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N. Bernhardt

Buch XIII: Ein zweifelhafter Bund

Der Hexer von Hymal

N. Bernhardt

Buch XIII: Ein zweifelhafter Bund

Der Hexer von Hymal

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2019
2. Auflage, ISBN 978-3-954185-59-7

www.null-papier.de/hymal

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Inhaltsverzeichnis

Ers­tes Ka­pi­tel: Ein Lied für einen Dä­mon

Zwei­tes Ka­pi­tel: Wie be­fürch­tet?

Drit­tes Ka­pi­tel: Al­les wie­der gut

Vier­tes Ka­pi­tel: Die Fes­tung der Meis­ter

Fünf­tes Ka­pi­tel: Ein über­fäl­li­ges Ge­spräch

Sechs­tes Ka­pi­tel: Neue Mög­lich­kei­ten

Sieb­tes Ka­pi­tel: Spä­te Ge­rech­tig­keit

Aus­blick

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End­lich hat Nik­ko je­man­dem ge­fun­den, mit dem er die Ge­heim­nis­se des Ne­kro­man­ten er­grün­den kann. Doch stellt sich schnell her­aus, dass wie­der ein­mal nicht al­les so ver­läuft, wie es der jun­ge Meis­ter gern hät­te. Kann er dem Fürst­ma­gier wirk­lich ver­trau­en, oder ver­sucht die­ser doch nur, Nik­ko zu über­vor­tei­len?

Auch der Kon­fron­ta­ti­on mit Pe­ryn­dor kann Nik­ko nicht län­ger aus dem Weg ge­hen, doch scheint der Alte mitt­ler­wei­le oh­ne­hin sei­ne ei­ge­nen Zie­le zu ver­fol­gen. Schließ­lich muss sich der jun­ge Zau­be­rer so­gar noch mit ei­nem wei­te­ren Geist der Ver­gan­gen­heit her­um­schla­gen.

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Website

Wei­te­re In­for­ma­tio­nen zur Rei­he und zum Au­tor fin­den Sie un­ter:

hy­mal.info

Erstes Kapitel: Ein Lied für einen Dämon

Es wa­ren Bli­cke voll von Er­stau­nen, Er­schre­cken und end­lo­ser Miss­bil­li­gung ge­we­sen, mit de­nen Pe­ryn­dor sei­nen Zög­ling durch­bohrt hat­te. Den Mund hat­te der grei­se Meis­ter je­doch nicht auf­be­kom­men.

Schnell hat­te Nik­ko die hei­klen Bü­cher aus dem Tele­por­tring ge­wuch­tet und dem Groß­meis­ter in al­ler Freund­lich­keit be­deu­tet, dass der Ring nun zu des­sen Ver­fü­gung stand. Es war dem jun­gen Zau­be­rer da­bei so­gar ernst ge­we­sen. Wie skur­ril sei­ne Ges­te auf den Al­ten ge­wirkt ha­ben moch­te, wur­de Nik­ko erst spä­ter klar.

Ohne dass auch nur ein ein­zi­ges Wort ge­fal­len war, hat­te sich Pe­ryn­dor dann weg­tele­por­tiert. So­gar Meis­ter Ni­be­gu hat­te die gan­ze Zeit ge­schwie­gen, sich da­bei ein süf­fi­san­tes Grin­sen je­doch nicht ver­knei­fen kön­nen.

»Ich wer­de die Bü­cher ab­ho­len las­sen, Meis­ter Nik­ko«, hat­te er schließ­lich ge­sagt, als der Groß­meis­ter weg war, und lä­chelnd hin­zu­ge­fügt: »Es wäre mir eine große Freu­de, mit Euch spä­ter das Abend­mahl zu tei­len.«

Am Nach­mit­tag war mit Nik­ko nicht mehr viel an­zu­fan­gen. Wie­der und wie­der ließ er sich die kur­z­en Au­gen­bli­cke des Zu­sam­men­tref­fens mit Pe­ryn­dor durch den Kopf ge­hen. Wie­der und wie­der ver­such­te er, des­sen Bli­cke zu ent­schlüs­seln, ob­wohl sie we­nig Zwei­fel dar­an ge­las­sen hat­ten, wie sehr dem Al­ten Nik­kos plötz­li­ches Auftau­chen miss­fal­len ha­ben muss­te.

