Über die Autorin
Milena Baisch, geboren 1976 in Bochum, wuchs in Wuppertal auf. Nach der Schule begann sie, sich Kindergeschichten auszudenken, und studierte an der Filmakademie in Berlin Drehbuch. Heute lebt sie als freie Autorin in Berlin. Neben Drehbüchern für Film und Fernsehen hat sie bereits zahlreiche Bilderbücher, Vorlese- und Erstlesegeschichten sowie einen Jugendroman veröffentlicht. Dies ist ihr erster Kinderroman bei Beltz & Gelberg.
Anton taucht ab wurde von der Stiftung Buchkunst als eines der schönsten deutschen Bücher ausgezeichnet und hat 2011 den Deutschen Jugendliteraturpreis erhalten.
Mehr zur Autorin findet ihr im Internet unter www.milenabaisch.de
Anton taucht ab wurde mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet und von der Stiftung Buchkunst als eines der schönsten deutschen Bücher 2010 prämiert.
Impressum
Ebenfalls lieferbar:
»Anton taucht ab« im Unterricht
in der Reihe Lesen – Verstehen – Lernen
ISBN 78-3-407-62786-5
Beltz Medien-Service, Postfach 10 05 65, 69445 Weinheim
Kostenloser Download: www.beltz.de/lehrer
Dieses E-Book ist auch als Printausgabe erhältlich
(ISBN 978-3-407-74391-6)
www.gulliver-welten.de
© 2013 Beltz & Gelberg
in der Verlagsgruppe Beltz · Weinheim Basel
Alle Rechte vorbehalten
Lektorat: Stefanie Schweizer
Neue Rechtschreibung
Einband- und Innenillustrationen: Elke Kusche
E-Book: Beltz GmbH Bad Langensalza, Bad Langensalza
ISBN 978-3-407-74401-2
Jetzt erzähle ich die Geschichte. Eine Abenteuerheldengeschichte, in der es um mich geht, Anton unter Wasser. Es beginnt in der Zeit, als ich noch Starflashman hieß, und hier sind Chips. Ich habe auch extra Popcorn gemacht. Ihr sollt sitzen bleiben und zuhören, alles klar?
Also, es beginnt auf der Autobahn. Die Reise ging los. Opa lenkte den Wagen, ich zog meine Badehose an und Oma sang die Lieder aus dem Radio mit.
»Gib Stoff, Kumpel!«, sagte ich zu Opa. Ich mag es, wenn Autos etwas unter der Haube haben. Und ich dachte, es wäre schön, wenn alle anderen Autos schnell zur Seite fahren würden, sobald wir kommen. Doch Opa fuhr nur hundert, wegen dem Wohnwagen.
Der Wohnwagen. Ich schaute aus dem Rückfenster, wo man sehen konnte, wie er hinter uns herwackelte. Er könnte auch ein Spaceshuttle sein, überlegte ich. Dann wären wir ein Astronautenteam auf dem Weg zur Airbase. Ich wäre der Raumschiffpilot und würde Oma und Opa sicher auf den Mond bringen. Mit fünfhunderttausend km/h.
»Ganz in Weiß, mit einem Blumenstrauß ...«, sang Oma. Von Schlagermusik wurde mir übel in den Ohren. Schnell suchte ich meine Hiphop-CD raus und gab sie zu Oma nach vorne. Dann lehnte ich mich zurück und schaute aus dem Fenster. Aus dem rechten Fenster, denn auf der linken Seite hätte man nur die ganzen Autos gesehen, die uns überholten.
Wir fuhren. Wir fuhren in die Ferien und ich hatte meine Badehose an. Yeah.
Dann kamen wir am Campingplatz an. Der war eigentlich cool, es gab Spielautomaten, Tischtennis, eine Bar für Chips und Eis und sogar eine Disco. Ich sprang raus aus dem Auto, in meiner Badehose. Mein Rücken war voller Abdrücke von den Sitzpolstern, weil ich ja die ganze Fahrt über nur die Badehose angehabt hatte. Jedenfalls rief ich: »Venga, Amigos!«, und rannte über den Campingplatz, der eigentlich cool war, aber nur eigentlich. Denn wo man auch hinsah: kein Swimmingpool.
»Opa, machst du Witze?«
»Aber nein«, sagte Opa. Er hatte den Wohnwagen auf unseren Standplatz gezogen und löste ihn nun von der Anhängerkupplung.
»Wo, verdammt, ist dann der verdammte Swimmingpool?!«
Oma lachte. »Wir sind doch hier am See«, sagte sie und legte ihren Arm um mich. Ich hasse es, wenn sie das tut. Bin ich ein Baby, oder was? Ich schlug ihren Arm runter und stampfte drei Schritte von den beiden weg. Meine Schritte waren sehr fest, ich glaube sogar, der Boden bebte etwas.
»Das ist nicht euer Ernst, oder?« Ich begann leise, aber ich war Starflashman, und es war klar, dass es gleich laut werden würde. »Ihr wollt also, dass ich hier Ferien mache? Hier?! Hallo, geht’s noch?«
Oma und Opa waren sehr verdattert. Sie hatten nicht damit gerechnet, dass ein Kind einen Swimmingpool erwartet. Manchmal frage ich mich, auf welchem Planeten die eigentlich leben.
»Wir sind extra wegen dem See hierhergefahren«, sagte Opa.
Und Oma fragte: »Was willst du denn mit einem Swimmingpool?«
Was für eine Frage.
