Für Irene, Sara und Florian -
und für alle, die den Sprung ins Herz wagen!

Anmerkung des Autors:

Sollten Sie sich in einer der Personen wiedererkennen, muss ich Sie enttäuschen. Alle Personen sind quicklebendige Individuen, geboren aus meiner Fantasie (außer natürlich Old Man Coyote, dieser alte Trickser).

Aber melden Sie sich gerne bei mir.

Ich verarbeite Sie dann in meinem nächsten Roman.

Berühren Sie jedoch Handlung und Personen des Romans, so ist genau das geschehen, warum ich das Buch geschrieben habe. Und manchmal öffnet sich eben diese unsichtbare Tür in eine Welt, wo Wirklichkeit und Fantasie ineinander verwoben sind und neues Leben erblühen kann.

Gerald Ehegartner

KOPFSPRUNG INS HERZ -

ALS OLD MAN COYOTE
DAS
SCHULSYSTEM SPRENGTE

© J.Kamphausen in Kamphausen Media GmbH, Bielefeld 2019

1. Auflage 2017 tao.de, Kamphausen Media GmbH,

1. Auflage 2019 in J.Kamphausen in Kamphausen Media GmbH

Autor: Gerald Ehegartner

Umschlaggestaltung, Illustration: Leonora Leitl

Lektorat, Korrektorat: Eva Maria Nielsen

Textgestaltung: Vani M. Hopf

Druck: CPi Books GmbH, Leck

www.kamphausen.media, info@kamphausen.media

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation

in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische

Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN Print:978-3-95883-454-5

ISBN eBook:978-3-95883-455-2

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt.

Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig.

Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige

Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und sonstige Veröffentlichungen.

INHALT

TEIL 1 EINBRUCH IN DIE WIRKLICHKEIT

1Nebelmeer Alltag

2Das Lachen in meinem Wohnzimmer

3Wie auf Schienen

4Das Leben zuerst

5Hermes, das arme Schwein

6Der Ton des Saxophons

7Schulaufsicht, Männertoilette und Sex

8Die Kette der Unfreiheit

9Meine Freunde und John

10Fischottereffekt, Krishna und Burnout

11Wa(h)re Kompetenz

12Die Segel sind gesetzt

TEIL 2 ZEIT DER BEWÄHRUNG

1Ab in die Heimat

2Verwandelter Alltag und große Sehnsucht

3Ein richtig gutes Erdäpfelgulasch

4Der Verlust des Wilden und der schiefe Turm von Pizza

5Die Vagina und das seltsame Verschwinden

6Iglus und Hasenohren

7Heidnische Alpenwelt und das Ende der Zeit

8Der Berg ruft

9Das Leben ist ein Gasthaus

10Ein gelöster Coyote

11Rotorblätter im Herzen, Menschenrechte – Oh du fröhliche Demut

12Mit Coyote ganz allein

13Die Wintersonnwendfeier

Erdäpfelgulasch – Rezept (für 2 Personen)

Erklärung

Österreichische Ausdrücke

Literatur

Dank

Die Tanzenden wurden für verrückt gehalten von denjenigen, die die Musik nicht hören konnten.

Friedrich W. Nietzsche zugeschrieben

TEIL 1

EINBRUCH IN DIE WIRKLICHKEIT

1 NEBELMEER ALLTAG

Ruhig bleiben, Noah. Du bildest dir das ein. So wie beim Frühstück. Wer sollte auf der Couch geschlürft und geschmatzt haben, als du Kaffee getrunken hast?

Ich beschleunigte meine Schritte, die Tasche fest in der Hand. Die Schule war nicht mehr weit. Hinter mir hechelte etwas. Ich fuhr herum. Nichts. Niemand. Mist, was war mit mir los?

Diese Nacht hatte ich erneut schlecht geschlafen. Ich war vom Balkon in meine Wohnung geflüchtet, nachdem ich wieder diesen Jemand oder dieses Etwas gespürt hatte. Seit Wochen verfolgte es mich.

Nun rannte ich früher als sonst zur Schule. Dort fühlte ich mich zumindest sicher. Draußen nieselte es. Es war noch finster, der Nebel hatte das Tal fest im Griff. Die Lichtoasen der Straßenlampen leuchteten mir den Weg.

„Wer bist du?“, flüsterte ich in das Nebelmeer.

Atemhauch stand vor meinem Gesicht. Was knackste da? Ich erstarrte. Panikwellen breiteten sich wie konzentrische Kreise aus.

Ein buschiger Schwanz verschwand hinter dem Lichtkegel einer Straßenlampe. Ein Hund? Mein Herz schlug laut wie eine Buschtrommel. In der Ferne vernahm ich das Geräusch eines Autos. Hörte ich ein Lachen?

Ich blickte mich um, dann rannte ich los.

Das Schulgebäude schälte sich langsam aus dem Nebel. Im Büro des Hausmeisters und im Lehrerzimmer brannte Licht. Außer Atem stemmte ich die Schultür auf und taumelte in die Aula.

„Guten Morgen. Wer hat’s denn da so eilig, in die Schule zu kommen? Ein richtiges Sauwetter ist das heute wieder.“

Der Hausmeister war wie immer gut gelaunt und sein warmer Bariton beruhigte meine Nerven.

„Morgen Tim!“;

Ich eilte weiter und öffnete die Tür des Lehrerzimmers. Katja, die Direktorin, hängte Informationen zu Fortbildungskursen für das nächste Semester aus.

„Noah! So früh schon? Das passt hervorragend. Ich muss noch mit dir reden. Deine Schneeschuhwanderung mit Übernachtung auf der Adlerhütte ist zwar nett, aber das ist natürlich nicht durchführbar.“

„Warum das denn?“

„Genau an diesem Tag ist unsere interne Fortbildung zur Kompetenzmessung. Außerdem sind wir keine Eventfirma.“

„Und was ist mit der Naturwoche im Juni? Kann ich dann mit meiner Klasse in den Nationalpark fahren?“

„Leider nicht. Seit Jahren findet unsere Landschulwoche im Jugendgästehaus Hinterleitner statt. Johannes hat das zu einer Zeit eingefädelt, als du noch nicht an der Schule warst. Ich will diese bewährte Tradition wegen dir jetzt nicht kippen. Warum willst du überhaupt mit deiner Klasse zelten? Nein, mir ist das auch zu gefährlich.“

Als ich in der Klasse an meinem Schreibtisch saß, stürmte Martin, ein junger Kollege, herein.

„Darf ich mir ein paar Magnete borgen? Meine sind wieder verschwunden.“

„Nimm dir, was du brauchst“, erwiderte ich und schrieb die versäumten Einträge ins Klassenbuch.

„Hast du heute die Nachrichten gehört? Wir haben vielleicht nur mehr zehn Jahre Zeit, um die Welt zu retten und den Karren herumzureißen.“

„Ja, hab ich gehört. Aber hier geht die Welt nur unter, wenn das Klassenbuch nicht korrekt ausgefüllt ist. Was gibt es Wichtigeres?“

Ich wedelte mit dem Zettel, den Katja mir ins Klassenbuch gelegt hatte, weil ich zwei Biologiestunden noch nicht notiert hatte.

