1.          Dieses Buch handelt vom kleinsten gemeinsamen Nenner, auf den man die Welt bringen kann. Er heißt drei.

Etwa zwei Drittel des Buches leuchten ein wenig das gedankliche Umfeld aus, in dem sich die Ausführung dieses Gedankens entwickelte. Das übrige Drittel und den Kern des Buches bildet die Fassung dieses Gedankens selbst, der Grundriss zur Trialektik.

Das an der Drei etwas dran sein muss, ist sozusagen ein alter Hut. Das Neue hier ist, dass die Drei systematisch grundlegend in den Griff genommen und als Metaphysik, Ontologie beziehungsweise einheitliche Theorie und Grundlage einer Logik entwickelt wird. Mit wenigen Grundannahmen sind einige weitreichende Implikationen notwendig verknüpft. Bestimmte Bedeutungen des Satzes „Tertium non datur“ müssen aufgegeben werden. Der „Beweis der Drei“ formuliert die grundlegenden Bedingungen, unter denen dieser Satz überhaupt noch aufrechterhalten werden kann. Die Überwindung der überkommenen Vorstellungen, Begriffe und Wahrnehmungen von Raum und Zeit rückt vielleicht etwas weiter in greifbare Nähe.

Ein Stück Philosophie für übermorgen, das ist es, was ich mit diesem Buch gern gemacht haben würde. Die Zeit wird zeigen, wieweit mir das gelang.

INHALT

Beweis der Drei

Erster Teil

Früchte der Muse

Zweiter Teil

Thesen zu Herrschaft und zum Wesen der Welt

I      Thesen zu Herrschaft

Gedanken über Deutschland in der Welt

II     Zum Verständnis des Herrschens

Herrschaft und die Pyramide

Repräsentation ist nicht Herrschaft

Eine philosophische Bestimmung von Herrschaft

Meine Bestimmung von Herrschaft

Drei Beispiele und ein Ausblick

III    Thesen zum Wesen der Welt

Grundsatz: Alles Dasein ist dreidimensional, nichts nicht

Grundlagen der Mathematik

Basis der Trialektik

IV    Schluss

Dritter Teil

Grundriss zur Trialektik

Kritik einer jeden Metaphysik und Ziel

Einleitung und Vorwort

I      Erste Sätze, Erläuterung und formale Fassung der trialektischen Basis

Nichts ist nicht. Von der Unentrinnbarkeit und der Grenze der Welt

Nichts ist nicht dreidimensional

Nichts ist nicht Gehalt, nicht Grenze und nicht Richtung. Alles ist Gehalt, ist Grenze und ist Richtung – Nichts ist nicht

Typen

Zur formalen Darstellung der Ausprägung von Daseinsformen

II    Weitere Erläuterungen

Bedeutungsfelder der Begriffe „Grenze“, „Gehalt“ und „Richtung“

Abgrenzung des Schemas

III   Die dimensionale Verbindung der Daseinsformen.

Die Arten unvermittelter Verbindung

Unvermittelte zweidimensionale Verbindung

IV   Zum Erfassen der Dimensionen

Ebenendifferenz

Erfassen der Dimensionen

Schematische und grundlegend vollständige Darstellung möglichen Erfassens

Die These der totalen Ausgewogenheit

V    Unvermitteltes Erfassen von Daseinsformen

Eindimensionales unvermitteltes Erfassen

Der Hund an der Leine

VI  Beispiele

Das dritte Reich. Historisierende Verdeutlichung trialektischen Erfassens

Das Reich der Ideen

VII Richtung

Richtung als Potenzial

Gehalt als Einheit und Streben zur Einheit als Brücke

Die eine Richtung der Richtung

Die drei Richtungen der Richtung

VIII Schluss

Anhang I zum Grundriss zur Trialektik

Kants Kritik des Raumbegriffes in der „Kritik der reinen Vernunft“; im Wortlaut der ersten Ausgabe (A).

Weiterführende Bemerkungen zu Kant

Anhang II zum Grundriss zur Trialektik

127. Aufstellung 63 grundsätzlicher Möglichkeiten dimensionaler Einigkeit von Daseinsformen

Anhang III zum Grundriss zur Trialektik

Auszug aus Carl von Clausewitz „Vom Kriege“. Erster Teil. Erstes Buch „Über die Natur des Krieges“. 1. Kapitel „Was ist Krieg?“

Weiterführende Bemerkungen zu Clausewitz

Anhang IV zum Grundriss zur Trialektik

Georg Spencer-Brown. Gesetze der Form

Vierter Teil

Aphorismen

I        Anthropologisches

II      Philosophisches

III    Politisches

IV    Meta…

Fünfter Teil

Ein architektonischer Entwurf

Anhang

Literatur

Pierre Kynast
Philosophie I

Trialektik
Entwurf eines metaphysischen Schemas zur Beschreibung
und Beherrschung der Wirklichkeit

Schlagworte
Philosophie, Metaphysik, Ontologie, einheitliche Theorie, Weltformel, drei, Dreiheit, Dreieinigkeit, dreiwertige Logik, formale Sprache, Metasprache, Trias, Triade, Tripel, Trinität, Trialektik

