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Hans-Uwe L. Köhler

Hau eine Delle ins Universum

Wie alles gelingt, was Ihnen wichtig ist

AristonSchwarz.eps

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Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek

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© 2014 Ariston Verlag in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München.

Alle Rechte vorbehalten

Umschlaggestaltung: Hauptmann & Kompanie, Zürich

unter der Verwendung eines Motivs von: Shutterstock, New York

Satz: EDV-Fotosatz Huber/Verlagsservice G. Pfeifer, Germering

ISBN 978-3-641-13708-3
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Manchmal trägt das Glück Namen: Ille

Kristina und Karolin

Maximilian, Henriette und Jonathan

Inhaltsverzeichnis

Vorwort: Wie alles gelingt, was Ihnen wichtig ist!

Kapitel 1: Von der Lust am Leben

Auf in den Kindergarten!

Wenn ein Genie übt, klingt das grässlich!

Ihre Kinder sind keine Superstars!

Leben Sie rücksichtslos!

Eine kleine Schaufel Sand reicht!

So bekommen Sie Ihre Quelle wieder frei!

Du bist gut!

Fatal: ein falsches Leben gelebt!

Aber es sind doch nicht alle Menschen gleich!

Sie sind ja vielleicht ein Typ!

Gelingen durch Sympathie

Gelingen durch Mitreißen

Gelingen durch Überzeugen

Ein gelungenes Leben!

Kapitel 2: Das Vergnügen der Arbeit

Warum arbeiten wir eigentlich?

Die Art, wie wir heute arbeiten, ist relativ neu

Die falsche Wahl

Wusste Maslow davon?

Hol den Engel aus dem Stein!

Im Irrgarten der Bedürfnisse

Mögliche Folgen verhindern sichere Chancen

Dann verzweifelt der Mensch!

Nur weil man nicht unzufrieden ist, ist man noch längst nicht zufrieden

Die Begeisterungsfähigkeit bleibt!

Gelingt Gelingen durch Herabsetzung?

Arbeit muss nicht glücklich machen!

Sie soll es gleich richtig lernen!

Stress entsteht am falschen Platz!

Ein Drittel ist überfordert

Langeweile macht krank!

Es gibt kein eigenes Leben im fremdbestimmten!

Wie wir morgen arbeiten werden

Kapitel 3: Nichts bleibt so, wie es ist

Abstrakte Ziele funktionieren nicht!

Beruflich Amateur? Privat Profi!

Wir brauchen Gelingensfelder!

Veränderungen machen Angst!

Das »100-Prozent-mehr-Erfolg-Seminar!«

Die Veränderung eines Zustandes muss man wollen!

Ziel und Gelingen sind nicht ein- und dasselbe

Gelingen ändert den Zustand

Das Gelingen ist wichtiger als das Ziel!

So entwerfen Sie ein Gelingensfeld

Menschen begeistern – für eine gute Zusammenarbeit!

Verrückte? Monster? Mitarbeitende!

Haben Sie schon innerlich gekündigt?

Wer motiviert eigentlich wen?

Werte sind nichts wert

Vertrauen ist die Grundlage für Zusammenarbeit

So entsteht Vertrauen

Wertschöpfung durch Wertschätzung

Machen Sie mehr aus Ihrer Arbeit!

Erhöhen Sie den Wert Ihres Arbeitsergebnisses!

Behalten Sie die Übersicht!

Was liefern Sie?

Wer zahlt eigentlich Ihr Gehalt?

Es ist doch Ihr Ding!

Missbrauchen Sie niemals Ihre Macht!

Hören Sie hin, fragen Sie nach und reden Sie mit!

Warum gut genug nicht gut genug ist

Hören Sie nie auf zu träumen!

Forrest Gump

Die gelbe Tüte

Und warum machen Sie daraus keine »goldene« Tüte?

Fragen Sie sich, was für ein Potenzial in Ihnen steckt

Dô – der Weg mit Schwert und Pinsel!

Was braucht man zum Leben wirklich?

Kapitel 4: Hier kommt die Energie

Das einzig funktionierende perpetuum mobile der Welt: Begeisterung!

Ich bin von dem, was ich mache, überzeugt!

Ich überzeuge andere von dem, was mich überzeugt!

Ich teile meine Begeisterung mit anderen!

