Die Invasion der Erde durch die Insekten-Aliens scheint nicht mehr aufzuhalten. Die Menschheit steht vor ihrer endgültigen Vernichtung – und die politische Führung verstrickt sich in Ränkespiele. Verzweifelt versuchen John und sein Team, die letzten Frauen, Männer und Kinder von der Erde zu retten. Aber wohin sollen sie fliehen? Die Aliens werden sie bis in den letzten Winkel der Galaxie verfolgen. John begreift, dass es nur einen Weg gibt, dem Ganzen für immer ein Ende zu setzen.
Die Serie SPACE TROOPERS ist packende und actionreiche Military Science Fiction. Im Kampf gegen die Aliens entscheidet sich das Schicksal der gesamten Menschheit. Für Fans von Battlestar Galactica und Leser von David Weber oder Jack Campbell.
Dieses Collector’s Pack enthält die Folge 13 – 18.
P. E. Jones ist das Pseudonym einer deutschen SF-Autorin. Sie wurde 1964 geboren, lebt und arbeitet in der Pfalz. Seit ihrer Kindheit faszinieren sie vor allem Science-Fiction- und Fantasy-Stoffe. Sie ist ein begeisterter Trekkie und besucht die verschiedensten Universen regelmäßig in Rollenspielen.
Folgen 13-18
beBEYOND
Digitale Originalausgabe
»be« – Das eBook-Imprint von Bastei Entertainment
Copyright © 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln
Textredaktion: Dr. Arno Hoven
Lektorat/Projektmanagement: Stephan Trinius
Illustration: © Arndt Drechsler basierend auf Quellen von 123rf und Canstock
eBook-Erstellung: Urban SatzKonzept, Düsseldorf
ISBN 978-3-7325-5415-7
www.be-ebooks.de
www.lesejury.de
Folge 13
Sturmfront
Noch zwei Wochen. Dann konnte er endlich nach Hause zurückkehren und seine Tochter kennenlernen, die vor drei Monaten geboren worden war.
Zum gefühlt hundertsten Mal warf Sergej Semjonowitsch einen Blick auf das neue Foto, das seine Frau Kristina ihm geschickt hatte und sie mit dem Baby und ihrem Sohn Nikolai zeigte. Der Junge war kräftig gewachsen, seit Sergej seinen Dienst hier in der Forschungsstation auf dem Mond Titan angetreten hatte. Ob der Kleine ihn überhaupt noch wiedererkannte, wenn er in zwei Wochen zu Hause an die Tür klopfen würde?
Inzwischen hatte Sergej wenigstens zwanzig Mal Kristinas Videonachricht abgespielt, auf der sie ihm zusammen mit Nikolai zum Geburtstag gratuliert hatte. Der Junge hatte die Kerzen auf dem Kuchen ausgeblasen und voller Freude geklatscht, als sie endlich alle erloschen waren. Als dann das Baby zu schreien begann, hatte Kristina die Kamera geküsst und sich von ihm verabschiedet.
»Bis bald!« Das waren ihre letzten Worte gewesen.
Eine Bewegung auf seinem Monitor, die dort nicht sein durfte, riss Sergej aus seinen Gedanken. Seufzend klopfte er gegen die Konsole.
Die Forschungsstation auf dem Mond Titan existierte bereits seit über sechzig Jahren, und ihre Ausstattung war schon lange nicht mehr auf dem neuesten Stand. Kein Wunder also, dass die Geräte ab und an nicht richtig funktionierten. Manchmal half ein sanfter Klaps, um eine Fehlanzeige zu beseitigen. Die russische Methode – so nannten seine Kameraden das immer lachend.
Dieses Mal versagte sie.
Sergej beugte sich über die Konsole und betätigte ein paar Schalter, um sich den Ausschnitt mit der merkwürdigen Bewegung vergrößert anzeigen zu lassen.
Ein Fluch entfuhr ihm, als er auf dem Bildschirm die zwei großen Punkte fand: Es musste sich um riesige Flugobjekte handeln, die direkt auf die Station zuhielten. Dann entdeckte er drei weitere, die an der Station vorbeisteuerten. Ohne lange nachzudenken, aktivierte er die Funkverbindung zur Erde und schickte parallel dazu alle Daten mit, die seine Konsolen sammeln konnten.
»Basisstation für Titan, Basisstation für Titan. Zwei unidentifizierte Flugobjekte nähern sich unserem Standort. Drei weitere nehmen Kurs auf das Innere unseres Sonnensystems. Ich wiederhole. Drei unbekannte Flugobjekte steuern auf das Innere unseres Sonnensystems zu – ihr Ziel ist vermutlich die Erde. Hört mich jemand?«
»Titan für Basisstation hier. Hören Sie klar und deutlich. Können Sie uns weitere Daten schicken?«
Aus den fünf Punkten auf Sergejs Screen waren mittlerweile faustgroße Gebilde geworden. Während drei in Richtung Erde flogen, hielten zwei nach wie vor unbeirrt auf die Station zu.
Sergej erkannte nun, was sie waren. Raumschiffe. Er ahnte, dass sie bald feuern würden. Kurz dachte er an die anderen drei Männer, die mit ihm auf der Station arbeiteten und nie erfahren würden, wer sie gleich töten würde.
»Datenübermittlung läuft bereits«, antwortete Sergej mit ein wenig Verspätung. Er fühlte sich merkwürdig ruhig im Angesicht seines eigenen Todes.
Im Augenwinkel sah er ein Aufblitzen. Sein Blick fiel noch einmal auf das Foto. Sergej streckte die Finger danach aus, um es zu berühren.
»Sagen Sie meiner Frau, dass ich sie liebe.«
Dann zerbarst die Konsole, an der Kristinas Bild hing, in einem grellen Licht.
Dafür hatte er sich den Arsch aufgerissen? Dafür hatte er sich fast totschlagen und vergiften lassen, gekämpft, gelitten und geschwitzt? Nur um am Ende hier im ätzenden Regen am Grab seiner Ma zu stehen?
Das war doch Scheiße. Riesengroße, ausgemachte Scheiße.
Der Geruch nach faulen Eiern und Moder stach trotz der Atemmaske in Johns Nase. Der kleine Friedhof mit den halbtoten Bäumen, wo auch Mireks Verlobte lag, wirkte wie ein Relikt aus alten Zeiten. John fühlte, wie sich seine Hände zu Fäusten ballten. Er konnte nichts dagegen machen.
Er wollte fort von hier. Er hatte keine Lust mehr, auf den Kranz aus Kunstblumen zu starren, der im Grab auf dem schlichten Sarg lag, auf den der Regen trommelte. Keinen Ton mehr wollte er hören aus dem Mund dieses verfluchten Pfarrers, der über seine Ma redete, als wäre sie eine Art Engel oder so gewesen. Dabei hatte er sie überhaupt nicht gekannt.
Wozu waren Beerdigungen eigentlich gut? Abgesehen davon, dass die verdammten Beerdigungsinstitute und verlogenen Pfaffen was daran verdienten? Ganz bestimmt nicht, um den Hinterbliebenen – Gott, wie er dieses Wort hasste! – zu helfen, den Verlust besser zu verkraften.
Die arme Nell, die neben ihm stand, flennte schon die ganze Zeit unter ihrer neuen Atemmaske, die Kims Mutter ihr geschenkt hatte. Und auch die schmächtige Asiatin weinte zum Steinerweichen, dabei hatte die seine Ma ebenso wenig gekannt wie dieser affige Zeremonienmeister.