Meine Stimmung hob sich, als ich Deutsch unterrichtete und die Kinder über meine Witze lachten. Als es klopfte, stellte Hannah gerade ein Buch vor, dessen Titel und Inhalt sie frei erfunden hatte. Katja trat in die Klasse.

„Mach einfach weiter, Hannah.“

Katja schritt nach hinten und setzte sich auf einen freien Stuhl. Hannah stockte.

„Du scheinst dich nicht sehr gut vorbereitet zu haben. Soll das eine Buchvorstellung werden?“

„Katja, die Kinder stellen Bücher vor, die es nicht gibt. Das macht Spaß und fördert die Kreativität.“

„Wie bitte? Die Kinder sollen Bücher lesen und eine sehr gut vorbereitete Buchvorstellung abliefern. Oder glaubst du ernsthaft, dass diese Kompetenz bei den Bildungsstandards gefragt ist?“

Katja schüttelte den Kopf und verließ die Klasse. Als die Tür hinter ihr ins Schloss fiel, meinte Nicole: „Die Frau Direktor versteht auch wenig Spaß. Sie hat keine Fantasie, genauso wie Herr Lehrer Schmidt.“

Die Zeit bis zur Freistunde spulte ich im Standby-Modus ab. Ich freute mich darauf, bald das Schulhaus verlassen zu können

2 DAS LACHEN IN MEINEM WOHNZIMMER

Ich stieß die Tür auf und stolperte aus dem Schulgebäude. Erstaunt kniff ich die Augen zusammen. Es war ein wunderbarer Frühlingstag, der warme Regen verstärkte den Duft der Pflanzen. Ein Hauch von Flieder, süß und schwer, Vögel zwitscherten und tschilpten und Menschen tanzten durch die Straße.

Was war passiert?

Ich schlang die Arme um mich, musste mir eingestehen: Junge, es ist nicht mehr weit bis zum Gefrierpunkt. Es nieselt, wir haben Ende November und Nebelkrähen gehören auch zu den Singvögeln. Weiß Gott, warum!

War der Kontrast zum Grau der Schule zu groß, sodass mein Gehirn mir kurz einen Frühling vorgegaukelt hatte? Wollte ich so sehr dieser Freudlosigkeit entfliehen?

„Das Leben ist ein wandelnd Schattenbild …“, flüsterte ich und atmete tief durch. „Warum ist es so verdammt trist an unserer Schule? Man übersieht sogar die hübschen Kolleginnen. Wo ist das Leben? Was ist mit meinem Leben?“

Frustriert bog ich an der nächsten Kreuzung nach links ab. Die Straße führte den Hügel hinauf zu meiner Wohnung. Ich rannte neben einem dichten Wäldchen durch die kalte Tröpfchenwand. Bald waren meine Haare nass und Tropfen liefen in meinen Kragen. Ich fröstelte.

Endlich angekommen. Ich knallte die Tür hinter mir zu, rubbelte mein Haar trocken und stellte Wasser für einen Filterkaffee auf.

Bloß keine Einheitskapseln, die den Namen Kaffee nicht mehr verdienten. Kaffee in Kapseln einzusperren, das war genauso schlimm, wie einen Delfin in einem Plastikschwimmbecken zu halten.

„Gott, bist du griesgrämig!“

Als ich die rauchige Stimme hinter mir hörte, wirbelte ich herum. Auf meinem Sofa hockte ein gut trainierter, älterer Mann. Auf dem Kopf trug er einen Cowboyhut und er hatte Schultern, so breit, als würde er jeden Tag Säcke schleppen. Unter der Lederjacke spannte sich das Hemd über seiner Brust.

„Was guckst du so blöd, Noah? Tut mir leid für meine Verspätung!“

Er warf die Hände theatralisch in die Luft. „Niemand heilt durch Jammern seinen Harm.“

Ich war sprachlos. Was machte der Alte in meiner Wohnung? Wie war er hereingekommen? Hatte ich die Tür am Morgen nicht abgeschlossen? Warum kannte er meinen Namen? Schweiß stand mir auf der Stirn. Vielleicht bildete ich mir das alles nur ein? Wenn ich die Augen schloss, würde sicher alles verschwinden.

Der Alte.

Der Cowboyhut.

Die Lederkluft.

Ich presste die Lider zusammen und riss die Augen wieder auf.

Der Mann saß immer noch auf meinem Sofa. Sichtlich vergnügt. Er grinste.

„Verschwinden Sie oder ich rufe die Polizei!“

„Die Polizei? Aber ich bin die Polizei, die dich von dir selbst befreit!“

Idiot. Der war sicher aus der Irrenanstalt entwischt.

Ich kramte nach meinem Handy. Aus den Augenwinkeln bemerkte ich, wie er mich ansah. Er war ein komischer Kauz, etwas seltsam, aber irgendwie friedlich.

Also gut. Ich würde es ohne Polizei versuchen. Ich stopfte das Handy in die Tasche und öffnete die Tür.

„Machen Sie, dass Sie wegkommen. Sonst muss ich wirklich etwas unternehmen!“

„Soll ich wirklich da raus? Und mir den Arsch abfrieren? Seinen Freund und Helfer jagt man nicht nach draußen in dieses Scheißwetter.“

„Mir reicht es, wenn Sie bis vor meine Haustür gehen. Aber vorher sagen Sie noch: Wie sind Sie hier hereingekommen? Die Tür war abgesperrt.“

„Wenn du mich duzt, erklär ich es dir. Außerdem fühle ich mich dann jünger.“

„Gut. Wie bist du reingekommen?“

Ich sah dem Kerl direkt ins Gesicht. Eine Welle der Vertrautheit brandete heran.

„Verwandte Seelen knüpft der Augenblick des ersten Seh’ns mit diamantenen Banden.“

Er schüttelte sich vor Lachen und ein buschiges Etwas schlüpfte aus seiner Lederhose und bewegte sich.

Oh Gott, jetzt bin ich völlig durchgeknallt! Ein alter Mann mit Fuchsschwanz und Cowboyhut zitiert Shakespeare auf meinem Sofa.

„Erstens: Ja, du brauchst Gott, Noah!“, begann er. „Zweitens: Aber ganz anders, als du dir das vielleicht vorstellst. Drittens: Der Frühling ist nun da, denn ich bin ein Vertreter des Frühlings in dir.“

Er lächelte mich an. Erst jetzt bemerkte ich seine weißen, langen Haare, die nicht genug Platz unter dem Cowboyhut fanden.

„Und viertens: Du und die Schule – ihr habt schon lange einen Sinn verloren, den ihr nun dringender braucht als je zuvor: den Möglichkeitssinn. Du hattest ihn. Und jetzt bist du gerade dabei, ihn zu verlieren. Und fünftens: Ich hoffe, du bist noch ein wenig verrückt, damit dich das Leben bewegen und ver-rücken kann.“

Der Alte lachte laut, riss dabei den Mund so weit auf, dass ich seine Mandeln sehen konnte. Er schüttelte sich wieder, aus seinem Bauch schienen Eruptionen nach oben hin auszubrechen.