Ich arbeite voller Hingabe!

In mir ruht die unerschöpfliche Energie!

Meine Art überzeugt!

So lenke ich die Gedanken anderer!

Ich wirke immer von Innen!

Ich finde engagierte Mitstreiter!

Durch originelle Fehler kann ich prima lernen!

Aufgaben sind für mich sportliche Herausforderungen!

Nichts bringt mich vom Weg ab!

Was wir suchen, weckt die Zuversicht!

Selbstliebe ist die perfekte Eigenmotivation

Kapitel 5: Es ist Freude

Musst Du Dein Leben ändern? Nein. Du musst Dein Ändern leben!

Glück ist immer

Von der Lust am Scheitern

Meide den Boden dogmatischer Überzeugungen

Leichtes Reisegepäck auf dem Weg zur Delle: 10 Goldene Regeln

Finde heraus, wie es geht!

Nutze jede Gelegenheit zur Inspiration!

Mach endlich deinen Traum wahr!

Befreie dich selbst!

Raus aus der Geisterbahn!

Freue dich auf dein Gegenüber!

Mut zum Risiko – Du stirbst sowieso!

Genieße die Ungewissheit!

Du hast die Freiheit der Wahl!

Lach die Welt an!

Danksagung

Literaturhinweise

Register

Vorwort: Wie alles gelingt, was Ihnen wichtig ist!

W enn wir ein wunderbares Fest erleben, ohne das Wunderbare genau beschreiben zu können, wenn ein Maler seinem Bild noch einen letzten Pinseltupfer hinzufügt, ohne das wir hinterher erkennen könnten, wo genau dieser Tupfer sitzt, wenn ein Sportler seine Kür präsentiert und unser Auge dabei von den Bewegungsabläufen fasziniert ist, wenn uns ein Dirigent mit seinem Orchester einen Musikgenuss außergewöhnlichster Art schenkt, den wir im Detail nicht zu beschreiben vermögen, wenn unsere Großmutter einen ihrer berühmten Kuchen backt, ohne ein Rezept zu benutzen – immer dann sprechen wir anerkennend, bewundernd, mit leuchtenden Augen von: »Das ist gelungen!«

Könnte man mit dem Wort »erfolgreich« genau die gleichen Eindrücke vermitteln?

Kann man einen Kuchen erfolgreich backen? Ist es wirklich nur das Rezept, das über den Geschmack entscheidet? Kann ein Maler ein »erfolgreiches« Bild malen – vielleicht ist seine Karriere vom Marktwert her als erfolgreich zu bezeichnen, aber ein Bild, eine Skulptur? Ein Sportler mag eine Goldmedaille gewinnen, doch was seine Kür ausmacht, bleibt häufig selbst den Punktrichtern verborgen. Würden Sie bei einer Symphonie von einer erfolgreichen Aufführung sprechen? Und wenn die klassische Musik nicht Ihr Ding ist, wäre dann ein Konzert von Lady Gaga oder den Rolling Stones als erfolgreich zu bezeichnen?

Auf dem Weg zum Gelingen gibt es Zwischenstufen. Die vermutlich erste Stufe, die ein Mensch erlebt, ist »… ich hab’s alleine gekonnt!«, dann folgt häufig »… ich hab’s geschafft!«. Mit einer Fülle von Worten und Begriffen wird das Erreichen eines Ergebnisses oder Zieles beschrieben: etwas hingekriegt, die Hürde genommen, es gepackt haben, die Aufgabe bewältigt, am Ziel sein, etwas erwirkt haben, die Prüfung bestanden, die Schwierigkeit bewältigt, es fertig gebracht, es hat geklappt, es ist glatt gegangen, es ist gut geworden oder auf Kölsch: »Et hätt noch immer jot jejange!«

Anders als der Erfolg setzt das Gelingen einen gewissen Reifegrad des Handelnden voraus. Das Gelingen ist eine äußerst komplexe Empfindung. Sie setzt sich zusammen aus den vielen, mitunter auch kleinen Entscheidungen, die man fällt und die sich am Ende zum großen Bild fügen. Ferner aus Werten und Prinzipien, die dem eigenen Handeln zugrunde liegen. Aus überwundenen Ängsten, Stolpersteinen und Besorgnissen – und ganz wichtig: aus den Erfahrungen des Misslingens. Nur durch die Erfahrung des Misslingens wird es möglich, ein wirkliches Gespür für das Gelingen zu entwickeln. Gelingen ist viel mehr als die reine Addition von Fakten. Gelingen hat nichts mit richtig oder falsch oder gar Qualität zu tun. Das Gelingen ist ein tiefes Gefühl der Befriedigung, das sich aus getanen Handlungen, zurückliegenden Erfahrungen und der Gewissheit für den gelungenen Augenblick speist.

