns schaden, einige Lorbeerblätter zu sammeln?«
Und dann wurde Si Cwan wieder ins Bewusstsein zurückgerissen, als er auf dem Boden aufschlug. Er hatte keine Ahnung, was passiert war. Er wusste nur, dass Lodec ihn fest im Griff gehabt hatte, und nun lag er plötzlich auf dem Boden und schnappte nach Luft. Die Welt verschwamm vor seinen Augen.
In seinen Ohren rauschte Blut, doch dieses Rauschen ebbte ab und wurde durch Geschrei ersetzt. Es war Lodec, der schrie, was Si Cwan sehr entgegenkam.
Si Cwan verstand allerdings nicht, warum Lodecs Hand ihm nicht länger die Kehle zudrückte. Dann wurde sein Blick allmählich klarer, und er erkannte sofort den Grund. Lodecs Hand war nicht länger mit seinem Arm verbunden.
Der Senatssprecher der Danteri umklammerte den Stumpf seines rechten Arms und starrte entsetzt auf das Blut, das aus dessen Ende sprudelte. Sein bronzefarbenes Gesicht war um einige Schattierungen blasser geworden, und seine Augen wurden glasig. Die Finger krampften noch immer reflexartig an Si Cwans Kehle. Der Thallonianer riss die Hand los und schleuderte sie auf den Boden. Dort zuckte sie weiter.
Die anderen Senatoren hatten alle denselben verblüfften Gesichtsausdruck. Cwan war allerdings wie vom Donner gerührt, weil sie etwas nicht mehr hatten – nämlich Kallinda. Die thallonianische Prinzessin stand einige Meter entfernt und hielt ein goldenes schimmerndes, gebogenes Schneidwerkzeug in ihren Händen. Von der scharfen Seite der Klinge troff eine zähe Flüssigkeit, die dieselbe Farbe hatte, wie das Blut, das aus Lodecs Armstumpf sprudelte. Man musste Si Cwan keine Zeichnung machen, damit er begriff, was geschehen war.
Obwohl Kallinda bisher eher zaghaft, um nicht zu sagen eingeschüchtert gewesen war bei der Vorstellung, sich den schwierigen danterischen Senatoren auf Lodecs eigenem Grund und Boden entgegenzustellen, war jetzt keine Spur von Angst mehr bei ihr zu entdecken. Anscheinend hatte die Aussicht auf Schwierigkeiten ihr mehr Probleme bereitet, als sich mit den tatsächlichen Schwierigkeiten auseinanderzusetzen. Jetzt, da sie in Gefahr geraten waren, konzentrierte sie sich darauf, einen Ausweg zu finden. Alle Bedenken, die sie gehabt haben mochte, waren beiseitegeschoben.
Si Cwan war voller Stolz auf seine Schwester. Gleichzeitig fragte er sich, woher in aller Welt sie dieses Schneidwerkzeug hatte.
Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Anubis machte einen Schritt vorwärts. Kallinda wirbelte auf der Stelle herum und achtete darauf, Abstand zu ihm zu halten. Dabei hielt sie die Klinge waagrecht vor sich. Jeder Versuch, schnell auf sie zuzurennen, würde die gleiche Verstümmelung wie bei Lodec zur Folge haben. Lodec seinerseits war auf die Knie gesunken. Sein Schreien war zu einem Wimmern geworden. Die anderen Senatoren machten eine Bewegung auf sie zu, aber ein schnelles Zucken des Schneidinstruments ließ sie auf der Stelle erstarren. »Ich an Ihrer Stelle würde bleiben, wo ich bin, Senatoren«, sagte Kallinda mit eiskalter Stimme, »sonst könnten Sie andere, noch wertvollere Körperteile verlieren.«
Anubis stoppte seine Vorwärtsbewegung ebenfalls. Er schien im Gegensatz zu den anderen aber nicht sonderlich eingeschüchtert zu sein. Tatsächlich glühten seine roten Augen wieder. Dieses Mal wirkten sie allerdings leicht belustigt. Er sprach mit tiefer, rauer Stimme. Seine langen, spitzen Zähne klickten beim Sprechen leicht aufeinander. »Das ist meine Sense«, sagte er zu ihr.
»Ich weiß«, erwiderte Kallinda sachlich. Si Cwan bewunderte ihre eiskalte Ausstrahlung zutiefst. Als sie ihm zuvor davon erzählt hatte, wie Anubis nur an ihr vorübergegangen war, war ihre Stimme voller Grauen gewesen. So hatte er sie noch nie zuvor erlebt. Er vermutete, dass sie ihre gesamte Selbstbeherrschung aufbringen musste, um nicht die Fassung zu verlieren, angesichts dieses … was immer es auch war. »Sie hing hinten an Ihrer Hüfte.«
Eine Waffe. Er hatte eine Waffe dabeigehabt, und Cwan hatte sie nicht einmal gesehen. Sonst hätte er wohl selbst versucht, sie an sich zu bringen. Andererseits war er zu diesem Zeitpunkt gewürgt worden, daher war es wahrscheinlich nachvollziehbar, dass er sie übersehen hatte. Schließlich hatte er sie nicht hinter seinem Angreifer sehen können. Kallinda hatte sie aber offenbar entdeckt.
»Du hast also deine Angreifer abgeschüttelt und sie mir abgenommen. Sehr einfallsreich«, lobte Anubis. Er musterte sie mit solcher Intensität, dass seine Blicke sie förmlich sezierten. »In dir steckt mehr, als man auf Anhieb erkennen kann, nehme ich an.«
»Und in Ihnen weniger, würde ich sagen«, konterte Kallinda. Si Cwan hatte zuvor ein leichtes Zittern ihrer Hände bemerkt, während sie die Sense hielt, aber jetzt waren sie vollkommen ruhig.
