Impressum

Wolfgang Schreyer

Bananengangster

ISBN 978-3-86394-100-0 (E-Book)

 

Die Druckausgabe erschien 1959 beim Verlag des Ministeriums für Nationale Verteidigung, Berlin

Gestaltung des Titelbildes: Ernst Franta

 

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1. Kapitel

Im Morgengrauen des 18. Juni 1954 wickelten sich nahe der zweihundertzwanzig Kilometer langen Nordwestgrenze von Honduras an dreißig verschiedenen Stellen fünftausend Männer aus ihren Zeltplanen, Decken und Gummimänteln, krochen fluchend unter den Riesenblättern der Corozopalmen hervor, aus denen sie sich regensichere Hütten gebaut hatten, aßen hastig eine Handvoll Kekse oder ein paar Brocken billiger Schokolade, formierten sich zu kompaniestarken Gruppen, schulterten deutsche Maschinenpistolen – Modell 40 –, setzten leichte helle Hüte auf und fielen in die Republik Guatemala ein.

Sie überschritten die Grenze pünktlich um fünf Uhr zentralamerikanischer Zeit, ohne auf Widerstand zu stoßen. Sie mussten sich nur der Mücken erwehren, die in grauen Wolken dem Zuge folgten. Über ihren Köpfen hingen Goldamselnester, schnatterten Papageien; flinke Eidechsen, bis zu zwei Meter lang, huschten vor ihrem Marschtritt ins Unterholz. Nicht überall gab es Wege; von Straßen ganz zu schweigen. An manchen Stellen ging es quer durch die Wildnis der Schling- und Kriechpflanzen, und der Vorhut oblag es, die fleischig verwachsenen Arme der Lianen, Orchideen, Bromeliazeen mit Macheten – schweren zweischneidigen Haumessern – passierbar zu machen.

Es war ein schwüler Morgen, die Sonne schien, der Urwald dampfte vor Feuchtigkeit. Entlang der gesamten Front fielen nicht mehr als zwei Dutzend Schüsse; sie kamen meist von denen, die ihre iberoamerikanische Freude am Knall nicht hatten zügeln können. Die Männer stammten aus Kostarika, Nikaragua, Honduras, El Salvador, Panama, Kolumbien, Venezuela und von den Antillen; einige waren guatemaltekische Emigranten, andere ausgediente Unteroffiziere, entlassene oder entlaufene Häftlinge, Abenteurer, Tramps; nur ein paar kamen aus Deutschland, Italien, den USA. Zum Glück sprachen die meisten Spanisch und konnten den Kommandos folgen. Sie trugen verwaschene khakifarbene Hemden, eng sitzende Hosen, olivgrüne Gamaschen, gummibesohlte Schuhe aus überschüssigen Armeebeständen der Vereinigten Staaten; um den linken Arm eine blaue Binde mit weißem Schwert und Querbalken. Wenn zwei der Gruppen im Dickicht Flankenberührung bekamen, riefen die Flügelmänner: "Dios y honor!" Denn "Gott und Ehre", das war ihr Losungswort.

Es war ein Freitag; den Abergläubischen unter ihnen behagte das nicht. Aber schon gegen Mittag erreichten sie unangefochten die befohlenen Tagesziele: im Südabschnitt den berühmten, wenngleich armseligen Wallfahrtsort Esquipulas; im mittleren Sektor die Höhe 737 auf halber Strecke zwischen der hondurenischen Ruinenstadt Copán und dem guatemaltekischen Garnisonsort Zacapa; und in der atlantischen Küstenniederung des Nordens, wo jede Marschstunde Ströme von Schweiß und zehntausend Moskitostiche kostete, sichteten sie das rechte Ufer des Rio Motagua – zwei oder drei Kolonnen fingen sogar an, Behelfsbrücken zu bauen. Im Allgemeinen aber stellte man Posten aus und ließ sich im Schatten der Sapotill- und Mahagonibäume zum Mittagsmahl nieder. Wo die Truppen in Dörfern lagerten, machten sie Jagd auf Mitglieder des guatemaltekischen Landarbeiterbundes, stellten sie an die Wand, plünderten die Häuser der Ermordeten und Geflüchteten, ließen sich von den Daheimgebliebenen Bohnensuppe kochen, als Befreier feiern und Arm in Arm mit ihnen (für die Auslandspresse) fotografieren; nach dem Essen vergewaltigten sie ein paar Indiomädchen.