Und insofern weist dieses Buch nicht einen weiteren Weg in Richtung »besser-höher-weiter«, sondern in die andere Richtung: ein wenig tiefer in sich selbst, ein wenig langsamer auf dem Weg und ein wenig lässiger im Umgang mit den möglichen Beschwernissen auf dem Weg. Doch dieser Weg ist klar: Er wird eine Spur hinterlassen. Und wenn es sich um ein besonders gelungenes Leben handelt, dann kann es sogar vorkommen, dass das Universum erschüttert wird und eine Delle als Dokument dieses Ereignisses zurückbleibt.

So, und nun lassen Sie uns auf die Reise gehen. Es gibt etwas Wunderschönes zu entdecken!

Kapitel 1

Von der Lust am Leben

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Man muss ins Gelingen verliebt sein, nicht ins Scheitern.

Ernst Bloch

Auf in den Kindergarten!

Kommen Sie, wir besuchen gemeinsam einen Kindergarten! Am einfachsten, wir setzen uns in eine Ecke und beobachten die Szene. Achten Sie nur auf die Kinder und ihr Tun. Es ist laut und quirlig. Dieses Laute ist kein Krach, die Zwerge teilen sich mit. Sie haben alle etwas zu erzählen, zu berichten, auf Entdecktes hinzuweisen.

Henriette ist ein Jahr und 5 Monate alt, als sie auf dem Schoß ihres Vaters am Klavier sitzt. Dabei zeigt sie auf den Schriftzug des Herstellers Schimmel, genau auf das C und sagt: »Mond!« Genau, ein Halbmond, wie sie ihn wahrscheinlich in einem Geschichtenbuch schon oft gesehen hat. Sehen Sie auch den abnehmenden Halbmond im »C«?

Wenn Sie diese Kinder sehen, die lachen, springen, hüpfen, vor Bewegungsdrang nicht still sitzen können, ständig reden, andere schupsen oder ziehen, schnell zwischen Spielecken und Gruppen wechseln wollen, dann wieder aus dem Stand heraus heulen können, kurz danach wieder neugierig sich mit der nächsten Aktion befassen, mit Lust klettern und krabbeln, musizieren und Purzelbäume schlagen, malen und klecksen, kneten und klatschen … Es will kein Ende nehmen …

Wie würden Sie diese Menschen beschreiben? Motiviert? Glücklich? Neugierig? Begeistert?

Lassen Sie uns genauer hinsehen. Glauben Sie, dass Kinder spielen? Das Wort »spielen« ist falsch, trifft nicht den Kern. Es wäre aber auch falsch zu behaupten, sie würden arbeiten. Sie entdecken das Leben. Und das kann sehr, sehr anstrengend und mühevoll sein …

Sehen Sie sich einmal an, wie ein Kind laufen lernt. Wenn man das in einem Zeitraffer zeigen könnte, dann würde man folgendes sehen: Kind kann sitzen. Durch diesen Perspektivenwechsel vom Liegen und Krabbeln zum Sitzen stellt es fest, dass es noch viel mehr Dinge gibt, die es zu entdecken gibt – doch zunächst unerreichbar. Es folgt nun der Versuch, sich an allen möglichen Möbelteilen oder Menschenbeinen hochzuziehen – bis das Kind steht. Ja, und dann mit allem Mut oder grenzenloser Ahnungslosigkeit läuft es irgendwann los.

