Über die Autorin

Sandra König wurde 1986 in Kassel geboren, seitdem lebt sie in Vellmar, einer Kleinstadt im Landkreis von Kassel. Schon zu ihrer Kinder- und Jugendzeit hat sie gerne Geschichten erfunden und aufgeschrieben. Den Traum, irgendwann ein eigenes Buch in der Hand zu halten, hatte sie bereits zu dieser Zeit. Im Herbst 2013 packte sie diesen beim Schopf und begann Zeile für Zeile ihr Debüt zu schreiben.

Melancholische Musik, ein Platz in der Sonne oder am Wasser, das sind für Sandra König die schönsten Orte und Gegebenheiten, um neue Ideen für ihre Geschichten zu sammeln. Immer mit dabei – ein Notizbuch, um alle Ideen, Gedanken oder Gefühle zu notieren.

Copyright: © Sandra König, März 2018 (Erstausgabe)

2. Auflage: © Sandra König, Januar 2021

Covergestaltung & Illustration: Books on Demand GmbH,

Norderstedt

Bildnachweis – www.fotolia.de:

Stars and tree with a raven on it –© astrosystem

Celtic raven Spell with a sinister raven head materialising

–© Heartland Arts

Lektorat: Jil Aimée Bayer (www.jil-aimee.com)

Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH,

Norderstedt

ISBN: 9783752818116

Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigungen, auch auszugsweise, bedürfen der ausdrücklichen Genehmigung der Autorin. Sämtliche Handlungen, Charaktere und Dialoge in diesem Buch sind rein fiktiv. Jegliche Übereinstimmung mit realen Personen, öffentlichen Einrichtungen oder Geschäften ist zufällig und nicht beabsichtigt.

Bereits von der Autorin erschienen:

Blue Fighter Island (Jugendroman)

Die Raben-Bande: Giftköder! (Band 2)

Für meine Eltern, die mir eine wunderbare Kindheit

geschenkt haben.

Inhaltsverzeichnis

Emilia – die Neue

Schon beim Frühstück war Emilia nervös. Was, wenn Papa wieder nichts für mich hatte, dachte sie. Prüfend blickte sie kurz zu ihm, dann nahm sie all ihren Mut zusammen.

»Papa, hast du das Geld heute?«, fragte Emilia und trank einen Schluck von ihrem Kakao.

Emilias Klassenlehrerin plante für den nächsten Wandertag in der Schule einen Ausflug in einen Freizeitpark. Die achtzig Euro sollten für die Busfahrt und den Eintritt in den Park sein. Bisher war Emilia noch nie in einem Vergnügungspark gewesen. Rebecca, Emilias neue Freundin, hatte ihr einen Flyer gezeigt und sie neugierig gemacht. Die beiden waren wie sämtliche ihrer Klassenkameraden zwölf Jahre alt und besuchten die sechste Klasse der Gesamtschule in Vellmar.

»Schatz, du weißt doch, dass es im Moment nicht geht«, versuchte ihre Mutter, die Lage zu retten.

Traurig blickte Emilia zu ihrer Mutter, als diese liebevoll über die Hand ihrer Tochter strich. Die drei waren erst vor einigen Monaten von Russland nach Vellmar gezogen. Vellmar war zwar eine kleine Stadt im Landkreis Kassels, aber für Emilia das kleinste Kaff der Welt, doch ihr Vater hatte hier am Staatstheater einen neuen Job bekommen und ihre Mutter am Rathausplatz einen kleinen Laden mit russischen Spezialitäten eröffnet. Emilias Vater war in Deutschland geboren. Seine Eltern waren mit ihm nach Russland gezogen, als er gerade einmal in Emilias Alter gewesen war. Für ihn war es damals nicht einfach, sich an ein neues Leben in einem fremden Land zu gewöhnen. Dass er nun zurück in seiner Heimat war, freute ihn sehr. Alena – seine Frau – hatte er die deutsche Sprache beigebracht, als sie sich kennenlernten. So wuchs Emilia zweisprachig auf.

»Alena, lass gut sein. Emilia, ich bringe dir die achtzig Euro heute Nachmittag mit. Du brauchst das Geld ja erst morgen«, sagte Emilias Vater und blickte seine Frau liebevoll an.

Geld war in der Familie wegen des Umzugs noch knapp, aber Hilfe von der Schule wollten sie nicht annehmen.

»Danke, Papa«, flüsterte Emilia schüchtern und senkte den Kopf.

Verlegen schaute sie auf ihre Schale mit Cornflakes. Schweigend löffelte sie sie leer. Als sie plötzlich auf die Uhr blickte, zuckte sie zusammen und sprang hastig auf.