Jedoch, es war zu heiß; die vom Marsch erschöpften Strauchdiebe hatten wenig Freude daran. Es gelang den Offizieren auch nicht, sie wieder auf die Beine zu bringen. Gegen vier Uhr nachmittags ging im Mittelabschnitt ein kurzer, aber verheerender tropischer Regenguss nieder; er weichte die Vormarschstraßen nach Chiquimula, Zacapa und Gualán dermaßen auf, dass der örtliche Befehlshaber beschloss, es für heute genug sein zu lassen. Seine Soldaten waren nass geworden, ihr Kampfgeist war dahin. Und da es keinen Sinn hatte, die Offensive an den Flanken fortzusetzen, wenn das Zentrum liegen blieb, kamen die Kommandeure auf dem Funkwege überein, erst am nächsten Morgen wieder anzugreifen. Zwölf Stunden nach Invasionsbeginn stand die "Befreiungsarmee" auf breiter Front zehn bis fünfzehn Kilometer tief in Feindesland. Ihre Verluste beliefen sich auf siebzig Mann: sechs waren mit einem Proviantkarren desertiert, zehn hatten sich Blasen gelaufen, und einer hatte sich durch die Hand geschossen; zwei Dutzend waren der Hitze erlegen. Der Rest hatte sich in den Wäldern verirrt.

2. Kapitel

Um diese Zeit befand sich das Hauptquartier der "Befreiungsarmee" noch zweihundertdreißig Kilometer hinter der Kampflinie in einem altmodischen Hotel von Tegucigalpa, der Regierungsmetropole von Honduras; einem ehemaligen Bergarbeiterstädtchen mit kaum neunzigtausend Einwohnern. Oberst Carlos Castillo Armas, der Oberbefehlshaber, empfing gerade in seinem mit der düsteren Eleganz der Jahrhundertwende ausgestatteten Appartement die ersten Journalisten. Der Oberst war ein neununddreißigjähriger, kleiner, langnäsiger Mann mit welligem schwarzem Haar und zierlichem Schnurrbart; er ließ sich kaum jemals aus der Ruhe bringen. Vor Jahren war er Chef der guatemaltekischen Militärakademie gewesen, hatte gegen die bürgerlich-demokratische Regierung Arévalo konspiriert, war nach einem gescheiterten Putschversuch vom damaligen Kriegsminister Jacobo Arbenz inhaftiert worden, aber ausgebrochen und dann nach Kolumbien emigriert, bis er Anfang 1953 in entlegenen Gegenden Nikaraguas und Honduras' damit begonnen hatte, seine "Befreiungsarmee" aufzubauen. Nun stand er hier inmitten der Reportermeute und spürte das Auge der Weltöffentlichkeit auf sich ruhen. Sein ersehnter großer Tag war gekommen.

"Señor Coronel", fragte ihn eben ein Korrespondent der "New York Herald Tribune", der auf die Kriegsnachricht hin sofort eine Maschine der "Panamerican Airways" bestiegen hatte und erst vor einer halben Stunde auf Tegucigalpas Flugplatz eingetroffen war, "welche Fortschritte machen Ihre Truppen?"

Oberst Armas zögerte zwei Sekunden. Er war noch ohne genaue Nachricht über die Lage an der Front, aber er wusste, dass die Amerikaner, die ihm schließlich den Feldzug bezahlten, jetzt nicht durch magere Erklärungen enttäuscht werden durften. "Beim Einmarsch meiner Truppen", antwortete er in der ihm eigenen, verhaltenen Art, "hat sich die Bevölkerung Guatemalas spontan gegen das Arbenz-Regime erhoben. Durch Luftaufklärung wurde festgestellt, dass besonders in Puerto Barrios, Zacapa und Quetzaltenango schwere Aufstände ausgebrochen sind. Rechnet man den breiten Gebietsstreifen hinzu, den die Befreiungsarmee schon erobert hat, so... Ja, Sie können schreiben: Ein Drittel des ganzen Landes ist fest in unserer Hand."

Der Reporter, ein auffällig gekleideter Mann namens Homer Bigart, notierte das. Ein anderer, Vertreter der nordamerikanischen Nachrichtenagentur INS, sagte: "Herr Oberst, man behauptet, hierzulande müsse ein Aufstand binnen achtundvierzig Stunden Erfolg gehabt haben, oder die Sache ist verpatzt."