An dieser Geschichte stimmt etwas nicht. Es fehlt die helfende Hand! Ob Mutter, Vater, Großeltern oder Geschwister, irgendjemand reicht dem kleinen Menschen die Hand und hilft. Doch das ist nicht das Wichtigste – wichtig sind die ermunternden Worte und Blicke. Unter der Voraussetzung, dass das Kind körperlich und geistig gesund ist, wird es irgendwann Laufen können, das mag schnell gehen oder länger dauern, aber was sind schon ein paar Tage oder Wochen? Wissen oder ahnen Sie, wie stolz und glücklich Ihre Eltern waren, als Sie Ihre ersten Schritte gingen? Ihr Großvater hat vor Stolz für Sie als Jungen schon eine Fußballerkarriere erahnt oder Sie als kleines Fräulein auf dem Laufsteg in Paris und Mailand gesehen!

Und lassen Sie uns ein Detail nicht übersehen: die Windel zwischen den Beinen! Könnten Sie sich vorstellen, wie Laufen geht, wenn Sie als Erwachsener eine Windel tragen müssten, die in der Größenproportion der Windel eines Kleinkindes entspräche? Viel Spaß! Sie kämen mit dem eigenen Hintern noch nicht einmal hoch!

Reden wir ein wenig über das Sprechenlernen. Hier wiederholt sich die Geschichte auf ähnliche Art und Weise. Versuchen Sie mal, sich ohne Zähne zu artikulieren! Speichel tropft aus dem Mund, weder Zunge noch Stimmbänder gehorchen. Eltern können nur erahnen, was da gesagt oder gemeint ist. Und was macht die Mutter?

Sie wird dem Kind das Sprechen beibringen. Durch ständiges, liebvolles Korrigieren und Ermuntern gelingt es dem Kind jeden Tag, in jedem Augenblick, noch besser verstanden zu werden.

Und wie war das mit dem Essen? Auch hier, das erste selbstständige Halten des Fläschchens, ein Glücksmoment! Das Füttern, ein einziges Verschmieren von Brei. Immer wieder die Ermunterung: »Komm, noch ein Löffelchen!« Dann das »Herumgefuhrwerke« mit dem eigenen Löffel zwischen Teller und Mund. Und egal wo der Brei landet – selten da, wo gewollt – kein böses Wort, nur Ermunterung, Zustimmung, Anerkennung. Selbst eine Ermahnung: »Nun pass doch auf!« lässt keinen Zweifel an geschenkter Liebe und herzlicher Fürsorge aufkommen.

Laufen, sprechen und essen zu können ist die Gewissheit, im Leben willkommen zu sein! Kleine Menschen erlernen ja nicht nur laufen, sprechen und essen. Sie lernen, wie Beziehungen entstehen und wachsen! Sie entdecken und entwickeln eine neue »Nabelschnur«. Die erste, die für neun Schlüsselmonate gebraucht wurde, hat ihre Funktion erfüllt. Jetzt wächst eine neue Verbindung, die etwas Paradoxes ermöglicht: durch ihre immaterielle Art ermöglicht sie die Gewissheit der Verbundenheit und die Möglichkeit der Freiheit! Der Nährstoff für das Wachsen dieser neuen Nabelschnur besteht aus Anerkennung, Aufmerksamkeit und der Gewährung von Schutz. Und so erfährt jeder Mensch die Gewissheit, dass er nicht alleine ist.

In der Sandkiste oder am Strand können Sie etwas Interessantes beobachten: Sobald Menschen den Sand sehen oder berühren, werden augenblicklich die Hände oder Füße aktiv. Ohne jedes Werkzeug wird Sand verformt; entweder in kleine Türme, die dann immer mehr wachsen, sehr bald werden Wälle oder Gräben hinzugefügt, um sie dann idealerweise mit Wasser zu fluten. Oder die Menschen zeichnen – Kreise, Linien und alle möglichen Figuren – in den Sand.

Doch warum tun sie das, völlig altersunabhängig? Sie drücken sich aus. Man muss hier vor Freude an der deutschen Sprache einen kleinen Halt machen: sich aus-drücken! Da ist also etwas in den Menschen, das herausgedrückt werden will. In der »Spiel-mit-dem-Sand«-Metapher steckt noch ein ganz besonderes Geheimnis: etwas »zu tun« ist wie ein Spiegel, der dem Menschen sein Selbstbewusstsein schenkt.

Es ist der Wunsch, zu gestalten, zu formen. Es ist der Urgedanke, dass man Ideen, Wünschen und seinen Phantasien Gestalt geben kann. Dieser Urgedanke des Gestalten-Könnens ist unmittelbar verbunden mit dem Wunsch des Gelingens.

