Goldfuß, Jürgen W.

Erfolg durch professionelles Delegieren

So entlasten Sie sich selbst und fördern Ihre Mitarbeiter

 

 

 

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Copyright © 2003. Campus Verlag GmbH

E-Book ISBN: 978-3-593-40052-5

|9|Einleitung: Wenn Fleiß zum Karrierehindernis wird

Geht es Ihnen auch so wie vielen Ihrer Bekannten und Kollegen: Sie haben zu viel zu tun, zu viel Arbeit und zu wenig Zeit? Wünschen Sie sich manchmal ein paar Stunden mehr pro Tag oder gar einen zusätzlichen Arbeitstag in der Woche, damit Sie Ihren Job in Ruhe erledigen können? Haben Sie eine neue Stelle angetreten, wurden befördert, erhielten einen neuen Aufgabenbereich? Und jetzt sind Sie sich nicht ganz sicher, ob Sie all die neuen Aufgaben bewältigen können? Oder sind Sie schon einige Zeit in Ihrer jetzigen Position und würden ganz gerne einige Ihrer Tätigkeiten abgeben, um sich auf andere Dinge konzentrieren zu können? Um mehr Zeit zu gewinnen für Wesentliches, vielleicht sogar für Ihr Privatleben?

Träumen Sie ab und zu

  • von einem leeren Schreibtisch,

  • von Kollegen, die Sie bei der Arbeit entlasten,

  • von Mitarbeitern, die Ihnen nur die Resultate ihrer Arbeit abliefern und nicht mit 1 000 Fragen bei Ihnen im Büro erscheinen und Sie von Ihrer eigentlichen Arbeit abhalten,

  • von freien Stunden am Tag, in denen Sie sich mit der Zukunft beschäftigen können,

  • von Tagen, an denen nicht dauernd Ihr Telefon klingelt, und

  • |10|von Abenden zu Hause, an denen Sie einen angenehmen und interessanten Arbeitstag noch einmal Revue passieren lassen?

Wunderbar, sagen Sie, wenn ich weniger Arbeit hätte, dann könnte ich mir eine solche Situation durchaus vorstellen. Aber Sie haben halt zu viel zu tun. Eigentlich würden Sie aber schon ganz gerne Arbeit abgeben, oder? Aber was könnten Sie abgeben? Und an wen? Und was passiert, wenn etwas passiert, wenn etwas schief geht: Wer trägt dann die Verantwortung? Sind andere überhaupt in der Lage, einen Teil Ihrer Arbeit zu übernehmen? Und mit derselben Qualität auszuführen? Was denkt Ihr Chef, wenn Sie Aufgaben delegieren? Glaubt er vielleicht, Sie seien zu langsam oder etwa überfordert? Und was mögen Ihre Mitarbeiter denken? Etwa, dass Sie einfach zu faul sind, um selber zu arbeiten? Und welchen Einfluss hat Delegieren auf Ihr Image, auf Ihre Karriere?

Delegieren – geht bei Ihnen wahrscheinlich nicht, sagen Sie. Sie sehen einfach zu viele Risiken auf sich zukommen. Deshalb bleiben Sie sicherheitshalber abends länger im Büro – im Glauben, dass Mehrarbeit eben zur Chefrolle gehört. Anderen geht es ja auch nicht anders, das ist eben der Preis für die Karriere. Willkommen im Hamsterrad. Denn durch diesen Irrglauben wurde schon so manche Nachwuchsführungskraft »verheizt«, beraubte sich selbst der Chance, ihr wahres Potenzial zu entfalten. Aber all Ihre Fragen und Befürchtungen sind berechtigt, denn eine der schwierigsten Aufgaben einer Führungskraft ist die Entscheidung, die richtige Aufgabe der richtigen Person zum richtigen Zeitpunkt zuzuweisen.