BEWEIS DER DREI

2.          Was ist, kann was es ist nur sein im Kontrast zu einem anderen und erfasst von einem Dritten.

Dies ist die Essenz oder, besser gesagt, der Gipfel, der mit diesem Buch erreicht ist und ausdrücklich nicht bloß Erkenntnistheorie. Der vorliegende Grundriss zur Trialektik ist unter der Prämisse, dass nichts nicht ist, als Metaphysik entwickelt worden. Unter anderem ist damit eine Möglichkeit formuliert, überkommene Dualismen zu entspannen und in einer umfassenderen Sphäre aufzuheben. Das vorgestellte Modell bewirbt sich darüber hinaus als Basis einer originär dreiwertigen Logik und Grundlage zur Übersetzung von Sprachen.

ERSTER TEIL

FRÜCHTE DER MUSE


3.          „Irrtum ist Feigheit“ (Nietzsche) Was ist es also, was uns vor Irrtum bewahrt?

4.          Myriaden, Rausch, das Ende aller Sterblichkeit. Nichts will ich für mich – denn ich bin alles.

5.          Furcht und Hoffnung haben den gleichen Namen. Beide heißen: „Was wäre, wenn …“

6.          28. August 2005 – Triff mich tief, so hättest du dir einen Lorbeer verdient. Das wäre ein wahrer Freundschaftsdienst, mich tief zu treffen, mich vor mich selbst hinzustellen, wie ich noch nie vor mir stand, mich etwas Neues von mir sehen zu lassen, einen Abgrund mehr – zu überwinden oder anzunehmen. Übermenschen schonen sich nicht, sie treiben sich gegenseitig immer weiter über sich selbst hinaus und in sich selbst hinein – so werden sie immer umfänglichere und immer tiefere Gestalten.

7.          Das Fleisch denkt. Soweit haben wir verstanden – heute. Der Gedanke ist Fleisch. Das geht uns schon etwas schwerer ein. Es ist aber dasselbe damit gemeint.

8.          Die Sprache wird sich im Sein bewusst, nicht das Sein sich in der Sprache.

9.          Was ist deutsch? – Eine geografisch-psychologische Antwort: Deutsch ist das zwischen italienischer Leidenschaft und britischer Kühle, das zwischen spanischem Temperament und russischer Depression.

10.        Lieber noch an Übermut zugrunde gehen als in Feigheit dahinsiechen.

11.        Wo es um die Sache geht, da hat man Menschen anzugreifen. Wo es um Menschen geht, da hat man Sachen anzugreifen.

12.        Unter der Prämisse, sich durchsetzen zu wollen, hat man dort, wo einem die Klarheit fehlt, dieselbe durch Pathos zu ersetzen.

13.        Die Vernunft ist willenlos. Sokrates ist der dritte Gott.

14.        Wart ihr schon mal so glücklich, dass es euch Angst gemacht hat? Wusstet ihr schon mal, wie blöd ihr wart … und hattet Angst vor euch selbst, vor eurem „ich war“? Es ist der Zeitpunkt des leisesten Versprechens. Ihr habt einen großen Menschen getroffen. Haltet euch fest und ihr werdet ihn gewinnen. – Meine stillste Stunde.

15.        Am Ende zählt wahrscheinlich nur eins: Hast du das Glühen in deinem Herzen zum Brennen gebracht?

16.        Alles Große ist krank. Liebt eure Defekte.

17.        Eigentlich für Kinder. – Dass man dieselben Worte benutzt, heißt nicht, dass man über dasselbe spricht.

18.        Man sollte das (mutmaßliche) Urteil der anderen über sein eigenes Urteil nicht in die Überlegungen einbeziehen, die zu eben diesem führen.

19.        1. Januar 2007 – Die Fairness liegt in der Konsequenz.

20.        Verbunden, getrennt. – Nicht ist alles zugleich getrennt und verbunden oder alles verbunden oder alles getrennt. Alles kann verbunden und getrennt werden. – Der Wille.

21.        Du bist das Maß! – Ja, du! Es geht nicht darum, dass du etwas richtig oder falsch machst, sondern die Dinge sind richtig oder falsch vor dir. Du bist das Maß! – Ja, du!

ZWEITER TEIL

THESEN ZU HERRSCHAFT UND ZUM WESEN DER WELT


I      THESEN ZU HERRSCHAFT

GEDANKEN ÜBER DEUTSCHLAND IN DER WELT

22.        Nach dem Ende der großen Kriege in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde Herrschaft, insbesondere in West-Deutschland, hauptsächlich als institutionalisierte Gewalt gesehen, verstanden, erlebt und angesprochen. Im Affekt gegen den soeben überwundenen Faschismus und den nunmehr zur Bedrohung avancierenden sowjetischen Sozialismus bestand eine nachvollziehbare Distanz zu beinahe aller in Systemen geronnenen Macht. „Führer“ und „Einheitspartei“ waren Feindbilder, die kaum einer Begründung bedurften.

War es der grausame Wille zur Ausrottung eines ganzen Volkes, welcher den Nationalsozialismus schon beim ersten Anblick diskreditierte, so war es in Hinsicht auf die im Ostblock geronnenen kommunistischen Bestrebungen der drohende Untergang des freien Menschen.