Selbst Kim heulte, und sogar Ophie rannen unter der Maske Tränen über das Gesicht. Hartfield, Phil, Mirek, Chadim und Lindström schauten so düster drein, als hätte man ihnen gerade gesagt, dass sie bald sterben müssten. Dabei sollten da an ihrer Stelle Mike und Dad stehen. Aber die glänzten natürlich durch Abwesenheit.
Bei Gott! Er wünschte, die beiden Arschlöcher, die Ma das angetan hatten, wären hier, damit er ihnen zeigen konnte, was er davon hielt. Dann würde er gerne mal die Bibel zitieren – allerdings nicht so wie dieser verdammte Pfaffe, der gerade von der Auferstehung des Fleisches schwätzte, von der er nicht die geringste Ahnung hatte. John dagegen kannte Dash-aps Regenerationskammer. Das war eine echte Auferstehungsmaschine.
Aber die Bibel hatte bessere Sprüche parat für seinen Dad und seinen verfluchten Bruder Mike: »Auge um Auge« und »Zahn und Zahn« nämlich. Den Spruch würde er nur zu gerne auf die beiden Mistkerle anwenden, wenn er sie traf. Aber herzukommen, damit sie es austragen konnten wie richtige Männer – das hatte Mike ja nicht gewagt, dieser Feigling. Dad, der Wichser, hatte wenigstens eine plausible Ausrede. Er saß wegen Ma im Gefängnis.
Nells Hand fingerte auf einmal nach seiner Faust. Der Pfarrer war gerade ans Grab getreten, hatte mit einem Weihwassersprenger über dem Sarg herumgefuchtelt und danach eine Schaufel Erde ins Grab geworfen.
Nell klammerte sich an Johns Arm, als wolle gleich der Boden unter ihr aufgehen. Dabei schluchzte sie haltlos.
»Es ist gut«, raunte er ihr zu und legte den Arm um sie. Als ob das dumme Ding nicht schon genug geheult hätte! Das war alles, wozu Beerdigungen gut waren: arme Dinger wie Nell zum Heulen zu bringen.
Aber er würde nicht heulen. Ganz bestimmt nicht! Er hatte an Mas Bett geweint, als sie starb. Das reichte für ein ganzes Leben. Dass seine Augen unter der Atemmaske brannten, lag nur an dem ätzenden Regen.
John biss die Zähne aufeinander, um dem Pfaffen nicht an die Kehle zu gehen, der aufs Grab wies. Als hätte die arme Nell nicht schon genug gelitten.
Aber seine Schwester schien zu wissen, was man von ihr erwartete, und taumelte mit Johns Arm als Stütze auf das Grab zu. Mit zitternden Fingern nahm sie den Weihwassersprenger aus dem Becken, in dem er lag, und schüttelte Wasser daraus auf die Kunstblumen, die im pladdernden Regen wackelten. Als Nell versuchte, Erde hinterherzuwerfen, fiel ihr fast die Schaufel aus der Hand.
John hielt rasch die Schippe fest, und ein großer Batzen nasser Erde fiel mit einem dumpfen Geräusch auf den Sarg. Dann packte er Nell und zog sie beiseite.
Einer nach dem anderen gingen die anderen zum Grab, besprengten den Sarg mit Weihwasser und schippten etwas Erde hinterher. Dann kamen sie zu Nell und John. Es war immerhin Brauch, dass man den nächsten Angehörigen die Hand schüttelte und ihnen sein Beileid aussprach. Nell umklammerte Johns Arm, als wäre er ihr einziger Halt.
Kims Mutter war die Erste, die zu ihnen trat. Sie gab Nell die Hand und murmelte »Herzliches Beileid«. Danach blickte sie John ernst an, aber anstatt ihm die Hand zu geben, wich sie zurück, nickte nur knapp und überließ ihrem Sohn den Platz. Schaute er etwa so finster drein, dass sie es nicht wagte, ihm zu nahe zu kommen, wunderte sich John.
Die Übrigen folgten ihrem Beispiel. Alle schüttelten sie Nell die Hand und nickten John bloß zu – Mirek, Phil, Chadim, Lindström und sogar Hartfield. Bis auf Ophie. Sie war die Letzte. Im Gegensatz zu den anderen lächelte sie ihn an, griff nach seiner freien Hand und stellte sich neben ihn, als wäre das völlig selbstverständlich.
Das war ziemlich verrückt. Aber am verrücktesten war, dass es guttat, ihre Hand zu halten und zu fühlen, wie die Enge in seiner Brust, die er jetzt erst bemerkte, langsam unter ihrem Händedruck wich.
***
Dass Kims Mutter auch noch einen Leichenschmaus bestellt hatte, war das Allerletzte, fand John. Nun musste er auch noch in diesem Gemeindehaus hocken, das aussah, als stammte es aus dem vergangenen Jahrtausend – und auch genauso roch –, und trockenen Hefekuchen hinunterwürgen. Wenigstens hatte Nell sich jetzt wieder gefangen; ab und an zeigte sie sogar ein Lächeln.
Johns Schwester saß neben Kim und musste schon Halsstarre kriegen – so beharrlich schaute sie Kim an. Die weiße Bluse, die sie trug, war wieder mal viel zu weit geöffnet, sodass der arme Kim eine gute Sicht auf den Ansatz ihrer kleinen Brüste haben musste. Dem fielen fast schon die Augen aus dem Kopf, doch er strengte sich sichtlich an, Nell stattdessen ins Gesicht zu blicken. John fragte sich, was Kim mehr dabei half, standhaft zu bleiben – die strengen Blicke von Kims Mutter oder die seinen.
»Na?«, fragte Ophelia unvermittelt und legte die Hand auf seine.
»Was – ›na‹?«
»Wie geht es dir?«
»Keine Ahnung. Wie soll es mir denn gehen deiner Meinung nach?«
»Deine Mutter wurde immerhin beerdigt.«
John ballte die Faust. »Also, wenn du wissen willst, ob ich meinem alten Herrn deshalb gerne eine reinhauen würde – dann lautet die Antwort Ja.«
Ophie seufzte und schüttelte den Kopf. »Du bist ein Idiot.«
»Erzähl mir mal was Neues!«
Jetzt lachte sie. Ihr Zeigefinger strich über seinen Handrücken. »Ach, John! Ich versteh ja, dass du sauer auf ihn bist, aber …«
»Sauer? Ich bin stinkwütend.«
Ophie schüttelte erneut den Kopf. »Du solltest mit ihm reden. Wirklich.«
»Du meinst, ihn im Gefängnis besuchen? Spinnst du? Niemals. Eher verreck ich.«
»John …« Sie griff nach seiner Hand.
Aber er entzog sie ihr mit einem Ruck. »Vergiss es!«
»Wer weiß, was noch passiert, und …«
»Ich sagte Nein.« Es klirrte, als er die Kuchengabel auf den Teller warf. Brüsk schob er den Stuhl zurück und sprang auf. Er hörte noch, wie sie seufzte, dann stürmte er schon auf die Tür zu, die in den Korridor führte.
Mit einem lauten Knall fiel die Tür ins Schloss. John schlug mit der Faust gegen die weiß gekalkte Wand. Was bildete Ophie sich eigentlich ein? Wollte sie jetzt etwa Versöhnung predigen?
Als er hörte, dass die Tür sich öffnete, dachte er, es wäre Ophie, und wandte sich ihr schon kampfeslustig zu. Aber es war Hartfield, der auf ihn zukam und mit ernster Miene vor ihm stehen blieb.