Diese Entscheidung kann das K.o.-Kriterium für die weitere berufliche Karriere sein. Doch es ist eine bewiesene Tatsache: Der falsche Stolz, alles selbst machen zu wollen, ist der sicherste Weg ins karrieremäßige Aus. Wenn aber selbst erfahrene Führungskräfte oft genug ein Problem haben, richtig zu delegieren, wie soll es dann hoch motivierten und engagierten Nachwuchskräften gelingen|11|, Arbeit richtig zu verteilen. Neue Führungskräfte stellen sehr schnell fest, dass Führen ein »anderes Geschäft« ist als die bisherige Fachtätigkeit. Führen erfordert Zeit. Und gerade diese Zeit fehlt, wenn die Führungskraft alle Aufgaben selbst erledigen will. Die Gefahr, sich in Details zu verzetteln, ist sehr groß. Wichtiges ist selten dringend, und Dringendes ist selten wichtig. Diese Erkenntnis zwingt förmlich dazu, den eigenen Arbeitsablauf zu überprüfen und dafür zu sorgen, dass Arbeiten von Personen ausgeführt werden, die diese Tätigkeiten ebenfalls erledigen könnten – zu geringeren »Kosten«.

Jede Führungskraft sollte sich folgende Fragen stellen:

  • Ist es effektiver, die wichtigen Dinge alle selbst zu erledigen?

  • Welche Tätigkeiten kann ich abgeben?

  • Welche Tätigkeiten muss ich auf jeden Fall behalten?

  • Welches Risiko gehe ich ein, wenn ich anderen die Verantwortung übertrage?

Es gibt Aufgaben, die sich einfach nicht delegieren lassen. Etwa wenn gesetzliche Vorschriften erfordern, dass nur Sie eine bestimmte Tätigkeit ausführen dürfen, weil nur Sie die erforderlichen Qualifikationen oder Genehmigungen besitzen. So gibt es in jeder Branche spezifische Regeln, die eingehalten werden müssen. Gleichzeitig gibt es aber auch sehr viele Möglichkeiten, Arbeiten zu delegieren – viel mehr Möglichkeiten, als Ihnen heute bekannt sind. Ein Tipp ganz zu Anfang des Buches: Haben Sie keine Angst zu delegieren, geben Sie ab, was Sie abgeben können, denn zu viel Fleiß kann das Ende Ihrer Karriere bedeuten. Lassen Sie sich auf den nächsten Seiten Wege aufzeigen, wie Sie die richtigen Antworten auf Ihre Fragen zum Thema Delegieren finden.

|13|Kapitel 1

Delegieren schafft Zeit

 

Kapitelüberblick

 

Wer nicht delegiert, hat zu viel Zeit – wer delegiert, hat mehr Zeit

 

Delegieren zwingt zum Zeit- und Selbstmanagement

 

Delegieren heißt abgeben – aber wer gibt schon gerne etwas ab?

 

Die zehn populärsten Ausreden, warum man nicht delegiert

 

Die zehn besten Gründe, warum man delegieren sollte

 

Die zehn beliebtesten Ausreden der Mitarbeiter

 

