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Inhaltsverzeichnis

Über den Autor
1. Familien nach der Familienkonferenz
2. Grundlagen sind wichtiger als Techniken
Das Prinzip der Inkonsequenz
Das Prinzip des Problembesitzes
3. Neue Möglichkeiten, Kindern bei ihren Problemen zu helfen
Wenn es Eltern nicht gelingt, die zwölf Kommunikationssperren zu vermeiden
Neue Erkenntnisse hinsichtlich der zwölf Kommunikationssperren
Manchmal sind die Kommunikationssperren keine Sperren
Was ist falsch an Fragen?
Brauchen Kinder Ratschläge?
Wie bringt man Eltern das Zuhören besser bei?
Die vier grundlegenden Techniken des Zuhörens
Passives Zuhören (Schweigen)
Aufmerksamkeit
Türöffner oder Einladungen
Aktives Zuhören
Warum wir Eltern im aktiven Zuhören unterrichten
Die Gefühle verblassen
Die Gefühle werden freundlich
Größeres Vertrauen
Die Kinder beginnen ihrerseits zuzuhören
Die Kinder zeigen mehr Verantwortungsbewusstsein
Sie werden lernen, ihrem Kind zu vertrauen
Sie werden mehr akzeptieren
Sie haben Freude daran, zu helfen
Ihr Kind wird zu einem eigenständigen Individuum
Sie brauchen kein »Über-Vater« bzw. keine »Über-Mutter« zu sein
4. Wie lernt man aktives Zuhören: Probleme und Lösungen
Anfängliches Unbehagen beim aktiven Zuhören
Wenn Kinder nicht reden wollen
Man muss in der richtigen Stimmung zum Zuhören sein
»Lass mich mit diesem aktiven Zuhören in Ruhe«
Übertreibungen des aktiven Zuhörens
Zuhören ohne die Bereitschaft, das Gehörte zu akzeptieren, ist nutzlos
Aktives Zuhören mit versteckter Absicht
»Was ist, wenn einem nicht passt, was man hört?«
Man kann niemals in Erfahrung bringen, ob man Kindern trauen kann, wenn man ihnen nicht vertraut
Die Kommunikationssperren hindern das Kind daran, das eigentliche Problem zu erkennen
Es bleibt noch genügend Zeit, sein Wissen und seine Weisheit mitzuteilen, wenn es erforderlich ist
Die Versuchung, Kommunikationssperren zu verwenden
Einige Richtlinien zur Verbesserung Ihres Zuhörens
5. Wie sich Familien verändern, wenn Eltern geübte Zuhörer werden
Der Zauber des »Ich verstehe dich«
Gefühle gehen vorüber
Wie hilft man Kindern, Realität und Grenzen zu akzeptieren?
»Ich mag Kinder nicht«
Das eigentliche Problem
Kinder werden verantwortungsbewusst
»Sie entwickeln sich viel schneller, als man denkt«
Eltern gewinnen neue Erkenntnisse über sich selbst
»Lieber wär ich tot«
6. Neue Hilfe für Eltern, die eigenen Bedürfnisse zu befriedigen
Du-Botschaften und Ich-Botschaften
»Wie sehen meine Gefühle wirklich aus?«
Es ist wichtig, vollständige Ich-Botschaften zu senden
Wenn Kinder eine Ich-Botschaft nicht zur Kenntnis nehmen
Hören Sie zu, wenn das Kind die Probleme besitzt?
Wie stark sind Ihre Ich-Botschaften?
Die Bedeutung des Umschaltens
Lösungsbotschaften sind keine Ich-Botschaften
Zuflucht zu Macht und Autorität
Einige Richtlinien für Ich-Botschaften
7. Positive Erfahrungen mit Ich-Botschaften
Ein leicht erlernbares Instrument
»Es funktioniert wirklich!«
Ein neues Bewusstsein für Du-Botschaften
»Kinder möchten wirklich helfen«
Der Einfallsreichtum kindlicher Lösungen
»Es ist ein schönes Gefühl, ehrlich zu sein«
Wie Eltern ihren Ärger bezwingen
8. Neue Anwendungsmöglichkeiten für Ich-Botschaften
Ich-Botschaften bei Säuglingen und Kleinkindern
1. Das Ratespiel
2. Machen wir einen Handel
3. »Ich zeige dir, wie ich empfinde«
Ein neues Konzept: Die anerkennende Ich-Botschaft
Die präventive Ich-Botschaft
Problemlösung durch Ich-Botschaften
9. Eltern-Kind-Konflikte: Wer siegt, wer unterliegt?
Vorbehalte gegenüber der niederlagelosen Konfliktbewältigung
Die drei Methoden zur Konfliktbewältigung
Methode I (Theorie)
Methode II (Theorie)
Methode III (Theorie)
Methode I (Beispiel)
Methode II (Beispiel)
Methode III (Beispiel)
Neue Perspektiven der Konfliktbewältigung
Das Dilemma mit der Disziplin
Der Mythos der wohlwollenden Autorität
Autorität: ein Wort mit zwei Bedeutungen
Die besondere Sprache der Macht
Verwechslungen zwischen der niederlagelosen Methode und Nachgiebigkeit
»Brauchen Kinder Grenzen?«
Die Wahrheit über elterliche Macht
10. Verwendung der niederlagelosen Methode: Probleme und Lösungen
Zeitdruck und Unterbrechungen
»Mit Kindern geht das wirklich nicht«
Wenn Kinder während der Problemlösung hinausgehen
Wenn Kinder sich nicht an ihre Vereinbarungen halten
Wirklichkeitsfremde Lösungen von Kindern
Gibt es überhaupt eine Rechtfertigung für Macht und Strafe?
Ist Schlagen erlaubt?
11. Die erfolgreiche Anwendung der niederlagelosen Methode
Der angemessene Rahmen für die niederlagelose Problemlösung
Wenn die Bedürfnisse klar sind, stellen sich auch Lösungen ein
Gewöhnlich gibt es mehr als eine Lösung
Abänderung der ursprünglichen Entscheidung
Das eigentliche Problem
Kinder können sehr vernünftig sein
Problemlösung mit Säuglingen
Die niederlagelose Methode bei der Bewältigung von Konflikten zwischen Geschwistern
Regelmäßige Problemlösungstreffen
Präventive Problemlösung
12. Hilfe bei Wertkollisionen
Die Besonderheit der Wertkollision
Allzu beharrliche Eltern
Effektive Verfahren zur Beilegung von Wertkollisionen
Ein wirkliches Vorbild sein
Wie wird man ein effektiver Berater?
Versorgen Sie sich mit Fakten und Informationen
Zuerst müssen Sie als Berater akzeptiert sein
Überlassen Sie Ihrem Klienten die Verantwortung
Überprüfung der eigenen Wertvorstellungen
Akzeptieren Sie, was Sie nicht verändern können
13. Unterschiedliche Einstellungen zur Familienkonferenz und ihre Gründe
»Sie können es besser machen, als Sie glauben«
»Ich werde nicht die Fehler wiederholen, die meine Eltern an mir begangen haben«
»Die Elternrolle ist eine schwere Aufgabe«
»Wir lesen die Schrift an der Wand«
Wenn Verzweiflung aufkommt
Das Dilemma der Eltern
Krisen und Tragödien
Wer braucht Elterntraining?
14. Die persönlichen Berichte von vier Familien
»Sie kann Berge bewegen«
Jenseits aller Techniken: Tagebuch einer Mutter
Krieg und Frieden
Eine Familie verändert sich
Anhang
Methoden
Interviews
Fragebogen
Berichte
Tonbandaufzeichnungen
Anekdotensammlung
Inhaltsanalyse und Kodierung
Weiterführende Literatur
Danksagung
Register
Copyright