Laufen lernen ist an sich schon ein Vergnügen; gut zu beobachten, wenn kleine Menschen bei jedem Schritt, und sei er noch so wackelig, vor Glück quicken. Doch tatsächlich gibt es kein finales »Jetzt-kann-ich-laufen-Gefühl«. Kaum wird das Laufen an sich gekonnt, wird nach weiteren Möglichkeiten des Gelingens von Laufen gesucht. Schon kleine Menschen versuchen sich im Wettlauf. Andere variieren das Laufen durch Hüpfen. Komplizierte Turnübungen sind häufig Ausdruck eines stetigen Wunsches nach Gelingen. Andere versuchen das Laufen auf einem Seil mit dem Gelingen zu krönen. Tanzen setzt das Laufen-Können voraus. Selbst Radfahren und Schwimmen sind nichts weiter als andere Formen des Laufen-Gelingens. Und noch etwas: Selbst am Ende aller Tage sind Menschen noch froh, wenn ihnen wenige Schritte des Laufens gelingen. Die Geschäftsideen von Treppenlift und Rollator erzählen von dieser Sehnsucht.

Den Kindergarten und den Strand haben wir ja schon längst verlassen. Ich möchte Sie gerne an einen weiteren Ort des Gelingens führen – in ein Konservatorium.

Wenn ein Genie übt, klingt das grässlich!

Professor Gernot Schulz, international gefragter Dirigent – ehemaliger Assistent Leonard Bernsteins und Sir Georg Soltis – der an der Hamburger Musikhochschule studierte, seine musikalische Laufbahn als Schlagzeuger bei den Berliner Philharmonikern begann und dort noch Herbert von Karajan als Chef erlebte, erzählte mir die folgende Geschichte:

»Wenn Sie durch ein Konservatorium gehen und nach den zukünftigen Stars der klassischen Musik Ausschau halten wollen, dann gehen Sie nicht in die Räume, aus denen es schön klingt. Mit großer Wahrscheinlichkeit entwickelt sich da kein überdurchschnittlicher Könner, denn hier spielt nur jemand Stücke, die er kann. Gehen Sie dorthin, wo es Ihren Ohren regelrecht wehtut. Dort übt jemand an für ihn schwierigen und großen Herausforderungen. Dessen Karriere könnte gelingen!«

Ich werde Ihnen später noch mehr von meinem Lehrberuf erzählen. Ich bin gelernter Zahntechniker, wenn auch nur durchschnittlich begabt. Ich erinnere mich noch an einen Kollegen, der immer ein wenig traurig aussah, wenn er sich von seiner fertigen Arbeit trennen musste. Er neigte seinen Kopf und schob die Arbeitsschale eher zögernd dem Meister zu. Nicht weil er Angst vor dem Urteil hatte – er wurde jedes Mal in den höchsten Tönen gelobt – sein Werkstück bestand aus einer Reihe von Schritten, die zunächst gelingen mussten, und diese Augenblicke spürte er als zärtliche Eindrücke. Nun hieß es, das Werkstück loszulassen. Doch wer gibt schon gerne Gelungenes her?

Lassen Sie uns einmal bei dem Geigenbauer Karl Montag vorbeischauen. Dazu müssten wir allerdings in die Zeit um 1969 zurückreisen – aber warum sollte das nicht möglich sein. Montag war Musiker und Maler – und er wurde mein philosophischer Lehrer.

Völlig verarmt begann er 1957 mit 40 Jahren im Selbststudium mit dem Geigenbau. Doch seine Idee war nicht nur Geigen bauen zu wollen, er wollte Geigen bauen, die wie die Violinen der großen Meister aus dem italienischen Cremona klangen – wie eine Amati oder eine Stradivari eben! An seiner ersten Geige arbeitete er 7 Jahre. Nicht, weil er es nicht konnte; nein – das, was er wollte, gelang nicht. An seinen späteren Geigen arbeitete er immerhin noch mindestens jeweils ein ganzes Jahr. Er veränderte seine Geigen während der Herstellung immer wieder, baute sie auseinander, hobelte kleinste Partien Holz ab, um ganz bestimmte Töne zu beeinflussen. Sein besonderes Augenmerk galt den Lacken. Er studierte und probierte Lacke und war vergnügt unzufrieden. Er hätte, um aus seiner Not herauszukommen, viel mehr Geigen bauen und verkaufen können! Doch darum ging es ihm nicht. Am Ende seines Lebens, 1984, hatte Karl Montag genau 19 Geigen gebaut – und eine unvollendete. Und es sollte ihm tatsächlich gelingen, dass Experten wie David Oistrach seine Instrumente in höchsten Tönen lobten und – spielten! Es war gelungen.