Plötzlich machte sie einen Schritt auf Anubis zu und stach mit der Sense zu. Der Gott mit dem Schakalkopf wich nicht zurück, doch seine Augen verengten sich. Jetzt wirkte er verärgert. Offenbar schwand Kallindas Unterhaltungswert für ihn.
»Du hast Potenzial, mein Kind. Doch nicht so viel, wie du glaubst.« Dann wurde er von Lodecs Wimmern abgelenkt und wandte seine Aufmerksamkeit mit kaum verhohlener Verärgerung dem verletzten Danteri zu. »Stell dein Gejammer ein. Heb die Hand auf und halte sie an dein Handgelenk.«
Lodec tat, wie ihm geheißen. Er zögerte allerdings und schien bei dem Gedanken, seine eigene abgetrennte Hand zu berühren, angewidert. Anubis hatte anscheinend vollkommen vergessen, dass Kallinda dort stand – vielleicht war es ihm auch egal. Er ging hinüber zu dem gestürzten Lodec und zog ein kleines Fläschchen aus dem Gürtel seines Kilts. Eine zähe grüne Flüssigkeit befand sich darin. Er drehte das Fläschchen um und schüttete die Flüssigkeit über die Schnittfläche zwischen Arm und Hand. Lodec stieß einen weiteren Schrei aus, der den vorherigen wie ein leises Quieken wirken ließ. Es ertönte ein lautes Zischen, als würde man Fleisch kochen, und der Geruch brachte Cwan beinah zum Würgen. Er war erleichtert, als er es rechtzeitig unterdrücken konnte. Vor seinen Feinden zu erbrechen, war niemals eine gute Idee.
»Hör mit dem Geheul auf«, befahl Anubis. Lodec versuchte sein Bestes. Er biss sich auf die Unterlippe und reduzierte seine Schreie zu einem Wimmern. Während er das tat, starrte er unverwandt und voller Erstaunen auf die Stelle, an der er seine Hand gegen seinen Arm drückte. Das Gewebe schien sich neu zu bilden, und er konnte sogar seine Finger schon ein bisschen bewegen. »Siehst du? Siehst du, wie wir uns um die kümmern, die uns angemessen behandeln?«, fuhr Anubis fort. Lodec brachte ein Nicken zustande. »Gut. Ich schlage vor, du vergisst es nicht.«
»Das werde ich nicht, Hoher Herr«, stammelte Lodec voller Dankbarkeit.
Doch Anubis hatte stattdessen bereits ihn vergessen. Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder Kallinda zu. Er warf einen kurzen Blick auf Si Cwan, als wolle er wissen, ob der thallonianische Edelmann es wert war, sich mit ihm zu befassen. Er entschied offensichtlich, dass er es nicht war. »Du beschäftigst dich mit den Gepflogenheiten der Toten, genau wie ich. Dadurch haben wir etwas gemeinsam«, grollte er. »Und du hast mich unvorbereitet erwischt. Du hast mich überlistet. Ich weiß eine gute List zu schätzen, mehr als die meisten Lebenden es vielleicht tun. Allerdings solltest du nicht davon ausgehen, dass diese Gemeinsamkeit mich zögern ließe, dich als etwas anderes als einen Feind zu behandeln.«
»Dasselbe gilt auch für uns«, sagte Si Cwan und eilte zu Kallinda. Er stellte sich neben sie und behielt die anderen Senatoren im Auge. Sie mochten durch die momentanen Umstände eingeschüchtert sein, aber Si Cwan hatte keine Sekunde lang die übermäßige Kraft in Lodecs Armen vergessen.
In der Nähe war ein Springbrunnen mit der Statue eines danterischen Kriegers, der ein Schwert führte. Si Cwan zögerte nicht. Er trat mit seinem rechten Fuß kräftig gegen die Stelle, an der der Krieger das Steinschwert hielt. Der Stein zerbarst unter dem Aufprall, und Si Cwan fing das Schwert geschickt auf. Es war natürlich viel schwerer als normale Klingen, aber das gefiel Cwan. Wenn er es schwang, würden Fleisch und Knochen, die mit dem Schwert in Berührung kamen, sofort zerschmettert. Wasser gurgelte aus dem aufgebrochenen Loch.
»Sehr beeindruckend«, kommentierte Anubis, obwohl er nicht sonderlich beeindruckt klang. Er beobachtete noch immer argwöhnisch Kallinda. »Sehr schade. Du hättest ein äußerst nützlicher Verbündeter werden können.«
»Das bezweifle ich«, entgegnete Si Cwan. Er beschrieb mit dem Steinschwert einen lässigen Bogen, was die anderen Senatoren dazu veranlasste, einen weiteren Schritt rückwärts zu machen. Cwan war sehr zufrieden, sie so unentschlossen zu sehen. Wenn er eines schon vor langer Zeit gelernt hatte, dann, dass es viel wichtiger war, eine Situation zu beherrschen, als einfach nur körperlich überlegen zu sein. Nicht, dass Cwan bereit gewesen wäre, ihnen eine körperliche Überlegenheit ihm gegenüber zuzugestehen. Doch im Gegensatz zu ihm wollten sie ihre Selbstverteidigungsfähigkeiten offenbar lieber nicht auf die Probe stellen. »Ich nehme an, dass Kallinda und ich als eigenständige Denker bei Ihren Plänen eher fehl am Platz sind. Die, nebenbei bemerkt, wie aussehen …?«
Anubis gab ein Geräusch von sich, das Cwan für eine Art Gelächter hielt. Die Ähnlichkeit war aber nur entfernt. Wahres Gelächter war ansteckend. Dieses Geräusch dagegen war wie die Pest.