Pe­ryn­dor war im­mer­hin ei­ner sei­ner we­ni­gen Ver­bün­de­ten, wenn nicht so­gar fast schon ein Freund. Den Groß­meis­ter so ver­är­gert zu ha­ben, be­hag­te dem Zau­be­rer da­her über­haupt nicht. Aber war der Alte wirk­lich ver­är­gert ge­we­sen oder doch nur er­staunt, viel­leicht so­gar ein­fach nur er­schro­cken?

Es war schwie­rig zu sa­gen, er­freut schi­en er je­den­falls nicht ge­we­sen zu sein, Nik­ko so plötz­lich hier an­ge­trof­fen zu ha­ben. Wa­rum soll­te er auch? Pe­ryn­dor hat­te dem jun­gen Zau­be­rer die Rei­se zu den Meis­tern des Sü­dens ja im­mer wie­der ver­sagt.

Wes­halb hat­te der Alte aber kein ein­zi­ges Wort ge­sagt? Das war doch so gar nicht sei­ne Art. War er wirk­lich nur zu er­schro­cken ge­we­sen? Nein, im ers­ten Au­gen­blick viel­leicht, aber er hät­te sich schnell wie­der fan­gen müs­sen.

Ni­be­gu? Ja, Pe­ryn­dor hat­te wohl ein­fach vor sei­nem Gast­ge­ber kei­nen Skan­dal pro­vo­zie­ren wol­len. Der stol­ze Groß­meis­ter war stets viel zu sehr um sein An­se­hen be­müht, als dass er sich sei­nen Är­ger hier hät­te an­mer­ken las­sen.

Das hie­ße aber, die Sa­che war nur auf­ge­scho­ben, nicht je­doch auf­ge­ho­ben. Oh je, bei ih­rem nächs­ten Zu­sam­men­tref­fen wür­de der Alte Nik­ko ver­mut­lich zur Rede stel­len! Bis da­hin muss­te der jun­ge Zau­be­rer sich end­lich eine glaub­haf­te Aus­re­de zu­recht­ge­legt ha­ben.

Ob die blo­ße Be­haup­tung wohl aus­rei­chen wür­de, dass sich das Tele­port­mus­ter von Ghal­la-Um­bua in Tho­ro­dos’ Buch be­fän­de und Nik­ko es ein­fach nur ein­mal aus­pro­bie­ren woll­te? Der jun­ge Meis­ter war sich plötz­lich nicht mehr ganz so si­cher.

Den­noch, das so lan­ge ge­fürch­te­te Zu­sam­men­tref­fen mit Pe­ryn­dor hat­te Nik­ko end­lich hin­ter sich ge­bracht. Auch wenn das di­cke Ende wohl noch kom­men wür­de, ver­spür­te der Zau­be­rer nun erst ein­mal eine ge­wis­se Er­leich­te­rung.

Wahr­schein­lich war es so­gar gut, dass die An­we­sen­heit des Fürst­ma­giers den Al­ten zum Schwei­gen ver­an­lasst hat­te. So hat­te Pe­ryn­dor zu­nächst et­was Zeit, um sich wie­der ab­zu­re­gen. Wenn Nik­ko das nächs­te Mal auf den Groß­meis­ter trä­fe, könn­ten sie viel­leicht schon über die Sa­che la­chen.

Am Abend dann hat­te ein Be­diens­te­ter den jun­gen Ma­gier ab­ge­holt und in den Spei­se­saal ge­lei­tet, wo es sich der Fürst­ma­gier be­reits ge­müt­lich ge­macht hat­te. Mit ei­nem war­men Lä­cheln be­deu­te­te er Nik­ko, sich zu set­zen und sich an den üp­pi­gen Spei­sen zu be­die­nen.