»Ich muss mit Ihnen reden.«
John schnaufte. »Na, dann reden Sie!«
»Ich habe beunruhigende Neuigkeiten, zu denen ich gerne Ihre Meinung gehört hätte.«
Was war nun schon wieder los? »Und?«
»Das Hilfegesuch, das Präsident Reno an den Sternenrat gerichtet hat, wurde abgelehnt.«
***
»Nein«, sagte John lauter als beabsichtigt.
Für Kim und Nell hätte er sich gewünscht, dass ihr Aufenthalt auf der Erde noch ein wenig länger gewesen wäre. Nichtsdestotrotz war John froh, wieder auf den abgewetzten grauen Sitzen in der Fähre zu hocken, die sie zur Washington brachte, und die vertraute abgestandene Luft zu atmen. Irgendwie fühlte er sich dort inzwischen wohler als auf der Erde.
Sein Blick glitt unwillkürlich zum Cockpit, wo Hartfield mit Lindström saß. Aber die zwei konnten ihn durch die verschlossene Tür nicht gehört haben.
»John«, begann Ophelia erneut, »nun vergiss mal deinen Ärger auf Dash-ap! Das hier ist …«
»Halt die Klappe!«, schnitt er ihr das Wort ab. Was bildete Ophie sich eigentlich ein? Erst sollte er mit seinem Dad reden, dem Wichser, und jetzt auch noch mit Dash-ap, dem Verräter.
»John, verdammt«, mischte Phil sich ein. »Ophelia hat recht. Du bist es der Menschheit schuldig. Willst du jetzt etwa wie ein kleiner Junge schmollen, nur weil …«
»Der Menschheit? Die Menschheit kann mich mal. Was hat die denn schon für mich getan? Glaubst du wirklich, ich würde jetzt vor Dash-ap zu Kreuze kriechen, nur um ihn zu fragen, wieso dieser verdammte Sternenrat deinen Dad in die Wüste geschickt hat?«
»John …«
»Vielleicht hat es dein sauberer Dad einfach wieder vermasselt. Der hätte schließlich auch Harlan über die Klippe springen lassen, wenn wir nicht eingegriffen hätten. Soll ich etwa immer der Idiot sein, der die Fehler von irgendwelchen Politik-Heinis wieder ausbügelt?«
»Es ist unsere Pflicht«, begann Mirek. »Es ist deine Pflicht …«
»Scheiß auf die Pflicht! Ich hab es satt. Ich hab mir den Arsch aufgerissen, und dieser Idiot macht alles kaputt. Und jetzt soll ich wieder der Depp sein, der es geradebiegt? Nein, verdammt. Mach es doch selbst! Frag du doch Dash-ap, wieso der Sternenrat uns jetzt auflaufen lässt.«
»John …« Mirek schüttelte seufzend den Kopf.
»Willst du wirklich, dass alles, was wir getan und erlitten haben, umsonst gewesen ist?«, fragte Kim leise. »Alles …« Er sagte nicht, was genau er damit meinte, aber seine Augen glänzten verdächtig, und John wusste auch so, was mit ›alles‹ gemeint war. Eine Menge schlimmer Dinge, an die er sich gar nicht erinnern wollte.
Nur Chadim schwieg.
John schnaufte und beugte sich vor, um den Kopf auf seine Hände zu stützen. Er wollte Dash-ap nicht wiedersehen. Dash-ap, der ihn verraten und für dumm verkauft hatte. Der so getan hatte, als wäre er sein Freund. Blut von seinem Blut. Dass er nicht lachte! Alles Lug und Trug. Nichts davon war wahr gewesen. Er war einmal auf Dash-aps Lügen reingefallen. Ein zweites Mal würde er dem hinterhältigen Scheißkerl ganz bestimmt nicht vertrauen. Wozu ihn dann um Rat fragen?
Eine Hand legte sich auf seinen Oberarm. Ophie beugte sich zu ihm. Ihre dunklen Haare kitzelten sein Gesicht, so nah war sie.
»Es geht doch nicht um dich«, sagte sie leise. »Denk doch an Nell und Kims Mutter und Harlans Familie. Und an …«
Ihm war, als hätte sie ihm das Messer ins Herz gestoßen und dann langsam herumgedreht. »Halt endlich die Fresse!«, zischte er. »Ich hab’s ja kapiert. Aber dafür schuldest du mir was.«
Statt einer Antwort zupfte sie ihn nur am Ohrläppchen.
***
Wenn er schon mit Dash-ap reden musste, dann lieber per Funk. Irgendwie fühlte John sich so sicherer.
Hartfield hatte ihm sein kleines, kahles Büro überlassen, damit er ungestört war, und wartete vor der Tür. Der altertümliche kleine Monitor auf Hartfields Schreibtisch flackerte. Einen Augenblick hoffte John, die Verbindung wäre aus irgendeinem Grund gestört, aber dann wurde das Bild klar, und Dash-ap war zu sehen.
»Dash-ap az-Zoshir grüßt John-ap. Was kann ich für dich tun, Dzzoshas?«
John verfluchte den Kloß, der in seiner Kehle wuchs. »Äh … also … ich habe gehört … Hartfield sagt …« Scheiße, wieso war das so schwer?
»Geht es um das Hilfsgesuch deines Fürsorgers Reno-kla?«
Erleichtert atmete John aus. »Du sagst es. Kannst du mir erklären, weshalb Zoshtar es abgelehnt hat? Ich meine, wir sind doch jetzt Mitglieder im Sternenrat. Dafür haben wir doch den ganzen Mist gemacht. Wieso heißt es jetzt auf einmal Nein? Mrin hat gestern gemeldet, dass fünf Basisschiffe der Scheiß-Alienbrut unterwegs zu uns sind. Die sind spätestens in einer Woche hier. Also, wieso tut dann keiner was von euch? Kannst du mir das erklären?«
Gerade noch rechtzeitig hatte John die Schimpfworte hinuntergeschluckt, die ihm auf der Zunge lagen, und es geschafft, stattdessen eine anständige Frage zu formulieren. Es sollte keiner hinterher sagen können, er hätte sich nicht bemüht.
»Wir Ezzirash können nichts tun«, antwortete Dash-ap. »Nicht, solange der Rat der Ezzirash nicht beschlossen hat, euch zu unterstützen. Und ich fürchte, die Stimme meiner Fürsorgerin Ssu-kla reicht nicht aus, um das zu bewirken.«
John glaubte, sich verhört zu haben. Mit offenem Mund starrte er auf den kleinen Screen. »Und das sagst du mir jetzt? Ich dachte …«
»Es ist viel geschehen, Dzzoshas. Ich hatte nicht erwartet, dass das ein Problem werden könnte.«
»Nenn mich nicht Dzzoshas, verdammt!« Ihn einen Blutsbruder zu nennen – dazu hatte dieser miese Verräter kein Recht mehr.
»Egal, was du denkst, für mich hat sich daran nichts geändert. Ich habe Ssu-kla bereits um Fürsprache beim Rat gebeten. Aber wie ich schon sagte: Sie steht allein.«
John ballte die Fäuste. Es drängte ihn danach, den Monitor zu zerschlagen. Gut, dass Dash-ap nicht vor ihm stand.
»Und Klegh und Pugh? Müssen die auch erst einen Rat um Erlaubnis fragen, ehe sie eingreifen? Hast du auch das vergessen, mir zu sagen? Oder warten die beiden Aasgeier einfach ab, was für sie am Ende abfällt?«
»Koshtekash sind käuflich, Dzzoshas. Das solltest du inzwischen wissen. Ihr müsst ihnen nur ein gutes Angebot machen.«
***
»Für dich, Spender«, hatte Ziss-ap geknurrt, ehe er Harlan allein gelassen hatte.