„Ach ja, sechstens hätte ich fast vergessen. Nimm das ganze Theater nicht zu ernst!“

Ich setzte mich ihm gegenüber, balancierte vor und zurück auf meinem Gymnastikball. Immer noch wusste ich nicht, was ich von dem Kauz auf meinem Sofa halten sollte, aber wenn er lachte …

Mein Gott war das ein Lachen! Und er roch verdammt gut. Was war das für ein Duft? Eine Mischung aus Rosenwasser, Weihrauch, Salbei und Lagerfeuer? Keine Ahnung. Jedenfalls wirklich gut.

„Wenn du schon auf meinem Sofa hockst, möchte ich wissen, wer du bist! Sofort.“

„Dein Lehrer!“

„Den brauch ich nicht, das bin ich selbst.“

„Stimmt. Momentan eher immer leerer!“

Was bildete er sich ein, so mit mir zu reden?

„Wer schickt dich? Katja, meine Chefin, kann das ja wohl nicht sein …“

„Eine ziemlich hohe Schulbehörde.“

„Wo soll diese denn sein?“

„Milchstraße 12 – 13.,“

„Verarsch mich nicht, alter Narr, sonst hörst du gleich hinter dir die Tür zuschlagen!“

„Besser ein weiser Tor als ein törichter Weiser, du Milchgesicht!“

„Mir reicht’s! Du bist in meiner Wohnung, sitzt auf meinem Sofa und ich hab dich nicht hereingebeten. Da brauch ich mir so was nicht bieten zu lassen …“

„Reg dich nicht künstlich auf. Gib mal einen Kaffee rüber! Ohne Milch. Endlich einer von der guten Sorte, noch dazu Fair Trade und nicht wie bei den meisten Kapselfressern alles verdreht.“

„Danke für das Kompliment.“

Ich reichte ihm den Kaffee.

„Warum musterst du mich so?“, fragte er plötzlich, während er zum Fenster hinaussah und den Kaffee schlürfte.

„Warum trägst du einen Schwanz und …?“

„Oh, Entschuldigung. Es ist wohl an der Zeit, mich genauer vorzustellen. Obwohl, es tut nicht viel zur Sache. Gestatten, ich bin Coyote. Old Man Coyote. Aber eigentlich bin ich das Universum, der Ozean im Tautropfen, der Kaffee in der Kapsel. Du übrigens auch, du Hosenscheißer.“

„Bist du immer so vulgär? Du redest wie mein alter Kollege, der Sport unterrichtet.“

„Ja, der hat was drauf, die Kinder mögen ihn. Er hat nur seine Probleme. Du weißt schon.“

„Woher weißt du das? Kennst du die halbe Welt? Woher kennst du mich? Ich meine, du weißt meinen Namen und …“

„Ich beobachte euch schon eine ganze Weile.“

„Sehr vertrauenserweckend, wirklich, ich bin erfreut Old Man Coyote.“

„Also, Noah, schreib dir Folgendes hinter die Ohren. Ich werde dich in den Freistunden unterrichten. Und manchmal an den Nachmittagen. Oder an den Abenden. Du kochst den besten Kaffee und ich gebe dir die besten Stunden. Du brauchst es dringend. Abgemacht?“

„Warum brauche ich Unterricht?“

„Um dich aufzurichten, Noah. Das wird auch deinen Kindern helfen.“

Dann erhob er sich und tänzelte zur Tür. Dort drehte er sich um, steckte seinen buschigen Schwanz in die Hose und zwinkerte mir zu.

Kurz konnte ich ihn noch hören, er lachte. Weg war er!

Er schien sich in Luft aufgelöst zu haben.

3 WIE AUF SCHIENEN

Ein Blick auf die Uhr genügte. Die Freistunde war fast vorbei.

Ich schnappte mir meine Tasche, sprang die Stiegen hinunter, rannte aus der Haustür und stolperte beinahe über einen Fuchs, der gemächlich über die Straße trottete.

Hatte ich hier jemals einen lebenden Fuchs gesehen? Drehte ich jetzt völlig durch? War ich auf Drogen?

Vor ein paar Jahren hatte ich das letzte Mal gekifft.

Vielleicht hatte ich das ADHS-Medikament eines Schülers erwischt. Oder stand ich kurz vor einem Burn-out?

Traf auf mich die neue Modediagnose der Tiefenwahrnehmungsstörung zu, welche hauptsächlich männliche Schüler zu befallen schien? Vielleicht war das ansteckend und sprang auf Lehrer über?

Trotzdem fühlte ich in diesem Moment das Leben tiefer denn je. Merkwürdig!

„Herr Lehrer, Sie haben Farbe! Im Gesicht!“

Florian zappelte in der ersten Reihe. Wie schön, dass die Kinder heute so fröhlich waren und mich bunt wahrnahmen.

Doch dann verstand ich: Ich hatte mir bunten Kreidestaub in den Dreitagebart gestrichen. Mist! Warum war ich nur immer wieder so peinlich? Warum lebten wir an unserer Schule noch in der Kreidezeit? Andere Schulen verwendeten schon lange interaktive Boards.

„Weißt du, warum Engel fliegen können?“

Ich hatte Patrizia, meiner Kollegin, von der Kreidegeschichte berichtet. Eigentlich erzählte ich ihr immer alles. Nur von Coyote sagte ich nichts. Und nun stand sie vor mir und schaute mich mit schief gelegtem Kopf an.

„Noah, bist du noch da? Warum also können Engel fliegen?“

„Keine Ahnung!“

„Weil sie sich selbst nicht so ernst nehmen“, erklärte sie und sauste weiter zu einem Schüler in Not.

Am Nachmittag unterrichtete ich zusammen mit meiner älteren Kollegin Gertrude, die ich zweimal in der Woche unterstützte.

Gertrude war so nett wie ihre Stunden quälend waren, denn sie hatte eine Leidenschaft: Sie war begeistert von sich selbst, so sehr, dass sie nicht einmal bemerkte, dass einige Schüler Mittagsschlaf machten, während sie unterrichtete.

Sie säuselte entzückt und ihre Stimme wirkte mit der Zeit so leise wie ein Radio, das irgendwo im Hintergrund in einer Gefängniszelle dudelte. Die Schüler schauten mich flehend an, aber ich konnte nichts machen. Gertrude schwebte wie eine entrückte Fee in höheren Gefilden, für Kinder und Kollegen unerreichbar.

Auch meine Gedanken drifteten ab – zu Old Man Coyote. Ich war hin- und hergerissen. Bildete ich mir alles nur ein?

Oder hatte er wirklich auf meinem Sofa gesessen?

Zuhause angekommen hockte ich mich auf meine Couch, genau dort, wo Coyote gesessen hatte und rief mir alles in Erinnerung.

Egal, ob ich es mir eingebildet hatte oder nicht: Wie konnte mir nur so etwas Verrücktes passieren?

Auf der Suche nach einer Lösung des Rätsels kramte ich in den Erinnerungen an die letzten Jahre. Szenen aus meiner Vergangenheit perlten wie Kohlensäurebläschen hoch.

Drei Jahre unterrichtete ich nun schon an dieser Mittelschule. Nach meinem Abschluss, kurz nach dem ersten Sex in dem Auto, das ich von meinem Vater geschenkt bekommen hatte, lebte ich als Straßenmusiker, Skilehrer, Weltreisender, Gitarrenlehrer und Freizeitpädagoge.

