Peter Scholl-Latours Reportagen von den Brennpunkten unserer Welt sind eine so fesselnde und erhellende Tour d‘Horizon durch sechs Jahrzehnte Weltgeschichte. Seine Beobachtungen spannen den Bogen von den Zeiten des Kalten Krieges bis hin zur neuen Weltunordnung unserer Gegenwart. Der erste Indochinakrieg und die Entzauberung der Kolonialmacht Frankreich in Algerien, der Vietnamkrieg und die Feldzüge in Afghanistan, wo die USA und die Sowjetunion ihr Waterloo erlebten, der von innen- wie außenpolitischen Krisen geplagte Iran, das dramatische Versagen des Westens in beiden Irak-Kriegen oder die Irrungen und Wirrungen des „Arabischen Frühlings“ ‒ immer hatte Scholl-Latour fundierte Analysen und zutreffende Prognosen parat. Sie fußten auf einer ausgeprägten Kenntnis des jeweiligen Landes und seiner Bewohner sowie der hinter den Konflikten stehenden historischen Wurzeln, politischen Interessen und religiösen Zwänge. Bis heute sind Scholl-Latours Texte ein Quell der Erkenntnis für all jene, die versuchen, die neue Weltunordnung zu verstehen.
„Peter Scholl-Latour wollte immer wissen, was die Welt im Inneren zusammenhält und äußerlich zerreißt.“ Jörg Seewald, ZEIT online
Ullstein
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Die Texte dieses Buches erschienen bereits in Peter-Scholl-Latours früheren
Büchern Der Tod im Reisfeld (DVA, Stuttgart 1979), Allah ist mit den Standhaften (DVA, Stuttgart 1983), Kampf dem Terror – Kampf dem Islam? (Propyläen, Berlin 2002), Weltmacht im Treibsand (Propyläen, Berlin 2004), Koloss auf tönernen Füßen (Propyläen, Berlin 2005), Die Angst des weißen Mannes (Propyläen, Berlin 2009), Arabiens Stunde der Wahrheit (Propyläen, Berlin 2011) und Der Fluch der bösen Tat (Propyläen, Berlin 2014).
Propyläen ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH
ISBN978-3-8437-2213-1
© für diese Zusammenstellung Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2019
Lektorat: Cornelia Laqua und Christian Seeger
Umschlagabbildung: © Alexander Hein
Gestaltung: Morian & Bayer-Eynck, Coesfeld
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Vorwort von Ulrich Wickert
Peter Scholl-Latour, Jahrgang 1924, gestorben 2014, ist auch heute noch jungen Journalisten ein Vorbild. Einmal im Jahr wird der nach ihm benannte Preis verliehen, und stets bewerben sich hervorragende Journalisten der bekanntesten Medien um diese Auszeichnung, seien sie von der ZEIT, vom Spiegel, von der SZ oder von ARD und ZDF. Und allein schon in die Endauswahl zu kommen und zu den drei Nominierten zu gehören, so schrieb die weltweit angesehene Fotoreporterin Julia Leeb, »ist eine Ehre für mich«, denn Peter Scholl-Latour war seit frühester Jugend ihr Vorbild. Vom Alter her könnte sie Scholls Enkelin sein. So hat sie – wie einst Scholl-Latour – Arabisch studiert und berichtet heute auch aus Gebieten, in denen Menschen unter Krieg und politischen Unruhen leiden. Der Peter-Scholl-Latour-Preis, so meint sie, sei ein wichtiges Signal für ihre Kollegen und sie selbst, da ihre Themen in der breiten Öffentlichkeit unverhältnismäßig wenig Aufmerksamkeit erhielten.
Schon vor fünfzig Jahren war »Scholl«, wie er nur genannt wurde, jungen Journalisten ein Vorbild. Auch mir. Ich habe ihn 1969 in Paris kennengelernt, da war er längst für deutsche Fernsehzuschauer wegen seiner Berichte aus Vietnam, aber besonders von den Studentenunruhen im Mai 1968 in Saint Germain, ein Symbol.