Bevor Harlan sich darüber wundern konnte, verwandelte sich die eine Wand seiner Gefängniszelle in einen überdimensionalen Monitor. Denn nichts anderes als eine Gefängniszelle war dieser karge Raum, auch wenn er genauso aussah wie die Ruheräume der Ezzirash – mit dieser Bank, die eigentlich ein Tisch war, als einzigem Möbelstück im Zimmer.
»Hallo, Harlan«, grüßte Phil vom Screen.
Sein Freund sah müde aus. Neben ihm standen Kim, Ophelia, Mirek und im Hintergrund auch noch Chadim. Nur John fehlte.
»Hallo, Alter«, antwortete Harlan und stand ächzend auf. Mehr fiel ihm nicht ein.
»Wie geht es dir?«, erkundigte sich Ophelia.
»Gut« wäre gelogen. Und das hätte ihm ohnehin keiner geglaubt – mit dem getrockneten Blut im Gesicht und den blauen Flecken, die sicherlich gut zu sehen waren.
Harlan zwang ein Grinsen auf seine Lippen. »Geht so. Ich lebe. Das ist doch die Hauptsache.«
»Hör mal …«, begann Phil.
Aber Mirek unterbrach ihn. »Er kann nichts tun. Das siehst du doch. Warum willst du ihn dann noch mit unseren Problemen belästigen?«
»Weil es nicht nur unsere Probleme sind«, knurrte Phil.
Harlan hob die Hände. »Hey, Leute, ehe ihr euch hier streitet, sagt doch einfach, worum es geht, und lasst mich entscheiden, ob es mich was angeht und ob ich was tun kann.«
»Phil, wir könnten Harlan damit in ernsthafte Schwierigkeiten bringen«, warnte Mirek.
Seufzend schüttelte Harlan den Kopf und machte einen Schritt auf die Wand zu. »Leute, ich stecke doch schon bis über die Ohren in Schwierigkeiten. Also, wenn ihr was loswerden wollt, dann lasst es endlich raus, ehe Ziss-ap uns den Hahn abdreht.«
»Hört er zu?«, fragte Kim.
»Alter, glaubst du, ich kann hier einen Furz lassen, ohne dass Ziss-ap davon erfährt?«
»Siehst du?« Mirek packte Phil an der Schulter.
Aber der schüttelte ihn ab wie eine lästige Fliege. »Lass es Harlan entscheiden!«
»Also was?«, verlangte Harlan zu wissen. Sein Blick irrte unwillkürlich zur Tür. Lange würde Ziss-ap sicherlich nicht mehr warten.
Es war Ophelia, die ihm endlich antwortete. »Fünf Basisschiffe der Aliens sind auf dem Weg zur Erde, und die Ezzirash wollen uns erst dann helfen, wenn ihr eigener Rat dem Hilfegesuch des Präsidenten stattgibt.«
Kim setzte hinzu: »John hat Dash-ap schon um Hilfe beim Rat gebeten. Aber Dash-ap meint, seine Fürsorgerin Ssu-kla steht alleine da.«
»Verstehe«, sagte Harlan.
Sie wollten, dass er mit Dsho-kla sprach, der Fürsorgerin von Ziss-ap, dem er sich als Geisel des Friedens ausgeliefert hatte, damit Dsho-klas Stellvertreter beim Sternenrat, Trez-ap, für die Aufnahme der Menschen in dieses Gremium stimmte. Derselbe Sternenrat, der sie nun anscheinend ihrem Schicksal überließ, da seine Mitglieder wohl erst noch zu Hause abstimmen mussten, ob sie dem potenziellen neuen Mitglied helfen wollten oder nicht.
»Weiß John hiervon?«, fragte Harlan.
Ophelia schüttelte den Kopf. »Er würde jeden Einzelnen von uns erwürgen, wenn er davon wüsste. Es war schon schwer genug, ihn dazu zu bringen, Dash-ap um Hilfe zu bitten. Aber dich …«
Nur mit Mühe unterdrückte Harlan ein Seufzen. Natürlich! John wollte ihn nicht in Schwierigkeiten bringen. Er war stocksauer gewesen, als er, Harlan, sich Ziss-ap ausgeliefert hatte. Trotzdem würde Harlan es immer wieder tun. Für John.
»Ich tue, was ich kann. Aber versprecht euch nicht zu viel.«
»Danke«, sagte Ophelia.
»Allah sei mit dir«, setzte Chadim hinzu.
Dann verwandelte sich der Monitor wieder in die graue Zellenwand.
Sekundenlang starrte Harlan sie nur an. Die anderen hatten keine Ahnung, was das für ihn bedeutete. Denn Dsho-kla würde eine Entscheidung von ihm verlangen, und er wusste nicht, was er ihr antworten sollte. Denn wenn er sich entschieden hatte, würde es für ihn kein Zurück mehr geben.
Dass Hartfield ihn nur einen Tag nach der Beerdigung in sein Büro zitierte, verhieß nichts Gutes. John atmete tief durch, ehe er nach kurzem Zögern die Tür öffnete. Er hatte am Morgen ein Versprechen eingelöst und der Frau von Private Laitinen letzte Grüße von ihrem Mann ausgerichtet. Der arme Kerl war auf Kassiopeia 1.3 in seinen Armen verreckt, als sie nach den Ruinen gesucht hatten, von denen im Sheldon-Bericht die Rede gewesen war. Noch mehr Scheiße brauchte er wirklich nicht. Davon hatte er genug erlebt in den letzten Tagen.
»Sir!« Artig stand John stramm und salutierte, nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte. Hartfield war einer der wenigen Vorgesetzten, bei dem ihm das leichtfiel.
Hartfield sah von seinem Schreibtisch auf. »Setzen Sie sich, Corporal Mc… Flanagan …«
»John?«, schlug John vor, während er sich auf den Stuhl sinken ließ, der vor Hartfields Schreibtisch stand.
»Eigentlich wäre es an der Zeit, dass wir Ihren echten Namen in der Kompanierolle eintragen. Finden Sie nicht auch?«
Unwillkürlich kratzte John sich am Nacken. Was Hartfield sagte, klang logisch. Aber so einfach war das nicht. Irgendwie hatte er sich daran gewöhnt, dass er nun McClusky hieß. Es wäre komisch, würden ihn alle auf einmal Flanagan nennen.
»Wie Sie meinen, Sir.«
»Colonel Forsman wünscht es. Damit wäre das geklärt. Mir fehlt noch Ihr Geburtsdatum für die Akten.«
John wurde heiß. »Äh, 17. Aug… Äh, 17. April 2113.«
Ein schiefes Lächeln zeigte sich auf Hartfields Gesicht. »Sie werden doch noch wissen, wann Sie Geburtstag haben.«
»April.« John grinste. »Meine Ma hat mich immer ihren Aprilscherz genannt.« Mike hatte sie auch so genannt, und sie hatte Johns Geburtstag genauso oft im August wie im April gefeiert. Aber das musste er Hartfield ja nicht unbedingt auf die Nase binden.
