Frida Skybäck
Das Geheimnis des Bücherschranks
Roman
Aus dem Schwedischen von Hanna Granz
Insel Verlag
Für meine Großmutter Kerstin
und all die mutigen Frauen und Männer,
die ihr Leben riskierten, um im Herbst 1943
Flüchtenden über den Öresund zu helfen
PROLOG
Anna starrt in den Spiegel und erkennt sich kaum wieder. Ihr Gesicht ist blass, die Haut grau und porig und das Haar glanzlos. In letzter Zeit hat sie kaum Appetit gehabt.
Hinter ihr steht ihre Mutter und befestigt den Schleier in ihrem Haar. Anna spürt jede einzelne Nadel, die sie ihr in die Hochsteckfrisur sticht, auf der Kopfhaut. Anschließend richtet die Mutter den dünnen Flor. Anna sieht den Ernst in ihren Augen und die Falten um ihre angespannten Mundwinkel.
Das weiße Kleid glänzt im Licht der Lampe, und Anna blickt an dem wogenden Stoff herab. So schlicht wie möglich, hatte sie die Schneiderin gebeten. Aber angemessen für eine Hochzeit in besseren Kreisen, hatte die Mutter hinzugefügt. In besseren Kreisen. Anna spürt, wie Panik in ihr aufsteigt. Es schnürt ihr die Kehle zu, sie kann kaum atmen. Vorsichtig zupft sie an ihrem Halsausschnitt, um den enganliegenden Spitzenkragen zu lockern.
»Ich weiß nicht, ob ich es schaffe«, murmelt sie.
Ihre Mutter stellt die Schachtel mit den Haarnadeln beiseite. »Jetzt sitzt er richtig«, stellt sie zufrieden fest.
Anna versucht zu nicken, doch es gelingt ihr nicht. Stattdessen wird sie plötzlich überwältigt von allem, was ihr in den letzten Wochen widerfahren ist. Sie schluchzt und spürt den Arm der Mutter um sich.
»Ist ja gut«, tröstet sie und streichelt Anna unbeholfen über den Rücken. »Es wird schon werden.«
Ihre Stimme ist weich, aber da ist auch noch etwas anderes, ein verärgerter Unterton. Anna kennt ihn nur zu gut und fürchtet, die Geduld ihrer Mutter überzustrapazieren. Sie muss den Gefühlssturm in ihrer Brust unterdrücken, darf sich bloß nichts anmerken lassen.
»Es ist völlig normal, nervös zu sein«, fährt ihre Mutter fort und lächelt. »Ich bin bei meiner Hochzeit fast in Ohnmacht gefallen, vor lauter Angst, es könnte etwas schiefgehen – dass der Florist es mit dem Blumenschmuck nicht schaffen würde, dass das Essen ausgehen oder der Priester sich versprechen könnte. Aber es ist alles gutgegangen.«
Sie blickt zu Boden, und Schweigen breitet sich zwischen ihnen aus. Die Mutter ist ihr so nah, dass Anna sie anfassen könnte, und gleichzeitig unendlich fern. Sie haben noch nie richtig miteinander reden können, jedenfalls nicht über die wirklich wichtigen Dinge.
»Ich schau mal, wie weit die Vorbereitungen gediehen sind«, sagt die Mutter schließlich und geht zur Tür. Anna beißt sich auf die Lippen. Sie möchte jetzt nicht allein sein, aus Angst vor den Gedanken, die dann über sie kommen könnten, kann ihre Mutter jedoch auch nicht bitten, zu bleiben.
Langsam tritt sie ans Fenster. Die Aussicht ist atemberaubend. Man sieht das graublaue Meer und den Wind, der am Strandgras auf den Dünen reißt. Eine standesgemäße Villa, nur ein paar Kilometer von Hillesgården entfernt. Besser hätte sie es nicht treffen können, hat ihre Mutter begeistert erklärt, als sie das erste Mal hier waren. Die Vorstellung, dass sie jetzt hier leben soll, dass dies ihr Zuhause sein wird, erscheint Anna surreal.
Sie legt die Hand an die Scheibe und spürt, wie die Kälte in ihre Finger dringt. Die ganze Zeit hat sie sich eingeredet, wenn es erst so weit wäre, würde schon alles besser. Doch tief in ihrem Innern spürt sie, dass ihr Herz nach wie vor rebelliert.
Das Schlafzimmer ist ganz in Blauweiß gehalten. Auf dem Bett liegt ein gehäkelter Überwurf, und jemand hat Blumen auf die Kommode gestellt. Alles ist schön. Es gibt nichts auszusetzen, dennoch verspürt sie einen so starken Widerwillen. Tief in ihrem Herzen hofft sie immer noch auf ein Wunder.
Sie schließt die Augen und hört wieder die Stimme ihrer Mutter. Sei nicht so egoistisch. Denk auch an uns, auch wir müssen mit deinen Entscheidungen leben. Sie versucht, tief durchzuatmen.