»Was ist los?«, fragte Emilias Mutter erschrocken.

»Ich muss los, wir schreiben heute in der ersten Stunde eine Mathearbeit, da wäre ich lieber etwas früher da, um mit Rebecca noch mal alles durchzugehen.«

Zügig packte Emilia ihre Schulsachen zusammen, während ihre Mutter sie skeptisch dabei beobachtete. Sie nahm ihrer Tochter die Eile nicht ab. Sonst war Emilia nicht so hektisch vor einer Arbeit. Fragend schaute Alena ihren Mann an, doch Dimitri zuckte nur mit den Schultern, ehe er seinen Blick wieder in die Zeitung senkte, die er morgendlich immer zum Frühstück las.

Emilia überschlug sich fast beim Hinunterrennen in den Keller. Schnell griff sie nach ihrem Fahrrad, schob es nach draußen und strampelte, was das Zeug hielt. Sie musste es einfach schaffen. Sie durfte diesem Mistkerl nicht schon wieder in die Finger geraten. Ihr Herz raste und pochte wie wild, als sie den steilen Hügel am Friedhof hinunterfuhr. Eigentlich sollte sie nicht über das Feld mit dem abschüssigen Hang fahren, sondern den offiziellen Fahrradweg entlang der Straße nutzen. Doch so war Emilia schneller und ihre Eltern mussten davon ja nichts erfahren. Es war Ende August und der Tag begrüßte sie mit strahlender Sonne und blauem Himmel – so weit Emilias Augen reichten. Dennoch wehte ein sanfter Sommerwind, der auf Emilias Armen eine leichte Gänsehaut auslöste und sie erschauern ließ. Die Vögel zwitscherten friedlich vor sich hin, was so gar nicht zu ihrer inneren Unruhe passen wollte.

Emilia trug an diesem Morgen eine kurze Hose und ihr Lieblingsshirt. Es war ein weinrotes T- Shirt mit Pailletten in Sternform drauf. Emilia war ein sportliches Mädchen. Ihre langen, blonden Haare band sie meistens zum Zopf zusammen. An ihrem linken Unterarm stach eine Brandwunde hervor, die sie sich vor zwei Jahren zugezogen hatte. Als sie den Friedhof und den Hang hinter sich gelassen hatte, raste sie durch einen Tunnel hindurch. Über diesem fuhren regelmäßig Züge sowie die RegioTram. Emilias Weg führte sie am Einkaufsmarkt vorbei und dann über die Hauptstraße. An diesem Morgen war zum Glück nicht viel los, sodass sie schnell vorankam. Emilia war etwas früher dran als sonst. Als sie nach wenigen Minuten in den Ahnepark fahren wollte, verlangsamte sie ihr Tempo. Ängstlich blickte sie sich um. Weit und breit war niemand zu sehen. Da seit einigen Wochen am Eingang des Parks gebaut wurde, musste sie die Umleitung durch die Unterführung fahren. Sie führte unter der Schnellstraße hindurch, über die die Autos bereits am frühen Morgen rollten. Die Ahne lief hier sehr schmal durch und nur bei starkem Regen trat der kleine Fluss über. Auch der Fußgänger- beziehungsweise Radweg entlang der Unterführung war hier nur sehr schmal und Emilia sollte besser absteigen und das Rad schieben, aber die Angst kroch in ihr hoch. Sie wollte schnell und ohne Probleme an der Schule ankommen – ohne wieder abgefangen zu werden. Emilia bremste etwas ab, bevor sie in den Tunnel hineinfuhr, und ließ misstrauisch ihren Blick schweifen, um sich wirklich sicher zu sein, dass ihr keiner gefolgt war, dann strampelte sie weiter.

Links von ihr befand sich die Brückenwand und rechts ein Geländer, das sie von der Ahne trennte. An diesem Morgen plätscherte das Flüsschen friedlich vor sich hin. Auf der anderen Seite hatten Sprayer die zweite Wand mit hässlichen Graffiti besprüht. Das Durchqueren der Unterführung war zudem weniger eine Umleitung als eher eine Art Abkürzung, wie Emilia jetzt feststellte, sodass sie schneller die Schule erreichen konnte.

Müsste sie durch den ganzen Park fahren, würde sie das einiges mehr an Zeit kosten. Sie atmete tief durch, als ihr plötzlich jemand den Weg versperrte. Es war Mirko!

Verdammt, dachte sie. Dann konnte Sascha nicht weit sein. Am liebsten hätte sie voll in die Pedale getreten, um Mirko umzufahren, doch sie bremste abrupt ab.