»Du suchst nach einem bedeutungsvollen, versteckten ›wahren Plan‹«, stellte Anubis fest. Er bewegte sich überhaupt nicht mehr, nicht ein Muskel zuckte an seinem Körper. Man hätte ihn für eine aus Ebenholz geschnitzte Statue halten können, wenn er nicht gesprochen hätte. »Meine Sippe und ich sind immer geradeheraus gewesen. Wir möchten Ambrosia zur Verfügung stellen, damit die Menschheit ein goldenes Zeitalter erleben kann. Meine Verwandten gaben sie deinem Captain …« Er hielt inne, als wolle er einen Namen aus dem Äther pflücken. »Calhoun«, sagte er endlich, als hätte ihm jemand das Stichwort zugeflüstert. »Er wurde ermutigt, uns zurückzuweisen. Das war … unklug.«
»Unklug. Was wollen Sie damit sagen?« Si Cwans Augen verengten sich, und er packte sein provisorisches Schwert noch fester.
Plötzlich sah er aus dem Augenwinkel eine Bewegung. Er ließ Anubis nicht aus den Augen, wirbelte das Steinwert unter seinem Arm hindurch und rammte es einem der Senatoren in den Bauch. Der Mann hatte versucht, sich von hinten anzuschleichen. Es ging nicht gut für ihn aus. Mit einem einzigen Schwung hatte Si Cwan den Mann ernsthaft verletzt. Er lag am Boden und hatte seine Arme um sich geschlungen. Si Cwan vermutete, dass er dem Danteri mehrere Rippen gebrochen hatte. Es war ihm allerdings egal. Stattdessen konzentrierte er sich auf die unmissverständliche Drohung, die er gerade gehört hatte. »Inwiefern unklug?«, fuhr er fort.
»Sagen wir, man hat sich um sie gekümmert«, erwiderte Anubis.
»Sagen wir noch mehr als das«, forderte Si Cwan und wollte einen Schritt nach vorn machen.
Doch Kallindas scharfes »Bleib, wo du bist, Cwan« ließ ihn mitten in der Bewegung erstarren. Er sah sie wütend an. Er fing ihren warnenden Blick auf. Sofort wurde ihm klar, was sie versuchte, ihm mitzuteilen: Eine Konfrontation war wahrscheinlich nicht die klügste Handlungsweise. Anubis hatte sich nicht weiter auf sie zubewegt, aber er war noch immer angespannt und bereit, loszuschlagen. Die Tatsache, dass ein Senator mit gebrochenen Knochen ausgeschaltet war und Lodec sich gerade von seiner abgetrennten Hand erholte, machte die beiden anderen nicht weniger gefährlich. Die ganze Situation war noch immer äußerst bedrohlich. Außerdem konnten noch andere Senatoren oder sogar Soldaten als Verstärkung auftauchen. In diesem Moment hing alles am seidenen Faden, und je länger es dauerte, desto schlimmer könnte es für sie ausgehen.
»Hören Sie gut zu«, sagte Si Cwan zu allen Anwesenden. Seine Stimme klang so drohend wie nur möglich. »Wir sind nur aus einem einzigen Grund nach Danter gekommen: Ihrem Wunsch, ein neues Thallonianisches Imperium zu errichten. Sie wollten dabei meine Hilfe. Doch seitdem hat sich offenbar eine andere … Gelegenheit«, er nickte in Richtung Anubis, »für Sie aufgetan. Ich hätte es vorgezogen, wenn Sie mir davon erzählt hätten, statt so zu handeln, wie Sie es getan haben. All diese Heimlichkeiten, die Besprechungen am späten Abend, zu denen ich nicht zugelassen war.«
»Wir …« Lodec versuchte, gegen den Schmerz anzukämpfen, den er anscheinend nach wie vor verspürte. »Wir dachten … Sie würden es nicht verstehen.«
»Das hätte ich vielleicht auch nicht. Aber ich verstehe ein doppeltes Spiel noch weniger.« Er sah sie lange an. Dann wandte er sich an Lodec: »Sie haben ein Privatfeld, nicht wahr?«
»Feld?« Lodec rieb sich weiter die Stelle, an der seine Hand wieder anwuchs. Dann löste sich seine Verwirrung auf. »Oh. Einen Landeplatz?«
»Richtig.«
Langsam nickte Lodec. »Ja. Ja, den habe ich.« Er sprach langsam und ein wenig kleinlaut, als schäme er sich seines unkontrollierten Geschreis von zuvor. »Das ist einer der Vorteile, wenn man der …«
»Das ist mir egal«, unterbrach Cwan ihn. »Sie werden uns dorthin bringen. Sie werden uns das schnellste verfügbare Shuttle überlassen, damit wir von diesem Felsbrocken wegkommen. Und Sie werden uns unbehelligt abreisen lassen.«
»Und wenn sie das nicht tun?«, erkundigte sich Anubis. Er schien auf Si Cwans Antwort gespannt zu sein.
»Dann«, erwiderte Si Cwan unerschütterlich und schwang das Steinschwert auf höchst bedrohliche Weise, »werden wir sehen, ob wir es mit einem Gott zu tun haben, der blutet.«
Langes Schweigen folgte diesen Worten. Dann gab Anubis erneut dieses beängstigende Gelächter von sich, das den Zuhörern das Gefühl gab, als würden Käfer unter ihrer Haut entlangkrabbeln und sich in diversen wichtigen Organen festsetzten. »Lodec«, sagte er nach einer Weile. »Gib ihm, was er verlangt.«
»Aber Hoher Herr!«, wollte Lodec protestieren. Ein einziger furchterregender Blick von Anubis brachte ihn zum Schweigen.
Anubis wandte sich wieder Si Cwan zu, als interessiere Lodec ihn nicht länger … was höchstwahrscheinlich auch der Fall war. »Glaube es oder nicht, Thallonianer«, erklärte Anubis, »du warst interessant für mich. Ich wollte deinen Mut auf die Probe stellen. Ich bin … unbeeindruckt.«
Si Cwan verbeugte sich spöttisch. »Ich werde mich bemühen, mit der Enttäuschung zu leben, dass ich Sie nicht beeindrucken konnte.«
Anubis beachtete Si Cwan nicht weiter und widmete sich Kallinda. »Sie andererseits hat Potenzial. Riesiges Potenzial. Es wäre vielleicht das Beste für dich, hierzubleiben, junge Kallinda.«
»Ich gehe dahin, wo Si Cwan hingeht«, entgegnete sie trotzig.