»Ihr habt dem ar­men Groß­meis­ter heu­te Mit­tag aber einen or­dent­li­chen Schre­cken ein­ge­jagt, Meis­ter Nik­ko«, grins­te Ni­be­gu. »So sprach­los habe ich ihn nur sehr sel­ten er­lebt. Sehr sel­ten.«

»Glaubt mir, ich war nicht min­der er­schro­cken«, zuck­te Nik­ko die Schul­tern. »Was hat­te Pe­ryn­dor hier über­haupt ge­wollt?«

»Er war auf mei­ne Ein­la­dung hin hier«, über­rasch­te der Fürst­ma­gier. »Ihr selbst hat­tet doch er­wähnt, dass Groß­meis­ter Pe­ryn­dor einst ei­ner von de­nen ge­we­sen war, die mit Meis­ter Ha­fuch den Frie­den aus­han­del­ten.«

»Ich woll­te es mir ein­fach nicht neh­men las­sen, dar­über einen Be­richt aus ers­ter Hand zu er­hal­ten«, füg­te er grin­send hin­zu. »Ich hof­fe je­doch aus tiefs­tem Her­zen, dass die­ses … Zu­sam­men­tref­fen Euch nicht in ir­gend­wel­che … Schwie­rig­kei­ten ge­bracht hat.«

Der jun­ge Zau­be­rer war sich nun gar nicht mehr si­cher, ob das al­les wirk­lich nur ein dum­mer Zu­fall ge­we­sen war. Ni­be­gu hat­te doch da­mit rech­nen müs­sen, das Nik­ko je­der­zeit aus Hal­fuár zu­rück­kom­men konn­te. Hat­te der Fürst­ma­gier das Auf­ein­an­der­tref­fen etwa be­wusst pro­vo­ziert?

»Macht Euch dar­über kei­ne Sor­gen«, lä­chel­te Nik­ko die Be­den­ken sei­nes Gast­ge­ber vor­sichts­hal­ber weg und lenk­te dann ab: »Habt Ihr denn et­was In­ter­essan­tes von ihm er­fah­ren kön­nen?«

»Nur we­nig«, seufz­te Ni­be­gu. »Er hat­te bei den da­ma­li­gen Ver­hand­lun­gen mit dem Ne­kro­man­ten an­schei­nend eine deut­lich ge­rin­ge­re Rol­le ge­spielt, als er Euch wohl glau­ben ma­chen woll­te.«

Das sah Pe­ryn­dor schon ähn­lich. Aber warum leg­te der Fürst­ma­gier auch noch sei­nen Fin­ger in die­se Wun­de? Ver­such­te er etwa, Zwie­tracht zwi­schen Nik­ko und dem Groß­meis­ter zu säen? Es deu­te­te zwar ei­ni­ges dar­auf hin, was al­ler­dings hät­te Meis­ter Ni­be­gu da­von?

»Doch lasst uns lie­ber über wich­ti­ge­re Din­ge re­den«, lä­chel­te der Herr des Hau­ses dann. »Ich wer­de wohl ei­ni­ge Zeit für das Stu­di­um Eu­rer Bü­cher be­nö­ti­gen. Je­doch sollt Ihr Euch so lan­ge na­tür­lich nicht zu sehr lang­wei­len müs­sen. Was hal­tet Ihr da­von, wenn ich Euch mor­gen zei­ge, wie wir hier im Sü­den mit den Dä­mo­nen kom­mu­ni­zie­ren?«

»Sehr ger­ne«, glänz­ten Nik­kos Au­gen, und alle Zwei­fel wa­ren ver­ges­sen. »Ich freue mich schon dar­auf!«

Nik­ko hat­te in der fol­gen­den Nacht kaum ein Auge zu­ge­tan – dies­mal we­gen der Vor­freu­de auf die ge­mein­sa­me Ar­beit mit dem Fürst­ma­gier, nicht etwa vor lau­ter Sor­gen, wie sonst so oft.

Die Idee, mit ei­nem Dä­mon ein­fach nur zu re­den, statt ihn gleich zu be­schwö­ren, hat­te den Zau­be­rer ja schon fas­zi­niert, als Ni­be­gu ihm das ers­te Mal da­von er­zählt hat­te. Nik­ko wuss­te schließ­lich aus ei­ge­ner Er­fah­rung nur zu gut, wel­che Ri­si­ken die Be­schwö­rung solch mäch­ti­ger We­sen mit sich brach­te.