Delegieren verbessert die Arbeitsabläufe

|15|Wer nicht delegiert, hat zu viel Zeit – wer delegiert, hat mehr Zeit

Wer nicht delegiert, hat zu viel Zeit. Wer delegiert, hat mehr Zeit. Eine paradoxe Aussage? Nur auf den ersten Blick. Betrachten wir doch einmal eine Führungskraft, die nicht delegiert, die also alles selbst macht. Aus falsch verstandenem Pflichtbewusstsein, aus anerzogenem Arbeitsethos oder ganz einfach deshalb, weil sie noch nie auf die Idee kam, einem anderen Menschen eine Arbeit zu übertragen. Offenbar hat diese Führungskraft ausreichend Zeit zur Verfügung, Zeit, in der sie alle anstehenden Arbeiten verrichten kann. Und wenn die Zeit zu knapp ist, nimmt sie sich einfach neue Zeit aus ihrem Zeitkontingent. Sie wird vielleicht Überstunden machen, am Wochenende arbeiten, Pausen verkürzen oder ausfallen lassen – vielleicht sogar im Büro übernachten. Diese Führungskraft lässt sich ihre Prioritäten vom Tagesgeschäft diktieren und verzichtet freiwillig auf Dinge, die anderen Menschen wichtiger erscheinen. Sie nimmt sich die für die anstehende Arbeit erforderliche Zeit, und offenbar ist noch genügend Zeitreserve im Zeitbudget vorhanden. Ein solcher Chef wirkt nach außen hin dynamisch, viel beschäftigt, fleißig, engagiert, aufopfernd und erfolgreich – zumindest auf den ersten Blick.

|16|Wer nicht delegiert, hat zu viel Zeit. Wer delegiert, hat mehr Zeit.

Es gibt Unternehmen, in denen solche selbstlosen Menschen als Vorbild gepriesen werden.

Vielleicht gehört dieser Arbeitsstil sogar zur Kultur des Hauses. In etlichen Unternehmen werden ein voller Schreibtisch und hektisches Herumwuseln immer noch mit Fleiß und Dynamik gleichgesetzt. Interessant ist in diesem Zusammenhang eine Untersuchung von Heidrick & Struggles, die in der Zeitschrift Wirtschaftswoche erschien. Dort wurden mehr als 500 Manager nach ihren Gründen für einen Jobwechsel befragt. Der Hauptgrund, den Arbeitsplatz zu wechseln, war »Unterforderung«. Ganz am Schluss der Gründe erst rangierte der Punkt »Zwölf-Stunden-Tag«. Das Ergebnis erscheint im ersten Moment überraschend. Man fühlt sich unterfordert, hat aber gleichzeitig anscheinend nichts gegen einen Zwölf-Stunden-Tag einzuwenden. Es gibt also offenbar genug zu tun, und trotzdem wird die Tätigkeit nicht als Herausforderung betrachtet. Der Grund? Wahrscheinlich, weil der Arbeitstag ausgefüllt ist mit diesem vielen »Kleinkram«, den irgendeiner machen muss. Mit den vielen unvorhergesehenen Unterbrechungen, mit all den Problemen, die täglich auf einen zukommen. Sollte man aber als Chef, als Vorbild, sich dann nicht Gedanken machen, wie man den Arbeitstag auf ein gesundes Normalmaß zurückschraubt und sich gleichzeitig mit interessanten Tätigkeiten beschäftigt, die das Unternehmen und einen selbst voranbringen?

Eine weitere Untersuchung (Kienbaum High-Potentials-Studie) zeigt die Gründe auf, warum High Potentials scheitern. (Unter High Potentials versteht man hoch qualifizierte Mitarbeiter, die sich durch besondere Fähigkeiten und ihre Persönlichkeit hervorheben.) Der Hauptgrund für den Misserfolg liegt in der Selbstüberschätzung und dem unangemessenen Sozialverhalten. Selbstüberschätzung heißt, seine eigenen Grenzen und Fähigkeiten nicht |17|richtig einstufen zu können. Die Einstellung: »Ich schaffe das schon alleine« ließ schon manche neue Führungskraft die Grenzen der eigenen Belastbarkeit schmerzhaft spüren. Da hätte das Delegieren von Arbeit so manchen Druck vermeiden können. Delegieren heißt, nicht nur Arbeit, sondern auch Verantwortung abzugeben. Es bedeutet nicht, andere nur zu informieren, sondern auch auf eine adäquate Weise mit ihnen zu kommunizieren. Das setzt allerdings ein von den Gesprächspartnern akzeptiertes Sozialverhalten voraus. Zum Delegieren gehört also nicht nur die Fähigkeit, die eigenen Grenzen rechtzeitig zu erkennen, sondern auch, andere zur Mitarbeit zu überzeugen und zu gewinnen – eine wichtige Voraussetzung für den beruflichen Erfolg. Delegieren bedeutet aber nicht nur die Übertragung von Aufgaben und Verantwortung auf vertikaler Ebene, vom Chef zum Mitarbeiter. Bei den heutigen Arbeitsstrukturen, vor allem in hierarchiefreien Organisationen, ist das Delegieren auf horizontaler, kollegialer Ebene häufig noch wichtiger. Und beim Delegieren auf Kollegenebene sind die offene Kommunikation und ein entsprechendes Betriebsklima unabdingbare Voraussetzung für den Erfolg.