Die Welt war bunt gewesen und alle Türen schienen mir offen zu stehen. Trotzdem entschied ich mich für die Klassentür. Ich konnte mir keinen sinnvolleren Beruf als den des Lehrers vorstellen. Kinder liebte ich einfach. Ich wählte die Fächer Deutsch und Sport. Neben dem Bankfach – in diesem hatte ich als Schüler immer mein Pausenbrot verstaut – waren es die beiden Lieblingsfächer in meiner Schulzeit.

Während des Studiums an der Hochschule lernte ich viel – über hübsche Frauen, spannende Lokale, mitreißende Bands, neue Sportarten und auch über heilige, pädagogische Theorien, vorgetragen von praxisfernen Liebhabern junger Frauen, den Professoren. Danach ging ich nach Bayern und wurde als der charmante, unkonventionelle und etwas schüchterne Pädagogenlegionär endlich auf die Kinder losgelassen. Ich war geschätzt, vielleicht nicht so wie David Alaba, aber immerhin. Zwei Jahre später kehrte ich mit einem Rucksack voller Erfahrungen nach Österreich zurück, bereit, die Welt zu erobern. Doch es sollte anders kommen.

Kurz nach meiner Rückkehr starb mein geliebter Papsch völlig überraschend. Wir wollten uns, jetzt, wo ich im Nachbarort als Lehrer arbeitete, wieder öfter sehen, gemeinsam Sport treiben und einfach das Leben genießen. Er war stolz auf mich gewesen und froh, dass ich Lehrer geworden war.

Mein Herz war damals kurz davor, in tausend Stücke zu zerspringen.

Bald vergammelte der Rucksack voller Erfahrungsschätze in der letzten Ecke meines Lehrergehirns. Er war vergessen und wurde nicht mehr ausgepackt. Der Schulalltag peitschte mich wie ein Tyrann durch ein Leben, das nicht mehr meines war, und ich lebte, wie der Alte auf meinem Sofa gesagt hatte, nach dem Motto, das ich von der Schule nur zu gut kannte: Mache das Mögliche unmöglich!

Früher schien mir das Motto unmöglich, aber ich war eines Besseren belehrt worden. Nur meine Aufgabe als Klassenlehrer machte mich froh. Die Kinder waren wie Farbkleckse auf der grauen Leinwand meines Lebens.

Und jetzt war dieser Fuchsschwanztyp auf meiner Couch gehockt. Das war eigentlich völlig unmöglich, etwas, das ich nicht einordnen konnte. Aber es rührte mich in meiner Seele an. Ich war verwirrt und trotzdem glücklich. Dieses Gefühl war zart und zugleich stark, so wie ein Löwenzahn, der durch den Asphaltboden bricht. So ähnlich wie dieses trotzige Unkraut fühlte ich mich.

Um auf andere Gedanken zu kommen, googelte ich den Namen Old Man Coyote. Aber die Beschreibungen klangen fremd, fern von der Realität in meinem Leben.

Es war, als lese man Legenden über Yeti, der plötzlich an der Tür läutete, mit einem Eislutscher im Mund – und eine Skitour vorschlug.

Spätabends, nachdem ich die Deutschhausaufgaben korrigiert hatte, krachte ich todmüde ins Bett und hoffte, einen traumlosen Schlaf zu finden. Einen Augenblick später schrillte der Wecker.

„Aufstehen, mein Schatz!“, rief meine Mutter. „Sonst kommst du zu spät zur Schule!“

Schule? Hm?

Hastig schlang ich mein Frühstück runter, kippte den Kakao hinterher und schwieg meine Schwester und meine Mutter an. Mein Vater war schon bei der Arbeit. Er war immer so witzig und ich vermisste ihn am Frühstückstisch.

Kurz darauf lief ich hinaus mit der Schultasche am Rücken.

Noch nicht lange war ich auf der neuen Schule, die mir schon wieder alt vorkam. Meine Freunde verschönerten mir meinen Schulalltag, aber die Lehrer wirkten auf mich wie Wesen aus einer anderen Welt. Nur der eine oder andere erreichte mich und nahm mit mir Kontakt auf. Nach einiger Zeit, ich wurde älter und älter, entdeckte ich, dass die meisten Lehrer auf Schienen fuhren. Als würden sie unsichtbar gesteuert.

Finn, mein Freund, zeigte mir, dass die Farben transparent und über die Jahre immer blasser wurden. Gerade bei vielen älteren Lehrern war kaum noch eine Farbe zu erkennen.

„Schau“, sagte Finn, „immer haben sie Recht. Sie wissen genau, wie alles funktioniert.“

„Na ja, schwer ist das doch nicht. Die sind ja auf Schiene, folgen immer und immer wieder denselben Weg und machen Pause bei denselben Stationen.“

Ich sah, wie diese fahlen Gestalten Essen für uns Kinder in den Händen hielten; ein ungenießbarer, grauer Fraß, aufgewärmt und lieblos zubereitet. Alles war verkocht, die Zutaten hatten das Haltbarkeitsdatum längst überschritten.

Immer öfter erhielt die Schule Fertigprodukte, alles normgerecht, überprüft und extra in Fabriken von Experten produziert. Die Lehrer priesen die Vorteile dieser Produkte. Auf ihren Schienen brachten sie das Fabriksessen zu uns Schülern in die Klassen. Dabei schauten sie an uns vorbei.

Nur wenn wir den Unterricht störten, traf uns ein entwürdigender Blick. Wenn wir dagegen anfingen, auch auf den Gleisen zu fahren, erhielten wir einen müden, aber anerkennenden Blick.

Die Schienen in der Schule waren seit Kurzem mit einem äußeren Schienennetz verbunden. Fast alles wurde zentral programmiert, geregelt und ferngesteuert.

Einige Kinder hielten das nicht aus. Zwei von ihnen mussten Medikamente zur Beruhigung nehmen. Danach glitten sie mühelos auf den Gleisen und ernteten viel müdes, teilnahmsloses Lob.

Man wollte alle auf Schiene bringen, aber wir hatten keine Lust, denn die Vorbilder stießen uns ab. Die Verantwortlichen für das Schienennetz und die Schienenbenutzer machten Druck, graue Angst sollte uns zwingen. Man drohte uns mit der Sperre der Zukunft, sollten wir die Schienen nicht benutzen. Ein Junge begehrte auf. Danach gab es viele graue Fragen und noch mehr Pillen.

„Ist hier jeder auf Schiene?“, fragte ich Finn.

„Fast alle, aber es gibt Ausnahmen. Schau mal dort, der Lehrer … Er ist neu in dieser Geisterbahn. Er kommt aus dem Leben. Aber er wirkt schon verunsichert. Ich sag dir, bald läuft der auch schnurgerade, wenn er sich nicht entscheidet. Sonst wird für ihn entschieden.“

Ich behielt ihn im Auge. Er hatte Kuchen mitgenommen, in den er seine gute Laune hineingebacken hatte. Ganz frisch war der Kuchen, noch warm und er duftete himmlisch. Der Lehrer aß mit den Kindern und lachte mit ihnen. Die Kinder schoben sich den letzten Krümel in den Mund und leckten sich die Finger ab. Danach waren sie alle lebendiger, hatten Farbe im Gesicht und in der Stimme.