Danksagung

1970 begann ich die Widmung des Buches Familienkonferenz mit den Worten: »Meiner Judy …, die mir beibrachte, was es heißt, Vater zu sein.« Auch dieses Mal habe ich meiner Tochter zu danken, aus der mittlerweile Frau Judy Gordon Sands wurde. Sie hat wesentlich zur Entstehung dieses Buches beigetragen. Zum einen arbeitete sie mit mir die verschiedenen Verfahren aus, anhand derer wir die Fälle, Gespräche, Berichte und Erzählungen von Eltern zusammentrugen, die an P.-E.-T.-Kursen (Parent Effectiveness Training) teilgenommen haben. Judy führte alle Interviews durch und entwarf die Fragebogen. Außerdem nahm sie die Aufgabe auf sich, alle Unterlagen, die wir von den Eltern erhalten hatten, einer Inhaltsanalyse zu unterziehen. Ihren sorgfältigen und klugen Vorarbeiten verdanke ich das umfangreiche Datenmaterial, auf das sich dieses Buch stützt. Ich bin ihr zu großem Dank verpflichtet.

Dank gebührt auch meiner Frau Linda, die eine veränderte Konzeption des Buches anregte. Ihrem Vorschlag verdanke ich auch den Titel. Schließlich vermittelte sie mir einen ganz neuen Begriff von Ich-Botschaften und ihrer Anwendung zur Vermeidung von Konflikten.

Besonders dankbar bin ich den P.-E.-T.-Leitern, die uns Eltern für die Interviews vorschlugen und Tonbänder und Fallgeschichten zugänglich machten. Ganz bestimmt gäbe es ohne unseren Kader fähiger und in ihrer Aufgabe aufgehender Konferenzleiter keine Absolventen von P.-E.-T.-Kursen! Außerdem möchte ich meinem Verleger und Freund Peter H. Wyden für seine sehr nützlichen Vorschläge danken, der mich auch als Erster dazu ermutigte, dieses Projekt anzugehen.

Ganz besonderen Dank schulde ich Karen Gleason, meiner Sekretärin, die nicht nur das Manuskript tippte, sondern mir auch einen großen Teil meiner Arbeit abnahm, sodass ich mich diesem Buch widmen konnte. Vor allem aber danke ich all den Eltern, die ihre kostbare Zeit opferten und sich interviewen ließen oder uns Fragebogen, Bänder und persönliche Berichte überließen, sodass wir jetzt sehen können, wie die ›Familienkonferenz‹ in der Praxis funktioniert. T. G.

Von Thomas Gordon sind bei Heyne lieferbar:
Familienkonferenz (ISBN 978-3-453-02984-2)
Die neue Familienkonferenz (ISBN 978-3-453-07861-1)
Familienkonferenz in der Praxis (ISBN: 978-3-453-60234-2)
Lehrer-Schüler-Konferenz (ISBN 978-3-453-60326-6)
Managerkonferenz (ISBN 978-3-453-60000-3)

Anhang

Dieses Buch stützt sich im Wesentlichen auf die Berichte von Eltern, die den 24-stündigen, in acht Sitzungen stattfindenden ›Familienkonferenz‹-Kurs absolviert haben.

In diesem Abschnitt möchte ich die Methoden beschreiben, die wir benutzten, um die Berichte zu sammeln. Ich werde darlegen, wie die Daten kodiert und analysiert wurden und werde die wichtigsten Informationen über die Eltern anfügen, die ihre Meinungen, Gefühle und Erfahrungen in den Interviews mitteilten.

Methoden

Interviews

92 Personen wurden in 67 Tiefeninterviews befragt. Jedes hatte eine Dauer von ein bis zwei Stunden. Alle Interviews wurden von Judy Gordon Sands durchgeführt. Alle Interviews wurden auf Tonband aufgenommen und später zu Papier gebracht.