Alle Menschen verfügen über denselben Zeitrahmen, unabhängig von Position, Einkommen oder Herkunft, nämlich 24 Stunden pro Tag. Diese 24 Stunden sollten im Interesse des persönlichen Kapitals, nämlich der eigenen Arbeitskraft und Gesundheit, sinnvoll aufgeteilt werden. Die alte Grundregel, den Tag in drei Teile – Arbeit, Schlaf und »Leben« – zu teilen, hat sich als eine bewährte Regel herausgestellt. Die sich daraus ergebenden acht Stunden für das Berufsleben erscheinen aber oft als ein rein theoretischer Wert, der den Anforderungen einer Führungskraft gerade heute nicht mehr genügt. Wie kann dieser Zielkonflikt sinnvoll gelöst werden? Wie können die steigenden Anforderungen im Berufsalltag mit dem vorhandenen Zeitrahmen in Übereinstimmung gebracht werden? Der Titel des Buches gibt bereits die Antwort: durch professionelles Delegieren. Eine Führungskraft, die delegiert, scheint plötzlich über mehr Zeit zu verfügen, denn die Aktivitäten, die sie |18|nicht selbst erledigt, knabbern nicht an ihrem Zeitbudget. Die vorhandene Zeit steht also für andere Dinge zur Verfügung, für Dinge, die wichtiger erscheinen. Die Führungskraft setzt andere Prioritäten – ohne Aufgaben liegen zu lassen und ohne sich ihrer Verantwortung zu entziehen.

 

Bevor wir uns näher mit dem Thema beschäftigen, lassen Sie uns eine kleine Hochrechnung durchführen. Nehmen wir an, eine Führungskraft verdient im Jahr 100 000 EUR und arbeitet an 200 Arbeitstagen jeweils acht Stunden (warum viele Führungskräfte mit diesen acht Stunden nicht auskommen, wird im Laufe der weiteren Kapitel schmerzhaft klar). Bei 1600 Stunden jährlicher Arbeitszeit ergibt sich pro Stunde ein Kostenfaktor von 62,50 EUR. Wenn diese Führungskraft durch mangelnde Organisation in ihrem Tagesablauf pro Tag eine Stunde »verschenkt«, dann wird im Jahr ein Betrag von 12 500 EUR sinnlos verschwendet. (Würde man das Gehalt dieser Führungskraft um den entsprechenden Betrag reduzieren, dann wäre das Bewusstsein für das Thema wohl sehr schnell aufgefrischt.)

Geld ist nicht alles im Leben. Rechnen wir deshalb das Beispiel in Zeiteinheiten um: Bei 200 Arbeitstagen ergeben sich pro Jahr 200 verschenkte Stunden. Bei einer 40-Stunden-Woche (die bei richtigem Delegieren für jede Führungskraft realisierbar ist) könnte sich die Führungskraft fünf Wochen zusätzlichen Urlaub gönnen. Nun wird bei unseren großzügigen Urlaubsregelungen das Bedürfnis nach fünf Wochen zusätzlichen Urlaubs nur selten vorhanden sein. Aber fünf Wochen pro Jahr, in denen man etwas für die eigene Weiterbildung tun könnte, in denen man Zeit für den Blick über den Tellerrand zur Verfügung hätte – wäre das nicht ein verführerischer Gedanke? Träumen Sie einen Moment davon, was Sie in fünf geschenkten Wochen alles anfangen könnten. Fünf Wochen! Und das Ganze ohne Mehrkosten für das Unternehmen. Die Beschäftigung mit dem Thema Delegieren lohnt sich also aus mehreren Gründen.

|19|Delegieren zwingt zum Zeit- und Selbstmanagement

Es ist nicht zu wenig Zeit, die wir haben, sondern es ist zu viel Zeit, die wir nicht richtig nutzen.