»Soso«, meinte Hartfield, »wie es scheint, haben Sie im Rekrutierungsbüro ein wenig geschummelt, was Ihr Alter angeht.«
»Ich meinte natürlich den 17. April 2112.«
»Aha«, machte Hartfield und änderte etwas in dem Schrieb vor ihm auf dem Tisch. »Mir scheint, Sie feiern nicht gerne Ihren Geburtstag. Oder irre ich mich da?«
John zuckte mit den Schultern. »Hab nie Geschenke bekommen. Wozu also?«
Hartfield wandte sich wieder dem Papier zu und ergänzte noch etwas, ehe er einen Schnörkel daruntersetzte und es samt Stift John zuschob.
Während John sich vorbeugte und nach kurzem Buchstabieren erkannte, dass es sich bei dem Ding um einen Rekrutierungsbescheid handelte, setzte Hartfield hinzu: »Übrigens – Ihr Vater kommt morgen wegen Totschlags vor Gericht. Sieht nicht gut für ihn aus.«
»Sollen sie ihn grillen oder den Rest seines Lebens Steine kloppen lassen. Er hat’s verdient.« Mehr als das. Tausendmal hatte der Wichser den Tod verdient. Aber es würde zu lange dauern, das Hartfield zu erklären.
»Ich dachte mir, Sie sollten es erfahren. Vielleicht möchten Sie ja …«
»… mit ihm reden? Wüsste nicht, wozu.« Die Fresse durfte er ihm ja nicht polieren. Und außer Schimpfworten fiel ihm nichts ein, was er seinem alten Herrn zu sagen hatte. Da konnte er sich den Atem besser aufsparen.
»Unterschreiben«, erinnerte Hartfield ihn.
John gehorchte und schob das Papier zurück. »War das alles, Sir?« Eigentlich glaubte er nicht daran.
Ein Seufzen entfuhr Hartfield. »Diese beiden Vierarmigen haben mit Präsident Reno Kontakt aufgenommen. Ich wollte Sie fragen, was Sie davon halten.«
»Pugh und Klegh?«, vergewisserte sich John.
»Genau die.«
»Okay«, sagte John, »dann gebe ich Ihnen einen guten Rat: Glauben Sie kein Wort von dem, was die Ihnen sagen. Diese vierarmigen Bastarde lügen, wenn sie nur den Mund aufmachen. Und vor allen Dingen tun die Kerle nichts, aber auch gar nichts, ohne dabei an ihr eigenes Wohlergehen zu denken.«
***
Harlan hatte einen ganzen Tag gebraucht, um den Mut aufzubringen, Ziss-ap zu rufen. Die Stellen, wo Ziss-ap ihn geschlagen hatte, schmerzten noch zu deutlich, als dass er vergessen könnte, was ihn vielleicht erwarten würde.
Als einer der Ezzirash ihm das Essen brachte, wagte er es endlich. Harlan sprang auf, ehe sein Wärter wieder verschwinden konnte.
»Warte!«, rief er schnell.
Der Typ drehte sich um und sah ihn erwartungsvoll an.
»Ich möchte mit Ziss-ap sprechen. Es … es ist wichtig.«
Ohne ein Wort darauf zu erwidern, verließ der Ezziras den Raum. Harlan hatte das Gefühl, als wäre er vollkommen ignoriert worden.
Frustriert stürzte er zur Tür, die sich wieder geschlossen hatte, und hämmerte dagegen. »Hey, hast du mich gehört? Ich will mit Ziss-ap sprechen!«
Nichts rührte sich. Harlan hatte auch nichts anderes erwartet.
Trotzdem schlug er erneut gegen die Tür. »Hört mich denn keiner? Ich muss mit Ziss-ap reden. Verdammt!« Die Tür erhielt einen Tritt, der einen Stich durch Harlans lädiertes Bein jagte.
Er fluchte noch einmal und hinkte geschlagen in Richtung Bank. Obwohl er wusste, dass die Bank eigentlich als Tisch genutzt wurde, ließ er sich keuchend darauf niedersinken.
Das war doch alles Mist! Was machte er eigentlich hier? Die ganze Idee, sich als Friedensgeisel zur Verfügung zu stellen, hatte ihm nur Beulen und blaue Flecken eingebracht. Viel mehr hatte er nicht erreicht. Und sein Weg zu Dsho-kla war ihm nun versperrt. Wäre er auf der Washington geblieben, hätte er einfach Dash-ap darum bitten können, eine Verbindung zu ihr herzustellen. Andererseits glaubte er kaum, dass ein fremder Empfänger eine Fürsorgerin sprechen konnte.
Und überhaupt! War er denn wirklich so scharf darauf, mit Dsho-kla zu sprechen? Er hatte ihr versprochen, nach dem Abschluss von Johns Auftrag zurückzukehren. Das war mit der Aufnahme der Menschen in den Sternenrat geschehen. Dsho-kla konnte ihn nun mit Recht an sein Versprechen erinnern – insbesondere, wenn er sie um Hilfe bat. Wie sollte er ihr diese Bitte abschlagen? Genauso gut konnte er sich ihr als Sklave verkaufen. Dann gab es kein Zurück mehr. Wollte er das wirklich?
Er dachte an das zarte Gesicht, das er in Dsho-klas Palast auf der anderen Seite des verzierten Gitters erspäht hatte. War es wirklich das, was er wollte? Aber alles, was ihm dazu einfiel, war John. Und den würde er niemals haben können.
Als die Tür zischte, war er fast dankbar, dass ihn jemand von seinen Gedanken ablenkte.
»Du wolltest mich sprechen.« Ziss-ap stand in der offenen Tür.
»Ich … ich wollte …«, stotterte Harlan.
»Sprich endlich!«
Langsam ließ Harlan sich vor Ziss-ap auf die Knie sinken. »Erlaube mir, mit Dsho-kla zu sprechen. Ich bitte dich …«
»Aus welchem Grund?«
Harlan brach der Schweiß aus. »Es ist wichtig. Ich schwöre es dir. Dsho-kla würde wollen, dass …«
»Du hast keine Ahnung, was Dsho-kla will.«
Der Schlag traf Harlan so hart im Gesicht, dass er das Gleichgewicht verlor. Einen Moment später fand er sich stöhnend am Boden wieder. Metallischer Geschmack füllte seinen Mund. Als er sich über die Lippen wischte, tropfte Blut auf den stählernen Boden.
»Bitte«, keuchte er, während er sich hochstemmte.
Da schloss sich schon wieder die Tür.
Harlan war allein.
***
»Warte«, sagte John.
Ehe Phil nach dem Mittagessen die Tür zu ihrem gemeinschaftlichen Quartier erreichen konnte, schnitt John ihm den Weg ab. Dass in dem Moment Chadim um die Ecke kam und sich ihnen näherte, störte John nicht sonderlich. Auf Chadim war Verlass, der würde ihm weder dazwischenquatschen noch die anderen rufen. So viel war sicher. Und John suchte schon den ganzen Vormittag nach einer Möglichkeit, mit Phil reden zu können.
»Was gibt’s?«, fragte Phil. »Hat Hartfield dich degradieren lassen?«
»Quark!«, knurrte John. Dass Phils Frage gar nicht so weit hergeholt war, machte es nicht besser.
In diesem Augenblick erreichte Chadim sie.
»Ich brauch mal ein paar Minuten, um mit Phil ungestört reden zu können«, sagte John zu ihm.
Chadim nickte nur und postierte sich am Ende des Korridors.
»Jetzt hast du mich neugierig gemacht.« Mit gerunzelter Stirn verschränkte Phil die Arme und musterte John.
»Hör mal, Hartfield hat mit mir gesprochen.«
»Ich weiß. Und?«
»Pugh und Klegh wollen mit deinem Dad reden. Ich dachte mir … naja …« Um Zeit zu gewinnen, kratzte John sich am Hinterkopf.