Er zuckte kaum wahrnehmbar mit den Schultern. »Das ist deine Entscheidung, mein Kind. Ich finde sie bedauernswert, doch ich werde deinen freien Willen nicht beeinflussen. Genauso wenig wie meine Brüder. Wir sind Götter, keine Monster.«
»Auch wenn es nach dem Gegenteil aussieht?«, widersprach Si Cwan scharf. »Sie beeinflussen den freien Willen nicht? Nach dem, was Sie sagen, haben Sie unsere Freunde nur deshalb angegriffen, weil sie ihrem freien Willen folgten und Ihnen und Ihresgleichen nicht vertrauen wollten.«
Anubis fletschte die Zähne. Einen Herzschlag lang glaubte Si Cwan, er müsste kämpfen. Über seine Gewinnaussichten war er nicht sonderlich erbaut. Doch Anubis beruhigte sich sofort wieder. Alles ging so schnell, dass Cwan und Anubis wahrscheinlich die Einzigen waren, die das kurze Aufblitzen seines Temperaments überhaupt bemerkt hatten. »Es gibt freien Willen«, sagte er leise und seine Stimme klang wie ein Knurren. »Und es gibt Respektlosigkeit. Blasphemie, wenn du so willst. Alle lebendigen Kreaturen erhielten das Geschenk des freien Willens. Doch wir müssen keine Frevler dulden. Genauso wenig wie du, ›Lord‹ Si Cwan, in deinen Tagen als Edelmann des Thallonianischen Imperiums einen Aufstand geduldet hättest.«
»Sie wissen gar nichts über mich oder darüber, was ich dulde oder auch nicht.«
»Sehr schade«, meinte Anubis und seine Augen flackerten auf, »dass wir nicht die Gelegenheit haben werden, voneinander zu lernen. Eines solltest du allerdings wissen«, er sah hinüber zu Kallinda, »meine Sense muss zurückgegeben werden, bevor dein Schiff die Erlaubnis erhält, abzufliegen. Sie ist mein Eigentum. Ihr dürft nicht mit ihr abreisen.«
»Merkwürdig«, stellte Kallinda fest, »dass Sie nicht versuchen, herzukommen und sie sich zurückzuholen.« Sie ließ die Klinge lässig durch die Luft schwingen.
»Merkwürdig für dich. Nicht für mich. Andererseits … man sagt uns nach, dass wir uns auf rätselhaften Pfaden bewegen.«
Mit diesem Kommentar drehte Anubis ihnen den Rücken zu und ging fort, als würden sie ihn nicht länger interessieren. Si Cwan beobachtete, wie er davonging. Seine Bewegungen hatten nichts Menschliches an sich. Um genau zu sein, schien es, als hätte er überhaupt keine Masse. Si Cwan fragte sich ganz kurz, ob Anubis vielleicht überhaupt nicht dort war. Vielleicht war er eine Art Hologramm. Doch er verwarf den Gedanken schnell wieder. Si Cwan hatte viel Zeit auf dem Holodeck der Excalibur verbracht und viele Kampfszenarien durchgespielt. Und ganz gleich wie realistisch seine Gegner erscheinen mochten, seine Sinne hatten ihn nie getrogen. Er konnte genau zwischen Lebendigem und künstlich Erzeugtem unterscheiden. Egal wie ausgereift das Computerprogramm war, das, was man bewegungstechnisch replizieren konnte, hatte seine Grenzen.
Anubis war auf jeden Fall lebendig, egal wie bizarr seine Erscheinung auch sein mochte. Was für eine Art Lebewesen er war, konnte Si Cwan beim besten Willen nicht sagen.
Die Thallonianer wurden von einer Gruppe eisern schweigender Senatoren zum Landeplatz geleitet. Lodec wackelte noch immer mit seinen Fingern und wollte offensichtlich sichergehen, dass sie vollständig wiederhergestellt waren. Hin und wieder warf er verärgerte Blicke in Si Cwans Richtung. Cwan widerstand der Versuchung, seine Faust in Lodecs Gesicht zu rammen – insbesondere deshalb, weil es noch gar nicht lange her war, dass Lodec ihn wie ein kleines Kind in die Luft gehoben hatte. Um die Wahrheit zu sagen, war er auf eine weitere Auseinandersetzung mit Lodec nicht sonderlich erpicht. Er musste erst eine klarere Vorstellung dessen haben, was geschehen war und wie es zustande gekommen war. Sein Hauptanliegen war, Kallinda hier herauszuholen.
Am Landeplatz standen mehrere Schiffe, und Lodec machte eine ausladende Geste. »Suchen Sie sich eins aus«, sagte er mit monotoner Stimme. »Wenn ich eins auswähle, werden Sie nur Verrat wittern.«
»Machen Sie sich darum keine Gedanken, Lodec«, entgegnete Si Cwan. »Im Augenblick werde ich bei allem, was Sie sagen oder tun, Verrat wittern. Was wohl darauf zurückzuführen ist, dass Sie ein Verräter sind.«
»Weshalb? Weil die Umstände mich dazu veranlasst haben, mein Wort Ihnen gegenüber zu brechen?« Er gab ein verächtlich klingendes Geräusch von sich. »Ein Verräter ist jemand, der gegen die Interessen seines Volks handelt. Sie sind nur beleidigt, weil ich gegen Ihre Interessen gehandelt habe. Das beunruhigt mich allerdings überhaupt nicht.«
»Eins sollte Sie allerdings beunruhigen.« Er beugte sich zu Lodec, wobei er das Steinschwert fest im Griff behielt. »Das hier ist noch nicht vorbei.«
»Das hoffe ich doch«, erwiderte Lodec mit einem äußerst unangenehmen Lächeln. »Ich würde mich nur zu gerne bei Ihnen revanchieren, Si Cwan … möglichst ohne eine Einmischung Ihrer kleinen Schwester, um Sie zu retten.«
Unwillkürlich machte Si Cwan einen Schritt nach vorn, aber Kallinda legte ihm fest die Hand auf den Arm und hielt ihn auf. Er zwang sich zu einem bestätigenden Nicken. Ihre Abreise würde ihnen weitaus bessere Dienste leisten als eine erneute Auseinandersetzung. Er wählte zufällig ein Runabout aus und ließ es von Lodec starten. Der Grund für diese Vorsicht war offensichtlich: Lodec hätte zur Absicherung etwas eingebaut haben können, um das Schiff in die Luft zu jagen, falls jemand anderes als er selbst den Versuch unternahm, damit wegzufliegen.