Sein Büro an den Champs-Élysées war klein und düster. Von den Räumen des Frankreich-Studios der ARD gingen kaum Fenster zum Tageslicht. Aber Peter Scholl-Latour war nicht der Mann, sich damit zufriedenzugeben. Er kaufte für den WDR um die Ecke zwei Etagen in einem neuen, modernen Bürohaus, heute noch eine der besten Dependancen des Senders. Fünfzehn Jahre später sollte ich davon profitieren, als ich in seine Fußstapfen als ARD-Studioleiter in Paris trat. Selber zog er nicht mehr in die hellen neuen Räume ein. Denn er war Fernsehdirektor des WDR in Köln geworden. Für eine kurze Zeit.
Als kleiner Redaktionsassistent lernte ich 1969 sein Bürokabuff kennen. Weil ich Französisch sprach, hatte der WDR mich als Hilfskraft nach Paris geschickt. General Charles de Gaulle war gerade vom Amt des Staatspräsidenten zurückgetreten. Neuwahlen standen an, Senatspräsident Alain Poher gegen den ehemaligen Premierminister Georges Pompidou. Mit wenigen Worten erklärte mir Scholl, weshalb Pompidou gewinnen würde. Klar. War dann auch so. Abends lud er mich nach Hause ein. Es gab Erbsensuppe. Ich hing an seinen Lippen und versuchte diesen Mann, der für uns Jüngere das Urbild des großen Journalisten verkörperte, zu verstehen.
Er bewunderte Charles de Gaulle. Aber er war kein Gaullist. Zunächst dachte ich, Scholl sei ein Konservativer. Aber dann lobte er den Studentenaufstand vom Mai ’68 mit den Worten, das sei doch ein schönes, romantisches Erlebnis gewesen. Dabei war er während der Unruhen in Paris verletzt worden, ein Splitter hatte sich in seinen Derrière verirrt. Übrigens die einzige Verletzung, die er je bei seinen Einsätzen erlitt.
De Gaulle zu bewundern und gleichzeitig die Studentenrevolte zu romantisieren, dazu gehört ein besonders unabhängiger Geist. Den verkörperte Peter Scholl-Latour zeit seines Lebens. In seiner Gedankenwelt hatte political correctness keinen Platz. Ihm ging es auch nie darum, Gefälligkeiten auszutauschen. Er bezog seine Positionen aus Überzeugung.
Als er den Text zu seinem ersten Fernsehfilm selber sprechen wollte, kam ein Fernsehgewaltiger und sagte, da nehmen wir einen ausgebildeten Sprecher, denn mit solch einer Stimme könne man nicht sprechen. Wer hat wohl die Sprachaufnahme gemacht? Er, Peter Scholl-Latour. Selbst sein Nuscheln wurde zum Markenzeichen. In einem Internet-Forum schrieb allerdings selbst Jahrzehnte später ein User mit dem Namen »Schißhase«: »Außerdem soll er mal richtig sprechen lernen: Ansonsten aber interessant.«
Fernsehen bedeutet ja auch Äußerliches. Was viele Männer selbst im Studio nicht schaffen, das verkörperte Peter Scholl-Latour sogar in der Wüste: einfach gut und elegant auszusehen. Wer die Bilder kennt, als Scholl mit seinem Kamerateam vom Vietcong gefangengenommen worden war, der sieht ihn im Reisfeld genauso gepflegt wie sonst in den Straßen von Saigon.
Eine Reihe von Schlüsselerlebnissen erklärt diesen Mann. So kannte er fast alle Schurken dieser Welt. Das Interesse dafür hatte den Ursprung in seiner Jugend. Als er Kind war, beschäftigte die Familie einen Chauffeur aus Polen. Diesen Mann hat Scholl über alles geliebt. Später hat sich dann herausgestellt, daß der Fahrer seine Frau umgebracht hatte.