»Na, jetzt bin ich aber gespannt.« Phil grinste.
»Äh, tja …«
»Willst du etwa, dass ich das tue, was du partout nicht mit Dash-ap und schon gar nicht mit deinem Dad machen wolltest?«
»Komm schon, Phil. Das ist was anderes. Das Schicksal der Menschheit steht …«
»Und in deinem Fall nicht?«
»Hey, lass den Quatsch! Okay? Mein Dad hat nichts mit dem Schicksal der Menschheit zu tun.«
»Dash-ap schon.«
»Ich hab ja mit ihm geredet. Was willst du denn noch?«
»Dass du es zugibst. Das reicht mir schon.«
Wichser! John stieß die Luft aus. »Okay, ich geb’s zu. Es war blöd von mir, mich dagegen zu wehren. Also sei jetzt keine Pussy und red mit deinem Dad.«
Phil grinste so breit, dass John übel wurde. »Hat’s arg wehgetan?«
»Leck mich! Machst du es jetzt? Oder nicht?«
»Gesetzt den Fall, ich würde es tun – was kann ich ihm deiner Meinung nach sagen, was er nicht schon wüsste?«
»Mann, Phil! Du weißt, wie diese vierarmigen Bastarde ticken. Willst du ihn einfach so ins Messer laufen lassen? Die bringen ihn dazu, seinen Hintern zu verkaufen, ohne dass er es merkt.«
Phil seufzte. »Schon gut, hast ja recht. Ich rede mit ihm. Aber mach dir nicht zu viele Hoffnungen. Mein Dad kann manchmal genauso halsstarrig sein wie du.«
***
Dass es ihm so schwerfallen würde, mit seinem Vater zu sprechen, hatte Phil nicht erwartet. Das Abendessen lag wie Beton in seinem Magen. Minutenlang saß er vor dem kleinen Monitor in Hartfields Büro, ehe er endlich auf den Knopf drückte, der dem Kommunikationsoffizier signalisierte, dass er dazu bereit war, das Gespräch zu empfangen.
Es war schon erstaunlich genug gewesen, dass Hartfield keine großen Fragen gestellt hatte, als er mit seiner Bitte an ihn herangetreten war. Noch erstaunlicher war, dass sein Vater tatsächlich mit ihm sprechen wollte. Denn der kleine Monitor in Hartfields Büro zeigte auf einmal das luxuriöse Amtszimmer des Präsidenten, das Phil erst am Tag zuvor kennengelernt hatte.
»Was willst du?«, fragte Reno senior. Er saß entspannt in einem breiten Sessel hinter seinem Schreibtisch und hielt einen Tumbler mit einer goldgelben Flüssigkeit in der Hand.
Phil kam sich auf einmal dumm vor. »Dich warnen. Vor diesen beiden Koshtekash.«
»Mich? Warnen?« Phils Vater lachte auf. »Nach deinem Auftritt gestern wagst du es wirklich noch, mit mir zu reden?«
»Ich hatte meine Gründe, und die habe ich immer noch.«
»Dem entnehme ich, dass du nicht mit mir sprechen möchtest, um dich bei mir zu entschuldigen?«
Unwillkürlich schnappte Phil nach Luft. »Vater …«
Phils Vater stellte den Tumbler auf dem Schreibtisch ab. »Kein Wort mehr. Ich glaube nicht, dass ich noch irgendetwas von dir hören möchte.«
»Vater, nun hör mir doch zu! Es ist wichtig.«
Die Handflächen von Phils Vater schlugen donnernd auf die Schreibtischplatte. »Was bildest du dir eigentlich ein? Glaubst du wirklich, nur weil du mein Sohn bist, könntest du jederzeit beim Präsidenten der Vereinten Nationen anrufen und hoffen, dass er sich deine Kindereien anhört?«
»Vater, ich …«
Der Präsident beugte sich vor und stierte wütend in die Kamera, die irgendwo gegenüber dem Schreibtisch befestigt sein musste. »Halt den Mund! Ich will nichts mehr von dir hören – rein gar nichts –, ehe du dich nicht bei mir für dein Verhalten entschuldigt hast. Und auch dann solltest du dir gut überlegen, weswegen du mich sprechen willst. Denn ich sehe absolut keinen Grund, weshalb ich mit einem einfachen Private über Dinge diskutieren sollte, die der höchsten Sicherheitsstufe unterliegen und zudem das Wohl der gesamten Menschheit betreffen. Hast du mich verstanden?«
***
Als Phil kurz darauf das gemeinschaftliche Quartier betrat, musste er nichts sagen: Sein Gesichtsausdruck sprach Bände. John wusste auch so, wie das Gespräch mit seinem Vater, dem Präsidenten, ausgefallen war.
Kim war da weniger diskret. »Und?«, fragte er aufgeregt, als Phil sich auf sein Bett setzte.
»Vergiss es«, antwortete Phil schroff.
Ophelia pfiff durch die Zähne. Sie saß auf dem unteren Stockbett, auf dessen oberen Etage John lag.
»Und was machen wir jetzt?«, wollte Mirek wissen.
John packte die Oberkante seines Bettes und ließ sich mit einem kontrollierten Überschlag neben Ophelia auf die Matratze sinken. Ihre nackten Oberarme berührten sich kurz. Es kam John vor, als schlüge ein Funke über. Aber Ophelia schien keine Notiz davon zu nehmen.
»Hey, John«, knurrte Phil, »Mirek hat dich was gefragt. Träumst du?«
Unwillkürlich rückte John eine Winzigkeit von Ophelia ab. Eine gewisse körperliche Distanz zu ihr half ihm ein wenig, seine Gedanken zu sortieren.
»Hartfield ist informiert. Ich nehme an, Forsman weiß auch Bescheid.« Der Mann mit den grauen Haaren fiel ihm ein. Der schien die richtige Adresse zu sein. Wenn er nur seinen Namen gewusst hätte. Aber vielleicht kannte Lieutenant Geerst den ja. »Geerst. Der könnte vielleicht …«
In diesem Augenblick kratzte es im Schiffskomm. John verstummte und sah auf. Sein Blick glitt dabei über Ophelias Nackenlinie und blieb dort hängen. Es juckte ihm in den Fingern, die Linie nachzufahren. Stattdessen strich er nur ihren kecken Pferdeschwanz beiseite, der ihm ins Gesicht geweht war. Als Antwort sah Ophelia ihn mit gerunzelter Stirn an und hob ihren Finger an die Lippen.
»Hier spricht Colonel Forsman«, tönte es da aus dem Komm. »Die Basisschiffe der Insektoiden haben das Solsystem erreicht. Ich wiederhole: Die Basisschiffe der Insektoiden haben das Solsystem erreicht. Die Washington wird mit sofortiger Wirkung zum Mars abberufen, um die Feinde abzufangen. Forsman, Ende.«
»Wie geht es voran?«, fragte der Mann mit den grauen Haaren.
Der Mann im weißen Kittel lächelte, während er an die Scheibe herantrat, die einen großen Teil der rechten Wand in dem blank geputzten, kleinen weißen Raum einnahm, in dem sie sich befanden.
Der Geruch nach Desinfektionsmitteln, der in der Luft hing, verursachte dem Mann mit den grauen Haaren Unbehagen. Es erinnerte ihn an seinen Besuch im Krankenhaus. Der Arzt dort hatte ihm nur noch ein paar Monate gegeben. Seine Zeit war knapp.
»Sehen Sie selbst«, antwortete der Weißkittel.