Sie hat so viele Fragen, auf die sie Antworten braucht. Es fühlt sich an, als befände sie sich mitten in einem Sturm. Wie soll sie wissen, was richtig ist und was nicht?
Sie schaut in den Garten hinaus, sieht die wintergrünen Sträucher an der Mauer und ahnt das Rauschen des Meeres in der Ferne. Die Trauer, an der sie trägt, wiegt schwer, dennoch darf sie sich nichts anmerken lassen. Die Welt um sie herum zieht sich zusammen. Im Augenblick gibt es nur einen einzigen Weg. Sie muss sich damit abfinden.
Behutsam löst sie die Haken und öffnet das Fenster. Der kalte Novemberwind fährt herein und zerrt an ihrer Frisur, doch es kümmert sie nicht. Sie muss das Meer hören, muss seinen salzigen Duft einatmen.
»Verzeih«, flüstert sie, und ein wilder Schmerz durchfährt ihre Brust. »Mein Liebster, verzeih.«
1
Rebecka geht ein letztes Mal durch die große Eckwohnung, um zu prüfen, dass sie auch nichts vergessen hat. Die Morgensonne malt breite Streifen auf den Teppich, und der Couchtisch aus Glas und Metall funkelt in ihrem Licht.
Joar lehnt an der Küchenanrichte, einen Espresso in der Hand. Er trägt seinen grauen, maßgeschneiderten italienischen Anzug, das Jackett betont die Schulterpartie. Wie immer sieht er elegant und gleichzeitig reserviert aus, wie jemand, dem alles im Leben geglückt ist und der sich dennoch nicht in den Vordergrund drängen will.
»Ich finde nach wie vor, dass es eine schlechte Idee ist, ausgerechnet jetzt zu fahren. Du solltest hierbleiben und deinem Chef beweisen, dass es eine Fehlentscheidung war. Jetzt Urlaub zu nehmen ist ein völlig falsches Signal.«
»Aber meine Oma liegt im Krankenhaus.«
»Ich weiß, aber die Schwester, mit der du geredet hast, meinte doch, es sei gar nicht so schlimm. Außerdem kann sich doch deine Mutter um sie kümmern, zumindest bis zum Wochenende.«
Rebecka schüttelt den Kopf.
»Ich muss jetzt fahren. Du weißt, dass ich ewig nicht zu Hause war.«
»Okay, mach, was du willst. Aber es wird schwieriger werden, ihn zur Umkehr zu bewegen, wenn du nicht sofort Einspruch einlegst.«
»Ich weiß«, murmelt sie.
Joar richtet sich auf.
»Du bist doch nicht sauer, weil ich nicht mitkomme?«
»Nein, kein Problem. Du hast ja deine Gerichtsverhandlung.«
Er wirkt erleichtert, wirft seinem Spiegelbild im Flur noch einen Blick zu und rückt den gestärkten Hemdkragen zurecht.
»Es ist mein bisher wichtigster Fall«, sagt er. »Aber wenn etwas ist, kannst du natürlich anrufen.«
Rebecka nickt. Obwohl sie weiß, dass Joar so kurzfristig keinen Urlaub nehmen kann, ist sie ein wenig enttäuscht. Er hat sie bisher nur ein einziges Mal zu ihrer Familie nach Helsingborg begleitet – und musste selbst diesen Besuch wegen eines Notfalls auf der Arbeit vorzeitig abbrechen. Rebecka dreht an ihrem Verlobungsring. Es wäre schön gewesen, Joar als Unterstützung dabeizuhaben, gleichzeitig weiß sie, dass ihr Leben nun einmal so ist. Sie haben beide sehr viel in ihre jeweiligen Karrieren investiert, und er kann wegen ihr nicht einfach alles stehen- und liegenlassen.
Der Handgriff ihres stahlgrauen Koffers klickt, als sie ihn herauszieht. Sie muss los, dennoch zögert sie. Als Joar seine Tasse abstellt und auf sie zugeht, spürt Rebecka, wie sehr sie seine Umarmung bräuchte, doch er küsst sie lediglich flüchtig auf die Stirn.
»Dann sehen wir uns in ein paar Tagen, okay?«
»Ja«, antwortet sie.
Am Bahnhof ist es voll, Rebecka läuft zickzack durch die Menge bis zum Gleis und steigt in ihren Zug. Sie fühlt sich seltsam benommen – hört die Leute um sich herum reden, kann aber nicht aufnehmen, was sie sagen. Als ein behäbiger Schaffner mit zu enger Weste sie anspricht, nickt sie nur und hält ihm ihre Fahrkarte hin. Sie hat keine Ahnung, was er eigentlich wollte, folgt ihm aber mit den Augen, als er weiter durch den Waggon geht. Der Zug fährt an und gleitet durch die Stadt. Schlängelt sich und krängt, sodass der Schaffner wankt und sich an den Sitzlehnen festhalten muss.