Kommen Sie weiter, wir besuchen einen Baumarkt. Schauen Sie sich die Menschen an, die hier einkaufen. Ihre möglichen Motive sind einfach: Die einen kommen, weil sie sich einen ordentlichen Handwerker nicht leisten können, also müssen sie es selbst irgendwie hinkriegen. Damit sie das glauben können, erzählt ihnen die Werbung: »Wenn’s gut werden muss.« Andere kommen, weil der Auftrag für einen Handwerker viel zu klein wäre. Und natürlich kommen auch Kunden in den Baumarkt, weil Sie einfach glauben, es ohnehin besser zu können als alle anderen. Doch es gibt noch eine weitere Gruppe: Die, die das Gelingen erleben wollen!

Genau dieses Thema wurde in einem Werbespot aufgriffen. Die Szene ist denkbar simpel: Ein Mann baut eine Gartenhütte und nagelt Bretter zusammen. Also profaner geht es wirklich nicht. Doch mit dem Ausholen des Hammers und dem Zuschlagen auf den einen Nagel verändert sich seine gesamte Wahrnehmung: kleine Engel umschwirren ihn mit sphärischer Musik, der erhobene Hammer und das Niedersausen auf den Nagelkopf wird optisch zum finalen Weltereignis mit ekstatischem Gejubel vom Publikum gefeiert – davon träumen kleine Jungs – auch wenn sie die 50 schon längst hinter sich gelassen haben!

Wir sollten uns noch die Zeit nehmen, einen Abstecher in einen Zirkus zu machen. Haben Sie schon einmal gehört, wie in einem chinesischen Zirkus eine Nummer angekündigt wird? »Möge die Übung gelingen!«. Das ist doch genial! Da wird nicht gerufen: »Und jetzt kommt der weltberühmteste und allergrößte und obertollste Super-Mega-Star!« Nein – ganz bescheiden: »Möge die Übung gelingen!« Also keine Präsentation, sondern eine Übung, die eben auch schief gehen kann. Und jetzt verstehen Sie auch, warum es in der Welt der Profis nicht darum geht, in seiner Art »vollkommen« zu sein, dass es aber sehr wohl eine Tugend ist, nach »Vervollkommnung« zu streben und daran zu arbeiten.

Zum Schluss unserer kleinen Ausflüge müssen wir unbedingt noch bei einem Uhrmacher vorbeischauen. In der Uhrmacherei gibt es einige Besonderheiten, die für unser Thema des Gelingens wichtig sind. Es gibt Uhrmacher, die sich auf die Reparatur von mechanischen Uhren spezialisiert haben. Nun, es geht nicht darum, »kaputte« Uhren wieder zum Laufen zu bringen. Das ist viel zu kurz gedacht. Es geht vielmehr um das Verständnis für eine Uhr, um die Entdeckung ihrer inneren Zusammenhänge. Erst wenn diese verstanden werden, ist es möglich, das Teil herzustellen, das fehlerhaft oder defekt war. Dass die Uhr am Ende wieder korrekt läuft ist natürlich Sinn und Zweck der Arbeit, doch das Vergnügen am Gelingen liegt vor dem finalen Ergebnis.

Eine weitere Besonderheit bei Uhrmachern besteht darin, dass einige von ihnen es lieben, sich das Leben so richtig schwer zu machen. Im Ernst, wir leben doch heute in einer Welt, in der es uns darum geht, die Dinge zu vereinfachen, die Anfälligkeiten für dies und das zu reduzieren und die »Prozesse« zu optimieren – aber es denken eben nicht alle so. Uhrmacher suchen die besondere Herausforderung dadurch, dass sie versuchen, eine Uhr noch komplizierter zu machen. Sie muss mehr können, als nur die Zeit präzise zu messen. Stellen Sie sich vor, die Uhrmacher bei Patek Philippe haben anlässlich des 150-jährigen Bestehens ihres Unternehmens eine Uhr mit dem Namen Calibre 89 geschaffen: 1728 Einzelteile in einer einzigen Uhr, um damit 33 Komplikationen darzustellen! Und das freiwillig. Weltrekord.