Bevor Sie das Thema Delegieren ernsthaft angehen, haben Sie sich bestimmt schon Gedanken über Ihren Zeithaushalt gemacht. Zu viel zu tun und zu wenig Zeit, das war wahrscheinlich auch bei Ihnen der Auslöser zum Nachdenken. Hin und her gerissen zwischen den beiden Punkten »dringend« und »wichtig«, fällt es Ihnen schwer, immer die richtige Entscheidung zu treffen. Es überkommen Sie häufig Zweifel, ob Sie Ihre Prioritäten richtig gesetzt haben, ob Sie richtig entschieden haben.

Sie wissen bereits: Dringendes ist selten wichtig, und Wichtiges ist selten dringend. Wenn Sie die dringenden Probleme, die in den letzten Tagen auf Ihrem Schreibtisch landeten, einmal Revue passieren lassen, dann werden Sie feststellen, dass es sich meist um weniger Wichtiges handelte, gemessen an allen Aktivitäten in Ihrem gesamten Verantwortungsbereich. Und bei einigen wichtigen Problemen handelte es sich bestimmt um Themen, die auch etwas später hätten geklärt werden können. Weil es im Alltag aber oft so schwierig ist, vor allem »auf die Schnelle« zwischen diesen beiden Punkten zu unterscheiden, werfen wir einmal einen Blick auf ein bekanntes Modell, die ABC-Matrix, auch als Eisenhower-Matrix bekannt (siehe Abbildung 1).

Die ABC-Matrix ist eine Entscheidungshilfe, die zumindest auf den ersten Blick ganz einfach und logisch erscheint. Jede anstehende Aufgabe wird im Koordinatenkreuz positioniert, Basis sind die beiden Achsen »Dringlichkeit« und »Wichtigkeit«. Ist eine Tätigkeit dringend und wichtig, so sollte Sie von Ihnen selbst sofort erledigt werden. Wichtig heißt in diesem Fall, die Aufgabe gehört |20|zu Ihrem ureigensten Verantwortungsbereich. Deshalb muss sie von Ihnen persönlich erledigt werden. Und da sie offenbar dringend ist, muss es sofort geschehen: Es ist eine A-Aufgabe. Handelt es sich nicht um eine dringende Aufgabe, muss sie also nicht sofort erledigt werden, so gehört sie in den Bereich B: Die Aufgabe ist wichtig für Ihre Zielerreichung, für Ihre Karriere, für Ihre Zukunft. Deshalb wird sie für einen späteren Zeitpunkt eingeplant – und bleibt bis zu diesem Zeitpunkt auf Vorlage liegen. Geht es um eine für Ihre Zielsetzung weniger wichtige Aufgabe, die allerdings sofort erledigt werden muss, eine so genannte C-Aufgabe, so sollten Sie diese Aktivität abgeben, also delegieren. Gleichzeitig ist zu prüfen, ob diese Tätigkeit vielleicht reduziert oder ganz eliminiert werden kann. An dieser Stelle ergibt sich durch Hinterfragen der Gründe für eine Arbeit oft erstaunliches Rationalisierungspotenzial, denn manche Arbeiten werden einfach deshalb gemacht, weil sie schon immer gemacht wurden. Nun setzt das Delegieren mindestens |21|zwei Personen voraus, nämlich Sie als »Arbeitgeber« und eine Person, der Sie etwas übertragen können, einen »Arbeitnehmer«. Solange Sie als »Einmannbetrieb« operieren, also nicht an jemanden delegieren können, sollten Sie schleunigst dafür sorgen, dass die C-Tätigkeiten in Ihrem Aufgabenbereich reduziert werden beziehungsweise ganz wegfallen.