Den Eltern wurde Anonymität zugesichert. Sie haben alle ihre Erlaubnis dazu gegeben, die Interviewdaten im Buch zu verwenden. Meist wurden die Interviews bei den Eltern zu Hause durchgeführt. Die Stichprobe der Interviewten umfasste:

24 Ehepaare: beide Elternteile waren ›Familienkonferenz‹-Absolventen.

42 Mütter: die Ehemänner von 20 hatten an der ›Familienkonferenz‹ teilgenommen. Die Ehemänner von 16 hatten nicht an der ›Familienkonferenz‹ teilgenommen. 6 waren alleinstehend.

2 Väter: Die Frauen beider hatten an der ›Familienkonferenz‹ teilgenommen.

Einige Eltern wurden für die Interviews durch ein Zufallsverfahren ausgewählt, dem die Teilnehmerlisten der Kurse zugrunde lagen. Einige (36 insgesamt) wurden von Kursleitern benannt, die nach deren Auffassung bereit und fähig schienen, uns besondere Beispiele und Erfahrungen zu liefern. Wir nahmen die Verbindung zu den Interviewten per Telefon auf. Alle Interviewten erhielten darüber hinaus ein Schreiben, in dem der Zweck des Projektes und die vorgesehenen Fragen erklärt wurden.

Einige Eltern waren an einem Interview nicht interessiert. Sie nannten verschiedene Gründe dafür: Manche meinten, sie wendeten die ›Familienkonferenz‹-Techniken falsch an, andere hatten keine Lust, »in einem Buch zu erscheinen«, manche fühlten sich als ›Familienkonferenz‹-Eltern unzulänglich, manche meinten, sie hätten keine passenden Beispiele zu liefern, andere waren zu beschäftigt, wieder anderen passte der Zeitpunkt nicht.

Die Interviewerin benutzte zwar keinen standardisierten Fragebogen, aber sie folgte doch einem Leitfaden, sodass von den Eltern Daten zu erwarten waren, die in die folgenden Kategorien gehörten:

  1. Warum nahm der betreffende Elternteil am Kurs teil? Wie sah es in der Familie vor dem Kursbesuch aus? Was erhoffte sich der betreffende Elternteil von der Teilnahme?
  2. Welche Erfahrungen machten die Eltern mit den ›Familienkonferenz‹-Techniken, während sie am Kurs teilnahmen? Was funktionierte, was nicht?
  3. Welche Erfahrungen machten die Eltern mit den ›Familienkonferenz‹-Techniken, nachdem der Kurs beendet war?
  4. Die Beschreibung entscheidender Vorfälle, in denen die Eltern das Gefühl hatten, mit großem Erfolg agiert zu haben, und entscheidende Vorfälle, in denen sie das Gefühl hatten, Misserfolg gehabt zu haben.
  5. Welche Dinge aus der ›Familienkonferenz‹ waren für den Elternteil am nützlichsten? Welche haben ihn am meisten enttäuscht?
  6. Wie sieht das Familienleben heute aus?
  7. Wo haben sich die größten Veränderungen innerhalb der Familie ergeben?

Die 92 interviewten Eltern hatten insgesamt 217 Kinder im Alter zwischen 1 und 32 Jahren. Im Durchschnitt lag das Alter bei 11,4 Jahren. 31 lebten nicht mehr zu Hause. Die Eltern variierten im Alter zwischen 25 und 64 Jahren. Der Altersdurchschnitt lag bei ungefähr 36 Jahren.

Hinsichtlich der Ausbildung zeigten die Eltern folgende Verteilung:

Mütter Väter
Highschool 7 3
Collegebesuch ohne Abschluss 20 10
Collegeabschluss 22 19
Hochschulbildung ohne Abschluss 8 5
Magistergrad 6 10
Promotion 2 14

Die Stichprobe enthielt Eltern, die am ›Familienkonferenz‹-Kurs zehn Jahre vor dem Interview teilgenommen hatten, und solche, bei denen der Kurs erst einige Monate zurücklag. Im Durchschnitt lag der Kurs zwei Jahre zurück.

Von den 6 alleinstehenden Frauen lebten 4 getrennt oder geschieden. 1 war verwitwet. Die Stichprobe der verheirateten Eltern umfasste 12, die zum zweiten Mal verheiratet waren, und 1, der in der dritten Ehe lebte. Nur 30 der Eltern hatten keinen Beruf (Hausfrauen oder Studenten). Die übrigen gingen einer Teil- oder Vollzeitbeschäftigung nach. Die Väter hatten mit Ausnahme eines Studenten alle eine Vollzeitbeschäftigung.

Fragebogen

Die Kursleiter bekamen einen Fragebogen, in dem sie aufgefordert wurden, Namen von Eltern zu empfehlen. Diese Eltern sollten um Interviews oder eine schriftliche Fallbeschreibung gebeten werden. Wir baten sie um Namen von Eltern, die sie als »erfolgreich«, »weniger erfolgreich« und »besondere Familien« (alleinstehender Elternteil, Pflegeeltern usw.) einstuften. Außerdem wurden die Kursleiter aufgefordert, irgendeinen entscheidenden Vorfall detailliert zu beschreiben, in dem sie die ›Familienkonferenz‹-Techniken mit Erfolg angewendet hätten, und einen solchen Vorfall, in denen sie einen Misserfolg erlebt hätten. Von 1000 versandten Fragebogen erhielten wir 58 ausgefüllt zurück.

Dann wurde ein Fragebogen für die Eltern entwickelt, die uns von den Kursleitern genannt worden waren. Auch sie wurden aufgefordert, zwei entscheidende Vorfälle zu beschreiben (einen Erfolg und einen Misserfolg) und ihre »mit der ›Familienkonferenz‹ im Zusammenhang stehende Lieblingsgeschichte«. Von 129 verschickten Fragebogen erhielten wir 20 zurück.

Viele dieser bedeutsamen Vorfälle, von denen uns Kursleiter und ›Familienkonferenz‹-Absolventen berichteten, wurden im vorliegenden Buch verwendet.