Das Mor­gen­mahl war dann ganz schnell hin­un­ter­ge­schlun­gen. Da­nach blieb dem jun­gen Zau­be­rer nur un­ge­dul­di­ges War­ten und Hof­fen, dass bald ein Be­diens­te­ter käme, ihn end­lich ab­zu­ho­len.

Ir­gend­wann war es schließ­lich so weit. Im Schlepp­tau ei­nes Die­ners, der ihn quer durch das An­we­sen und dann hin­un­ter in des­sen Ge­wöl­be führ­te, über­leg­te Nik­ko noch, ob es ei­gent­lich im­mer der­sel­be Mann war, der ihn da ab­hol­te. Er muss­te sich je­doch ein­ge­ste­hen, dass sich für ihn die Men­schen hier un­ten im Sü­den al­le­samt zu ähn­lich sa­hen, um sie wirk­lich aus­ein­an­der­zu­hal­ten zu kön­nen – mit Aus­nah­me des Fürst­ma­giers na­tür­lich.

»Gu­ten Mor­gen, Meis­ter Nik­ko«, be­grüß­te ihn die­ser schließ­lich in ei­ner mit­tel­großen Kam­mer ir­gend­wo im Kel­ler des An­we­sens. »Seid Ihr be­reit?«

»Das bin ich«, grins­te der jun­ge Zau­be­rer und konn­te es kaum er­war­ten, end­lich an­zu­fan­gen.

»Also gut«, lä­chel­te Meis­ter Ni­be­gu. »Wie ich Euch ja schon er­klärt habe, un­ter­schei­den sich un­se­re An­sät­ze bei der … Be­fra­gung von Dä­mo­nen in vie­ler­lei Hin­sicht von den Eu­ren. Wäh­rend Ihr sie gleich voll und ganz in un­se­re Welt zwingt, kom­mu­ni­zie­ren wir ein­fach nur mit ih­nen, und zwar in ei­ner tie­fen Me­di­ta­ti­on.«

»Si­cher­lich ha­ben bei­de Wege ihre Vor- und Nach­tei­le«, zuck­te er dann die Schul­tern. »Un­ser Weg dürf­te je­doch viel we­ni­ger ris­kant sein, ob­wohl auch er nicht ganz ohne Ge­fah­ren ist.«

»Was denn für Ge­fah­ren?«, wun­der­te sich Nik­ko.

»Be­ses­sen­heit«, lä­chel­te der Fürst­ma­gier. »Ja, auch wenn wir wäh­rend des Ri­tuals nicht in phy­si­schem Kon­takt mit dem Dä­mon ste­hen, sind wir doch men­tal mit ihm ver­bun­den. Wenn wir Feh­ler ma­chen, kann das un­se­ren Geist ver­wir­ren oder uns in den Wahn­sinn trei­ben. Im schlimms­ten Fall wer­den wir so­gar völ­lig von dem Dä­mon be­ses­sen.«

Nik­ko war dar­auf­hin ziem­lich ent­täuscht, hat­te er doch ge­hofft, dass ge­ra­de eine Be­ses­sen­heit bei ei­nem sol­chen Ri­tu­al aus­ge­schlos­sen war. Eine Er­fah­run­gen, wie er sie mit dem Dä­mon Sy­th’lar ge­macht hat­te, woll­te er schließ­lich nicht noch ein­mal er­le­ben.

»Macht Euch aber kei­ne all­zu großen Sor­gen, jun­ger Kol­le­ge«, mun­ter­te Ni­be­gu ihn gleich wie­der auf. »Ein paar ein­fa­che Schutz­zau­ber mi­ni­mie­ren die Ge­fahr. Au­ßer­dem ist eine Be­ses­sen­heit durch­aus heil­bar.«

»Na­tür­lich«, zwang sich Nik­ko ein Lä­cheln auf die Lip­pen. Er wuss­te ja all­zu gut, was es be­deu­tet, be­ses­sen zu sein.