Als sie Stockholm hinter sich gelassen haben, kann Rebecka endlich entspannen. Sie lehnt sich an die Fensterscheibe. Die halbe Nacht hat sie wachgelegen und sich zwischen zerknautschten Laken gewälzt. Gegen vier hatte sie genug und setzte sich mit einer Tasse Tee in die Küche. Schaute in die Fenster anderer erleuchteter Wohnungen in der ansonsten einsamen Dunkelheit draußen.
Es fällt ihr schwer, nicht an die Konferenz gestern zu denken. Viele Jahre hat sie auf die Stelle als Senior-Managerin hingearbeitet. In den vielen frühen Morgen- und den späten Abendstunden im Büro ist es immer dieses Ziel gewesen, das sie vor Augen gehabt hat. Jedes Mal, wenn sie aufgrund der Arbeit Partys, Urlaube oder nette Einladungen zum Essen ausschlagen musste, hat sie gedacht, dass es sich eines Tages auszahlen würde, wenn sie erst die jüngste Senior-Managerin aller Zeiten bei Henning & Schusters würde. Und Birgitta, ihre Abteilungsleiterin, hatte ihr die Stelle versprochen, warum also wurde stattdessen Markus befördert?
Joar ist der Meinung, sie solle die Entscheidung anfechten, Rebecka weiß jedoch, dass es nichts nutzen würde. Ihr oberster Chef wird niemals eine Entscheidung rückgängig machen. Und seitdem sie einmal den Goodwill, also den Geschäfts- und Firmenwert eines ihrer größten Kunden, beanstandet hat, dessen Unternehmen in ihren Augen viel zu hoch angesetzt worden war, hat Boman sie auf dem Kieker. Rebecka fand, die Firma müsse eine Abschreibung machen, Boman entschied jedoch, die Sache auf sich beruhen zu lassen. Erst im Nachhinein hat sie begriffen, dass er ihren Einwand als direkte Kritik an sich selbst verstanden haben muss.
Der Zug hat an Fahrt aufgenommen und rumpelt über die Schienen, Rebecka schaukelt auf ihrem Sitz hin und her. Weiter vorn beobachtet sie zwei Frauen. Sie sitzen einander gegenüber, die eine ist ungefähr in ihrem Alter und vermutlich die Tochter der anderen, und sie reden vertraulich miteinander, hin und wieder lachen sie auch.
Rebecka muss an ihre Mutter Camilla denken. Seit ihrem letzten Heimatbesuch vor vier Jahren haben sie sich nicht mehr gesehen, sondern nur noch telefoniert. Kurze, halbherzige Gespräche zu Weihnachten oder zu den Geburtstagen. Und jedes Mal ist es gleich schwierig gewesen. Es scheint, als hätten sie einander nichts zu sagen, als sprächen sie völlig unterschiedliche Sprachen. Ihre Telefonate sind knapp und angespannt und machen Rebecka schmerzhaft bewusst, wie tief der Graben zwischen ihnen ist.
Der weinrote Nagellack blättert, Rebecka knibbelt daran herum. Soll sie ihre Mutter anrufen? Wahrscheinlich weiß sie ohnehin längst, was passiert ist. Die Mitarbeiterin vom ambulanten Pflegedienst hat sich sicherlich auch bei ihr gemeldet. Bestimmt sehen sie sich im Krankenhaus. Denn wenn Oma im Krankenhaus liegt, wird sie sie ja wohl auch besuchen?
Eigentlich hat Rebecka sich immer regelmäßig bei ihrer Großmutter gemeldet, aber in den letzten Wochen hatte sie so viel mit einem wichtigen Projekt zu tun, dem nach der Firma des Kunden so genannten AT-Projekt, dass sie es nicht geschafft hat, und jetzt nagt das schlechte Gewissen an ihr. Ihre Großmutter war immer die Konstante in ihrem Leben gewesen, hatte immer ein offenes Ohr für sie gehabt. Da hätte sie selbst sich wenigstens die Zeit nehmen müssen, sie möglichst oft anzurufen.
Draußen vor dem Fenster zieht die Landschaft vorbei – Wiesen, Seen, von Industrie geprägte kleine Städte sowie einzelne Gehöfte. Rebecka greift nach ihrem Handy. Dann zögert sie. Die Krankenschwester, mit der sie gestern gesprochen hat, meinte, dass sie die Großmutter hätten operieren müssen, weil sie sich die Hand gebrochen hatte, und dass sie nun in der Aufwachstation liege. Da sie sehr angespannt geklungen hatte, hatte Rebecka nicht noch mal angerufen, um sie nicht unnötig zu stören. Ihre Großmutter war wahrscheinlich ohnehin zu geschwächt, um zu telefonieren, und so hatte sie die Schwester nur gebeten, ihr auszurichten, sie sei unterwegs. Das bereut sie jetzt. Sie möchte die vertraute Stimme ihrer Oma hören, sie braucht sie. Doch als sie jetzt die Nummer wählt, ist der Anschluss besetzt.