"Das gilt vielleicht für Umsturzversuche, die von innen heraus unternommen werden", erwiderte Armas mit leisem Lächeln. "Auf uns trifft das nicht zu." – "Werden Sie von irgendeiner Seite her unterstützt, Señor Coronel?", fragte der Korrespondent einer linksliberalen mexikanischen Zeitung. Er kniff die Augen zusammen, wodurch sein Gesicht einen pfiffigen Zug bekam, und fügte hinzu: "Etwa von den Vereinigten Staaten?"

"Höchstens moralisch", antwortete Armas. "Immerhin gehen wir daran, den einzigen kommunistischen Brückenkopf auf der westlichen Halbkugel zu zertrümmern; ich bin sicher, alle freien Nationen beobachten unser schwieriges Vorhaben mit Sympathie."

"Die Regierung von Honduras duldete monatelang Ihre Truppen im Lande, sie erlaubte Ihnen, Flugplätze zu benutzen und die Grenze auf breiter Front zu überschreiten?"

Der Oberbefehlshaber berührte sein Lippenbärtchen mit dem Finger, sein spitzes stolzes Gesicht wurde starr. Es war offenkundig, er fühlte sich durch diese Frage belästigt. Carajo! Schließlich wusste dieser Mexikaner genauso gut wie er, dass der hondurenische Präsident Gálvez als Syndikus der United Fruit Company in sein Staatsamt aufgestiegen war und den Befehlen des Bananentrusts, der sein Land wirtschaftlich beherrschte, folgen musste, genau wie er, Armas, von der Company abhängig war. – "Die Republik Honduras", erklärte er kurz, "verhält sich streng neutral. Sie hat damit nichts zu tun. Dieser Kampf, der heute früh begann, ist eine Auseinandersetzung zwischen Guatemalteken, zwischen den freiheitliebenden Emigranten, die mit der Waffe in der Hand in ihre Heimat zurückkehren, und jener kleinen Clique, die dort eine rote Diktatur errichtet hat. Wenn wir jetzt diese Tyrannei zerbrechen, so ist das allein unsere innere Angelegenheit."

"Können Sie uns Einzelheiten über den Ablauf der Operationen mitteilen?", fragte Mr. Bigart von der "Tribune". In seinen langen Reporterjahren hatte er gelernt, politische Fragen zu umgehen, dafür aber eine Fülle von Nebensächlichkeiten aus prominenten Leuten herauszuholen: im Interesse der achthunderttausend sensationslüsternen Leser seines Blattes und wegen der harten Dollars, die er dafür bekam.

Doch plötzlich war Oberst Armas verschwunden. Mit einer kleinen Verbeugung hatte er sich, von nur wenigen bemerkt, still entfernt; und sein Vertreter, Coronel Mendoza – ehemals Chef der Luftstreitkräfte Guatemalas –, sagte beschwichtigend: "Bitte, haben Sie Verständnis, Caballeros, Coronel Armas hat militärische Entscheidungen zu treffen... Ja, ich darf Ihnen noch mitteilen, unsere Luftwaffe hat die Öllager im Pazifikhafen San José erfolgreich attackiert, strategische Bahnlinien wurden allenthalben mit Bomben belegt, über Guatemala-City Flugblätter abgeworfen..., ebenso Waffen, um die Aufständischen in ihrem Kampfesmut zu bestärken und es ihnen auch dort zu ermöglichen, das Joch des Arbenz-Regimes abzuschütteln, wohin wir noch nicht gekommen sind."

Er gab noch einige Auskünfte und schloss die erste Pressekonferenz mit der liebenswürdigen Floskel: "Ich weiß, Caballeros, Tegucigalpa ist die primitivste Hauptstadt Mittelamerikas, es fehlt an jeglicher Art Zerstreuung, und es tut mir leid, dass Sie unseretwegen genötigt sind, Ihre Zeit hier zu verbringen. Aber der Ort liegt, glaube ich, dreitausend Fuß hoch, das Klima ist angenehm und der Aufenthalt insofern gesund, als es kaum Nachtlokale gibt. Auch darf ich daran erinnern: Unser Ziel ist Guatemala-City, dort wird es auch Ihnen besser gefallen. Ich hoffe Sie morgen im Hauptquartier wieder zu sehen und wünsche Ihnen nun erholsame Nachtruhe."

Im Hinausgehen sagte Homer Bigart zu Manuelo Padilla, seinem mexikanischen Kollegen: "Kommen Sie dem Armas morgen bloß nicht wieder mit politischen Fangfragen, sonst verzieht er sich genau wie heute, und wir quetschen kaum mehr aus ihm 'raus."