Berichte

Da wir auch etwas allgemeiner hören wollten, wie sich die ›Familienkonferenz‹ generell auf Familien auswirkt, führten wir einen Wettbewerb durch, in dem sich die Betroffenen ausführlich äußern sollten. Der Titel ihrer Geschichte sollte sein: »Was die ›Familienkonferenz‹ in meiner Familie verändert hat.«

Die besten Berichte sollten von einer Jury ausgewählt werden, die sich aus Mitarbeitern der ›Familienkonferenz‹ zusammensetzte. Sie sollten von so allgemeinem Interesse sein, dass sie in das neue Buch aufgenommen werden konnten. Wir erhielten insgesamt 34 Essays.

Tonbandaufzeichnungen

Kursleiter und Absolventen wurden aufgefordert, uns Tonbandaufzeichnungen von Dialogen zuzusenden, anhand derer zu erkennen sein sollte, welchen Gebrauch sie von den ›Familienkonferenz‹-Techniken in ihren Familien machten. Insgesamt erhielten wir 11.

Anekdotensammlung

Im Laufe der Jahre haben wir eine Sammlung schriftlicher Anekdoten und Berichte angelegt, die wir von Eltern und Kursleitern erhalten haben. Diese wurden zu den Berichten genommen, die aus den oben genannten Quellen stammten.

Inhaltsanalyse und Kodierung

Die Berichte, Erlebnisse und Beispiele wurden (mit Ausnahme der Tonbänder) einer Inhaltsanalyse unterzogen. Das stellte sich als langwierige und schwierige Aufgabe heraus. Judy las jede Seite eines jeden Interviews und eines jeden Vorfalls, der in den Fragebogen beschrieben wurde, um Themen, Gedanken und Probleme auszumachen. Jeder einzelne dieser Abschnitte (oder Segmente) wurde entsprechend seinem besonderen Inhalt klassifiziert und dann einem Kode zugeordnet. Über 700 Themen, Gedanken und Probleme ergaben sich dabei. Diese wurden dann zu 133 Kategorien zusammengefasst, die ihrerseits unter 19 Hauptthemen klassifiziert wurden. Sie hießen: Die Rolle des Elternteils, Gründe für die Teilnahme an der ›Familienkonferenz‹, die Kurserfahrung, Einstellungsänderungen, Grenzen der ›Familienkonferenz‹, aktives Zuhören, Ich-Botschaften, Methode III, Wertvorstellungen, Machtgebrauch, Kommunikationssperren usw. Eine Kartei der ursprünglichen 700 Themen, die wie oben beschrieben klassifiziert worden waren, ermöglichten es uns, jeden besonderen Abschnitt in den Interviews und Berichten einzuordnen.

Wir sammelten weit mehr Daten, als wir überhaupt verwenden konnten. Es wäre ein zweites Buch erforderlich, wenn wir all das, was sich in dieser Studie ergab, angemessen darstellen wollten. Sicherlich war es keine Forschungsstudie im engeren wissenschaftlichen Sinn. Unsere Elternstichprobe war nicht anhand eines systematischen Plans oder einer Zufallsmethode zusammengestellt worden. So hatten wir sehr verschiedene Eltern (aus 45 Gemeinden in 4 Staaten) in der Stichprobe, die daher nicht repräsentativ sein kann. Außerdem liefert unsere Studie nur Berichte von Eltern über ihre Reaktionen und Erfahrungen und nicht die Ergebnisse irgendwelcher Testverfahren.

Wir hatten uns jedoch nur ein bescheideneres Ziel gesetzt: Wir wollten herausfinden, was die ›Familienkonferenz‹ den Eltern bedeutet hatte, welche Wirkung sie ihr für ihr eigenes Leben und das ihrer Familien zuschreiben. Wir wollten ein Buch mit Fallbeschreibungen zusammenstellen und hoffen, dass andere Eltern daraus lernen können.

Weiterführende Literatur

Axline, Virginia M., Die wunderbare Entfaltung eines menschlichen Wesens.

München: Scherz 1970.

Die bewegende Geschichte einer Therapie. Die Autorin, die zu den Pionieren der klientenzentrierten Spieltherapie gehört, führte die Therapie selbst durch. Der Akzent liegt auf aktivem Zuhören und der Sprache der Annahme.

Axline, Virginia M., Kinder-Spieltherapie im nicht-direktiven Verfahren.

München: Ernst Reinhardt 41976.

Das erste Buch zur klientenzentrierten Therapie. Beispiel für den Gebrauch des aktiven Zuhörens. Grenzt die Anwendungsmöglichkeiten ein. Enthält eine Vielfalt von Fallbeschreibungen und aufgezeichneten Interviews. Die beschriebenen Techniken können von den Eltern selbst übernommen werden.

Bach, George R. und Goldberg, Herb, Keine Angst vor Aggression. Wege zur Selbstbefreiung. Düsseldorf: Diederichs 21975.

Beschäftigt sich mit unterdrückter und zum Ausbruch gebrachter Aggression. Enthält einige Übungen. Zeigt, wie sich unterdrückte Aggression konstruktiv und sogar kreativ aufspüren lässt.

Briggs, Dorothy C., Gib deinem Kind Selbstvertrauen.

Rüschlikon: Müller 1975.

Beschäftigt sich mit der Selbstachtung des Kindes. Erörtert ihre Bedeutung für die Gesundheit. Beschäftigt sich mit Genese und Möglichkeiten der Eltern, das Selbstwertgefühl des Kindes zu stärken. Frau Briggs war früher Kursleiterin und geht von den Begriffen und Methoden der ›Familienkonferenz‹ aus. Sie verbindet sie aber mit ihren eigenen, sehr anregenden Gedanken zur Selbstbejahung, Liebe und Selbstachtung. Das Buch ist eine lebendige Ergänzung zur Methodologie und Theorie der ›Familienkonferenz‹.