|20|Abbildung 1: Die ABC-Matrix der Prioritätensetzung

|21|Aber als Führungskraft stehen Ihnen ja Mitarbeiter zur Verfügung. (Wen sollten Sie sonst führen?) Und diesen Mitarbeitern übertragen Sie nun schrittweise Aufgaben. Betrachten Sie also künftig die auf Sie »einstürmenden« Aufgaben durch die ABC-Brille. Wenn Sie wieder dringend irgendwo einspringen müssen, wenn ein Mitarbeiter ein ganz wichtiges Problem hat, wenn ein Kunde postwendend einen Bescheid erwartet oder auch, wenn Ihr Lebenspartner jetzt sofort eine Antwort von Ihnen verlangt, sollte Ihre Frage lauten: Ist es dringend oder ist es wichtig? Sie werden überrascht sein, wie viele Dinge sich plötzlich relativieren, bei wie vielen Aufgaben der Zeit- und Entscheidungsdruck verschwindet.

Der vierte Quadrant mit der Bezeichnung P (= Papierkorb) enthält alles, was weder dringend noch wichtig ist. Wesentlich für Ihren beruflichen Erfolg ist es, diesen Quadranten Schritt für Schritt zu erweitern. Bei der steigenden Informations-(Müll-)Flut bleibt Ihnen gar keine andere Chance, als Unwesentliches sofort auszufiltern und wegzuwerfen. Trennen Sie sich von allem, was Sie nicht unmittelbar betrifft, was Sie nicht zur Erledigung Ihrer Aufgabe benötigen. Aber birgt Wegwerfen nicht die Gefahr, dass versehentlich etwas Wichtiges weggeworfen wird, dass es sich um eine tatsächlich wichtige Angelegenheit handelte? Ja, sicher, die Gefahr besteht. Aber wo gehobelt wird, fallen Späne. Natürlich besteht statistisch die Möglichkeit, dass Sie etwas wegwerfen, was besser hätte bearbeitet werden sollen. Bei häufiger Anwendung der ABC-Matrix sinkt allerdings die Gefahr des Irrtums. Und Sie können ganz sicher sein, dass Wichtiges irgendwann wieder auf Ihrem Schreibtisch landen wird, vielleicht mit einem höheren Entscheidungsdruck. Wenn Sie allerdings die Alternativen bedenken, nämlich |22|in Daten und Details zu versinken, dann ist die häufigere Benutzung des Papierkorbs, auch des elektronischen, die effektivere Lösung, Ihren Arbeitsalltag in den Griff zu bekommen.

Ein kleines Beispiel zeigt, dass es einfach unmöglich ist, mit den produzierten Informationsmengen nur ansatzweise Schritt zu halten. So werden derzeit jeden Tag 20 Millionen Wörter alleine an technischen Informationen produziert. Ein Leser, der 1000 Wörter pro Minute lesen könnte, bräuchte 1,5 Monate und acht Stunden, um sich über nur diesen einzigen Tag zu informieren. Während dieser Zeit wäre er schon fünf Jahre hinter die Informationslawine zurückgefallen – keine Chance also, auf dem Laufenden zu bleiben.

Zurück zum Quadranten C. Um einige Ihrer Tätigkeiten erfolgreich delegieren zu können, müssen Sie sicherstellen, dass Ihre »Stellvertreter« über das entsprechende Wissen und die notwendigen Fähigkeiten zur Durchführung der Aufgabe verfügen. Eine Arbeit lediglich abzugeben kann fatale Folgen haben, nämlich dann, wenn der »Empfänger« mit dem Job total überfordert ist. Versetzen Sie sich in die Lage eines Elternteils: Sie möchten, dass Ihr Kind möglichst schnell auf »das Leben« vorbereitet wird und selbstständiges, eigenverantwortliches Handeln erlernt. Sie sind aber manchmal unsicher, ob Ihre Forderungen bereits erfüllt werden können oder ob die Ihnen anvertraute Person nicht durch Ihre gut gemeinten Ansprüche überfordert wird. Dazu mehr in Kapitel 4.