Lodec stieg aus dem Runabout, drehte sich dann aber um und rief: »Lord Cwan! Ich glaube, Sie haben da etwas, das der große Anubis zurückhaben möchte.«
»Oh, richtig. Stimmt ja.« Er stand in der Tür des Runabouts und streckte seine Hand in Kallindas Richtung aus. Sie zögerte kurz, übergab die Sense dann aber ihrem Bruder. Er zögerte einen Moment und wog sie in der Hand. »Ein äußerst beeindruckendes Utensil«, sagte er. Dann schleuderte er sie mit einer kurzen, geschmeidigen Bewegung in Lodecs Richtung.
Der danterische Senator stieß einen kurzen Schrei aus, blieb aber wie angewurzelt stehen, während die Klinge durch die Luft wirbelte. Sie landete genau dort, wo Si Cwan sie haben wollte: Mit einem dumpfen Aufprall schlug sie genau zwischen seinen Beinen auf. Lodec sah hinunter auf den zitternden Griff. Die Klinge hatte sich in den Boden gegraben.
Si Cwan grinste breit, wandte sich um und sah den missbilligenden Ausdruck auf Kallindas Gesicht. Wortlos drückte er den Knopf, der die Tür schloss. »Das war unnötig«, sagte sie, als Si Cwan zu den Steuerpulten ging.
»Ich fand es ziemlich nötig.«
Das Runabout hob ab und Sekunden später flog das kleine Schiff steil aufwärts. Si Cwan beobachtete aufmerksam die Sensoranzeigen. Er war besorgt, dass Danteri-Schiffe sie verfolgen würden, um sie vom Himmel zu holen. Kallinda teilte offenbar seine Sorge, denn sie fragte: »Werden wir verfolgt?«
»Bisher nicht«, stellte Cwan fest. Er schüttelte den Kopf. »Das wird so peinlich.«
»Peinlich?«, sagte Kallinda verwirrt. »Wie könnte es …« Dann dämmerte es ihr und trotz ihrer ernsten Lage konnte sie ein Lächeln nicht unterdrücken. »Ahh … Captain Shelby.«
Er nickte. »Sie wird mich auslachen. Sie hat versucht, mich zu warnen. Sie hat mich davor gewarnt, das Angebot der Danteri anzunehmen. Es war nur mein Ego, das mit mir durchgegangen ist.«
»Das hat sie gesagt?«
»Nein, das habe ich gesagt. Ich meine, das sage ich.«
»Oh, Cwan.« Sie ging zu ihm hinüber und legte eine Hand auf seine Schulter. »Du hast das getan, was du für richtig gehalten hast. Alle Gründe, die du angeführt hast, waren gute Gründe. Wir sind, wer wir sind. Wir sind Thallonianer, die Letzten unserer Art. Während unserer Zeit auf der Excalibur hast du dich immer als ›Botschafter‹ vorgestellt, aber das war nur eine höfliche Umschreibung. In Wahrheit hast du jeden oder alles vertreten, nur nicht dich selbst und deine Interessen. Das Angebot der Danteri war einfach zu gut, um es auszuschlagen.«
Langsam nickte er. »Und würde es dir etwas ausmachen, das alles auch Captain Shelby zu sagen?«
»Kommt gar nicht infrage. Sie würde mich auslachen.«
Nach dieser Antwort lachte Si Cwan, doch das Lachen erstarb in seiner Kehle, als die Warnlichter plötzlich angingen und ein Alarmton durch das Runabout schrillte.
»Wir haben ein Problem«, krächzte Si Cwan.
»Was ist los?« Noch während sie die Frage stellte, kletterte Kallinda auf einen Sitz und schnallte sich an. Doch die Antwort wurde deutlich, noch bevor Si Cwan sie aussprechen konnte. Das Runabout wurde wild durchgeschüttelt. »Haben wir etwas getroffen?«
»Nein, etwas hat uns getroffen«, gab er zurück. »Wahrscheinlich ihre Bodenkanonen. Sie feuern auf uns. Lodec will uns anscheinend ein Abschiedsgeschenk machen.«
»Ich glaube nicht, dass Anubis das gefallen wird.«
Erneut bebte das Runabout nach einem schweren Treffer. »Was ihm gefällt oder nicht, wird ziemlich nebensächlich sein, wenn man uns in Stücke schießt.«
»Hat dieses Schiff Schilde?«
»Die üblichen Asteroidenschilde, um Trümmer und Partikel abzuwehren. Nichts, das einem direkten Beschuss von Boden-Luftwaffen standhalten würde.« Seine Finger flogen über die Steuerung und das Runabout drehte scharf bei.