Gleichzeitig betätigte er einen Knopf, und die Scheibe, die zuvor milchig gewesen war, wurde durchsichtig. Dahinter war ein weiterer kleiner Raum zu sehen, genauso weiß und blank wie der, in dem sie sich aufhielten. Das Zimmer war nur mit einem Bett, einem Tisch und einem Stuhl ausgestattet.
Am Tisch saß ein Mann mit schwarzem Bart und halblangen schwarzen Haaren. Er saß da, obwohl der Tisch vor ihm leer war, und er starrte geradeaus auf die leere Wand hinter dem Bett, obwohl es da absolut nichts zu sehen gab.
»Was macht er dort?«, fragte der Mann mit den grauen Haaren.
»Ich habe ihm gesagt, dass er sich an den Tisch setzen soll.«
»Wann?«
»Warten Sie!« Der Mann im weißen Kittel schaute kurz auf seine Uhr. »Das muss vor etwa zwei Stunden gewesen sein.«
»Seitdem sitzt er dort?«
Wieder glitt ein Lächeln über das Gesicht des Mannes im weißen Kittel. »So ist es. Welchen Beweis wollen Sie noch, dass es tatsächlich funktioniert?«
Statt einer Antwort studierte der Mann mit den grauen Haaren den Araber am Tisch, den er unter dem Namen Aziz kannte. Zweifellos gehorchte er den Befehlen, die man ihm gab. Aber wie viel war sein Gehorsam wert, wenn er dem Tod ins Auge sah? Und wie viel Verstand wohnte noch in diesem verkorksten Hirn? Andererseits – war dieser Amr Chadim, aus dem der Weißkittel einen Vorzeigesoldaten gemacht hatte, nicht der beste Beweis dafür, wie gut seine Methode funktionierte?
»Dann bereiten Sie ihn vor«, sagte der Mann mit den grauen Haaren. »In ein paar Tagen wird sein Prozess stattfinden. Die Öffentlichkeit darf nicht bemerken, dass er umgedreht worden ist.«
»Das ist kein Problem. Sie müssen sich keine Sorgen machen.«
Das bezweifelte der Mann mit den grauen Haaren. Denn er machte sich eine Menge Sorgen, vielleicht nicht mehr um Aziz, auch wenn er hier immer noch Zweifel hegte, dafür aber umso mehr um Präsident Reno. Einer der Vierarmigen hatte mit Reno Kontakt aufgenommen, und er hatte niemanden in Reichweite des Präsidenten, um Einfluss auf ihn zu nehmen. Dabei war das bitter nötig, denn Reno war nicht nur kurzsichtig, sondern auch noch egozentrisch und nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht. Wer konnte schon wissen, was er tun würde, nun, da der Sternenrat sein Hilfegesuch abgelehnt hatte?
Geerst fiel ihm ein. Der junge Lieutenant war nicht nur intelligent, sondern eifrig darum bemüht, auf der Karriereleiter aufzusteigen. Er könnte eine gute Wahl sein. Es kam nur auf das richtige Angebot an.
»Schön«, erklärte der Mann mit den grauen Haaren, »ich verlasse mich auf Sie.«
»Okay; alle gut zuhören«, sagte Gallagher zu den knapp dreißig Corporals und Sergeants der Squads und Fireteams seines Platoons, die sich im Besprechungszimmer neben dem Hangar eingefunden hatten.
John hatte sich inzwischen daran gewöhnt, dass er auch dazugehörte. Wie meistens bei einer Einsatzbesprechung hockte er auf einem der niedrigen Schränke, die rechts neben dem Eingang die Wand säumten. Von hier aus hatte er einen guten Blick auf Gallagher und die Karte, die auf dem Screen hinter dem Platoon-Führer zu sehen war. Die meisten anderen Unteroffiziere saßen auf den Stühlen, die aber nie für alle reichten. Einige standen hinter der Stuhlgruppe, so wie Hartfield, einige wenige nutzten die Schränke als Sitzplatz, so wie John. Aber Gallagher kümmerte das nicht.
»Um es kurz zu machen«, fuhr Gallagher fort. »Die Evakuierung der Kuppelstadt auf dem Mars läuft schon seit zwei Tagen. Wir haben drei Zerstörer dort, um die Raumschiffe zu schützen, die die Zivilisten aufnehmen. Der Rest ist bei der Erde verblieben, da unsere speziellen Alienfreunde sich aufgeteilt haben.«
Gallagher zeigte auf die Karte des Sonnensystems. »Zwei von ihnen haben die Forschungsstation auf dem Saturnmond Titan zerstört und dann direkten Kurs auf den Mars genommen. Die anderen drei ziehen zurzeit eine weite Schleife an den äußeren Planeten unseres Sonnensystems vorbei, nachdem sie zuerst das Zentrum unseres Sonnensystems ansteuerten. Ich für meinen Teil glaube, dass diese drei Schiffe vorerst nur Beobachter sind, die erst dann eingreifen werden, falls unsere neuen Freunde, die Corporal John Flanagan mitgebracht hat, uns unterstützen sollten. Aber das ist nur meine bescheidene Meinung.«
Unwillkürlich wandten sich ein paar Köpfe zu John um, als Gallagher ihn erwähnte. Bisher schien sich niemand daran zu stören, dass er nun einen anderen Namen trug.
»Die Washington ist nur hier, um gegebenenfalls das Feuer auf sich zu ziehen, damit die letzten Kolonisten sicher vom Mars evakuiert werden können. Noch zwanzig bis fünfundzwanzig Fuhren, dann haben wir alle gerettet.« Gallagher drückte auf eine Taste am Pult, neben dem er stand, und die Karte des Sonnensystems verschwand. An ihrer Stelle erschien eine Karte vom Mars. »Die Kuppelstadt befindet sich knapp nördlich des Marsäquators im Kasei Valles.« Gallagher wies zu einem grünen Punkt auf der rotbraunen Karte. Als er näher heranzoomte, war eine Art Stromtal zu erkennen, das sich dort, wo der grüne Punkt lag, in zwei Arme aufteilte.
Als Nächstes war die Kuppelstadt selbst aus der Vogelperspektive zu sehen. Die Kuppel setzte sich aus vielen gläsernen Dreiecken zusammen, die von rötlichen Streben gehalten wurden. Von oben betrachtet, erinnerte das Gebilde an ein riesiges Netz. Außerdem hockten drei kleine, flache Gebäude wie Pickel auf der Kuppel – zwei oben rechts auf dem Bild, eines links unten.
Gallagher deutete nacheinander auf diese Gebäude. »Die Kuppelstadt hat nur drei Andockstationen für Landefähren. Das ist das Problem bei der ganzen Geschichte. Sonst hätten wir schon längst alle Leute da rausgeholt. Diese drei Andockstationen gilt es zu schützen, denn wenn feindliche Aliens in die Stadt einzudringen versuchen, dann wird es hier geschehen. Unser Platoon hat die Ehre, die südliche Andockstation zu schützen. Goldblums und Takashis Platoons werden sich gemeinsam um die beiden nördlichen kümmern, die direkt nebeneinanderliegen. Das Kommando dort hat Goldblum. Wir operieren allein.«
Gallagher grinste breit. Offenbar freute er sich darüber, dass Goldblum ihm bei dieser Mission nicht ins Handwerk pfuschen konnte. John wunderte sich, wie Gallagher das wohl hinbekommen hatte.