 

Mit Abbildung 2 möchten wir Ihnen ein Hilfsmittel vorstellen, das Ihnen das Planen des »Abgebens«, des Delegierens, erleichtert. Links sehen Sie Ihre eigene Arbeitsbelastung, rechts die Ihrer Mitarbeiter. Die senkrechte Linie »Heute« zeigt, wie viel Arbeit Sie bereits heute delegieren. Nun planen Sie auf der horizontalen Zeitachse, deren Maßstab Sie selbst wählen, wie viel Prozent Ihrer Tätigkeit Sie bis wann zusätzlich an Ihre Mitarbeiter delegieren wollen|23|. Wie das geschehen kann und was dabei zu beachten ist, erfahren Sie im weiteren Verlauf des Buches. Bestimmt ist Ihnen auf den ersten Blick aufgefallen, dass bei konsequenter Anwendung dieser Planung irgendwann der Tag kommt, an dem Sie alles delegiert haben – und für Sie nichts mehr zu tun ist. Ein schöner Gedanke, oder? Aber seien Sie beruhigt: Es gibt einen Unterschied zwischen der statischen Grafik und der dynamischen Praxis. Immer wieder werden neue Aufgaben und Anforderungen auf Sie zukommen, die Arbeit geht Ihnen nicht aus. Aber wenn Sie sich nicht im Voraus darüber Gedanken machen, wie Sie einen planbaren Prozentsatz Ihrer Arbeit delegieren können und in welchem Zeitraum, dann werden Sie nie die gewünschten Freiräume erreichen. Hören Sie nicht auf zu delegieren!

Ein anderes bekanntes Werkzeug, das Führungskräften das Leben leichter macht, ist die Pareto-Methode (siehe Abbildung 3).

Diese von dem italienischen Nationalökonomen und Soziologen Vilfredo Pareto entdeckte Gesetzmäßigkeit beweist, dass wir 80 Prozent unserer Zeit einsetzen, um lediglich 20 Prozent unserer Resultate zu erzielen. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass wir |24|mit lediglich 20 Prozent unserer Zeit 80 Prozent unserer Resultate erzielen. Wenn Sie das Pareto-Prinzip zum Beispiel auf die Kundenbeziehungen eines Unternehmens anwenden, dann ergibt sich verblüffenderweise die Erkenntnis, dass mit 20 Prozent der Kunden 80 Prozent des Umsatzes erzielt werden. Nutzen Sie diese Methode bei der Analyse möglichst vieler Aufgabenstellungen in Ihrem beruflichen und privaten Umfeld, Ihr Blick für das Wesentliche wird sich verschärfen. Sie erkennen dann, wie wichtig es ist, sich auf die entscheidenden Punkte Ihres Aufgabenbereiches zu konzentrieren – und alles andere zu delegieren. Für Sie heißt das auch, dass Sie vor dem Delegieren von Aufgaben Ihre bisherige Zeit- und Aktivitätenverteilung betrachten und analysieren müssen. Nur dann sind Sie in der Lage, die richtigen Aufgaben an die richtigen Leute zu übertragen und den größten Nutzen beim Delegieren zu erzielen.

