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DAVID HAIR

Am Ende
des Friedens

DIE BRÜCKE DER GEZEITEN 2

Übersetzt von Michael Pfingstl

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Die englische Originalausgabe erschien unter dem Titel »Mage’s Blood«
(Pages 320–673) bei Jo Fletcher Books, London, an imprint of Quercus.


Copyright © der Originalausgabe 2012 by David Hair

Originally entitled MAGE’S BLOOD

First published in the UK by Quercus Editions Ltd.

Originalausgabe © der deutschsprachigen Ausgabe 2014 by Penhaligon Verlag,

in der Verlagsgruppe Randomhouse GmbH, München

Redaktion: Sigrun Zühlke

Herstellung: sam

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

ISBN 978-3-641-12407-6
V002

www.penhaligon.de

Dieses Buch ist meiner Frau Kerry gewidmet:
Was habe ich für ein Glück!

Ebenso in Liebe meinen Kindern Brendan und Melissa;
meinen geduldigen Testlesern (ihr wisst, wer gemeint ist)
und Freunden und Familie überall.

Und Hallo zu Jason Isaacs.

Was bisher geschah

Die Geschichte Urtes

Auf Urte gibt es zwei bekannte Kontinente, Yuros und Antiopia. In Yuros ist das Klima kalt und feucht, seine Bewohner haben helle Haut; Antiopia liegt näher am Äquator, ist größtenteils trocken und dicht von verschiedenen dunkelhäutigen Stämmen bevölkert. Zwischen den beiden Landmassen tost eine unbezähmbare See, ständig aufgepeitscht von extrem starken Gezeiten, welche die Meere unpassierbar machen, sodass die Völker der beiden Kontinente lange Zeit nichts voneinander wussten.

Vor fünfhundert Jahren änderte sich dies grundlegend.

Auslöser des Ereignisses war eine von Corineus angeführte Sekte. Er gab seinen Jüngern einen Trank, der ihnen magische Kräfte verlieh, die sie Gnosis nannten. Noch in derselben Nacht starb die Hälfte seiner Anhänger und ebenso Corineus selbst, der offenbar von seiner Schwester Corinea ermordet wurde. Corinea floh, dreihundert der Überlebenden begannen unter Sertains Führung, den Kontinent mithilfe ihrer neu gewonnenen Kräfte zu erobern. Die Gnosis verlieh ihnen derart große Macht, dass sie das Reich Rimoni mühelos vernichteten und sich selbst als Herrscher des neu gegründeten Reiches Rondelmar einsetzten.

Dieses Ereignis, bekannt unter dem Namen »Die Aszendenz des Corineus«, veränderte alles. Die Magi, wie sie sich selbst nannten, stellten fest, dass auch ihre Kinder über magische Fähigkeiten verfügten. Die Gabe wurde zwar schwächer, wenn der andere Elternteil nicht ebenfalls ein Magus war, doch die Magi breiteten sich unaufhaltsam aus. Im Namen des rondelmarischen Kaisers brachten sie immer mehr Landstriche und Völker Yuros’ unter ihre Herrschaft.

Von den anderen zweihundert, die die Aszendenz überlebt hatten, versammelte Antonin Meiros einhundert Männer und Frauen um sich, die wie er Gewalt verabscheuten, und zog mit ihnen in die Wildnis. Sie siedelten sich im südöstlichen Zipfel des Kontinents an, wo sie einen friedliebenden Magusorden gründeten, den Ordo Costruo.

Die restlichen hundert Überlebenden schienen keinerlei magische Kräfte entwickelt zu haben, doch stellte sich schließlich heraus, dass sie, um die Gnosis in sich wirksam werden zu lassen, die Seele eines anderen Magus verschlingen mussten; also taten sie es. Der Rest der Magigemeinschaft war darüber so entsetzt, dass sie die Seelentrinker gnadenlos jagten und töteten. Die wenigen, die noch übrig sind, leben im Verborgenen und werden von allen verachtet.

Schließlich entdeckte der Ordo Costruo mithilfe der Gnosis den Kontinent Antiopia, oder Ahmedhassa, wie er bei seinen Einwohnern heißt. Antiopia liegt südöstlich von Yuros. Die vielen Gemeinsamkeiten in Tier- und Pflanzenwelt, die die Ordensmitglieder entdeckten, brachten sie zu der Vermutung, dass die beiden Kontinente in vorgeschichtlicher Zeit einmal miteinander verbunden gewesen sein mussten. Meiros’ Anhänger kamen in Frieden und wurden bald dauerhaft in der großen Stadt Hebusal im Nordwesten Antiopias sesshaft. Im achten Jahrhundert begann der Orden mit der Arbeit an einer gigantischen Brücke, die die beiden Kontinente wieder miteinander verbinden sollte, und diese Brücke löste die zweite Welle epochaler Veränderungen aus.