»Um mit ei­nem Dä­mon zu kom­mu­ni­zie­ren, muss sich der Ma­gier in tiefer Tran­ce be­fin­den«, er­klär­te der Fürst­ma­gier nach ei­ni­gen Au­gen­bli­cken. »Wir schaf­fen die­sen Zu­stand durch be­tö­ren­de Dämp­fe, hyp­no­ti­sche Mu­sik, ek­sta­ti­schen Tanz und Ge­sang.«

»Ihr wer­det spä­ter noch se­hen, was ich mei­ne«, grins­te er und fuhr fort: »Je­der Dä­mon hat da­bei sein ganz ei­ge­nes Lied. Die Tex­te sind je­doch nur we­ni­gen Zau­be­rern be­kannt. Tat­säch­lich dürf­te es wohl kei­nen ge­ben, der sie wirk­lich alle kennt. Ich selbst ver­fü­ge über ei­ni­ge Dut­zend Lie­der, von de­nen ich ei­nes … viel­leicht auch meh­re­re … mit Euch zu tei­len be­reit bin.«

Nik­ko konn­te die­se schein­ba­re Freund­lich­keit nur mit ei­nem mü­den Lä­cheln quit­tie­ren, denn bis­lang wa­ren die Aus­füh­run­gen Ni­be­gus eher eine Ent­täu­schung. Die vom Ne­kro­man­ten er­lern­te Tech­nik der Be­schwö­rung kam ihm ir­gend­wie sinn­vol­ler vor, und auch mäch­ti­ger. Trotz­dem, er wür­de na­tür­lich erst ein­mal ab­war­ten, wie das Ri­tu­al letzt­lich ver­lief.

»Nun gut, Kol­le­ge«, nick­te der Fürst­ma­gier. »Ich schla­ge vor, dass Ihr zu­nächst ei­nem Ri­tu­al ein­fach nur bei­wohnt und mir da­bei ge­nau zu­seht. An­schlie­ßend be­ant­wor­te ich selbst­ver­ständ­lich all Eure Fra­gen.«

»Ein­ver­stan­den«, freu­te sich Nik­ko, und war nun doch wie­der ge­spannt auf das Ri­tu­al.

Auf ein Fin­ger­schnip­pen des Haus­herrn hin be­tra­ten ein paar Be­diens­te­te den Raum und brach­ten ei­ni­ge Uten­si­li­en mit, dar­un­ter eine große Trom­mel. Wäh­rend ein Die­ner in der Mit­te des Zim­mers in ei­ner stei­ner­nen Scha­le ein klei­nes Feu­er ent­fach­te, stell­te ein an­de­rer die Trom­mel auf und pos­tier­te sich da­hin­ter.

Ohne wei­te­re Wor­te be­gann die­ser nach ei­ni­gen Au­gen­bli­cken, mo­no­to­ne Schlä­ge in sehr lang­sa­mem Tem­po zu trom­meln. Et­was spä­ter setz­te ein an­de­rer Mann mit ei­ner Art Flö­te oder Pfei­fe ein und be­ton­te da­mit je­den zwei­ten Trom­mel­schlag. Schließ­lich un­ter­mal­ten zwei wei­te­re Die­ner die Mu­sik mit ko­mi­schen Lau­ten, die man mit ei­ni­ger Phan­ta­sie als Sings­ang be­zeich­nen konn­te.

Meis­ter Ni­be­gu wid­me­te sich hin­ge­gen dem Feu­er, wo­bei er die Mu­sik zu­nächst zu igno­rie­ren schi­en. Nach­dem er et­was Pul­ver in die Flam­men ge­streut hat­te, puff­te es laut und far­ben­froh, dann brei­te­te sich ein selt­sa­mer Duft im Raum aus.

Nun be­gann der Fürst­ma­gier, im Rhyth­mus der jetzt schnel­ler und schnel­ler wer­den­den Mu­sik um das Feu­er her­um zu tan­zen.

Nik­ko, dem die ge­sam­te Dar­bie­tung an­fangs eher plump vor­ge­kom­men war, wur­de nun mehr und mehr mit­ge­ris­sen. Die rhyth­misch mo­no­to­ne Mu­sik, der hyp­no­ti­sche Sings­ang und wohl auch der be­tö­ren­de Ge­ruch brach­ten ihn in große Ver­su­chung selbst mit­zu­tan­zen, doch beließ er es lie­ber da­bei, nur mit Kopf und Ober­kör­per im Takt zu wip­pen.