»Was machst du da?«
»Wenn wir direkte Einschläge nicht überstehen, ist es wohl besser, wenn wir ihren Schüssen ausweichen, bis wir außer Reichweite sind.«
Unter Si Cwans geschickter Steuerung schoss das Runabout von einer Seite zur anderen. Vom Boden abgefeuerte Geschosse explodierten um sie herum, und die Druckwellen beutelten das Schiff gnadenlos, auch wenn die Kanonen nicht trafen. Je höher sie in die Atmosphäre aufstiegen, desto dünner wurde die Luft, weshalb die Detonationen in ihrer Nähe immer unproblematischer wurden. Doch Si Cwan war wenig begeistert von der Manövrierfähigkeit des Runabouts. Er vermutete, dass einige der Steuersysteme durch den Angriff beschädigt worden waren. Er sagte Kallinda nichts davon, weil er keinen Sinn darin sah, sie zu beunruhigen.
Sie erreichten Fluchtgeschwindigkeit und überwanden die Anziehungskraft von Danter. Si Cwan und Kallinda warfen sich schon erleichterte Blicke zu. Doch dann erlitten sie durch einen verirrten Schuss einen Volltreffer. Sämtliche Navigationssysteme fielen aus, und das Runabout wirbelte hilflos in die Tiefen des Alls.
»Ich kann keine Todesursache feststellen.«
In der Krankenstation der Excalibur starrte Mackenzie Calhoun ungläubig erst Dr. Selar und dann den bewegungslosen verkohlten Körper von Mark McHenry an, der auf einem Diagnosebett lag. Dann sah er Selar wieder an. »Was zum Teufel soll das heißen, Sie können sie nicht feststellen?«, wollte Calhoun wissen. »Sehen Sie sich den Mann an! Er hat eine Brandwunde von der Größe einer Kanonenkugel auf der Brust!«
Selar runzelte die Stirn. »Die Größe von was?«
Calhoun wollte gerade antworten, besann sich dann aber eines Besseren. Hauptsächlich deswegen, weil alle anderen auf der Krankenstation überrascht darauf reagierten, dass er die Stimme hob. Sie waren schmutzig und verstört. Die Krankenstation quoll über vor Verletzten. Aus jeder Schicht waren alle, die jemals so etwas wie ein medizinisches Instrument in der Hand gehabt hatten, abgezogen worden, um sich den Verletzungen zu widmen, die die Besatzung im Kampf mit den Wesen erlitten hatte. Die Leute waren übel zugerichtet und verbrannt. Sie stöhnten und hofften, dass die Schmerzmittel bald wirken würden. Viele warteten darauf, dass ihre Hauttransplantationen festwuchsen, andere schliefen oder waren in Stasis, bis ihre Körper sich so weit stabilisiert hatten, dass weitere Maßnahmen ergriffen werden konnten. Und jeder, wirklich jeder, der bei Bewusstsein war, sah ihn an. Er hatte das Gefühl, dass die Blicke anklagend waren … oder hoffnungsvoll? Oder verzweifelt? Suchten sie bei ihm nach Erlösung, nach einer Erklärung oder nach etwas anderem? Was zum Teufel erwarten sie denn von mir? Glauben sie, ich wäre aus Stein? Dann atmete er tief durch, fing sich wieder, fand seine innere Mitte und konzentrierte sich auf Selar. Auch wenn Vulkanier hin und wieder frustrierend sein konnten, musste er doch zugeben, dass er sie gelegentlich um ihre Fähigkeit beneidete, angesichts von Schwierigkeiten ruhig zu bleiben. »Ich möchte doch nur wissen«, sagte er, »wie die Ursache für Mr. McHenrys … Ableben unklar sein kann.«
»Ich bin nicht völlig davon überzeugt, dass er tot ist.«
Erneut starrte Calhoun Selar vollkommen verwirrt an. »Ich hätte vermutet, dass der Mangel an messbaren Lebenszeichen das deutlich genug macht.«
»Normalerweise ja. Aber Mr. McHenry ist … alles andere als normal. Im Gegenteil.«
Er rieb sich den Nasenrücken und spürte, wie sich hämmernde Kopfschmerzen ankündigten. »Da muss ich Ihnen recht geben. Gut. Klartext, Doktor. Was wollen Sie mir sagen?«
»Es gibt keinen Zellverfall«, erklärte sie und umkreiste die Liege, auf der McHenry lag. »Sicher, sein Körper hat zweifellos verheerenden Schaden erlitten. Aber …« Sie hielt inne und sah dann hoch zu Calhoun. »Sie werden denken, dass ich Witze mache.«
»Glauben Sie mir, die Chancen, dass ich so etwas denke, sind verschwindend gering.«
Sie nickte und fügte dann hinzu: »Alle sagen, dass eine Art massive Energieentladung von der Steuerkonsole ausging und Mr. McHenry durchbohrte. Morgan Primus …«
»Die auch als Morgan Lefler bekannt war – Robin Leflers Mutter.«
»Ich weiß, wer sie ist, Captain«, entgegnete Selar und zog eine Augenbraue hoch. »Morgan Lefler versuchte, den Energiestoß abzufangen, und starb auf der Stelle. Ich kann allerdings nicht mit Sicherheit sagen, dass McHenry ebenfalls getötet wurde. Ich weiß nicht, ob der Energiestoß das Leben aus seinem Körper weichen ließ … oder ob ihm das Leben bereits davor entzogen wurde.«
Calhoun schüttelte verwirrt den Kopf. »Ist das nicht Haarspalterei?«
»Ich weiß es nicht«, sagte sie und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Sie sah allmählich aus, als laste der Druck der Situation schwer auf ihren Schultern. »Ich habe einfach das Gefühl … dass mir etwas entgeht.«