Gut fünf Stunden später ist Rebecka in Helsingborg. Im Hauptbahnhof nimmt sie die Rolltreppe und sieht den Bahnhof über sich aufragen. Alles sieht genauso aus wie bei ihrem letzten Besuch. Sie kommt beim Fährterminal heraus, die Kioske haben noch dieselben bunten Schilder und Süßwarenregale, und durch die große Fensterfront blickt man auf den Hafen.
Rebecka geht am Felshang Landborgen entlang zum Krankenhaus hinauf und folgt drinnen den Schildern zur orthopädischen Abteilung. Rote Türen, ein heller Fliesenboden, pastellfarbene Wände und ein Korb Schuhüberzieher für Regentage erwarten sie dort.
Rebecka schaudert. Sie hasst die Krankenhausatmosphäre. Bei dem Gedanken, hineingehen zu müssen, wird ihr physisch schlecht, dennoch gelingt es ihr, sich zu überwinden und einzutreten.
Im Wartezimmer steht ein Aquarium mit tropischen Fischen, die zwischen Pflanzen und kleinen Keramikschlösschen herumschwimmen. Sie wartet, bis eine Krankenschwester mit abgestumpftem Gesicht ihr den Weg zeigt. Schwer geht sie vor ihr über den Flur, ihre Plastikclogs quietschen.
Oma wirkt hagerer, als Rebecka sie in Erinnerung hat. Ihr Gesicht ist abgemagert und unter der blassen Haut zeichnen sich die Adern ab. Rebecka hält inne. Sie ist es nicht gewohnt, ihre Großmutter so inaktiv zu sehen. Normalerweise ist sie immer auf den Beinen. Wenn sie nicht gerade Marmelade kocht oder Essen vorbereitet, werkelt sie im Garten vor sich hin. Und zurechtgemacht ist sie normalerweise auch immer. Egal, wie früh Rebecka bei ihr aufgetaucht ist – Großmutters glänzendes Haar war immer ordentlich hochgesteckt, ihr Kleid gebügelt und sie hatte Lippenstift aufgelegt. In der anonymen Bettwäsche des Krankenhauses wirkt sie fremd und nur noch wie ein Schatten ihrer selbst.
»Sie haben Besuch«, sagt die Schwester laut, und die Großmutter öffnet schläfrig die Augen.
»Wie bitte?«, murmelt sie.
Die Schwester streichelt ihr den Arm und nickt zu Rebecka hin. »Besuch«, wiederholt sie.
Anna wendet den Kopf und wirkt so verwirrt, dass Rebecka sich nicht sicher ist, ob sie sie überhaupt erkennt.
»Hallo, Oma.«
»Rebecka?«
»Ja, ich bin's. Wie geht es dir?«, fragt Rebecka und tritt an ihr Bett.
Die Großmutter sieht die Schwester fragend an.
»Sie fragt, wie es Ihnen geht«, wiederholt diese.
»Ich habe mir die Hand gebrochen.«
»Du Arme«, sagt Rebecka, so laut sie kann. »Tut es weh?«
Die Großmutter nickt. »Wie bist du hierhergekommen?«
»Mit dem Zug.«
»Den ganzen Weg von Stockholm?«
»Ich habe gehört, dass du gestürzt bist, und bin gekommen, so schnell ich konnte.«
»Ich sehe bestimmt furchtbar aus«, sagt die Großmutter und streicht sich mit der Hand über das lose herabhängende Haar.
»Überhaupt nicht. Du siehst sehr gut aus.«
Die Krankenschwester räuspert sich und sieht Rebecka streng an. »Sie haben noch ein paar Minuten, dann muss sie sich wieder ausruhen.«
»Alles klar, vielen Dank.«
Sobald die Krankenschwester verschwunden ist, zieht Rebecka eine weiße Schachtel aus ihrer Tasche. »Ich habe dir etwas mitgebracht. Wiener Nougat.«
Die Großmutter nimmt die Schokoladenschachtel entgegen. »Meine Lieblingssorte. Danke.«
»Ich darf heute nicht lange bleiben, aber ich kann morgen wiederkommen«, sagt Rebecka. »Brauchst du etwas aus dem Haus?«
Die Großmutter blickt sie müde an. Rebecka kann kaum glauben, wie sehr sie seit ihrer letzten Begegnung gealtert ist. Zwar hatte sie hin und wieder etwas zerstreut gewirkt, wenn sie zuletzt telefoniert hatten, doch Rebecka hätte nie gedacht, dass sie so zerbrechlich geworden sein könnte. Die normalerweise vollen Wangen sind eingesunken und die Haut um ihre Augen ist schlaff. Die Frau im Krankenhausbett scheint nichts mehr mit ihrer energischen und lebhaften Großmutter zu tun zu haben.
»Ich glaube nicht«, murmelt sie jetzt.