„Und die da, die junge Lehrerin im roten Kleid, die ist auch noch nicht auf Schiene. Sie macht, was sie will und hat einen unvergleichlichen Humor.“

Auch sie backte für die Schüler, ihre Torte strahlte im Klassenraum genauso wie die Herzen der Kinder.

Danach entdeckte ich eine Frau und einen Mann, beide Mitte zwanzig. Die Frau war kühl und distanziert, der Mann schlank und groß gewachsen. Über das äußere Schienennetz glitten sie in das Schulgebäude, so schnell, dass sie uns Schüler gar nicht sahen. Sie hielten die Fertigprodukte in den Händen, aber alles ging so rasant. Während sie vorbeiflitzten, teilten sie das Essen aus.

Ich war enttäuscht. Die farblosen Muster ihrer Kleidung passten zu der Fertigproduktverpackung.

„Wer war das denn?“, fragte ich Finn.

„Die zwei Neuen, aber die waren schon voll programmiert, bevor sie über das Außennetz an die Schule kamen.“

Finn fuhr sich mit der Hand durch die Haare und wies mit dem Kopf in eine andere Richtung.

„Und der Kugelbauch da, siehst du ihn? Der mit dem langen Bart? Das ist ein Lehrer im Ruhestand. Du hast ihn nicht erlebt, aber ich sag dir, die halbe Schule weinte, als er ging.“

„Er war nie programmiert“, hörte ich eine Stimme hinter mir, „aber der junge Mann dort wird gerade programmiert. Er sollte aufpassen!“

Eigenartig. Woher kannte ich diese Stimme?

Verwirrt blickte ich mich um, sah aber niemanden mehr. Einen Lidschlag später duftete es nach Lagerfeuer und Kuchen.

Wo kam dieser Geruch her?

Dann stockte mir der Atem. Der junge Lehrer. Das war ich!

Ich wachte auf, war hellwach und mein Herz trommelte gegen die Rippen. Kalter Schweiß stand auf meiner Stirn.

Sofort sprang ich aus dem Bett, stolperte zur Toilette, kotzte und weinte. Sollte ich mich krankmelden?

Nein, nicht bei Katja. Dazu hatte ich keine Kraft. Kaltschnäuzige Kommentare konnte ich jetzt nicht verkraften.

So rauchte ich noch eine Zigarette, kippte Kaffee auf meinen leeren Magen, der lautstark protestierte, und trottete zur Schule.

4 DAS LEBEN ZUERST

„Wie siehst du denn aus? Bist du mit den Schulbus kollidiert?“

Als ich Franziska in der Aula begegnete, konnte sie ihre Neugierde kaum verhehlen. Sie strich sich durch ihre gelockten Haare, die auf ihre Schultern fielen.

„Gib es schon zu: Du hast die Nacht durchgefeiert?“

„Feiern? Machst du Scherze? Nein, echt nicht!“

„Ach komm, ich kenn das … Letztens habe ich auch ausgesehen wie nach einem Jahr auf dem Matrosenschiff, nachdem ich die ganze Nacht …“

Alter Schwede, Franziska war verboten hübsch, Humor hatte sie auch. Ich verschwand grinsend und in sichtlich besserer Laune in meiner Klasse. Zuerst holte ich Todi, unser Schulskelett, aus der Höhle Platons, dem Lehrerzimmer.

„Herr Lehrer, Todi und Sie sehen sich ganz schön ähnlich.“

„Oh danke! Das ist mir aber eine Ehre!“, meinte Todi am Ende der Stunde und verbeugte sich vor seinem Publikum.

„Jetzt haben wir dann Herrn Schmidt. Mit ihm macht es überhaupt keinen Spaß. Wenn er wenigstens nur einmal lächeln könnte. Ich habe Angst vor ihm“ gestand mir Marie.

Ich redete ihr Mut zu und verschwand in die nächste Klasse zum Unterricht. Bald war der Tag geschafft.

Spätnachmittags rannte ich nach Hause und öffnete erwartungsvoll die Tür. Niemand. Gähnende Leere.

Also doch. Alles war Einbildung gewesen. Nein, das konnte nicht wahr sein! Die Gespräche, sein Aussehen, seine Art zu sprechen, ich konnte mich glasklar erinnern. War es ein Wachtraum gewesen oder war ich nun ein Fall für den Psychiater?

Ich stellte die Schultasche ab und ging zur Balkontür. Aber auch von dort war kein alter Mann mit Cowboyhut zu sehen. Enttäuscht drehte ich mich um – und stieß einen gewaltigen Schrei aus.

„Um Himmels willen, du darfst doch einen alten Knacker nicht so erschrecken!“, tadelte mich Coyote.

Ich rang um Luft.

„Sag einmal spinnst du? Mein Herz ist mir fast in die Hose gerutscht.“

„Besser wär’s, wenn dein Hirn ins Herz gefallen wäre.“

„Du bist also doch real?“

„Wenn du meinst. Zumindest so real wie du.“

„Darf ich dich berühren?“

Ich griff nach seiner Lederjacke und war erstaunt, wie muskulös der Arm sich darunter anfühlte.

Coyote lachte.

„Siehst du. Es geht alles mit rechten Dingen zu.“

Ich bekam trotzdem Herzrasen. Vielleicht war er ein Psychopath, so ein gefährlicher Spinner, der es auf gutherzige Menschen abgesehen hatte?

Ich legte mein Smartphone auf die Küchenablage und schaltete unbemerkt die Aufnahmefunktion ein.

„Du meinst, ich spinne. Stimmt’s?“

Coyote kratzte sich an der Stirn.

„Die Chance besteht durchaus. Ja.“

„Und was ist, wenn du der Irre bist und ich derjenige, der dich befreien möchte?“

„Wie solltest du das? Ich bin nicht eingesperrt.“

„Oh doch. Du bist eine Geisel von dir selbst.“

„Warum breche ich dann nicht aus? Sag es mir.“

„Stockholm-Syndrom.“

„Okay, mit der Diagnose kann ich leben. Das ist gesellschaftlich akzeptierter, als mit einem alten Kojoten abzuhängen.“

„Der Herdentrieb ist auch dein Problem, du Schaf.“

Er blökte so laut, dass ich mich umschaute, ob jemand unser Treffen bemerkte.

„Verfolgst du mich schon länger? Bist du diese Präsenz? Ich hab da immer etwas gespürt … Warst du das?“

Ich blickte auf seinen Schweif. Hatte ich nicht gestern neben dem Wald einen Blick darauf erhascht? Sicher, das war er doch! Warum war mir das noch nicht aufgefallen?

„Natürlich, du bist das, du bist schon seit einiger Zeit immer hinter mir her.“

„Willst du mich nicht bitten, Platz zu nehmen? Und wolltest du nicht einen Kaffee kochen?“

„Aufgrund meiner guten Erziehung bitte ich dich nun, auf meinem Sofa Platz zu nehmen.“

Danach machte ich Kaffee. Coyote zog seine Jacke aus, warf sie über die Lehne und legte seinen Hut daneben. Seine weißen Haare fielen über das leicht zerknitterte Holzfällerhemd. Er wirkte kräftig, energiegeladen und ungemein fröhlich. Ein kleiner Spalt zwischen den Vorderzähnen war zu sehen, als er mich angrinste.