»Was entgeht Ihnen?«
»Wenn ich die Antwort darauf wüsste, Captain, würde es mir nicht entgehen«, antwortete sie sachlich und mit der Ausstrahlung von jemandem, der Dummheit nur schwer ertragen konnte. »Ich weiß nur, dass mit McHenrys Leiche etwas nicht stimmt. Es ist, als …«
»Als wäre die Zeit um ihn herum irgendwie eingefroren?«
Sie dachte darüber nach, und es schien, als wolle sie den Gedanken von vornherein verwerfen, weil er vollkommen absurd war. Doch gleichzeitig schien das eine Erklärung zu sein. »Irgendwie schon, ja. Die Wirkung ist ähnlich wie bei einem medizinischen zellulären Stasisfeld. Doch derartige Dinge können nicht von der Natur erzeugt werden.«
»Doktor«, stellte Calhoun müde fest, »wir sind ein Teil der Natur. Sie und ich und jeder andere auf dem Schiff. Die Natur hat uns erschaffen. Wir sind in der Lage, so etwas zu erzeugen, also kann die Natur es auch. Nur bisher wurde es mit mechanischer Hilfe erzeugt. Doch wenn etwas mit mechanischen Hilfsmitteln erreicht werden kann, dann ist es doch einleuchtend, dass man es möglicherweise auch ohne sie schafft.«
Selar dachte darüber nach. »Interessant, Captain. Manchmal glaube ich, dass Sie einen brauchbaren Vulkanier abgeben würden.«
»Danke.«
»Es gibt einige, die das nicht als Kompliment auffassen würden.«
»Ich nehme es so, wie es gemeint war. Also, was machen wir in Bezug auf Mr. McHenry?«
»Ich werde ihn in einen privaten Überwachungsraum verlegen«, sagte Selar und betrachtete ihn nachdenklich. »Es bringt uns nicht weiter, wenn er noch länger hierbleibt. Das wirkt verstörend auf die anderen Patienten.« Sie musterte ihn. »Captain, Sie sollten sich etwas Ruhe gönnen.«
»Mir geht es gut«, wehrte er ab. »Was machen Sie da?«
Sie hielt einen medizinischen Trikorder in seine Richtung. »Zusätzlich zu dem, was ich bisher gesehen habe – diverse Zerrungen und Schnitte –, haben Sie eine gebrochene Rippe, einen Haarriss des Schlüsselbeins und eine leichte Gehirnerschütterung erlitten.«
»Ich bin Xenexianer, Doktor«, sagte Calhoun. »Ich kann einiges mehr aushalten als Menschen … und übrigens auch Vulkanier.«
»Ich bin der Meinung, es wäre klug, wenn Sie sich nicht zu sehr geißeln, um das unter Beweis zu stellen.«
»Was soll das heißen?«
»Ich denke, die Aussage war deutlich.«
Bevor er der Angelegenheit auf den Grund gehen konnte, piepste sein Kommunikator. Er tippte darauf. »Calhoun hier.«
»Captain, hier ist Burgoyne«, erklang die Stimme des Ersten Offiziers. »Sie wünschten eine schiffsweite Statusbesprechung, sobald wir die Berichte aller Decks und Abteilungen erhalten haben. Wenn Sie …«
»Burgy?«, fragte ein entgeisterter Calhoun und warf Selar einen scharfen Blick zu. Ihr Gesicht blieb ausdruckslos. »Was zum Teufel machen Sie im Dienst? Sie haben ein gebrochenes Bein. Sie sollten hier sein.«
»Wieso ist er/sie nicht hier?«, wollte er von Selar wissen.
Burgoyne kam Selars Antwort zuvor: »Selar hat mich behandelt, und ich fand es unerlässlich, wieder meinen Dienst anzutreten.«
Calhoun seufzte tief und ungeduldig. »Na gut. Alle Abteilungsleiter in den Konferenzraum in …«
»Der Konferenzraum wurde schwer getroffen, Sir. Ich empfehle die Teestube.«
»Also schön. In der Teestube in zwanzig Minuten. Und danach halten Sie Bettruhe, Burgy. Das ist ein Befehl.«
»Aye, Sir. Burgoyne Ende.«
Calhoun unterbrach die Verbindung und schüttelte den Kopf. »Rennt mit einem gebrochenen Bein herum. Was denkt er/sie sich nur?«
»Haben Sie die Möglichkeit in Betracht gezogen, Captain«, gab Selar zu bedenken, »dass mein Lebensgefährte Sie als Vorbild für sein/ihr Verhalten nimmt?«
Calhoun sah sie überrascht an. »Wissen Sie, Doktor … Ich mag mich irren, aber ich glaube, das war das erste Mal, dass Sie Burgoyne als ›Ihr‹ irgendwas bezeichnet haben.«
»Ich achte immer noch darauf, Captain, dass es nicht zu oft vorkommt«, sagte sie schelmisch.
Er wandte sich ab. Doch anstatt sich zur Teestube zu begeben, durchquerte er die Krankenstation und kehrte an ein Bett zurück, das er bei seiner Ankunft bereits besucht hatte.
Moke, sein Adoptivsohn, lag dort und starrte ins Leere. Es traf Calhoun schwer, zu sehen, wie mitgenommen er war. Anscheinend war er eine Jefferiesröhre heruntergefallen, als das Schiff während der Angriffe durchgeschüttelt worden war. Der Junge war zur Krankenstation gebracht worden und war davon überzeugt gewesen, dass er nie wieder laufen würde. Calhoun war das Herz in die Hose gerutscht, bis man herausfand, dass nur ein wenig Druck auf einem Nerv seiner Wirbelsäule lastete. Es hatte nicht lange gedauert, bis Selar alles wieder ins Reine gebracht hatte. Sie behielt ihn aber noch für ein paar Stunden zur Beobachtung dort.