»Bist du sicher? Ich kann gerne hinfahren, wenn du Kleidung oder irgendetwas aus dem Badezimmer brauchst. Ich kann auch etwas für dich einkaufen. Obst oder ein gutes Buch oder ein Kreuzworträtselheft.«
Anna scheint sich ein wenig zu sammeln, und als sie aufblickt, wirkt sie ein klein wenig wacher.
»Kannst du für mich nach dem Haus sehen?«
»Ja, natürlich. Was soll ich denn machen?«
Oma streckt sich nach ihrer Handtasche aus, und Rebecka bemerkt die Kanüle in ihrem Handrücken.
»Kannst du meine Blumen gießen?«, fragt die Großmutter und reicht ihr einen Schlüsselbund.
»Ja, auf jeden Fall.«
Die Großmutter wirft einen raschen Blick zur Tür.
»Sie versuchen, es mir wegzunehmen.«
»Wie meinst du das?«
»Das Haus«, flüstert die Großmutter, jedes Wort scheint sie große Anstrengung zu kosten. »Du musst darauf aufpassen, bis ich zurückkomme.«
»Ich glaube nicht, dass jemand es dir wegnehmen möchte.«
»Wenn du dort wohnst, können sie nichts machen«, fährt die Großmutter fort, als hätte sie sie nicht gehört.
Rebecka schiebt es auf eine leichte Verwirrtheit infolge der Operation und nickt.
»Mach dir keine Sorgen, ich kümmere mich darum.«
Eigentlich hat sie vorgehabt, nur ein paar Nächte zu bleiben, und bereits ein Hotelzimmer unterhalb des mittelalterlichen Turms Kärnan gebucht, aber wenn es ihrer Großmutter lieber ist, wird sie natürlich in deren Haus übernachten.
Als die Schwester wieder ins Zimmer kommt, führt Anna einen Finger zum Mund, als wäre das, was sie ihr gesagt hat, ein Geheimnis.
»Alles in Ordnung bei Ihnen?«, fragt die Schwester kurz angebunden.
Anna schließt die Augen, ihre dünnen Lider zucken.
»Müde.«
»Sie muss sich ausruhen«, stellt die Krankenschwester fest.
Rebecka legt eine Hand auf die Wange ihrer Großmutter.
»Okay, dann gehe ich jetzt. Bis morgen.«
Sie nickt zum Abschied, dann verstaut sie den Schlüsselbund, den die Großmutter ihr gegeben hat, in der Jackentasche und geht hinaus. An der Rezeption fragt sie, wie lange ungefähr ihre Großmutter noch im Krankenhaus bleiben muss. Die Schwester hinter dem Tresen antwortet, sie könne nach Hause, sobald sie wieder fit genug wäre, und dass man normalerweise mit einer Woche rechnen müsse.
Länger also, als Rebecka eigentlich bleiben wollte, aber wenn die Großmutter sie braucht, wird es sich sicherlich irgendwie einrichten lassen. Sie hat noch jede Menge Resturlaub, ihre beste Freundin und Kollegin Nelly hat versprochen, ihren Kunden zu helfen, falls etwas sein sollte, und das AT-Projekt hat sie zur Prüfung eingereicht, sodass sie ohnehin nicht daran weiterarbeiten kann, bevor sie das Material wieder zurückbekommen hat. Es würde sich besser anfühlen, zu wissen, dass die Großmutter zu Hause wieder allein zurechtkommt, bevor sie nach Stockholm zurückkehrt. Und so, wie die Situation auf der Arbeit gerade ist, kann sie sich nicht vorstellen, dass ihre Abteilungsleiterin Birgitta etwas dagegen hat, wenn sie ein paar Tage länger bleibt.
2
Das Häuschen der Großmutter liegt südlich von Helsingborg auf einem Hügel, der von Hängebirken umgeben ist. Auf den ersten Blick sieht es aus wie immer, doch je näher Rebecka kommt, desto beunruhigter ist sie.
Der normalerweise so gepflegte Garten ist völlig verwildert. Gelbe Büschel von Gras aus dem vergangenen Jahr stehen noch immer herum und struppiges Gebüsch hat sich entlang der Hauswände ausgebreitet. Außerdem sind mehrere Dachpfannen heruntergefallen, und als Rebecka noch näher kommt, sieht sie, dass sich die Dachpappe am Vordach gelöst und das Holz darunter Feuchtigkeitsflecken bekommen hat. Erschöpft stellt sie ihren Koffer ab. Wie kann es sein, dass ein Haus innerhalb weniger Jahre derart verfällt?
Sie geht zum Zaun, an dem so viele Latten fehlen, dass er wie ein zahnloser Mund aussieht, und tippt mit dem Finger den schiefhängenden Briefkasten an. Der Deckel quietscht, als sie ihn öffnet.
Rebecka wischt sich den Rost von den Fingern und leert den Briefkasten, hält aber auf dem Weg zur Haustür noch einmal inne. Soll sie da wirklich reingehen? Das Haus sieht so vernachlässigt aus, als würde es jederzeit einstürzen. Hat ihre Großmutter sie deshalb gebeten, sich darum zu kümmern? Glaubt sie, Rebecka könne es retten?