Fromm, Erich, Die Kunst des Liebens. Frankfurt: Ullstein 1973 (Ullsteinbücher 258).

Ein klassisches Buch. Untersucht die Liebe zwischen Mann und Frau, Eltern und Kindern. Bezieht die Liebesfähigkeit auf die innere Kraft, die Selbstliebe und die Produktivität des Einzelnen. Außerordentlich geeignet, den Eltern zu zeigen, welche Bedeutung dem Begriff »seine Kinder lieben« aus psychologischer Sicht zukommt.

Ginott, Haim G., Eltern und Kinder. Elternratgeber für eine verständnisvolle

Erziehung. Hamburg: Rowohlt 1971 (rororo 6081).

Beredtes Zeugnis für die Bedeutung des Zuhörens. Behandelt insbesondere Probleme der Geschlechtererziehung, Eifersucht und ernster emotionaler Schwierigkeiten.

Gordon, Thomas, Familienkonferenz. Die Lösung von Konflikten zwischen

Eltern und Kind. Hamburg: Hoffmann und Campe 1972.

Eine genaue Darlegung der Theorie. Darstellung der besonderen Techniken, die Eltern brauchen, um verantwortungsbewusste Kinder in einer glücklichen Familie großzuziehen. Viele Beispiele und Fallgeschichten erläutern die Methoden.

Holt, John, Chancen für unsere Schulversager. Freiburg: Lambertus-Verlag 1969.

Scharfsinnige Analyse eines Lehrers. Zeigt die Fehler von Lehrern im Unterricht, die zum Schulversagen führen. Dabei nimmt er auch Kinder mit scheinbar guten Leistungen nicht aus. Geht ein auf die Auswirkungen der Notengebung, zeigt, wie die Schule Langeweile, Angst und Verwirrung produziert. Das Buch dürfte für Eltern und Lehrer eine sehr anregende Lektüre sein.

Maslow, Abraham H., Psychologie des Seins. Ein Entwurf. München:

Kindler 1973.

Ausgezeichnete Darstellung einer positiven und optimistischen Psychologie. Geht davon aus, dass Menschen ein Bedürfnis haben, ihre Möglichkeiten zu entfalten und zu verwirklichen. Behauptet, dass ihnen das leichter fällt, wenn sie so, wie sie sind, akzeptiert werden.

Missildine, W. Hugh, In dir lebt das Kind, das du warst. Vorschläge zur Bewältigung des Alltags. Stuttgart: Klett-Cotta 1976.

Zeigt, wie sich unterschiedliche elterliche Erziehungsstile auf die Persönlichkeit des Kindes und die späteren Bewältigungsmechanismen des Erwachsenen auswirken.

Neill, A. S., Das Prinzip Summerhill. Fragen und Antworten. Reinbek:

Rowohlt 1971 (rororo 6690).

Bericht über eine Pionierschule in England, in der der Versuch unternommen worden ist, die Prinzipien der Demokratie und die Elemente einer therapeutischen Gemeinschaft auf ein Schulinstitut zu übertragen.

Neill, A. S., Theorie und Praxis der antiautoritären Erziehung. Reinbek:

Rowohlt 1969 (rororo 6707).

Neill wendet seine Theorie in spezifischer Form auf die Erwachsenen-Kind-Beziehung an und weist auf den Unterschied zwischen Freiheit und übertriebener Nachgiebigkeit hin.

Rogers, Carl R., Die klientenzentrierte Gesprächstherapie. München:

Kindler 1975.

Grundlagentext der klientenzentrierten Theorie. Behandelt Theorie, Praxis und empirische Grundlagen. Beschreibt die Anwendung auf Gruppen, Unterricht, Führungsrolle, Verwaltung und Spieltherapie.

Rogers, Carl R., Entwicklung der Persönlichkeit. Psychotherapie aus der

Sicht eines Therapeuten. Stuttgart: Klett-Cotta 1976.

Größtenteils unveröffentlichte Aufsätze von Rogers, die Therapie, Erziehung, Selbst, geistige Gesundheit, Helferbeziehung und ähnliche Gegenstände behandeln. Nützlich für Eltern, denen es um ein umfassenderes Verständnis der klientenzentrierten Therapie und die Besonderheit von Rogers geht.

Russell, Bertrand, Ehe und Moral. Stuttgart: Kohlhammer 1951. Klassische

Abhandlung der ökonomischen, religiösen und kulturellen Grundlagen der Familie. Zeigt, welch unterschiedliche Rollen Männer und Frauen in unterschiedlichen Gesellschaften bekleiden. Legt Zeugnis ab für den Wandel der Geschlechterrolle in der Familie. Sehr empfehlenswert für Eltern, die von unwandelbaren und absoluten Moralbegriffen überzeugt sind.

Satir, Virginia, Selbstwert und Kommunikation. Familientherapie für Berater und zur Selbsthilfe. München: J. Pfeiffer 1975.

Beschreibung der kodierten Interaktionen zwischenmenschlicher Kommunikation. Vorschläge und Übungen zur Befreiung von unnötigen Kommunikationsschranken.

Stone, Joseph und Church, Joseph, Kindheit und Jugend. Einführung in die

Entwicklungspsychologie. Bd. 1 und 2. München: dtv 1978.

Zeigt Eltern Wege, wie sie während der Adoleszenz Probleme vermeiden können. Eine große Hilfe vor allem für die Eltern, die mit ihren heranwachsenden Kindern Schwierigkeiten haben.