In Bochum als Sohn eines aus dem Elsaß stammenden Arztes und einer ebenfalls elsäßischen Mutter geboren, wuchs er zweisprachig auf. Seine Eltern steckten ihn auf Grund ihrer Schwierigkeiten mit den Nationalsozialisten (die Mutter hatte jüdische Vorfahren, ihr Bruder wurde im KZ Sachsenhausen ermordet) 1936 in das streng katholische Jesuitenkolleg St. Michel in Fribourg in der Schweiz. Und die Jesuiten haben seinen Geist geschärft. Den Eltern wurde schließlich verboten, Geld in die Schweiz zu schicken, so daß Scholl-Latour sein Abitur 1943 in Kassel machte. Ich kann mir vorstellen, daß der französische Abenteurer und Journalist Joseph Kessel ihm das Muster für ein spannendes Leben vorgespiegelt hat. Im Januar 1945 will Scholl-Latour sich zu den alliierten Truppen in Frankreich durchschlagen, was ihm nicht gelingt. Er will »in jugendlichem Übermut und sträflichem Leichtsinn« (so schreibt er in Leben mit Frankreich, 1988) aus Nazi-Deutschland fliehen, gerät aber bei Graz in Gestapo-Haft, in der er trotz Flecktyphus überlebt.
Der Krieg ist zu Ende, aber nicht das Abenteuer für Scholl, ein Mann mit zwei Nationalitäten und Pässen. Eine seiner Lieblingsgestalten aus der Sagenwelt war Odysseus. Doch der Listige wollte sich in Frauenkleidern vor dem Krieg drücken, was Scholl-Latour, ganz ein Mann wie Joseph Kessel, Kampfflieger im Ersten Weltkrieg, nie in den Sinn gekommen wäre. Als Franzose verdingt er sich bei den Fallschirmjägern und kämpft zwei Jahre für die Grande Nation im Indochinakrieg. Da hat er auch mal Opium geraucht. Es hat ihn beruhigt. Aber er erlebte dabei keine erotischen Phantasien, wie er mir erzählte, deshalb gab es für ihn auch keinen Grund, weiterzurauchen.
Der Einsatz im Indochinakrieg wird kein Zuckerschlecken gewesen sein. In meinem Kriminalroman Die Wüstenkönigin erwähne ich einen Colonel Roger Trinquier als Autor eines Handbuchs des Folterns. Es ist ein grausames Buch, dessen detailliert geschilderte Methoden die französische Armee später im Algerienkrieg anwandte, das an der École militaire in Paris als Lehrmaterial diente und das später in Südamerika und während des Vietnamkriegs in den USA zu Rate gezogen wurde.
Scholl lachte laut, als er mein Buch las, und sagte mir: »Trinquier war als Oberleutnant mein Chef beim Fallschirmkommando im Indochina-Krieg.«
Nach dem Krieg hat Peter Scholl-Latour in Paris studiert, promoviert und dann zwei Jahre im Libanon die arabische Hochsprache erlernt. Hier liegt die Wurzel für seine spätere Fähigkeit, uns die Welt des Islam zu erklären. Er wird Journalist durch Zufall, sein erster Artikel erscheint gleich auf der ersten Seite von Le Monde.
Als Reisekorrespondent ist er viel in Afrika unterwegs. Kurz steigt er in das Umfeld der Politik ein, als Regierungssprecher des saarländischen Ministerpräsidenten Johannes Hoffmann. Die beginnende Entkolonialisierung Afrikas begleitet er als Hörfunk-Korrespondent der ARD mit Sitz in Leopoldville und Brazzaville, bevor er 1963 das ARD-Studio in Paris gründet. Aber Paris-Korrespondent zu sein reichte ihm nicht, und so reiste er als Sonderkorrespondent für die ARD nach Vietnam und in den Nahen Osten, sobald es von dort zu berichten galt.