"Jungs", sagte der INS-Korrespondent George Teller, "ich werd' verrückt! An die vierzig Revolutionen hab' ich hier unten schon persönlich erlebt, aber noch nie wurde in der Regenzeit Krieg gespielt. Da wird denen doch das Pulver nass! Zum Teufel, was dieser Höllenhund Armas macht, ist absolut gegen die Spielregeln."

"Es geht ja auch zum ersten Mal gegen den Kommunismus", antwortete Manuelo Padilla sarkastisch. "Da gibt's keine Spielregeln, Gentlemen."

Unten im Vestibül streute ein schneidiger Fliegermajor, nachdem die Journalisten ihm mehrere Drinks spendiert hatten, das Gerücht aus, vor einer halben Stunde sei das Präsidentenpalais, in dem der rote Jacobo Arbenz residierte, von "Thunderbolt"-Jagdbombern der Befreiungsarmee im Tiefflug mit Bordwaffen beschossen worden. Die Reporter eilten hinaus, aufs Postamt oder zurück ins "Prado", ihr Hotel, nisteten sich in Telefonzellen ein und begannen ihre Nachrichtentexte durchzugeben:

bürgerkrieg in guatemala Stopp ein drittel fest in aufständischenhand Stopp puerto barrios gefallen Stopp honduras strikt neutral Stopp öllager von san jose brennen Stopp präsidentenpalast von tieffliegern attackiert Stopp Stopp Stopp.

Im Palacio Nacional zu Guatemala-City, der mit seinem säulenumrahmten Patio und den Freskobildern aus der Zeit des blutigen Kampfes zwischen den spanischen Conquistadores und den Maya-Indianern einer der schönsten Regierungspaläste in ganz Lateinamerika ist, hatte man jedoch vom Bordwaffenbeschuss nichts bemerkt. Seitdem am Vormittag bekannt geworden war, dass Armas' Bande die Ostgrenze des Landes an zahlreichen Punkten überschritten hatte, beriet der Ministerrat im Sitzungssaal des aus massiven Quadern gefügten Bauwerks ohne Pause. Die Nacht sank hernieder; aus den drei östlichen Departementshauptstädten Chiquimula, Zacapa und Puerto Barrios traf Meldung auf Meldung ein; allmählich klärte sich das Bild. Man hatte die hohen Fenster mit Portieren abgedunkelt; beim Schein eines einzigen Kronleuchters erstattete der Kriegsminister, ein schlanker Oberst namens Diaz, soeben Bericht.

"Caballeros, es konnte nicht unsere Aufgabe sein", sagte er, "den feindlichen Vormarsch schon an der Grenze zum Stehen zu bringen. Dazu war unsere Armee – sie ist, wie Sie wissen, sechstausend Mann stark – schon deshalb nicht in der Lage, weil wir vor allem mit Landungsversuchen an der Pazifikküste gerechnet haben; dementsprechend wurden die Abwehrkräfte verteilt. Auch das Atlantikufer und die Grenze nach El Salvador mussten wir vorbeugend absichern, hatten also insgesamt rund siebenhundert Kilometer Land- und Seegrenze zu sperren. Das machen Sie einmal mit – abzüglich der notwendigen Eingreifreserve – knapp fünftausend Mann! Es kommen dann immer sieben Soldaten auf den Frontkilometer oder alle hundertfünfzig Meter einer, und das im Busch, wo keiner seinen Nachbarn sieht! Also unter diesen Umständen wäre eine grenznahe Verteidigung absolut Selbstmord gewesen. Wir mussten schon abwarten, wo der Feind seine Schwerpunkte bildet. Jetzt wissen wir es und sind dabei, unsere Gegenmaßnahmen zu treffen."

Präsident Jacobo Arbenz stand auf, nickte seinem Kriegsminister zu und trat auf den Balkon hinaus, um für zwei Minuten frische Luft zu schöpfen. Schon hinter der Portiere, hörte er noch Diaz' scharfe Stimme: "Bei einem ersten Zusammenstoß südwestlich Gualán, über den mir eben berichtet wird, hat sich gezeigt, dass die Armas-Banditen durchweg mit Maschinenpistolen ausgerüstet und unseren Soldaten an Feuerkraft weit überlegen sind. Nicht aber an Mut und Disziplin! Sie liefen feige davon, als unsere Männer ihr Lager stürmten..."

"Viva!", rief jemand.

"Wir hatten zwölf Tote und vierzig Verletzte", sagte Diaz.