Die Farbe an den geschnitzten Verzierungen, auf die die Großmutter immer so stolz war, ist abgeblättert, und auf einer der Bänke liegt ein Haufen Gerümpel. Vorsichtig betritt Rebecka den Vorbau, um zu prüfen, ob die Dielen noch ganz sind. Das Holz knarrt unter ihren Füßen, scheint aber zu halten, und sie zieht den Schlüsselbund heraus, findet rasch den richtigen Schlüssel und steckt ihn ins Schloss. Die Tür öffnet sich, und ein feuchter, muffiger Geruch schlägt ihr entgegen.
Bevor sie eintritt, holt Rebecka tief Luft. Im Flur hängen Großmutters Mäntel wie gewohnt an der Garderobe unter der Hutablage, doch der Boden ist mit Zeitungspapier bedeckt. Rebecka behält die Schuhe an und geht weiter in die Küche, die einen unaufgeräumten Eindruck macht. Das Abtropfgestell ist leer, aber im Spülbecken türmt sich schmutziges Geschirr. Auf einem Schneidebrett liegt ein halbes Brot, eingeschlagen in Plastik, und im Fenster dahinter ein schwarzer Streifen toter Fliegen.
Rebecka zieht ihren Verlobungsring vom Finger und legt ihn in einen kleinen Zinnbecher, dann krempelt sie die Ärmel hoch, lässt Wasser in das Becken laufen und beginnt mit dem Abwasch. Anschließend nimmt sie die Schüssel mit vergessenem Obst und leert sie in den Mülleimer. Die Bananen sind durch und durch braun und die Apfelsinen haben grüne Schimmelflecken, sie müssen schon deutlich länger dort liegen als seit dem Tag, an dem ihre Großmutter ins Krankenhaus gebracht worden ist.
Am Küchentisch ist Annas Stuhl herausgezogen. Es sieht aus, als wäre sie nur kurz aufgestanden, um etwas zu holen, und auf dem Tisch liegen ein Bleistift, ein Kreuzworträtselheft und die Brille sowie mehrere Tablettenschachteln.
In ihrem derzeitigen Gesundheitszustand kann ihre Großmutter unmöglich allein hier wohnen. Warum bloß hat sich niemand gemeldet? Rebecka weiß, dass sie als Kontaktperson in den Formularen steht, aber niemand vom Pflegedienst hat sie angerufen. Hätten sie ihr nicht mitteilen müssen, dass ihre Großmutter so hinfällig geworden ist?
Sie nimmt die halbvolle Kaffeekanne und spült sie aus, bevor sie neuen Kaffee aufsetzt, damit der Duft den unangenehmen Geruch im Haus übertönt.
Der Kühlschrank ist leer, bis auf eine halbe Tube Mayonnaise, ein paar verschrumpelte Möhren, einen trockenen Käsekanten sowie eine Flasche Johannisbeersirup, und in der Speisekammer gibt es lediglich eine Packung Makkaroni, etwas Knäckebrot, ein paar Konservendosen und drei verstaubte Weinflaschen, die schon mit Geschenkbändern versehen sind und unglaublich traurig aussehen, wie ein Relikt aus einer anderen Zeit, in der ihre Großmutter noch ausgegangen ist.
Einen Moment lang überlegt Rebecka, ob sie die Weinflaschen verstecken soll, dann schiebt sich ein anderer Gedanke dazwischen. Warum hat ihre Großmutter so wenig Essen im Haus? Früher war ihr Kühlschrank doch immer voll. Genügen ihr die Mahlzeiten, die der Pflegedienst ihr bringt, tatsächlich? Rebecka seufzt. Sie hat gedacht, sie bräuchte nur die Pelargonien zu gießen, und nun stellt sich heraus, dass ihre Großmutter wirklich Hilfe braucht. Hier muss einiges getan werden, und das wird auf jeden Fall einfacher, wenn sie auch hier im Haus übernachtet. Dann muss sie aber noch einmal mit dem Bus in die Stadt, um einzukaufen. Und sie muss das Haus irgendwie warm bekommen; es ist drinnen fast kälter als draußen.
Rebecka inspiziert den Kamin im Wohnzimmer. Davor steht ein Korb mit Feuerholz. Sie öffnet die Klappe und legt ein paar Scheite auf einen Haufen Kleinholz und einen Milchkarton voll Zeitungspapier, Großmutters Spezialtrick, um ein Feuer zu entfachen.