In einen Swimmingpool hätte ich einen Köpper gemacht. Ich hätte auch Arschbomben gemacht und zwei bis drei Minuten unter Wasser die Luft angehalten. Ich wäre getaucht und hätte den Mädchen die Füße weggezogen oder die Bikinihose, vielleicht. Jedenfalls hätte ich Kinder vorm Ertrinken gerettet, wenn ihre Schwimmflügel Löcher gekriegt hätten. Dann wäre ich reingesprungen, mit einem Köpper, durchs ganze Becken getaucht, um das kleine Kind vom Boden des Swimmingpools aufzuheben. Ich hätte es rasend schnell nach oben gebracht und den Eltern übergeben, die schon ganz verzweifelt gewesen wären, weil es ja wirklich um das Leben ihres kleinen Babys gegangen wäre. Dann hätte ich gesagt: »Ach, übrigens, ich soll Ihnen noch das Kind hier bringen.« Und ich hätte wieder meine Sonnenbrille aufgesetzt und mich auf den Liegestuhl gelegt. Ja, ja, es gab einfach unendlich vieles, was man mit einem Swimmingpool hätte anstellen können.
Den Rest des Abends sprach ich kein Wort mehr mit den beiden Verrätern. Sie packten ihre Sachen aus und räumten sie in die kleinen Schränke vom Wohnwagen. Ich saß auf dem Sofa und guckte einen Actionfilm.
Als der Film zu Ende war, baute ich das Sofa zu meinem Bett um und legte mich schlafen. In diesem Loch im Nirgendwo. Heimweh hatte ich natürlich nicht, aber ich musste an das Ameisenspiel denken. Wenn Mama mich auskitzelt, als ob ganz viele Ameisen auf mir krabbeln würden, und Papa mich danach in den Arm nimmt, um die Ameisen plattzudrücken, dann schlafe ich immer sofort ein.
Das ging aber jetzt nicht. Ich war verdammt alleine. Mit meinen Ferien. An einem Ort ohne Swimmingpool, an dem es keine Ratte ausgehalten hätte.
Am nächsten Morgen wurde ich von einer verfluchten Angelrute geweckt. Sie stupste mich in den Bauch. Ich drehte mich um, aber da knallte so eine blöde kleine Boje an meine Nase. Ich stellte mich schlafend und versuchte, meinen schönen Traum weiterzuträumen.
Er handelte von einer Mission in der Wüste. Ich war Kampfpilot und hatte den Auftrag, ein Dorf zu retten, das von Löwen umzingelt war. Gerade wollte ich aus dem Flugzeug heraus ein hübsches Mädchen aus den Klauen eines Löwen befreien, als Opa zu sprechen anfing.
»Wo sind bloß meine Würmer?« Opa hatte leise vor sich hin gemurmelt, aber ich hatte es doch deutlich verstanden. Schlagartig riss ich die Augen auf.
»Habe ich da gerade Würmer gehört?«
Opa wandte sich zu mir um. Die Angeln, die er in der Hand hielt, fegten dabei über mein Gesicht. »Ach, guten Morgen, Anton«, sagte er. Und dann suchte er weiter unter dem Sofa, das zu meinem Bett umgebaut war und auch Schrankfächer hatte. Ich sprang auf den Tisch.
»Ich hatte sie in einer Dose ...«, murmelte Opa weiter. Aber er wurde von Oma unterbrochen. »Kommt ihr frühstücken?«
Sie war draußen, und durch das Wohnwagenfenster konnte ich sehen, dass auf dem Frühstückstisch meine Lieblingsknisterknusperschokoflakes standen.
Weil ich nicht durch den würmerverseuchten Wohnwagen laufen wollte, griff ich mit den Händen nach der Dachluke. Ich stieß mich mit den Füßen vom Tisch ab und holte Schwung. Zwei, drei Mal schwang ich vor und zurück, und als meine Beine wieder Richtung Ausgang flogen, ließ ich los.
Der Kühlschrank schepperte, als ich dagegen donnerte. Es gab einen Riesenrums. Und mein kleiner Zeh, den ich an der Kühlschrankecke angestoßen hatte, tat verflucht weh. Trotzdem heulte ich nicht.
Nach dem Frühstück fing Opa wieder an, mit seinen Angelsachen rumzumachen. Immerhin hatte er inzwischen die Würmer gefunden und tief in seiner Angeltasche verstaut. Oma zog ihren Badeanzug an. Wie es aussah, planten sie, zum See zu gehen. Ich hatte nichts dagegen. Alte Leute haben ihren Spaß, junge Leute haben ihren Spaß. Jeder, wie er will. Ich jedenfalls hatte vor, das Bett nicht zum Sofa umzubauen, sondern erst mal als Bett zu lassen. Ich wollte schön Fernsehen gucken und vielleicht später noch eine zweite Portion Knisterknusperflakes essen, die waren nämlich sehr, sehr gut.
Als ich es mir gerade bequem gemacht hatte und die ersten Programme durchzappte, klopfte es von außen an die Scheibe. Oma stand da, mit ihrem Sonnenhütchen, und rief: »Wir wollen los!«
Ich winkte ihr freundlich zu. »Viel Spaß!«
»Anton, komm!« Sie klopfte noch lauter.
Na ja, und dann ging der Ärger los.
Ich sollte mit zum See. Sie zwangen mich dazu.
Ich sagte: »Mich zwingt keiner. Ich bin ein freier Mensch, klar?« Und dann regten sie sich auf, weil ich noch den Schlafanzug anhatte.
Was wollten die eigentlich?
Sie hätten mich im Wohnwagen lassen können, sie hätten mich im Schlafanzug lassen können. Dann hätten sie schön ihre Ruhe gehabt.