„Schön, wieder bei dir zu sein. Mein Gott hatte ich schon Sehnsucht nach dir.“

„Nach mir?“

„Gar nicht so einfach, dich punktgenau im Universum zu finden. Sorry für den Stress bei der Anbahnung. Jetzt ist’s aber gemütlich.“

„Sehr gut, mir reicht der Stress in der Schule. Einigen Schülern scheint es auch nicht so gut zu gehen.“

„Setz dich mit ihnen doch mal in einen Kreis und höre ihnen von Herzen zu.“

„Wie meinst du das?“

Coyote lehnte sich zurück, nahm einen Schluck Kaffee und skizzierte mir eine einfache Art des Zuhörens und Redens.

„Das probiere ich sofort. Jetzt hast du mich neugierig gemacht, alter Mann. Wie hast du das vorhin mit dem Universum gemeint?“

Coyote bat mich, mich neben ihn zu setzen. „Willst du es wirklich wissen?“

Mir wurde warm ums Herz. Alle Angst war weg und ich nickte heftig.

Coyote legte seine Hände auf meine Stirn. Erst war es, als würde mein Kopf zerspringen. Dann wurde es licht, Coyotes breites Grinsen tauchte vor mir auf. Er lachte und ein tiefes und vertrautes Gefühl ergriff mich, ich erkannte …

Wo war ich? Was machte ich hier?

Ich rappelte mich auf und schaute mich um. Draußen war es finster geworden. Wie lange hatte ich auf dem Sofa gelegen?

Meine Finger tasteten sich zum Lichtschalter vor. Ein Uhr in der Früh.

Wo war Coyote?

Auf dem Küchenregal lag immer noch mein Handy. Neugierig nahm ich es und blickte auf die Oberfläche. Als Hintergrundbild war ein grinsender Coyote zu sehen. Dann versuchte ich, unser Gespräch abzuhören.

„Freue mich schon auf einen guten Kaffee. Auf deine Befreiung. Der Alte.“

Mehr war nicht zu hören.

Nur ein herzliches Lachen als Abschluss.

Die halbe Nacht wälzte ich mich hin und her, knuffte meinen Polster und starrte in die Dunkelheit.

Was hatte er mit mir gemacht?

Ich kramte in meinem Gehirn. Da war das Licht gewesen und Coyote. Zuvor hatte er meine Stirn berührt und ich hatte Geborgenheit gespürt.

Vertrautheit.

Frieden.

Meine kritische Vernunft wollte dieses Gefühl gerne abschütteln. Es gelang mir nicht, bis ich gegen Morgen einschlief.

„Heute probieren wir etwas Neues aus. Wir üben gemeinsam, wie wir mit dem Herzen hören können.“

Ich hockte mit den Kindern im Kreis, fest entschlossen, den Vorschlag von Old Man Coyote auszuprobieren.

„Und wie geht das?“

Ben hob fragend seine buschigen Augenbrauen bis zum Haaransatz.

„Das ist ganz einfach. Jetzt nehme ich diesen Sprechstab. Wenn ich ihn in der Hand halte, hören mir alle aufmerksam zu, mit dem Herzen. Wenn ich fertig bin, lege ich den Stab in die Mitte und der nächste darf ihn nehmen und reden. Alles klar?“

Nachdem ich den Sprechstab wieder in den Kreis gelegt hatte, holte ihn Marie und erzählte, was sie auf dem Herzen hatte. Alle Kinder lauschten. Nur Maries stille Stimme war zu vernehmen, als sie darüber sprach, wie wenig sie sich von einigen Lehrern geschätzt fühlte.

„Danke, dass ihr mir zugehört habt“, meinte sie abschließend.

„Können wir bald wieder im Kreis sitzen?“, fragte Ben später, der wie einige andere Kinder mit dem Stab in der Hand vor der gesamten Klasse geredet hatte.

Das musste ich Old Man Coyote erzählen. Vielleicht würde ich ihn ja treffen.

Als ich am Nachmittag die Schule verlassen wollte, fühlte ich mich leichter, fast beschwingt.

Was hatte Coyote gestern mit mir gemacht?

Hoffentlich war der Alte in Lederjacke und mit Cowboyhut schon in meiner Wohnung. Auch wenn ich nichts über ihn wusste, eines war sicher: Er machte mich glücklich und seine Tipps waren wirklich gut.

Leise summte ich vor mich hin. Schon lange hatte ich mich nicht mehr so glücklich gefühlt. In diesem Moment kam mir Katja entgegen. Sie wirkte unzufrieden, ihre Stirn war zerfurcht.

„Noah, dein Verhältnis zu den Schülern und Eltern ist zu eng. Du lässt alle zu nah an dich ran. Eine Schülerin hat mir begeistert erzählt, was ihr in der Deutschstunde besprochen habt. Wirklich, das führt zu weit.“

„Warum soll ich keine Beziehung zu meinen Schülern haben? Plädierst du jetzt für Distanz?“

„Nein und das weißt du auch. Aber deine Vorgehensweise ist unprofessionell und naiv.“

„Mein Gott, Katja. Derzeit lasse ich einen Kojoten mit Cowboyhut ganz nah an mich ran. Ich hab zu ihm, wenn ich ehrlich bin, mehr Vertrauen als zu dir und so manchen Kollegen. Ob es dir passt oder nicht, ich werde meinen Schülern zuhören, immer und überall. Und übrigens werde ich sie weiterhin spontane Referate und Buchvorstellungen halten lassen. Und wegen der Schullandwoche müssen wir auch noch reden und auf das Märchenbuch – pardon Klassenbuch – scheiße ich mal so richtig herzlich. Danke.“

Die klaren Worte saßen. Also, sie saßen in meinem Hinterkopf und dort blieben sie auch sitzen, ohne den Mund zu verlassen.

„Hast du nichts mehr zu sagen, Noah?“

„Ja, schon. Nein, doch nicht.“

Nach der Arbeit kochte ich mir Vollkornspaghetti mit Sugo. Danach nahm ich meine mexikanische Aluminiumkanne vom Regal und bald sprudelte das Wasser wie ein Geysir vom Bauch der Kanne hinauf. Ich öffnete den Deckel und goss die nachtschwarze Flüssigkeit in die Tasse.

„Einen wunderschönen Nachmittag. Sei gegrüßt von Old Faithful.“

Ich verschüttete Kaffee und verbrühte mir fast die Finger, so erschrak ich. Tja, auch Old Man Coyote explodierte in mein Leben wie ein Geysir. Würde er regelmäßig wie diese heiße Quelle in meinen Freistunden auftauchen?

Wenn er da war, schmolzen meine Zweifel wie Schnee in der Sonne. Mein Herz hüpfte auf und ab. Was passierte mit mir? Bei diesem Alten geriet ich außer Kontrolle, ich, der niemals die Kontrolle über meine Gefühle verlieren wollte.

Coyote kam rüber zu mir. Er kühlte meine Hand unter kaltem Wasser und wischte den verschütteten Kaffee auf. Dann schenkte er sich ein.