Wie lan­ge es so wei­ter­ging, war schwie­rig zu sa­gen. Ohne Un­ter­lass tön­te die Mu­sik und Ni­be­gu tanz­te um das Feu­er her­um. Dann plötz­lich blieb er ste­hen, riss die Arme in die Höhe und be­gann zu sin­gen.

Was ge­nau das Lied be­deu­te­te, ver­stand Nik­ko nicht, da es in der Spra­che des Sü­dens er­klang. Er merk­te je­doch, wie sich die Mu­sik nun än­der­te. Sie wur­de lang­sa­mer und dann so­gar me­lo­disch.

Der jun­ge Zau­be­rer nahm jetzt ers­te Mus­ter in der Kraft wahr, wenn auch noch eher dif­fus. Wa­ren die­se das Re­sul­tat der neu­en Me­lo­die oder des Lie­des? Aber viel­leicht hat­te er beim Rhyth­mus der vor­he­ri­gen Mu­sik ja ein­fach nicht dar­auf ge­ach­tet, ob sie be­reits vor­han­den wa­ren.

Der Fürst­ma­gier streu­te er­neut Pul­ver in die Flam­men, wor­auf­hin es wie­der kräf­tig puff­te. Dann setz­te er sich auf den Bo­den und starr­te in das Feu­er, wäh­rend die Be­diens­te­ten das Lied des Dä­mons wei­ter­san­gen.

Nach ei­nem Au­gen­blick ver­schränk­te Ni­be­gu die Arme vor der Brust und schloss die Au­gen. Die vor­her be­reits wahr­ge­nom­me­nen Mus­ter wur­den nun zwar stär­ker, blie­ben je­doch zu dif­fus, um Ge­nau­e­res er­ken­nen zu kön­nen. Mehr pas­sier­te lei­der nicht.

Trotz des Ge­ruchs und Ge­sangs war Nik­ko hell­wach und bei kla­rem Ver­stand. Es war zwar ver­füh­re­risch, sich der Tran­ce hin­zu­ge­ben, aber er woll­te hier schließ­lich et­was ler­nen. So konn­te er auch ziem­lich si­cher sa­gen, dass der Meis­ter viel­leicht eine Vier­tel­stun­de in sei­ner Po­si­ti­on ver­harr­te.

Dann plötz­lich Ge­brüll! Die Be­diens­te­ten er­schreck­ten den Zau­be­rer mit schril­len Schrei­en, wil­dem Ge­trom­mel und schar­fen Tö­nen aus dem an­de­ren In­stru­ment. Kurz dar­auf stimm­te auch der Fürst­ma­gier selbst in den schreck­li­chen Lärm ein.

Nach ei­ni­gen Mi­nu­ten streu­te er wie­der et­was Pul­ver in das Feu­er, doch puff­te es dies­mal nicht. We­nig spä­ter lösch­te ei­ner der Die­ner die Flam­men.

»Ich hof­fe, es hat Euch ge­fal­len«, keuch­te der schweiß­ge­ba­de­te Ni­be­gu und grins­te zu­frie­den.

Nik­ko wuss­te nicht so recht, was er dar­auf ant­wor­ten soll­te. Si­cher, es war ein sehr in­ter­essan­tes Ri­tu­al ge­we­sen. Von der ei­gent­li­chen Un­ter­re­dung mit dem Dä­mon, der das gan­ze Thea­ter ja ge­dient ha­ben dürf­te, hat­te er al­ler­dings nichts mit­be­kom­men. Den­noch muss­te er na­tür­lich die Höf­lich­keit wah­ren.