In der kurzen Zeit als WDR-Fernsehdirektor 1969 bis 1971 stärkte er den journalistischen Sinn für Informationssendungen. Aber Reiseanträge der anderen zu unterschreiben, daran hatte er wenig Freude. Und so ging er wieder als Sonderkorrespondent und Studioleiter nach Paris, diesmal für das ZDF.
Mit großen Abenteurern möchte ich ihn vergleichen. Denn er reiste auf dem Kamel wie Sven Hedin durch die Wüste. Er suchte das Herz der Finsternis wie Joseph Conrad. Er schrieb ein klares Wort wie Ernest Hemingway. Er bewunderte Ibn Battuta, der im 14. Jahrhundert der bedeutendste Reisende Arabiens war und in Büchern über seine Erlebnisse berichtete. Und Scholl-Latour ähnelte seinem Lieblingsintellektuellen Ibn Chaldun, der einer spanisch-arabischen Familie entstammte und als erster Gelehrter vor bald siebenhundert Jahren eine Soziologie der islamischen Welt entwickelte und eine Weltgeschichte schrieb.
Als im Herbst 1978 Ayatollah Khomeini für drei Monate in Neauphle-le-Chateau unterschlüpfte, nahm Scholl-Latour Kontakt zu dem Schiitenführer auf, weil er ahnte, wohin dieser Mann Persien führen würde. So kam es, daß Scholl auch in der Maschine saß, die Khomeini am 1. Februar 1979 nach Teheran brachte. Seitdem trug er immer ein Foto mit sich, auf dem er halb im Schneidersitz neben dem Ayatollah hockt. Das war der beste Ausweis, sollte es in islamischen Ländern einmal Probleme geben.
Scholl blieb bis 1983 in Paris. Da widerfuhr dem Stern das Mißgeschick mit Hitlers Tagebüchern. Gruner+Jahr brauchte also flugs einen neuen Kopf für das Magazin, einen Kopf, der die journalistische Katastrophe möglichst vergessen ließ. So kam Peter Scholl-Latour nach Hamburg. Aber er blieb nur ganz kurz. Wöchentlich ein Magazin zu stemmen, das entsprach nicht seinem journalistischen Drang. Bald reiste er wieder für das ZDF, filmte in aller Welt Reportagen. Vor allem aber widmete er sich dem Schreiben von Büchern. Seinen größten Erfolg hatte er 1980 mit Der Tod im Reisfeld, in dem er die Grundzüge von dreißig Jahren Krieg in Indochina analysierte. Das Buch erreichte eine Auflage von mehr als 1,3 Millionen Exemplaren. Dutzende von Büchern folgten.
Scholl-Latour hatte in Deutschland inzwischen eine Sonderstellung als Publizist eingenommen, die manchem zu bedeutend erschien. Manch einer übte sich im »Scholl-bashing«. Dieses Neidverhalten gehört ja leider zu den Unarten im deutschen Journalismus. Besonders das Bild des Islam, das er vermittelte, brachte Scholl zunächst Kritik ein. Schon 1983 hatte er in dem Buch Allah ist mit den Standhaften auch die strengen Seiten des Islam dargestellt. Er warnte vor dem wachsenden politischen Einfluß der Religionen, was einige Orientalisten und Journalisten in Deutschland zu dem Vorwurf veranlaßte, er bausche durch holzschnittartige Vereinfachungen ein Feindbild auf.
Es mag ihn verletzt haben. Auf die Frage der Süddeutschen Zeitung: »Wie gehen Sie mit Kritik um?«, sagte er jedoch in seiner abgeklärten Art: »Mich läßt das kalt. Wo käme ich da hin.« Spätestens nach den Attentaten vom 11. September 2001 konnte Scholl sich bestätigt fühlen. Und wenn Peter Scholl-Latour schließlich durch seine vielen Bücher und Auftritte im Fernsehen zu dem wurde, was manche einen »Welterklärer« nennen, dann lag es an seinem fundierten Wissen, das er in so einfache Worte kleidete.