Alle Menschen, die wir gemeinsam auf dieser kleinen Reise getroffen haben, sind sich in einigen Punkten gleich, oder doch sehr ähnlich: Natürlich verfolgen alle mit ihrem Tun ein spezielles Ziel, ein Ergebnis. Und sie haben eine weitere Gemeinsamkeit – sie erleben die Schritte zum Gelingen als Bereicherung.

Doch genau das ist längst nicht bei allen Menschen so!

Gehen wir doch noch einmal in den Kindergarten. Sind wir uns bei der Beobachtung der kleinen Menschen darin einig, dass diese Rasselbande höchstvergnügt, optimistisch und neugierig auf die Entdeckung ihrer Welt ist? Frage: In welchem Zustand finden wir die gleichen Menschen wieder, wenn sie ihren 30. Geburtstag feiern? Warum werden so viele von ihnen in einen Zustand abgleiten, den letztendlich niemand will, die kleinen Menschen selbst am allerwenigsten, und der doch so unvermeidlich erscheint? Warum werden sie ihren Enthusiasmus verlieren?

Ihre Kinder sind keine Superstars!

Als liebender Vater und Großvater darf ich doch offen mit Ihnen reden? Also, Ihr Kind ist kein Supertalent, auch kein noch zu entdeckender Albert Einstein. Es ist auch nicht außerordentlich-super-extrem-sensibel. Machen Sie Ihren Frieden damit.

Sie meinen, Ballettunterricht für Ihr Kind sei notwendig? Ja, wenn es Ihnen darum geht, dass Ihr Kind selbstsicher wird und seine Koordinierungsfähigkeiten trainieren kann, einverstanden. Und dann spielt es auch keine Rolle ob Mädchen oder Junge. Nur das mit dem Pas de deux sollten Sie zunächst vergessen. Wenn Ihr Kind Talent hat, wird es das selbst entdecken.

Klavierunterricht ist nur dann sinnvoll, wenn Ihr Kind qualifiziert musizieren will. Und wenn es das will, dann muss auch ein Schlagzeug möglich sein. Auch eine Unterstützung im Mathematikunterricht in der 1. Klasse ist gelinde gesagt Quatsch. Und wenn es in der 2. Klasse in Han-Chinesisch ein wenig nachhinkt, dann sagen Sie sich einfach: 什么是地狱 – Shénme shi diyu! – Was soll’s!«

Ihr Kind ist schlicht und einfach liebenswert normal!

Noch etwas: Ihr Kind leidet nicht unter so etwas wie einem ADHS-Syndrom, und versuchen Sie nicht automatisch mit Ritalin Ihr Kind ruhigzustellen. Wie wäre es denn damit, dass Sie das Kind einfach vor die Tür lassen und akzeptieren, dass es die Welt entdecken muss.

Tja, und das mit dem Abitur? Kann man machen. Ob Ihr Kind dadurch glücklich wird? Keine Ahnung, manchmal nicht. Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, was den Unterschied zwischen Bildung und Abitur ausmacht? Können Sie sich vorstellen, dass ein Jurastudium das spätere Taxifahren nicht erträglicher macht? Vielleicht sollten Sie Ihr Kind selbst entscheiden lassen.

Und das muss ein Kind so früh wie möglich lernen. Es muss die Möglichkeit bekommen, Entscheidungen zu treffen, um ein gewünschtes Ergebnis genießen oder eine entstandene Konsequenz ertragen zu können. Wenn ihr Kind erst als Jugendlicher daran geführt wird, kann es deutlich zu spät sein.

Wenn Ihre Tochter nur noch in Reiterstiefeln schlafen kann, dann müssen Sie ihr noch kein Pferd kaufen, aber lassen Sie sie weiter den Stall ausmisten; das legt sich plötzlich kurz nach dem 14. Geburtstag. Fahren Sie Ihr Kind nicht zum Sporttraining. Wenn es das wirklich will, findet es einen Weg.