Der Bau der Leviathanbrücke, wie das dreihundert Meilen lange Bauwerk genannt wird, war nur mithilfe der Gnosis möglich, die vieles bewirken kann, aber nicht alles. Sie erhebt sich nur während der alle zwölf Jahre stattfindenden Mondflut aus dem Meer und bleibt dann für zwei Jahre passierbar. Das erste Mal geschah dies im Jahr 808. Zunächst wurde die Brücke nur zögerlich genutzt, doch nach und nach entwickelte sich ein blühender Handel, und nicht wenige wurden dadurch reich. Es entstand eine neue Kaste, die Kaste der Händlermagi, die aufgrund ihres Reichtums auf beiden Seiten der Brücke immer mehr Einfluss gewann. Auch der Ordo Costruo gelangte zu beträchtlichem Wohlstand. Nach etwas mehr als einem Jahrhundert und zehn Mondfluten war der Handel über die Brücke der wichtigste politische und wirtschaftliche Faktor auf beiden Kontinenten.

Im Jahr 902 entsandte der rondelmarische Kaiser, der seine Macht durch die Händlermagi bedroht sah, getrieben von Gier, Neid, Bigotterie und Rassenwahn, sein Heer über die Brücke: gut ausgebildete Legionen, die von Schlachtmagi angeführt wurden. Im Namen des Kaisers rissen sie die Kontrolle über die Brücke an sich, plünderten und besetzten Hebusal. Viele gaben Antonin Meiros die Schuld für diese Ereignisse, denn er und sein Orden hätten den Überfall verhindern können – doch dazu hätten sie die Leviathanbrücke zerstören müssen.

916 kam es zu einem zweiten, noch verheerenderen Kriegszug. Die Menschen Antiopias hatten keine Magi in ihren Reihen und waren den Legionen aus Yuros schutzlos ausgeliefert. Dennoch standen die Dinge für den rondelmarischen Kaiser nicht zum Besten, denn seine tyrannische Herrschaft hatte in mehreren Vasallenstaaten zu einer Revolte geführt, am bekanntesten davon die von 909 im in Zentral-Yuros gelegenen Königreich Noros. Als im Jahr 928 die nächste Mondflut naht, hat der Kaiser bereits neue Pläne geschmiedet, um seine Macht auch in Zukunft zu sichern.

Die Ereignisse von 927–928
(geschildert in Die Brücke der Gezeiten:
Ein Sturm zieht auf
)

Etwa Mitte des Jahres 927 legen zwei Norer, Belonius Vult und Gurvon Gyle, Kaiser Constant und dessen herrischer Mutter Lucia einen Plan vor, mit dem sie die uneingeschränkte Macht des Throns wiederherstellen wollen. Obwohl beide Veteranen der Noros-Revolte sind, gewinnen sie das Vertrauen der Kaiserinmutter, und ihr Plan soll in die Tat umgesetzt werden.

Eine zentrale Rolle in dem Plan nimmt das strategisch günstig gelegene Königreich Javon im Nordwesten Antiopias ein, ein Vielvölkerstaat, der seit langen Jahren von rimonischen Exilanten regiert wird, obwohl sie in dem eigentlich jhafischen Land nur eine Minderheit sind. Die Leibwächter des javonischen Königs sind Magi, die in Wahrheit jedoch in den Diensten Gurvon Gyles stehen. Sie sollen die Königsfamilie Nesti auslöschen, um Platz für ein neues Regime zu machen, das Rondelmar nahesteht.

Doch Elena Anborn, eine von Gyles wichtigsten Agentinnen in Javon und seine ehemalige Geliebte, ist praktisch eine Nesti geworden, und als der Befehl kommt, die Familie umzubringen, wechselt sie die Seiten und tötet stattdessen ihre Magikollegen. Dennoch gelingt es ihr nicht, den König zu retten, sondern lediglich dessen drei Kinder. Timori, der einzige Sohn und Thronfolger, ist allerdings noch nicht volljährig, weshalb seine achtzehn Jahre alte Schwester Cera zur Regentin ernannt wird. Die andere Tochter, Solinde, ist siebzehn. Sie scheint auf der Seite der Putschisten gestanden zu haben und wird verhaftet.