„So eine Ausstrahlung! Ganz wie seine Vorfahren aus dem afrikanischen Hochland.“

„Danke für das Kompliment, alter Mann. Stimmt, es brauchte Millionen Jahre der Menschheitsentwicklung – von den Anfängen in Afrika bis jetzt. Hier stehe ich!“

„Wieso du? Ich redete über den Espresso.“

„Natürlich, Espresso – what else?“

„Danke, Noah Clooney, ich sag dir, du wirst die Welt noch vor der Sintflut der Kapseln retten!“

Ich schüttelte nur den Kopf. Old Man Coyote schlürfte etwas zu laut und als er lächelte, zeigte er wieder die Lücke zwischen den Schneidezähnen.

„Willkommen auf dem rettenden Schiff des Lebens. Freude wartet auf dich! Was treibst du dich noch hier im dreckigen Hafen der jammernden Opfer herum? Tanz über die Landungsbrücke und komm an Bord. Ich sag dir, das Schiff ist herrlich. Die Fahrt ein Genuss. Es wird nicht mehr allzu lange dauern und die Segel werden gesetzt!“

„Coyote“, stotterte ich, „was meinst du? Ich verstehe nur Hafen, oder besser gesagt Bahnhof. Ich kapier es nicht.“

„Okay, ich erklär es dir. Aber geh erst mal aus der Sonne, dein Schatten wiegt so schwer.“

Ich trat zur Seite und nippte an meinem Espresso.

„Danke, Noah, das sind gefühlte zwanzig Kilo weniger, die auf mir liegen. Du solltest abspecken und dich leichter nehmen!“

„Was? Beleidigst du mich?“

„Nein, ganz und gar nicht!“

„Das hörte sich aber anders an, wenn ich darüber nachdenke.“

„Tanz einfach und sing darüber.“

„Spannender Vorschlag.“

„Ich mein es ernst. Singe und tanze. Dein inneres Kind macht sich schon bereit. Es ist der Schlüssel zu deinen Kindern. Nicht irgendein perfektes Schulsystem, das es gar nicht gibt. Ist dir das noch nicht aufgefallen? Gut, Systeme sind wichtig, aber sekundär.“

Dann funkelten seine Augen und er sang: „Sekundär, baby. Oh yes, sekundär … “

„Und was ist dann primär, Coyote?“

„Leben, Noah, Leben. Zuerst das Leben und dann die Struktur. Prost!“

„Prost!“, gab ich zurück und nickte. „Du lebst, Noah, ist dir das schon aufgefallen?“

„Ja, sicher!“

„Okay, doch nicht. Du prostest mit Kaffee. Du bist echt schräg …“

„Coyote, aber …“

Coyote enthüllte wieder die Schneise zwischen den Zähnen. Dann zerrte er an seinem buschigen Schwanz.

„Strukturen sind sekundär, mein Lieber. Sie verändern sich. Vor allem sind sie nicht des Rätsels Lösung. Sieh sie als Gefäß, in dem das lebendige Wasser weitergegeben wird. Oder auch der Kaffee.“

Er zeigte auf die Kanne und sein Häferl.

„Viele aber legen den Wert auf Strukturen und Ordnungen, versuchen hier eine Perfektion zu erreichen, die es nicht gibt. Ich sehe das so: Systeme können förderlich und sie können hinderlich sein. Das ist alles.“

„So wie Kaffeekannen förderlich sind, oder?“

„Kannen schon eher, Kapseln weniger! Du hast den Clou, ney?“

„Schenk dir die Anspielungen auf George, diesen Frauenschwarm. Ich hätte gerne seine Anziehungskraft auf Frauen.“

Ich seufzte und hob theatralisch die Augenbraue.

„Ist da jemand gekränkt?“

„Naja. Mit Frauen tut sich momentan nicht viel!“

„Narziss und Schmollmund. Das wird schon wieder. Gekränkt sein ist immer ein Zeichen für ein verletztes und selbstverliebtes Ego. Umarme es am besten. Drück es an dich wie ein frisch gebadetes Häschen und gehe mit ihm hinaus ins Leben.“

„Witzige Vorstellung, großer Hase.“

„Weißt du, was wirklich zählt? Wie du mit den Kindern umgehst! Sie sind viel wichtiger als irgendein System. Und weil das Johannes noch nicht klar ist, fühlen sich die Kinder nicht wohl.“

„Yes, old man. Sag mal, woher kennst du eigentlich Johannes?“

„Du weißt, ich beobachte dich schon länger. Und Johannes beschäftigt dich sehr, oder täusche ich mich?“

„Stimmt, mir geht es wie den Kindern, wenn ich mit Johannes zusammen bin. Er und sein Freund Manfred, der Physik unterrichtet, hoffen sicher insgeheim, dass der Quantenphysiker Anton Zeilinger sie noch vor der Pension als verschränkte Lichtteilchen von der Schule direkt nach Teneriffa oder besser noch Mallorca beamt. Okay, verschränkte Quantenteilchen kann man mittlerweile beamen, aber beschränkte Beamtenteilchen, die sich der Schwerkraft des Schulstandortes und dem Trägheitsgesetz verpflichtet fühlen?“

Coyote schlug sich auf die Schenkel.

„Eben. Ihr fühlt euch nicht wohl. Aber das liegt nicht an irgendeinem System, sondern an euch selbst. Jeder Mensch schafft mit seinen Überzeugungen selbst Systeme und die beeinflussen wieder bestimmte Haltungen.“

Coyote fiel auf die Knie und schaute zu seinem buschigen Schwanz. Dann rannte er diesem wie ein Irrer auf allen Vieren im Kreis hinterher, packte ihn mit der rechten Hand, verbog sich wie ein Artist des chinesischen Nationalzirkus und hatte ihn kurz darauf zwischen seinen Zähnen. Ich war sprachlos. Er ließ wieder los und stand auf.

„So ist das mit der persönlichen Überzeugung und den Systemen. Sie machen sich selbstständig, drehen sich im Kreis und dann beißt sich die Katze in den Schwanz.“

Er schnurrte laut.

Mann, war das ein durchgeknalltes Theater!

„Johannes hat kaum Bezug zu seinem inneren Kind, zu dem Jugendlichen, der er einmal gewesen ist. Er hatte keine gute Kindheit, nichts, an das er erinnert werden will.

Deshalb hat er sich, sobald er konnte, auf die andere Seite geschlagen. Er will alles vergessen und abspalten. Johannes bezahlt viel dafür, und zwar mit seiner Spontanität, Freude und Lebendigkeit. Das alles hat er verloren und die Kinder, die er unterrichtet, spüren das.“

„Aber deshalb kann er doch ein guter Lehrer sein, Herr Coyote!“

„Das ist schwer.“

Coyote hielt kurz inne und überlegte.