»Der Plan ist recht einfach. Wir gehen mit den Landefähren so nah wie möglich runter und nehmen uns ein paar Gleiter als Luftunterstützung mit. Dummerweise werden wir in den abendlichen Sturm geraten, der in unschöner Regelmäßigkeit aufgrund der starken Tag-Nacht-Temperaturschwankungen entsteht. Wir haben zwar während des Anflugs und der Annäherungsphase mit Windgeschwindigkeiten von vierhundert bis sechshundert Stundenkilometern zu rechnen, allerdings haben die Stürme hier wegen der dünnen Atmosphäre eine viel geringere Kraft als auf der Erde. Die größten Probleme, die wir dadurch haben, sind die verminderte Sicht durch den Staub und eventuell ein Ausfall des Funks aufgrund der elektrostatischen Entladungen. Beginn in …« – Gallagher sah auf die Uhr – »… zwanzig Minuten. Standardausrüstung 3. Die Piloteneinteilung hängt aus. Noch Fragen?« Gallagher sah fragend in die Runde.
Die Standardausrüstung 3 war die weltalltaugliche. Das schien bei einigen der Anwesenden ein mulmiges Gefühl auszulösen, wie ihre Gesichter verrieten.
Als sich niemand meldete, nickte Gallagher auffordernd. »Schnell! Die Zeit läuft.«
Stannis hob die Hand. »Was tun wir, wenn die Aliens die Kuppel zerstören, anstatt die Andockstationen zu stürmen?«
Gallagher zuckte mit den Schultern. »Ganz einfach: Dann sind wir am Arsch.«
»Sind Sie bereit, Sir?«, fragte Lieutenant Geerst.
Reno fühlte sich ganz und gar nicht bereit, aber da nach der Zerstörung der Forschungsstation nun auch die Marskolonie angegriffen wurde, konnte er wohl kaum über eigene Befindlichkeiten lamentieren. Egal, wie wenig er die Vierarmigen mochte, immerhin war es im Bereich des Möglichen, dass sie ihre Hilfe anboten – auch wenn, oder vielleicht gerade weil, die Echsenwesen ihre Unterstützung verweigert hatten.
Zumal sich der Sternenrat offenkundig weigerte, den Menschen zu helfen.
Nervös überprüfte Reno den Sitz seiner Krawatte und richtete sich in seinem Sessel auf, um die Kamera zu fixieren. »Ich bin so weit«, sagte er.
Geerst drückte auf einen Knopf und positionierte sich dann hinter Reno. Derweil klärte sich der Monitor auf dem Schreibtisch, und die hässliche Visage eines der beiden Vierarmigen war zu sehen. Es war der große Hagere.
»Klegh End-as-Daieng grüßen Reno Präsident.«
Das fremdartige Wesen benutzte offenkundig einen Übersetzungsapparat, denn Reno verstand es einwandfrei, auch wenn ihn die vielen Kehl- und Klicklaute irritierten.
»Ich grüße Sie, großer Klegh!« Herrgott, hörte sich das geschwollen an! »Darf ich fragen, was mir die Ehre verschafft, mit Ihnen zu sprechen?«
»Klegh anbieten Hilfe. Reno brauchen Hilfe gegen Kutok.«
Das war allerhand! Für einen Augenblick blieb Reno der Mund offenstehen: Erstens hatte er nicht damit gerechnet, dass dieser Pugh direkt zum Kernthema des Gesprächs kam; und zweitens fühlte er sich erleichtert angesichts der Bereitschaft zur Hilfe. Um seine Fassung wiederzuerlangen, räusperte er sich.
»Kutok?«, fragte er nach, um ganz sicherzugehen, dass er den anderen auch richtig verstand.
»Feinde von Menschen und Feinde von Endaieng.«
Endaieng – so nannten sich die Vierarmigen selbst, so viel wusste Reno. Dann meinte dieser Klegh mit Kutok sicherlich die Insektenartigen. Immerhin war es interessant, dass Pugh in ihnen ebenfalls einen Feind sah.
»Angenommen, wir bräuchten tatsächlich Hilfe und wären gewillt, Ihr Angebot anzunehmen – wie würde diese Hilfe denn aussehen?«
»Iengas Klegh geben drei Schiffe. Kämpfen gegen Kutok – mit Menschen.«
Drei Schiffe … Das konnte viel oder wenig sein, je nachdem, wie kampfstark diese Schiffe waren.
»Um Ihr Angebot beurteilen zu können, fehlt mir ein geeigneter Maßstab. Können Sie die Kampfstärke dieser drei Schiffe näher beziffern?«
»Schiffe sein viel kampfstark. Sein kampfstark wie Schiffe von Ziss-ap.«
Ziss-ap war der Kommandant der Echsenartigen. Reno wusste, dass drei von deren Schiffen zusammen mit der Washington in der Lage gewesen waren, drei Basisschiffe der Insektoiden zu zerstören. Das schien ein wirklich gutes Angebot zu sein.
»Ich würde mich außerordentlich freuen, Sie und Ihre Schiffe an unserer Seite zu wissen. Sie dürfen versichert sein, dass wir Ihnen zu tiefem Dank verpflichtet sind.«
Das Alien stieß eine Reihe von Klicklauten aus. »Klegh warten auf Angebot.«
Reno zupfte an seiner Krawatte. »Ich fürchte, ich verstehe nicht, auf was Sie hinauswollen.«
»Klegh machen Angebot. Reno machen Angebot. Klegh und Reno sich einigen.«
Diese Sprache verstand Reno sofort. Der Kerl wollte sich die militärische Hilfe bezahlen lassen. Dummerweise wusste Reno nicht, womit.
»Wie viele Kredits wäre Ihnen Ihre Unterstützung denn wert?«
»Kredit schlechtes Angebot. Reno machen anderes Angebot.«
Reno schwitzte. Er beugte sich zum Lieutenant. »Geerst«, zischte er leise, »wissen Sie zufälligerweise, was für diese Kerle wertvoll ist?«
»Sir, ich habe keine Ahnung …«
»Reno machen Angebot. Klegh hören.«
Dann wurde der Screen schwarz.
***
Als die Tür sich hinter Harlans Rücken zischend öffnete, wirbelte er erschrocken herum. Wenn einer seiner Gefängniswärter außerhalb der Essenszeiten erschien, bedeutete das meist nichts Gutes. Dann erblickte er Ziss-ap, und in seine Angst mischte sich eine irrwitzige Hoffnung.
Ziss-ap musterte ihn aus orangefarbenen Augen. Hinter ihm glitt die Tür wieder zu, aber er sprach nach wie vor kein Wort.
Harlans Herz hämmerte. Ihm war schwindelig. In seinen Handflächen und auf seiner Stirn sammelte sich der Schweiß. Als das Schweigen sich in die Länge zog, räusperte er sich.
Da schritt Ziss-ap auf ihn zu und blieb zwei Armlängen vor ihm stehen. Der Moschusgeruch, den er verströmte, nahm Harlan den Atem.
»Weshalb glaubst du, dass Dsho-kla wissen sollte, was du ihr zu sagen hast?«
Harlan befeuchtete seine Lippen. »Dsho-kla … Dsho-kla hat ein Interesse daran, was mit den Menschen geschieht. Sie …«
»Weshalb?«
»Weil sie von der Macht des Artefakts weiß, das mein Freund John trägt. Weil sie die Macht des Artefakts auf ihrer Seite wissen will. Das vermute ich wenigstens. Und wenn Dsho-kla die Menschen unterstützt, dann wird sie diese Macht auf ihrer Seite haben. Denn John wird ihr verpflichtet sein und …«