Die Nesti ziehen sich in die Familienfestung in Forensa zurück. Elena wird Ceras persönliche Leibwächterin und arbeitet mit dem Regentschaftsrat, vor allem mit Lorenzo di Kestria, dem Hauptmann der Wache, einen Plan zu einem Gegenschlag aus. In einem waghalsigen Unterfangen führt Elena eine Einsatztruppe in die Hauptstadt Brochena. Es gelingt ihnen, einige von Gyles Agenten – Elenas einstige Kollegen – zu töten, und Gyle ist zum Rückzug gezwungen. Cera wird offiziell als Regentin eingesetzt, und Gyles Plan ist in Gefahr.

In der Zwischenzeit erhebt sich in Noros, der Heimat der lange zurückliegenden Revolte, eine neue, zunächst unscheinbare Bedrohung für das Kaiserreich. Alaron Merser, ein junger Magusschüler, wünscht sich nichts sehnlicher, als das Arkanum mit Diplom zu verlassen und sich dem Kriegszug anzuschließen, obwohl er die aggressive Politik Rondelmars eigentlich verachtet. Seine Träume platzen jedoch, als das Arkanum ihm zu Unrecht den Abschluss verweigert. Alaron ist zu einem Leben als zurückgewiesener Magus verdammt: Es ist ihm auf Lebenszeit verboten, die Kräfte zu benutzen, mit denen er geboren wurde. Alaron hegt den Verdacht, dass der Bann mit seiner Abschlussarbeit in Zusammenhang steht. Dort hatte er die These aufgestellt, dass die Skytale des Corineus – das heilige Schriftstück, in dem das Rezept für die Ambrosia steht, die den Menschen die Gnosis verleiht – gestohlen wurde und nun irgendwo in Noros versteckt ist. Die Skytale ist das wichtigste Artefakt in ganz Urte: Magi, die sie in ihren Besitz bringen, könnten sich mit ihrer Hilfe in die Aszendenz erheben und mithilfe der so gewonnenen, beinahe unbeschränkten Macht den rondelmarischen Kaiser stürzen.

Zunächst ist Alaron am Boden zerstört, doch seine Freunde Ramon Sensini und Cymbellea di Regia spornen ihn an, die Gnosis weiterhin einzusetzen. Zurückgezogen auf dem Landsitz der Familie hat er gerade damit angefangen, als er einem mysteriösen Landstreicher begegnet.

Inzwischen fasst auf dem Kontinent Ahmedhassa Antonin Meiros, Gründer des Ordo Costruo, letzter Überlebender der ursprünglichen Aszendenz und mächtigster Magus Urtes, ebenfalls einen Plan von enormer Tragweite. Nachdem er in die Zukunft gesehen hat, beschließt er, trotz seines extrem hohen Alters noch einmal zu heiraten. Er sucht eine Frau aus dem großen, im Süden Antiopias gelegenen Königreich Lakh, die ihm möglichst viele Kinder gebären soll. Schließlich findet er Ramita Ankesharan, eine bescheidene Händlerstochter, heiratet sie und nimmt sie mit ihrer Adoptivschwester Huriya Makani mit nach Hebusal. Obwohl Meiros und Ramita, was Alter und Bildung angeht, nicht unterschiedlicher sein könnten, entwickelt sich zwischen den beiden eine tiefe Vertrautheit.

Doch Ramita war bereits einem anderen versprochen. Ihr Verlobter, Kazim Makani, Huriyas älterer Bruder, stammt von einem Keshi-Krieger ab, dem Blutsbruder von Ramitas Vater. Als Kind wurde ihm von einer Seherin namens Sabele geweissagt, es sei seine Bestimmung, Ramita zu heiraten, und als sie ihm genommen wird, schwört er, sie zurückzuholen. Er schließt sich der Fehde an, dem heiligen Krieg gegen die Rondelmarer, und macht sich mit seinen Freunden Jai (Ramitas Bruder) und Haroun sowie dem mysteriösen Krieger Jamil auf den langen Marsch nach Norden. Gemeinsam meistern sie die gefährliche Reise, überstehen einen Hinterhalt eines räuberischen Nomadenstammes und erreichen schließlich Kesh, wo sie bald an vorderster Front der Fehde kämpfen sollen.

Mittlerweile schreiben wir den Janun des Jahres 928, es sind nur noch sechs Monate bis zur Mondflut. Die Zeit des Friedens neigt sich dem Ende zu.