„Selbst wenn man das eigene Unterrichtsfach mag … Wer den Zugang zu seinem Inneren verloren hat, landet irgendwann vor dieser unsichtbaren Mauer und kommt nicht mehr weiter, egal wohin. Ohne Selbstliebe verliert man die Orientierung. Der Kompass funktioniert nicht mehr und der Verstand arbeitet unzusammenhängend.“

„Du erinnerst mich ein wenig an Hattie, den Erziehungswissenschaftler aus Neuseeland. Er kam auch zu dem Ergebnis, dass es nicht die Strukturen sind, wenn der Unterricht gelingt. Das entscheidende Kriterium ist der Lehrer selbst. Bildung erhält man nicht durch ein System oder eine Struktur. Sie geschieht, wo sich Menschen begegnen.“

„Getroffen. Das gilt übrigens für alle Lebensbereiche. Wenn die Haltung stimmt, dann entstehen danach – und ich betone danach – die fördernden Systeme wie von selbst. Und diese betet keiner an. Die werden bei Bedarf auch verändert und korrigiert. Stimmt’s, Noah? Darf ich nächstes Mal eine kleinere Tasse haben? Der Kaffee kühlt zu schnell aus!“

Okay, ich hatte verstanden. „Und welches System haben wir jetzt?“

„Ein System, das Systeme an die erste Stelle reiht, noch vor dem Leben.“

„Was du da sagst, ist aber ein Widerspruch.“

„Ja, es ist paradox.“

Er zupfte an seinem buschigen Kojotenschwanz.

„Es ist wie ein Spiel, das behauptet, kein Spiel zu sein. Verstehst du? Der Mensch schafft Systeme, die ihm dienen sollten, und dann klammert er sich an sie wie ein Betrunkener an die Flasche. Er wird von ihnen abhängig.

Systeme sind Wegweiser, sie weisen und führen wohin. Mehr nicht. Verwechselst du aber das Gefäß mit dem Getränk, dann hast du ein Problem, und wenn du glaubst, dass die virtuelle Welt an sich Substanz beinhaltet, sitzt du auch in der Falle.

Du solltest übrigens weniger Pornos schauen. Nur so nebenbei.“

„Was?“

Entgeistert starrte ich ihn an. Woher wusste er, was ich in meiner Freizeit trieb?

Coyote krümmte sich vor Lachen.

„Mein Gott, du bist ein gelangweilter Single und bald dreißig. Schmeiß dich endlich ins Leben, geh aus und lerne echte Frauen kennen. Sei ein wenig lockerer und verrückter, dann interessiert dich diese Zaungast-Haltung nicht mehr wirklich. Triff dich wieder mit deinen Freunden.“

Es stimmte. Wie lange war es eigentlich her, dass ich Zeit mit meinen Freunden verbracht hatte? Wie konnte das nur passieren?

„Verbringe Zeit in der Natur, mit Freunden. Was hockst du stundenlang vor dem Computer und schaust dir Dinge an, die dir eine falsche Welt vorgaukeln. Oder kennst du etwa Frauen, die von solchen Porno-Gockeln wirklich begeistert sind?“

Ich musste lachen. Genau diese Typen fand ich furchtbar peinlich.

„Weißt du was, Noah, die Welt braucht Männer, die es wagen, sie selbst zu sein; die mutig genug sind, liebevoll, stark und lebendig zu sein. Männer, die das Leben achten und schützen. Weder Raubtiere noch Hosenscheißer, sondern solche, die auch riskieren können.

Du bist derzeit eher einer von der letzteren Sorte, ein Hosenscheißer mit viel Potential nach oben.

Mutter Erde blutet, weil die Menschen wie Räuber über sie herfallen und all die Hosenscheißer dabei zusehen, ohne etwas zu tun. Das Salz dieser Erde sollte der Mensch sein. Aber jetzt ist die Suppe versalzen und ihr müsst sie selbst auslöffeln.“

Sah ich Tränen in den Augen von Coyote? Ich brauchte einige Zeit, bis ich mich wieder fasste.

„Ja, Coyote, Bertrand Russell hat das einmal ähnlich ausgedrückt. Es sei ärgerlich, dass in dieser Welt die Dummen so selbstsicher und die Gescheiten so voller Zweifel sind.“

„Stimmt, aber intelligent und dumm würde ich großzügiger definieren. Die Dummen meinen oft, die Dinge zu kennen, nur weil sie alles benennen können. Als könnte man ein Ding allein von außen erfassen! Und diese Menschen werden sogar als intelligent gefeiert. Aber was wissen sie denn vom Leben? Kennen sie die Lebewesen? Und was ist das Ding an sich? Sie halten nur das tote Wort.“

Sofort fiel mir eines meiner Lieblingsgedichte des österreichischen Dichters Rainer Maria Rilke ein, das ich für Coyote vortrug.

Ich fürchte mich so vor der Menschen Wort.

Sie sprechen alles so deutlich aus:

Und dieses heißt Hund und jenes heißt Haus,

und hier ist Beginn und das Ende ist dort.

Mich bangt auch ihr Sinn, ihr Spiel mit dem Spott,

sie wissen alles, was wird und war;

kein Berg ist ihnen mehr wunderbar;

ihr Garten und Gut grenzt grade an Gott.

Ich will immer warnen und wehren: Bleibt fern.

Die Dinge singen hör ich so gern.

Ihr rührt sie an: sie sind starr und stumm.

Ihr bringt mir alle die Dinge um.

„Ach ja“, seufzte Coyote wehmütig. „Viele haben die Poesie des Lebens verloren. Doch auf ihr tanzen die Worte. Wörter ohne Leben sind eine tote Hülle. Und diese wird von einigen noch dazu als das viel gepriesene objektive Wissen verkauft.“

Ich war begeistert von seinen Worten. Coyote kam so richtig in Fahrt.

„Leben, Noah. Leben! Wer hat die Sterne mit einem Wurf ans Firmament geworfen? Wer hat den Menschen das Pferd der Freiheit und das Feuer des Lebens geschenkt?“

„Warst du das etwa, alter Mann?“

Er grinste, seine Augen funkelten.

„Ich hab kein Ich, also war ich es nicht. Es ist das Leben als Coyote. Verstehst du? Hätte Coyote ein Ich, er würde darüber stolpern und dümmlich in die eigenen Fallen der Gier tappen. Erinnert dich das an etwas?“

Er gluckste, als er system overload in meinen Augen las.

Das Telefon klingelte und unser Gespräch wurde kurz unterbrochen. Während ich mein Smartphone zückte und den Anruf abwies, nahm ich mir vor, weitere Infos über Coyote zu googeln.

„Coyote, ich hab dir noch nicht von meinem Traum erzählt.“

„Dann leg mal los.“

Coyote drehte sich eine Zigarette, zündete sie an und hörte mir zu. Dabei paffte er und blies Ringe in die Luft.

„Noah, dieser Traum ist ein Geschenk. Lass dich von niemanden über den Tisch ziehen, egal, ob es ein System ist oder seine Vertreter. Sonst hast du verloren.“

Coyote legte den Kopf in den Nacken und pustete Rauch in die Luft. „Und übrigens: Die Reibungswärme, die du spürst, wenn man dich über den Tisch zieht, solltest du nicht mit Nestwärme verwechseln. Das bildest du dir gerne ein, du bequemer Kerl.“

„Warum rauchst du?“, fiel ich ihm ins Wort.

„Damit ich mit dir aufhören kann.“

„Ich soll aufhören zu rauchen? Ich habe gerade mal das Kiffen gelassen, weil es mich so ermüdete.“

„Tja, die Götterpflanze Hanf …“

Er zwinkerte mir zu. „Als ausgewiesener Drogenexperte würde ich sagen: Du bist müde, weil du wie viele deiner Kollegen nur noch funktionierst.

Und was passiert mit den Kindern, wenn schlappe Lehrer sie erziehen? Man zieht sie dorthin, wo man selbst steht. Auf die funktionierende Schiene.