»Das hat es«, lä­chel­te Nik­ko also, füg­te aber gleich hin­zu: »Auch wenn ich von dem Dä­mon nicht viel er­ken­nen konn­te.«

»Na­tür­lich nicht«, lach­te der Fürst­ma­gier laut. »Er war ja auch nur in mei­nem Kopf. Es war mir aber trotz­dem wich­tig, dass Ihr zu­nächst ein­mal dem gan­zen Ri­tu­al bei­wohnt.«

»Habt vie­len Dank da­für«, nick­te der jun­ge Zau­be­rer. »Es war auch so durch­aus in­ter­essant. Vor al­lem der Ein­satz von Mu­sik und Ge­sang in der Zau­be­rei ist bei uns im Nor­den weitaus we­ni­ger ver­brei­tet.«

»Das stimmt«, lä­chel­te Ni­be­gu. »Doch ist es letzt­lich egal, wie der Ma­gier die Mus­ter wirkt.«

»Da habt Ihr recht«, lach­te Nik­ko. »Ver­mut­lich macht die Zau­be­rei mit all der schö­nen Mu­sik so­gar viel mehr Spaß.«

»Nun, ich ver­mu­te, Ihr habt Fra­gen«, er­wi­der­te der Fürst­ma­gier und wisch­te sich den Schweiß von der Stirn. »Also fragt, Kol­le­ge!«

»Wozu diente der schreck­li­che Lärm am Ende des Ri­tuals?«, war das ers­te, was Nik­ko ein­fiel. »Soll­te das eine Art Ban­nung ge­we­sen sein.«

»Ganz ge­nau«, lä­chel­te der Fürst­ma­gier. »Mit dem Krach ver­trei­ben wir den Dä­mon und all sei­nen Ein­fluss. Das habt Ihr gut er­kannt.«

»Dann müss­te Euer Tanz am An­fang dem Schutz ge­dient ha­ben«, mut­maß­te Nik­ko. »Habt Ihr, in­dem Ihr um das Feu­er ge­tanzt seid, einen Schutz­kreis de­fi­niert?«

»Wie­der rich­tig«, lob­te Ni­be­gu. »Ihr seht also, un­se­re auf den ers­ten Blick so ver­schie­de­nen Metho­den ha­ben doch ei­ni­ges ge­mein­sam.«

»Das stimmt«, pflich­te­te Nik­ko bei. »Das Lied in der Mit­te muss da­her der ei­gent­li­chen Be­schwö­rung ge­dient ha­ben. Wo wir den Dä­mon mit des­sen Sie­gel ru­fen, singt Ihr eben sein Lied.«

»Kor­rekt«, nick­te der Herr des Hau­ses. »Ihr wer­det das Lied aus­wen­dig ler­nen müs­sen, wenn Ihr Ha­wa­bo selbst ru­fen wollt.«

»Ha­wa­bo?«

»Das ist der … un­ser Name für den Dä­mon, den ich ge­ru­fen hat­te«, er­klär­te Ni­be­gu. »Ich ver­mu­te, bei Euch ist er un­ter ei­nem an­de­ren, doch ähn­li­chen Na­men be­kannt. Eben­so, wie der von Euch Faza ge­nann­te Dä­mon bei uns Wua­so heißt.«

»Wenn die­ser Ha­wa­bo ei­ner der hö­he­ren Dä­mo­nen ist, müss­te er in den Bü­chern zu fin­den sein«, be­merk­te Nik­ko. »Wo­für steht er denn?«

»Ich weiß nicht ge­nau, was Ihr da­mit meint«, war der Fürst­ma­gier schein­bar ver­wirrt und füg­te lä­chelnd hin­zu: »Macht Euch aber kei­ne Sor­gen. Ich wer­de die Wer­ke noch bis in jede Ein­zel­heit stu­die­ren und dann al­les Wis­sen zu­sam­men­fü­gen.«

»Nun ist es an Euch, Meis­ter Nik­ko«, wech­sel­te er dar­auf­hin das The­ma. »Ich habe Euch das Lied Ha­wa­bos auf­ge­schrie­ben und auch eine Über­set­zung bei­ge­fügt. Lernt es aus­wen­dig, das Ori­gi­nal mei­ne ich, dann kön­nen wir uns der Pra­xis wid­men.«

»Habt vie­len Dank«, lä­chel­te Nik­ko und freu­te sich nun doch dar­auf, die­sen Ha­wa­bo selbst mit­tels des eben er­leb­ten Ri­tuals zu ru­fen. »Ich wer­de mich be­mü­hen, es so schnell wie mög­lich zu er­ler­nen.«

Fast eine gan­ze Wo­che hat­te der jun­ge Meis­ter ge­braucht, um das Lied Ha­wa­bos end­lich aus­wen­dig zu kön­nen. Im­mer­hin um­fass­te es meh­re­re Sei­ten in der Spra­che des Sü­dens, die in Nik­kos Ohren nur wie Kau­der­welsch klang.