Es dauert eine Weile, bis das Feuer wärmt, und Rebecka vertreibt sich die Zeit mit einer Hausbesichtigung. Der Boden im Wohnzimmer ist von Nippes und halbvollen Kartons übersät. Es sieht aus, als wäre ihre Großmutter gerade dabei gewesen, all ihre Sachen durchzusehen und sie in Kisten zu packen, doch die Bücherregale an den Wänden sind noch wohlgefüllt und in der Mitte des Zimmers steht das rosa Samtsofa. Auf dem hat Rebecka immer geschlafen, wenn sie als Kind ihre Oma besucht hat. Die Wochenenden verbrachte sie damals häufig bei ihr. Dieses Haus war ihre Freistatt, hier durfte sie tun und lassen, was sie wollte – spielen, backen, Quatsch machen und hausgemachtes Essen essen. Die Großmutter hatte alle Zeit der Welt. Nie fand sie, Rebecka würde stören, und ein paar Jahre später, als es ihr richtig schlecht ging und sie überhaupt nicht mehr mit ihrer Mutter zurechtkam, zog Rebecka in Björkbacken ein und bekam ein eigenes Feldbett in der hintersten Ecke des Wohnzimmers.
Das kleine Schlafzimmer der Großmutter ist ebenfalls mit Dingen vollgestopft. Ein Berg Klamotten liegt auf dem Bett, und auch hier stapeln sich die Kartons. Beinahe erweckt es den Eindruck, als habe ihre Großmutter Umzugskisten gepackt. Wenn sie aber vorhat, das Haus zu verlassen, warum hat sie Rebecka dann nichts davon gesagt? Rebecka muss an die Worte ihrer Großmutter im Krankenhaus denken, jemand versuche, ihr das Haus wegzunehmen. Kann es sein, dass der Pflegedienst ihr nahegelegt hat, in ein Heim zu ziehen? Hat sie deshalb überall Kisten herumstehen?
Ein Karton blockiert den Eingang zum Schlafzimmer, und Rebecka schiebt ihn beiseite. Wie auch immer es weitergeht, hier muss erst mal jemand aufräumen. Wenn die Großmutter nach ihrem Krankenhausaufenthalt zurück in ihr Haus möchte, dann soll sie das auch können. Bestimmt wäre es möglich, es besser an ihre veränderten Bedürfnisse anzupassen und ein paar Veränderungen vorzunehmen.
Rebecka fährt mit dem Finger über ein Regalbrett und betrachtet anschließend den Staub, der sich auf der Kuppe gesammelt hat. Sie wird ohnehin die nächsten Tage hier festsitzen, da kann sie ebenso gut das Haus auf Vordermann bringen. Sie ist schon immer handwerklich geschickt gewesen, ein paar Dachpfannen wiedereinzudecken dürfte also kein Problem sein. Und auch das Vordach zu richten, müsste sie schaffen. Wenn sie jetzt hier wohnt, wäre es wahrscheinlich am besten, wenn sie sich ein Auto mietet, dann kann sie auch Material im Baumarkt besorgen und ein paar Fuhren zur Müllkippe fahren. Doch zuallererst muss sie saubermachen. Das Haus hat einen Großputz bitter nötig.
Von weitem sind hämmernde Geräusche zu hören, und Rebecka schaut aus dem Fenster. Der nächste Nachbar ist ein Bauernhof ein paar hundert Meter entfernt. Sie muss an Gerda denken, die ihn betreibt. Sie ist immer mit ihrer Großmutter befreundet gewesen. Vielleicht weiß sie mehr darüber, was in letzter Zeit passiert ist?
Der Nachbarhof ist groß und besteht aus einem stattlichen Wohnhaus aus der Zeit der Jahrhundertwende mit verglaster Veranda sowie einem neu gebauten und einem älteren Stall. Rebecka muss an die vielen Male denken, die sie und Großmutter bei Gerda zu Besuch waren. Sie erinnert sich an den Duft nach Frischgebackenem, an die geölten Holzfußböden, die Kachelöfen und die großzügige Küche mit dem schmiedeeisernen Holzofen, auf dem immer das Teewasser erhitzt wurde. Doch etwas stimmt nicht mit dem Hof. Er wirkt nicht so gepflegt wie sonst. In den Fenstern stehen keine Blumen und kein Nippes mehr, und die wenigen Pflanztöpfe, die noch auf der breiten Treppe stehen, gähnen leer.
Das metallische Hämmern kommt aus dem Stall.
»Hallo?«, ruft Rebecka halbherzig. Keine Antwort. Sie folgt dem Hämmern, doch erst als sie um die Ecke biegt, entdeckt sie ihn. Einen Mann in ihrem Alter vor einem riesigen Traktor, an dem er herumwerkelt. Obwohl es kühl ist, trägt er lediglich Jeans und ein schmutziges weißes T-Shirt, das eng am Rücken anliegt. Seine Haut ist sonnengebräunt, und Rebecka erkennt eine Tätowierung, die unter dem Ärmel hervorschaut.
»Entschuldigung.« Sie räuspert sich.
»Ja?«
»Ich heiße Rebecka«, sagt sie freundlich.