Der Junge starrte auf einen Punkt an der Decke und schien nicht einmal zu merken, dass Calhoun dort stand. Das beunruhigte den Captain sehr. Er nahm Mokes Hand und lauschte dem ständigen Brummen der Monitore. »Moke? Du wirst wieder gesund. Weißt du noch, dass ich dir vorhin gesagt habe, du wirst wieder gesund?«
Moke schwieg. Er starrte einfach nur weiter an die Decke. Calhoun machte sich Sorgen, ob der Junge trotz Selars gegenteiliger Versicherung einen Gehirnschaden davongetragen hatte. Dann bemerkte Calhoun sein Spiegelbild auf der Metalloberfläche des Monitors. Er sah genauso ramponiert aus, wie Selar gesagt hatte. Er hoffte, dass das Moke keine Angst eingejagt hatte. Er tat sein Bestes, um Moke zu trösten, und drückte seine Hand noch fester. »Moke, ich weiß, dass du einen Schrecken bekommen hast. Aber ehrlich, jetzt ist alles in Ordnung.«
»Nein. Ist es nicht.«
Das Flüstern, das zwischen den Lippen des Jungen hervorkam, war nur ein Hauch. Er sagte es so, als wüsste er mit absoluter Sicherheit, dass alles noch schlimmer werden würde, und keine Ahnung hatte, wie er das den anderen sagen sollte. »Es wird nicht in Ordnung sein. Es wird noch schlimmer. Viel schlimmer.«
»Wer hat dir das gesagt?«, fragte Calhoun mit leicht gereiztem Unterton.
Moke sah aus, als wolle er antworten, bringe es aber nicht übers Herz. Ein wenig entschlossener bohrte Calhoun nach: »Komm schon, Moke. Wer hat dir das gesagt, hm?«
»Niemand. Ich weiß es einfach. Der Dunkle Mann wäre nicht hier, wenn alles in Ordnung käme.«
Calhoun hatte keine Ahnung, wovon der Junge sprach. Er beugte sich noch tiefer über Moke. »Welcher Dunkle Mann? Wovon sprichst du?«
Aber Moke reagierte trotz aller Überredungsversuche von Calhoun nicht. Also verließ Calhoun die Krankenstation und fühlte sich, als wüsste er noch weniger als vorher. Außerdem hatte er das unangenehme Gefühl, dass es etwas gab, das er nicht verstand, das sich aber als äußerst gefährlich erweisen könnte.
Robin Lefler lief auf der zertrümmerten Brücke der Excalibur auf und ab. Sie beobachtete zunehmend frustriert, wie Ensign Beth unter den funkensprühenden Überresten der Steuerkonsole arbeitete. Der Bildschirm, der seit dem Kampf mehrfach an- und wieder ausgegangen war, war gerade wieder eingeschaltet. Allerdings war die Ansicht des Sternenhimmels vor ihnen noch ein wenig verschwommen, genau wie die Ansicht der Trident.
Sie konnte das Timing des Ganzen einfach nicht fassen. Während ihrer Rückreise zur Excalibur an Bord der Trident war sie noch davon überzeugt gewesen, dass nichts sie von der schlechten Laune ablenken könnte, die sie seit Si Cwans Entscheidung, auf Danter zu bleiben, befallen hatte. Auf der gesamten Rückreise hatte sie nichts anderes getan, als auf seiner Undankbarkeit und seiner frustrierenden Unfähigkeit, ihr Interesse an ihm zu bemerken, herumzureiten. Und jetzt das? Der Versuch, das Thallonianische Imperium wiederherzustellen? Hatte er während seines Aufenthalts auf der Excalibur überhaupt nichts gelernt? Nun, offensichtlich nicht. Offensichtlich nicht.
Doch als man bei der Annäherung an die Excalibur jeden auf der Trident auf die Kampfstation gerufen hatte, war sie aus ihrem Verdruss gerissen worden. Da sie nur Passagier und kein Offizier war, hatte sie eigentlich keine Kampfstation. Das führte zu einem überwältigenden Gefühl der Hilflosigkeit. Dieses verstärkte sich noch, als ihr klar wurde, dass ihr Schiff gerade angegriffen wurde. Sie hatte im leeren Zehn Vorne gestanden – natürlich war ein Freizeitbereich in Krisensituationen nicht gut besucht – und aus dem Fenster gestarrt. Starr vor Staunen wurde sie Zeuge, wie die Excalibur durchlöchert und zerbeult wurde, die Untertassensektion von der Antriebssektion getrennt wurde, beide schwer beschädigt wurden … und das alles durch einen Angriff von …
Sie konnte es immer noch nicht begreifen.
Dann kam der Anruf – der Anruf wegen …
Sie sah hinüber zur Ops-Station, an der vor nicht allzu langer Zeit noch ihre Mutter gesessen hatte. Jetzt konnte sie nur noch daran denken, wie übel sie das ihrer Mutter genommen hatte. Ihre Mutter hatte ihre Stelle übernommen, und das hatte sie verärgert. Jetzt dachte sie über die mit bösen Worten verschwendete Zeit nach und …
Sie schob den Gedanken beiseite, weil sie ihn nicht ertragen konnte. Stattdessen konzentrierte sie ihre Wut auf die unglückliche Ensign Beth. »Was gibt es hier für ein Problem?«, verlangte sie zu wissen.
»Ich arbeite daran«, antwortete Beth unwirsch und verrenkte sich den Hals, um unter der Konsole hervorsehen zu können. Ihr Gesicht war genauso mit Ruß und Dreck verschmiert wie die der anderen. Ihr sonst lockiges Haar hing durch den Schweiß, der an ihr heruntertropfte, glatt herunter. Zu ihrer Rechten lag ein Werkzeugsortiment.
»Das sagen Sie ständig. Das sagen Sie schon die ganze Zeit!«
Die anderen auf der Brücke gingen so gut wie möglich ihren Aufgaben nach, aber der Streit an der Steuerkonsole zog ihre Aufmerksamkeit auf sich. »Glauben Sie, Sie könnten es besser?«, wollte Beth wissen.
»Ich glaube, dass ein dressierter Affe das besser könnte!«
Beth warf wütend ihren Schraubenschlüssel hin und wollte aufstehen. Dabei stieß sie sich die Stirn an der Unterseite der Steuerkonsole. Sie fiel zurück und ein wenig Blut lief ihr über das Gesicht. »Verdammt!«, fluchte sie.
»Oh, das ist ja großartig!«, schnauzte Lefler. »Das ist einfach …«
»Das reicht jetzt.«