Präsident Arbenz schloss die Balkontür; das Stimmengewirr im Saal drang nur noch als schwaches Geraune an sein Ohr. Zwölf Tote und vierzig Verletzte! Das war der Anfang. Beim ersten Gefecht schon verlor man ein Prozent der Armee; und nur, weil die anderen besser bewaffnet waren. Seine Indiotruppen zogen zum Teil nun barfuß ins Feld, welch ein Jammer. Es war nicht seine Schuld. Was hatte er nicht alles versucht, um das kleine guatemaltekische Heer besser auszurüsten, seitdem vor zwei Jahren mit der Verabschiedung des Bodenreformgesetzes das Kesseltreiben gegen sein Land begonnen hatte und besonders, nachdem ihm vor fünf Monaten die Angriffsabsichten der United-Fruit-Privatarmee bekannt geworden waren.

Damals hatte er nicht nur ein Weißbuch veröffentlichen lassen, das vor aller Welt die Kriegspläne, Geldquellen und Hintermänner der Armas-Gangster bis ins letzte Detail enthüllte, sondern auch überall versucht, Waffen einzukaufen für das bedrohte Land. Aber den Handel mit Kriegsmaterial kontrollierten für die ganze westliche Hemisphäre die USA, deren Regierung schon 1949 jedem Staat in ihrem Machtbereich verboten hatte, den nach nationaler Unabhängigkeit strebenden Guatemalteken auch nur eine Patrone zu liefern. Auch die europäischen NATO-Staaten forderte Dulles' State Department auf, sich an diesem Embargo zu beteiligen; und ein großes Land wie die westdeutsche Bundesrepublik, die über einen privaten Hamburger Waffenhändler dem Armas Maschinenpistolen geliefert hatte, fügte sich dem amerikanischen Wunsch und verhinderte, wo es nur ging, die Unterstützung der rechtmäßigen Regierung Guatemalas. Als jedoch er, Arbenz, in dieser Lage zweitausend Tonnen der am dringendsten benötigten Ausrüstungsstücke von der Tschechoslowakei erwarb, ging die Hetze erst richtig los: Alle Zeitungen Amerikas schrieben, er sei nun imstande, ganz Zentralamerika mit Waffengewalt unter sein rotes Regime zu zwingen; und was des barbarischen Unsinns mehr war. Weder war er selbst Kommunist noch ein einziger der Minister, die dort drin berieten, was jetzt zu tun sei.

Arbenz trat an die Balustrade, legte beide Hände auf den kühlen Stein, blickte hinab über die Dächer der meist einstöckigen Häuser. Dreihunderttausend Menschen wohnten darin; doch die ganze Stadt war finster. Das stimmte ihn froh. Seine Regierung hatte gegen Mittag den Ausnahmezustand verhängt, Menschenansammlungen verbieten, alle Privatkraftwagen und Benzinvorräte beschlagnahmen und die Verdunklung anordnen lassen. Obwohl inzwischen aus den Banditenflugzeugen Zettel herabgeregnet waren, die alle "freiheitliebenden Guatemalteken" dazu aufriefen, ihre Sympathie für Aramas dadurch zu bekunden, dass sie ihre Fenster hell erleuchteten ("Wo wir Licht sehen, werfen wir keine Bomben!"), wurde die Verdunklungsvorschrift ausnahmslos befolgt. Er sah es jetzt selbst: das Volk hielt zu ihm; mit seiner geringen Streitmacht hätte er keinen Gehorsam erzwingen können.

Der Präsident atmete tief die kühle Nachtluft. Es war soweit, der große Kampf hatte begonnen; er musste ihn führen, und er hatte die Kraft dazu. Jacobo Arbenz war ein einundvierzigjähriger Mann von stattlicher Figur, mit gewölbter Stirn und straff zurückgebürstetem Haar, mit eher deutschen als spanischen Gesichtszügen. Sein Vater, ein Schweizer Apotheker, war um die Jahrhundertwende eingewandert und hatte eine Guatemaltekin geheiratet. Jacobo Arbenz wurde in den dreißiger Jahren Armeeoffizier. Er war Major, als das Volk im Mai 1944, von vaterlandsliebenden Offizieren gleich ihm geführt, den faschistischen Diktator Jorge Ubico aus dem Lande jagte, der zehn Prozent des gesamten Bodens und alle Rechte der Nation an den amerikanischen Bananentrust verschachert hatte. Und der neue Präsident, ein liberaler Professor namens Arévalo, machte ihn wegen seiner Tüchtigkeit zum Kriegsminister.