Über den Autor

Thomas Gordon (1918–2002) war praktizierender Psychologe in den USA. Er gehörte zu den Pionieren der humanistischen Psychologie und war der Überzeugung, dass Menschen, die in einem fürsorglichen und freiheitlichen Klima aufwachsen, in hohem Maße fähig werden, Verantwortung zu tragen und ein selbstbestimmtes, erfülltes Leben zu führen. Durch seine Erfahrungen in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen erkannte er die große Bedeutung der Kommunikation und gewaltfreien Konfliktlösung für die zwischenmenschliche Beziehung. Schön früh entwickelte er hierzu ein konkretes, im Alltag anwendbares Modell, das bis heute nichts von seiner Gültigkeit verloren hat. Thomas Gordon ist Bestsellerautor zahlreicher Bücher zum Thema Kommunikation, Erziehung und Beziehungen. Sein bekanntestes Buch Familienkonferenz wurde weltweit millionenfach verkauft. Für seine Arbeiten wurde er zudem mehrfach ausgezeichnet. Ziel seiner Methode, das Verbessern von Beziehungen und das gewaltlose Lösen von Konflikten ohne Verlierer, ist auch als Friedensarbeit im eigentlichen Sinne anzusehen, was seine dreifache Nominierung für den Friedensnobelpreis 1997, 1998 und 1999 unterstreicht. Sein umfangreiches Werk ist bei Heyne lieferbar.

1. Familien nach der Familienkonferenz

Als die New York Times die ›Familienkonferenz‹ eine »nationale Bewegung« nannte, war meine erste Reaktion ein gewisses Unbehagen. Als ich genauer darüber nachdachte, hielt ich es schon für möglich, dass die ›Familienkonferenz‹ einiges in Bewegung gesetzt hatte. Ich weiß, dass in 15 Jahren 250000 Eltern an ›Familienkonferenz‹-Kursen teilgenommen haben. Als ich mich an die Niederschrift dieses Buches machte, sind mehr als eine Million Exemplare des ersten Buches Familienkonferenz verkauft worden. Beinahe 8000 Fachleute aus jedem Staat der USA (und aus vielen anderen Ländern) haben an Trainingsveranstaltungen teilgenommen, um als qualifizierte Kursleiter in ihren Heimatorten wirken zu können. Allein dieser quantitative Gesichtspunkt lässt es sicherlich gerechtfertigt erscheinen, von einer Art Bewegung zu sprechen. Doch die Vorstellung an sich, eine »Bewegung« ausgelöst zu haben, verschafft mir keine besondere Befriedigung. Weit wichtiger ist die Frage, ob mein erstes Buch und der Kurs konstruktive Bedeutung für das Familienleben gewonnen haben. An einem Kurs teilnehmen heißt nicht unbedingt, dass man auch etwas lernt, ganz zu schweigen von irgendwelchen Verhaltensänderungen. Genauso wenig wie die Tatsache, dass man zur Schule geht, unbedingt bedeuten muss, dass man dort auch eine vernünftige Ausbildung erhält.

Sind Eltern, die an den Kursen teilgenommen haben, bessere Mütter und Väter geworden? Und wenn, in welchem Maße? Was machen sie anders? Wie wirkt sich das auf ihre Kinder aus? Hat die ›Familienkonferenz‹ die Eltern-Kind-Beziehung verbessert? Gehen Eltern, wenn sie über die Verfahren und Techniken der ›Familienkonferenz‹ verfügen, geschickter mit ihrem Nachwuchs um? Vermag die ›Familienkonferenz‹ Eltern von einigen ihrer Schwierigkeiten zu befreien? Ziehen Eltern, die durch diese Erfahrung gegangen sind, Kinder groß, die eine größere Bereitschaft zu Verantwortung und Kooperation zeigen? Können Eltern in einem Kurs, den sie acht Wochen lang an einem Abend pro Woche besuchen, lernen, effektiver mit den unvermeidlichen Eltern-Kind-Konflikten und Wertkollisionen fertigzuwerden? Solche Fragen sollte man stellen – und beantworten –, wenn man sich ein Urteil bilden will. Wir müssen uns also überlegen, wie die ›Familienkonferenz‹ sich auf das Familienleben auswirkt, und nicht, wie weit und wie schnell sie sich als »Bewegung« ausgebreitet hat. Wo könnte man diese Fragen besser beantwortet bekommen als in Familien, deren Väter und Mütter an Familienkonferenzen teilgenommen haben? In diesem Buch berichten Kursabsolventen, welche Erfahrungen sie beim Versuch machten, die in den Kursen erworbenen Fertigkeiten zu Hause anzuwenden. Dabei hören wir nicht nur von Erfolgen, sondern auch von Schwierigkeiten und Problemen. Wir werden Familien begegnen, die u. a. bekennen:

 

»Wir sind nicht immer mit den Techniken der ›Familienkonferenz‹ so zurechtgekommen, wie es eigentlich hätte der Fall sein müssen, besonders wenn es um unsere ältere Tochter ging.«

»Die Praxis in alltäglichen Situationen war weit schwieriger, als es den Anschein bei der Lektüre des Buches hatte.«

»Bei unserm Jüngsten war es, als redete man gegen eine Wand.«

»Wenn ich die Technik der ›Familienkonferenz‹ in der richtigen Weise verwende, funktioniert sie. Aber wenn Jimmy wirklich aufgeregt ist, sende ich nicht immer die angemessenen Botschaften.«

»Ich habe immer noch einige Vorbehalte gegenüber der ›Familienkonferenz‹. Sie wissen schon: ›Wird sie wirklich funktionieren? Lade ich meinem Sohn nicht zu viel Verantwortung auf? Vielleicht sollte ich ihn stärker führen.‹«

 

Der Leser wird jedoch auch in Familien hineinsehen, die deutlich zeigen, wie effektiv die Techniken der ›Familienkonferenz‹ eingesetzt werden können. Dabei kommt es häufig zu spektakulären Erfolgen:

 