Die bei­ge­füg­te Über­set­zung mach­te zwar klar, dass der Text vor al­lem aus Prei­sun­gen und Lob­ge­sang auf den Dä­mon be­stand, aber beim Aus­wen­dig­ler­nen des Ori­gi­nals hat­te dies nicht viel ge­hol­fen.

Letzt­lich wa­ren es doch die Mus­ter in der Kraft ge­we­sen, die es Nik­ko er­mög­licht hat­ten, den Text end­lich zu meis­tern. Wenn er die Wor­te nur kräf­tig ge­nug aus­sprach, konn­te er die Schwin­gun­gen in der Kraft näm­lich wahr­neh­men. An­fangs ganz dif­fus, spä­ter dann glas­klar. So hat­ten erst die Mus­ter für den Zau­be­rer die nö­ti­ge Ord­nung in die wir­ren Wor­te ge­bracht.

So oder so, nach vie­len Ta­gen des Ler­nens und Pro­bie­rens könn­te Nik­ko das Lied jetzt vom An­fang bis zum Ende frei vor­tra­gen. Könn­te – denn aus­pro­biert hat­te er es noch nicht! Das gan­ze Lied zu sin­gen, dürf­te ja den Dä­mon an sich ru­fen, was ohne die schüt­zen­den Tei­le des Ri­tuals ein ziem­lich ge­fähr­li­ches Un­ter­fan­gen wäre.

Meis­ter Ni­be­gu hat­te Nik­ko gar nicht da­vor ge­warnt, das Lied wäh­rend des Ler­nens voll­stän­dig zu re­zi­tie­ren. Dem jun­gen Zau­be­rer fiel die­ser Um­stand al­ler­dings erst jetzt auf.

War der Fürst­ma­gier etwa da­von aus­ge­gan­gen, dass der jun­ge Meis­ter selbst alle nö­ti­gen Vor­keh­run­gen zu sei­nem Schut­ze trä­fe? War er viel­leicht nur nach­läs­sig ge­we­sen, oder hoff­te er so­gar dar­auf, dass er auf die­se Wei­se einen läs­ti­gen Kon­kur­ren­ten los wür­de und sich dann ganz al­lein über das Erbe des Ne­kro­man­ten her­ma­chen könn­te?

Da wa­ren sie also wie­der, die häss­li­chen Ge­dan­ken. Ver­mut­lich war Nik­ko ein­fach zu miss­trau­isch. Trotz­dem, er soll­te lie­ber stets das Schlimms­te an­neh­men. Nur so war er al­len Ge­fah­ren ge­wapp­net.

Je mehr er dann dar­über nach­dach­te, de­sto si­che­rer wur­de er sich, dass Meis­ter Ni­be­gu da­von aus­ge­hen muss­te, dass sein Schü­ler selbst für sei­nen Schutz sorg­te. Im­mer­hin war Nik­ko ja schon ein rich­ti­ger Meis­ter und kein ein­fa­cher Adept oder gar No­vi­ze. Zu­dem hat­te er be­reits wäh­rend des Ri­tuals er­kannt, dass das Lied den Dä­mo­nen an sich rief. Da war es doch mehr als selbst­ver­ständ­lich, es au­ßer­halb des Ri­tuals nicht leicht­sin­nig zu re­zi­tie­ren.

Nik­ko war nun wie­der da­von über­zeugt, dass der Fürst­ma­gier ihn nicht zu hin­ter­ge­hen ver­such­te. Er wür­de zwar trotz al­lem die nö­ti­ge Vor­sicht wal­ten las­sen, doch nun galt es erst ein­mal, das ge­ra­de Ge­lern­te auch in die Pra­xis um­zu­set­zen.

Wie aber soll­te er sei­nem Gast­ge­ber klar­ma­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­­