In die Enge getrieben

»Na, wohin so eilig?«, fragte Mirko in beängstigendem Tonfall.

Seine Arme hatte er vor seinem Oberkörper verschränkt, seine braunen Augen waren starr auf Emilia gerichtet. Der Blick wirkte eiskalt und seine Stimme bedrohlich tief für sein Alter.

Ängstlich blickte Emilia zu Boden und stieg vom Fahrrad ab. Just in diesem Moment tauchte ein zweiter Junge auf und stellte sich dicht neben Mirko.

»Du willst uns doch nicht etwa austricksen?«

»Nein«, flüsterte Emilia, den Blick noch immer zu Boden gesenkt.

Schnell griff der größere der beiden Jungs Emilia am Arm und zog sie mit sich. Weg von der Unterführung, einen Hügel hinauf und hinters Gebüsch. Ihr Fahrrad ließ sie vor Schreck los und es kippte zur Seite. Von hier aus konnte sie den Festplatz von Vellmar sehen und auch die Schule lag nur wenige hundert Meter entfernt. Mirko war etwas kleiner als sein Freund und schob ihr Fahrrad hinterher. Unachtsam legte er es auf die Wiese neben dem Gebüsch, wo man es vom Weg aus noch sehen konnte.

»Was wollt ihr von mir?« Emilias Stimme bebte, so sehr wühlte sie diese Situation auf. Beinahe hätte sie es heute geschafft. Mist, verdammt, rauschte es durch ihren Kopf.

»Wegzoll, das weißt du doch«, zischte Sascha. »Nun rück schon raus damit!«

Er stand ganz dicht vor ihr und hielt seine Hand auf, doch Emilia hatte nichts dabei, was sie ihm geben konnte. Ängstlich blickte sie zur Seite.

»Hey, Sascha, die will uns wohl verarschen!«, rief Mirko.

»So weit kommt es noch. Jetzt gib schon her!«, brummte dieser und sein Blick wurde wild.

»Ich habe das Geld vergessen. Ich bringe es morgen mit, sogar das Doppelte, versprochen«, wimmerte Emilia und duckte sich etwas, so eingeschüchtert war sie in diesem Moment.

»Willst uns wirklich verarschen, was?«, fragte Mirko.

Schnell schüttelte Emilia den Kopf, traute sich aber nicht, die beiden anzuschauen.

»Du weißt doch, was passiert, wenn du nicht zahlst, oder?«, fauchte Sascha.

Emilia schwieg und nickte vorsichtig. Sie wusste nur zu gut, was geschah, wenn sie nicht spurte und ihnen das Geld gab. Sascha rückte noch dichter an sie heran und hob drohend die Faust nach oben. Emilia wäre beinahe vor Angst zurückgezuckt, doch sie wollte sich heute unbedingt zusammenreißen.

»Wenn du das Geld morgen nicht dabei hast, dann passiert etwas im Laden deiner Mutter! Das wird meinem Vater gar nicht gefallen und …« Ehe er weitersprechen konnte, wurde er durch ein seltsam hohes Geräusch abgelenkt. Es klang nach quietschenden Fahrradreifen. Eine Stimme rief nach Emilia. Erschrocken blickten Sascha und Mirko sich um. Hatte sie jemand belauscht? Schnell reagierte Sascha und legte seinen Arm um Emilias Schulter, als seien sie die besten Freunde. Keine Sekunde zu spät, denn schon im nächsten Moment erklang die fremde Stimme erneut. Sie kam immer näher.

Ben – der Bandenchef

»Emilia? Bist du hier?«, rief Ben.

Er war heute Morgen früher von zu Hause losgefahren, um Emilia alleine zu erwischen. Ben mochte Emilia sehr und wollte sie am Nachmittag auf ein Eis einladen. Da er wusste, wo Emilias Schulweg entlangführte, hatte er heute den gleichen Weg gewählt. Sonst nahm er mit seinem besten Freund Alex immer den Fahrradweg nahe der Hauptstraße, obwohl Ben das ziemlich uncool fand. Schließlich waren er und Alex schon zwölf Jahre alt und besuchten die sechste Klasse der Gesamtschule.

Ben Kramer war ein liebenswerter Junge. Seine Haut war von der Sonne braun gebrannt. Seine blauen Augen strahlten Güte und Freundlichkeit aus. Auf der Nase hatte er leichte Sommersprossen, was ihn aber nicht weiter störte. Seinen Pony hatte er stets nach oben gegelt und keiner durfte ihm über die Haare streichen. Schließlich wollte er nicht, dass seine Frisur versaut wurde.

Sie seien keine Kleinkinder mehr