»Sie hat unserem Familienleben eine neue Wende gegeben.«

»Unsere Probleme sind nicht mehr der Rede wert.«

»Nun erst fühle ich mich so, wie mich meine Kinder schon immer eingeschätzt haben: als vertrauenswürdige und verständnisvolle Person. Sie brauchen keine großen Geheimnisse mehr vor mir zu haben … Das geht, weil wir einander vertrauen.«

»Die ›Familienkonferenz‹ rettete unsere Ehe.«

»Lee und ich haben jetzt eine Tochter, die die meiste Zeit ihre Eltern liebt, die die meiste Zeit ihren Bruder liebt und die vor allem die meiste Zeit über sich selbst liebt. Nur manchmal noch zeigt sie zu wenig Rückgrat. Ich möchte aber nicht wissen, was wäre, wenn ich auch weiterhin der für alles verantwortliche, allwissende und allmächtige Vater geblieben wäre.«

 

Der Leser soll von den Erlebnissen all dieser Eltern hören – von den Erlebnissen derer, die Probleme hatten, und von den Erlebnissen derer, die von bemerkenswerten Erfolgen zu berichten wissen. Ich denke, er wird dann ganz bestimmt wertvolle Erkenntnisse über seine Elternrolle gewinnen. Außerdem bin ich, als ich die Niederschrift unserer auf Tonband aufgezeichneten Interviews mit Kursabsolventen näher betrachtete, zu der Überzeugung gelangt, dass ich in vielen Fällen erklären kann, warum manche Eltern Schwierigkeiten mit den Methoden der ›Familienkonferenz‹ haben. Ich habe deshalb überall in diesem Buch meine eigenen Auffassungen angefügt, um zu erklären, warum die Dinge in so mancher Situation schiefliefen. Damit möchte ich dem Leser helfen, einige der Fallen zu vermeiden, in die die Eltern tappten, wenn sie versuchten, die Techniken der ›Familienkonferenz‹ im Ernstfall anzuwenden – das heißt zu Hause mit wirklichen Kindern. Häufig fragt man mich: »Doktor Gordon, haben Sie irgendwelche Vorstellungen oder Konzepte verändert, seit Sie die Familienkonferenz geschrieben haben?« Die Eltern wollen es häufig noch sehr viel genauer wissen wie z.B.:

 

»Sind Sie immer noch der Meinung, dass Eltern ohne Macht und Autorität auskommen sollten?«

 

»Beharren Sie noch immer auf dem Standpunkt, man solle es den Kindern überlassen, die Lösungen für ihre Probleme zu finden?«

»Würden Sie heute zugeben, dass Eltern ihre Kinder doch für bestimmte Verhaltensweisen strafen sollten, die nun auf gar keinen Fall mehr zu akzeptieren sind?«

»Sind Sie immer noch dagegen, dass Eltern loben oder belohnen?«

 

In solchen Fragen spiegelt sich ein legitimes Interesse. Man möchte wissen, ob mein ursprüngliches Modell der ›Familienkonferenz‹ sich in der doch recht langen Praxis bewährt hat. Ich werde auf diese und viele andere ähnliche Fragen im Folgenden antworten. Vorab will ich jedoch bekennen, dass das ›Familienkonferenz‹-Modell sich im Laufe der Jahre ständig gewandelt hat. Der schöpferischen Mitarbeit unserer Kursleiter ist es zu verdanken, dass die Unterrichtsmethoden grundlegend verbessert werden konnten. In regelmäßigen Zeitabständen stellte ich fest (oder rief mir ins Gedächtnis), dass das ursprüngliche theoretische Modell der ›Familienkonferenz‹ Lücken aufwies. Wichtige Ergänzungen haben zu einem vertieften Verständnis der dynamischen Eltern-Kind-Beziehung geführt. Auch als wir das umfangreiche Datenmaterial der Interviews und Fragebogen analysierten, auf das sich dieses Buch stützt, ergaben sich neue Vorstellungen und Verbesserungen.

Der Leser, der mit den Grundsätzen und Techniken der ›Familienkonferenz‹ bereits vertraut ist, wird Verbesserungen und Ergänzungen wie die folgenden begrüßen:

  1. Wir wissen jetzt, dass die Techniken der ›Familienkonferenz‹ auch bei sehr kleinen Kindern – Säuglingen und Kleinkindern – mit Erfolg angewendet werden können, lange bevor ihre Sprachentwicklung einsetzt. Eine Mutter berichtet, wie es ihr mithilfe der Technik des aktiven Zuhörens gelang, ihr heftig strampelndes und schreiendes Baby beim Trockenlegen zu beruhigen!
  2. Eltern brauchen nicht mehr so ängstlich bemüht zu sein, im Gespräch mit ihren Kindern Kommunikationshindernisse zu vermeiden. In vielen Gesprächssituationen mit Kindern ist eine allzu sorgfältige Kontrolle überflüssig. Eltern können in ihrer Wachsamkeit nachlassen und sogar zu Warnungen, Befehlen, Lösungen, Interpretationen, Fragen und Predigten Zuflucht nehmen. Entscheidend ist, dass sie wissen, wann diese Reaktionen keinen Schaden anrichten.
  3. Wir wissen jetzt besser, warum Kinder durch Fragen geängstigt oder gehemmt werden können.
  4. Wir haben neue Richtlinien für Eltern entwickelt, die ihren Kindern dadurch auf die Nerven gehen, dass sie das Zuhören übertreiben  – die Rolle der »Eltern als Ratgeber«.
  5. Wir haben neue Richtlinien für Eltern entwickelt, die helfen sollen, wenn Kinder Bitten um Hilfe oder Rücksichtnahme nicht zur Kenntnis nehmen.
  6. Wir haben einige neue Anwendungsarten für Ich-Botschaften hinzugefügt  – ein Verfahren, mit dessen Hilfe Eltern Kindern ihre Bedürfnisse genau mitteilen können. Dadurch lassen sich zukünftige Konflikte vermeiden.
  7. Wir haben entdeckt, dass nachsichtige (tolerante) Eltern und strenge (autoritäre) Eltern sich sehr ähneln – sie sind sozusagen aus demselben Holz geschnitzt. Sie unterscheiden sich beileibe nicht so sehr, wie wir angenommen haben. Beide bedienen sich der »Sprache der Macht«.