»Arvid. Sie haben die Abfahrt verpasst«, antwortet er, ohne sie anzusehen. »Sie müssen ein paar Kilometer zurückfahren.«
»Ich habe keine Abfahrt verpasst.«
Arvid dreht den Kopf und sieht sie an. Sein prüfender Blick lässt sie spüren, wie fehl am Platz sie mit ihrem Jackett, dem knielangen Rock und den Samtboots mit Absatz auf ihn wirken muss.
»Okay. Dann will ich halt nichts kaufen.«
Als er sich wegdreht, durchfährt es sie heiß. Warum muss er so unfreundlich sein? Rebecka tritt einen weiteren Schritt vor und fragt etwas lauter: »Ist Gerda zu Hause?«
»Sie wohnt nicht mehr hier.«
Typisch, denkt Rebecka. Warum musste sie ihren Hof nur an so einen Stiesel verkaufen?
»Ich bin die Enkelin Ihrer Nachbarin. Sie wissen schon, Anna, die in dem Häuschen da hinten wohnt.«
»Soso. Dann richten Sie ihr doch aus, dass sie besser auf ihre Katze aufpassen soll.«
»Welche Katze?«
Arvid seufzt und legt den Schraubenschlüssel beiseite. Sein Gesicht ist ölverschmiert und er blickt sie so intensiv an, dass es Rebecka durch und durch spürt. Überrascht verdrängt sie dieses Gefühl. Arvid ist nun wirklich nicht ihr Typ.
»Diese zerrupfte, gestreifte Kreatur, die immer hier herumstrolcht. Sie macht mich und Mandy noch wahnsinnig«, erklärt er.
Na prima, denkt Rebecka. Unfreundlich und verheiratet. Glückwunsch, Mandy.
»Ich schau mal, was ich tun kann. Eigentlich wollte ich nur vorbeischauen und Hallo sagen.«
»Okay. Kann ich jetzt weitermachen, oder stört Sie mein Hämmern? Sie wollten vielleicht meditieren oder Yoga machen?«
Rebecka starrt ihn an. Sie begreift einfach nicht, warum er so grob sein muss.
»Nein, überhaupt nicht. Ich werde in den nächsten Tagen wahrscheinlich selbst eine Menge Lärm machen.«
»Aha«, schnaubt er. »Wollen Sie versuchen, die Bruchbude zu renovieren, oder was?«
»Was geht Sie das an?«
»Nichts. Ich bin nur diese ganzen Städter leid, die glauben, das Landleben wäre ein Traum und würde bei der Selbstfindung helfen.«
»Was meinen Sie damit?«
Er deutet auf ein anderes Haus ein paar hundert Meter entfernt.
»Das da sollte ein Bed & Breakfast werden. Und da hinten«, er nickt Richtung Waldrand, »haben Sie ein Yogastudio eröffnet. Die Käufer machten richtig viel Wind darum. Der ganze Ort sollte mitmachen. Sie erwarteten, dass wir alle mit allem Möglichen aushalfen, Werkzeug ausleihen, Bauholz fahren, und auf keinen Fall durften wir frühmorgens laut sein. Und dann, nach ein paar Wochen, verschwanden sie wortlos.«
»Schade«, sagt Rebecka und hebt die Augenbrauen, »aber ich bin nur hier, um meiner Oma zu helfen, die gerade im Krankenhaus liegt. Ich dachte, es wäre vielleicht nett, mich kurz vorzustellen, aber anscheinend sind Sie beschäftigt.«
»Jepp«, antwortet er und klopft wieder an seinem Traktor herum. »Das stimmt. Ich bin sehr beschäftigt.«
Rebecka wirft ihm einen langen Blick zu, dann geht sie.
Den Rest des Tages verbringt Rebecka mit Organisation. Sie storniert das Hotelzimmer, nimmt den Bus in die Stadt, mietet einen kleinen roten Fiat und fährt zum Großmarkt, um Lebensmittel und Putzgerätschaften einzukaufen. Wieder zu Hause, sucht sie sich eine Decke und saubere Bettwäsche heraus und macht sich ihr Bett auf Großmutters altem Sofa. Doch obwohl sie reichlich zu tun hat, kann sie nicht aufhören, an den unfreundlichen Typen zu denken, der Gerdas Hof übernommen hat. Was gibt ihm das Recht, sich so zu benehmen, wenn sie einfach nur vorbeikommt, um Hallo zu sagen?
Rebecka überprüft, ob die Haustür abgeschlossen ist, dann kehrt sie ins Wohnzimmer zurück. Der neue Nachbar ist vermutlich ein Eigenbrötler. Sie legt ein paar weitere Holzscheite in den Kamin, dann kriecht sie unter die Decke. Aber nur weil er so verbittert ist, wird sie sich ihre Laune nicht verderben lassen. Sie wird das Häuschen so wiederherrichten, dass ihre Großmutter sich darin wohlfühlen kann, wenn sie wieder aus dem Krankenhaus kommt. Und mit ein bisschen Glück, denkt Rebecka und schneidet eine Grimasse, braucht sie nie wieder etwas mit diesem Arvid zu tun zu haben.