|23|Abbildung 2: Hören Sie nicht auf zu delegieren

|24|Abbildung 3: Das Pareto-Prinzip

Wenn wir nun die ABC-Analyse und das Pareto-Prinzip in einer Grafik kombinieren (siehe Abbildung 4), dann wird die Bedeutung der entscheidenden 20 Prozent noch einmal ersichtlich. Auf der horizontalen Achse finden wir die bekannte ABC-Einteilung. Die vertikale Achse zeigt die Wichtigkeit der Tätigkeit für Ihren Erfolg. Hier wird die »Hebelwirkung« Ihrer Planung deutlich, mit |25|relativ wenig Aufwand einen Großteil des Erfolgs zu erzielen. Konkretisieren Sie diese Grafik für Ihren unmittelbaren Verantwortungsbereich, und aktualisieren Sie die Daten regelmäßig. Sie werden schnell feststellen, dass Sie bedeutend effektiver arbeiten können durch Konzentration auf das Wichtigste und Delegieren der verbleibenden Aufgaben.

Abbildung 4: ABC-Analyse kombiniert mit Pareto-Prinzip

Ein weiteres interessantes Phänomen begegnet Ihnen täglich – eine Effektivitätsbremse, die Sie in beinahe jedem Büro »live« erleben können: der Sägezahn-Effekt (siehe Abbildung 5). Wie eine Säge mit scharfen Zähnen reißt dieser Effekt »Wunden« in Ihre Zeitplanung. Und wie bei jeder Wunde gilt: die Zeit für den Heilungsprozess dauert länger als das Verursachen der Verletzung. Was aber |26|hat eine Säge mit Ihrer eigentlich gefahrlosen Bürotätigkeit zu tun? Gehen Sie in Gedanken kurz in Ihr Büro. Sie sitzen an Ihrem Schreibtisch und grübeln an einem Problem. Ihre Konzentration baut sich auf, Sie gewinnen die Sicherheit, einer Problemlösung immer näher zu kommen. Da kommt die erste Unterbrechung, das Telefon klingelt. Ihre Konzentration auf das Problem fällt sofort auf null zurück, Sie müssen sich nämlich auf etwas anderes konzentrieren, auf Ihren Gesprächspartner und dessen Thema. Nach Beendigung des Gespräches und einer kurzen Umschaltzeit Ihrer Gedanken möchten Sie dort weitermachen, wo Sie vorher aufhörten. Das geht aber leider nicht, denn Sie sind ja mittlerweile unterbrochen worden und benötigen deshalb eine Anlaufzeit, bis Sie wieder im Thema stehen. Ihre Konzentration steigt auf das notwendige Maß an – da klopft es an Ihrer Tür, ein Mitarbeiter benötigt Ihre Hilfe. Hilfsbereit, wie Sie sind, wenden Sie sich sofort dem neuen Problem zu. Nach Beendigung der Unterbrechung denken Sie sich wieder in Ihr ursprüngliches Problem hinein. Sie können nur hoffen, dass Sie lange genug unterbrechungsfrei arbeiten können, um zum gewünschten Resultat zu kommen. Je mehr Zeit allerdings Ihre Aufgabe erfordert, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie ungestört bis zum Ende arbeiten können. Sie arbeiten bis zu einem gewissen Punkt, werden unterbrochen, fangen wieder neu an, werden wieder unterbrochen ... Sie kommen sich irgendwann vor wie ein berühmter Grieche: Sisyphus, der mit dem Stein. Wenn Sie nun die Zeitmenge in den schraffierten Flächen addieren, dann stellen Sie fest, dass Sie ein Vielfaches der tatsächlich erforderlichen Zeit verschwendet haben. Der Mehraufwand kann sehr schnell den Faktor 10 erreichen. Sie ahnen bereits, warum Ihre geplante Arbeitszeit oft nicht ausreicht? Wenn Sie es nicht schaffen, die Unterbrechungen zu unterbrechen, Ihre Mitarbeiter dahin zu bringen, dass sie alleinverantwortlich und selbstständig arbeiten, dann werden Sie weiterhin einen Großteil des Tages sinnlos gegen den Sägezahn-Effekt ankämpfen. Ein verlorener Kampf.

|27|Abbildung 5: Der Sägezahn-Effekt