Das Modell der ›Familienkonferenz‹ ist also keineswegs unverändert geblieben. Deshalb sollen in diesem Buch auch nicht die Techniken und Verfahren wieder aufgewärmt werden, die ich im ersten Buch beschrieben habe. Leser, die das Buch bereits kennen, werden im vorliegenden Buch folglich nicht nur eine Auffrischung bekommen (die viele Absolventen nach eigener Aussage brauchen), sondern werden auf diesen Seiten viele Elemente eines »Fortgeschrittenenkurses« der ›Familienkonferenz‹ entdecken. Mein erstes Buch Familienkonferenz ist der einzige Text, der dem Verfahren der Kurse zugrunde liegt. In ihm wird beschrieben und dargelegt, wie sich die Beziehung zu Kindern verbessern lässt. Obwohl ich den Ausdruck nicht besonders mag, würde ich doch sagen, dass es sich um einen »Ratgeber« handelte. Der vorliegende Ergänzungsband Die Familienkonferenz in der Praxis ist dagegen ein Buch über die Menschen, die unser Verfahren verwenden: Mütter, Väter und Kinder. Es ist ein Ergänzungsband, der dem Leser zeigt, wie es in Familien aussieht, in der sich Eltern in dieser Weise bemühen, bessere Beziehungen zu ihren Kindern und zueinander herzustellen.

Die vielen Beispiele und Dialoge aus dem Familienleben, die im ersten Buch aufgenommen wurden, dienten vor allem dazu, bestimmte Techniken und Verfahren zu illustrieren. Viele dieser Beispiele stammten auch von Eltern, die gerade an einem Kurs teilnahmen. Dieses Buch untersucht, was Eltern zustößt, nachdem sie einen solchen Kurs abgeschlossen haben und auf sich selbst gestellt sind. Einige erleben wir unmittelbar danach, einige ein Jahr später, andere vier Jahre später und manche sogar nach einem Zeitraum von neun Jahren. Wir werden konkrete Erkenntnisse anhand der Beispiele aus diesen Familien gewinnen können. Sie alle unterscheiden sich voneinander, aber sie folgen demselben Handlungsplan – sie setzen das Konzept der ›Familienkonferenz‹ in die Tat um. Wir werden Elternteile ohne Partner erleben, die das Verfahren alleine meistern, und wir werden Familien mit Vater und Mutter erleben, in denen es den Partnern nicht gelingt, die neuen Techniken mit gleicher Effektivität anzuwenden. Wir werden auch von Fällen lesen, in denen Eltern Kinder aus früheren Ehen in eine neue Familieneinheit eingegliedert haben.

Einige Eltern entschlossen sich, die ›Familienkonferenz‹ zurate zu ziehen, als ihre Kinder noch sehr klein waren. Andere bedienten sich ihrer, um die Beziehung zu Kindern zu verbessern, die sich bereits in der Adoleszenz befanden und sich ablehnend, aufrührerisch und nachtragend verhielten. Wir werden sehen, wie die ›Familienkonferenz‹ bei ganz normalen und mit gestörten Kindern funktioniert. Einige sind überaktiv, andere behindert, einige leiden unter schweren Krankheiten oder sind drogenabhängig.

Die Informationen über Kinder und Eltern bezogen wir aus Fragebogen, kurzen Berichten und Interviews. Für die Sammlung und Analyse der Daten war meine Tochter Judy Gordon Sands verantwortlich. Außerdem arbeitete Judy eng mit mir zusammen, als ich die Grundkonzeption des Buches entwickelte. Im Anhang wird das ganze Projekt etwas vollständiger beschrieben.

Eines können wir mit Sicherheit aus der Analyse unserer Daten schließen: Die ›Familienkonferenz‹ gibt den Eltern Techniken an die Hand, mit deren Hilfe sie effektiver mit ihren Alltagsproblemen fertig werden können. Überall in diesem Buch wird zu beobachten sein, wie diese Techniken funktionieren, wenn Eltern mit Alltagsschwierigkeiten zu tun haben: wenn die Kinder sich vor unangenehmen Arbeiten drücken, das Badezimmer schmutzig machen, ungefragt an den Kühlschrank gehen, zu spät kommen, lärmen, im Mülleimer wühlen, wenn es Schwierigkeiten bei der Sauberkeitserziehung gibt, wenn sie kein Gemüse essen wollen, wenn sie zu viel fernsehen, mit schmutzigen Schuhen in die Wohnung kommen, sich vor dem Abwaschen drücken, keine Lust zur Schule haben, nicht zu Bett wollen, Rad fahren wollen, wo sie nicht dürfen, und in vielen anderen Dingen nicht die Meinung ihrer Eltern teilen.

Eine Mutter fasste ihre Empfindung mit den Worten zusammen: »Die ›Familienkonferenz‹ trägt sicherlich dazu bei, dass Eltern die Welt in einem neuen Licht sehen.«

Das meine ich auch, und ich bin mehr denn je davon überzeugt, dass die ›Familienkonferenz‹ vielen Eltern hilft, viele Angelegenheiten des häuslichen Lebens in einem neuen Licht zu sehen: ihre Aufgabe als Eltern, die Fähigkeit ihrer Kinder, die eigenen Probleme zu lösen, die Bedeutung elterlicher Rechte innerhalb der Familie, den Wert eines demokratischen und machtfreien Klimas in der Familie und den Nutzen von Beziehungen zu den Kindern, aus denen Achtung und Liebe erwachsen. Unter solchen Bedingungen können alle Familienmitglieder ihre besten Möglichkeiten realisieren.