Tabus kannte Scholl nicht. Er hat schon vor Ausbruch des Irakkriegs gleich erklärt, weshalb dieser scheitern würde. Recht hat er gehabt, obwohl das damals im emotionsgeladenen Umfeld keiner hören wollte. Weil er Tabus für Denkhemmungen hielt, scheute er sich auch nicht, den von US-Präsident Bush inszenierten Irakkrieg genauso zu kritisieren, wie er einst das amerikanische Vorgehen in Vietnam auseinandergenommen hatte. Und trotzdem war er kein Anti-Amerikaner.
Im September 2001 sagte er in der BILD-Zeitung, George W. Bush sei der dümmste Präsident, den die USA je hatten – in der Zeit vor Trump. Eine klare Aussage, wohlbegründet. Aber außer ihm traute sich in Deutschland niemand zu solch einer Beurteilung. Heute, wo wir das Chaos im Nahen Osten sehen, nicken alle bestätigend. Ja, recht hatte er. Recht hatte er auch, als er vorhersah, daß der Westen in Afghanistan scheitern werde.
Peter Scholl-Latour war in seiner Art einzigartig. Er ließ sich niemandem zurechnen und hing von niemandem ab. Seine Statur erwuchs aus seinem Werk, nicht aus einem Netzwerk, wie es heute leider gang und gäbe ist. Er konnte seine Ansichten nicht nur mit genauer Kenntnis der Geschichte begründen, sondern er kannte auch die Politiker, Rebellenchefs, Diktatoren, Generäle und Stammesführer, die das politische Geschehen beeinflußten. Er hatte sie auf seinen Reisen getroffen.
Als wir uns einst in Südfrankreich zum Abendessen trafen, wir wohnten dort in benachbarten Dörfern, klagte Scholl, ihm gingen die Gesprächspartner aus. Und voller Verachtung sprach er über die Tendenz im deutschen Journalismus, zu viel aus dem Archiv zu schreiben. Oder gar hämische Texte mit kritischem Journalismus zu verwechseln.
Peter Scholl-Latour war ein außergewöhnlicher Journalist, aber als Mensch ist er einfach geblieben. Seine liebe Frau Eva scherzte nur, sollte Peter beim abendlichen Mahl in seinem Haus in Südfrankreich nicht deutsche Fleischwurst auf dem Tisch vorfinden, schmecke ihm die Butterstulle nicht. So war er. Und auf seinen Reisen führte er stets die französische saucisson sec mit. Nur nicht im Irak. Wegen des Schweinefleischs in der saucisson. Und zum Schneiden der harten Wurst benutzte er ein Opinel, das scharfe Klappmesser französischer Bauern.
Fünf Jahre nach Peter Scholl-Latours Tod vereint das vorliegende Buch noch einmal ausgewählte Reiseberichte aus jenen Weltregionen, die ihm am meisten am Herzen lagen – neben dem Maghreb und Vietnam waren dies vor allem die Länder Zentralasiens sowie der Iran und der Irak. Es sind Länder und Regionen, die er im Laufe seines mehr als sechzigjährigen Reporterlebens immer wieder bereist hat. Auch wenn sich das politische Umfeld hier und da verändert hat, haben Scholl-Latours Schilderungen von Land und Leuten, von den Landschaften, die er bereist hat, von den Menschen, denen er begegnet ist, Bestand. Scholls tiefe Kenntnis der kulturellen und religiösen Vielfalt dieser Welt und seine unersättliche Neugier auf ebendiese Welt, die in ihrer Vielfalt zu verschwinden droht, sprechen aus jeder Zeile.
Hamburg, im Juli 2019