„Kritische Theorie“ war daher, insbesondere in Deutschland, dem doppelten Zentrum der Wirrungen und Irrungen des 20. Jahrhunderts, im wesentlichen Kritik an Totalitarismen und zielte auf deren Dekonstruktion. Auf der einen Seite wandte man sich gegen die Herrschaft eines Einheitswillens, auf der anderen Seite gegen die Herrschaft des Willens eines Einzelnen. Die politische Lösung dieser Problemstellung hieß „Demokratie“ und sie bestimmte sich, als einheitliches, gegen andere abgrenzbares System, ganz wesentlich aus der Negation, aus dem, was nicht sein darf. Man war sich einig gegen die extreme Linke und man war sich einig gegen die extreme Rechte. Das war der ideologische Kern des herrschenden Verständnisses von Demokratie, der letzte Rückzugspunkt politischer Korrektheit.

Zum Ende des 20. Jahrhunderts haben sich die USA und der republikanische Kapitalismus als stärkste Kraft erwiesen und im Kampf der großen Regimes den Sieg davongetragen. Der Anspruch, global politische, wirtschaftliche und ideologische Einflusssphären zu schaffen, war nicht aufgegeben worden. Im Ergebnis ist die Erde nun soweit geeint, als man von einer globalen Oligarchie sprechen kann.

Das besonders für die Deutschen wichtige Grundverständnis von Demokratie als nicht-faschistischer und nichtsozialistischer Gemeinschaftsorganisation ist jedoch auch aufgrund dieser Entwicklung im Zerfall begriffen. Denn mit dem Verschwinden der Feindbilder beginnt auch das aus deren Negation gewonnene Selbstverständnis ins Wanken zu geraten.

Die Entwicklung eines neuen Selbstverständnisses, eines neuen „Ja“ zu uns selbst und für uns selbst, ist daher notwendig. Und dieses neue „Ja“ wird umso besser sein, je mehr es nicht mehr die Folge eines „Nein“, sondern vielmehr dessen Ursache sein wird, ein „Ja“, das all unser Gestern und Morgen in einem neuen Heute zusammenschweißt.

23.        EXKURS ÜBER LEGITIMITÄT. – Vom Begriff der Legitimität ist der der Legalität scharf zu scheiden. Legal heißt ein Ereignis, wenn ihm zugesprochen wird, die Satzungen des geltenden Rechtssystems zu erfüllen. Legitim bedeutet zwar im allgemeinen Verständnis ebenso viel wie rechtmäßig, dieses „rechtmäßig“ geht aber in seinem Bedeutungsgehalt über die Sphäre formaler Rechtssatzung hinaus. Legitimität, könnte man sagen, ist Legalität nächsthöherer Ordnung.

Der Begriff der Legitimität ist dabei in einem gewissen Sinne diffus, denn Legitimität kann aus den verschiedensten Quellen gewonnen werden: aus dem sogenannten natürlichen Recht zum Beispiel, aus Gewohnheit, ererbter Autorität, einer bestimmten Eigenschaft oder Fähigkeit der Person oder aus ihrem ausgezeichneten Charakter, aus dem Wohl der Menge oder aus deren Willen. Selbst aus Lügen lässt sich Legitimität ableiten …

Die Quelle der Legitimität ist also nicht, wie die der Legalität, festgestellt und es ist nicht ein gemeinsamer mehr oder weniger fest umrissener Bezugspunkt, welcher den gemeinsamen Begriff rechtfertigt. Die gemeinsame Quelle aller Legitimität ist, so denke ich, das immer selbe Ereignis, und zwar der Sieg von etwas über etwas anderes, ganz gleich, wie er errungen wird. Jedes Ereignis, welches sich gegen ein anderes durchsetzt, legitimiert sich eben damit gegenüber diesem, man könnte sagen, durch die schöpferische Differenz, die ihm zum Sieg verhalf. Es ist der Beweis des Erfolges. Was eben noch schöpferische Differenz war, und Grund des Erfolges, kann nun, da bewiesen, zur Quelle von Recht werden und eine, zumindest in Teilen, veränderte Legalität wird auf Basis der neuen Legitimität möglich.

24.        In Bezug auf den Nationalsozialismus waren es die Siegermächte des Zweiten Weltkriegs, welche die ideologische Neuausrichtung der Deutschen herbeiführten. Im Westen wurde Hitlers Nationalsozialismus zu Gunsten von Freiheit und Demokratie, im Osten zu Gunsten des Sozialismus verdammt und verworfen. Durch Deutschland verlief die bedeutendste Frontlinie des Kalten Krieges und die Stellung zu halten, hieß, die Köpfe zu halten. Nach den Armeen mussten die Ideen besiegt werden und die Verneinung der jüngsten Geschichte war zu diesem Zweck sowohl im Osten wie auch im Westen notwendig. Zusätzlich wurde auf der einen Seite gegen den kapitalistischen Imperialismus und auf der anderen Seite gegen den Kommunismus ideologisiert und so die Stellung jeweils doppelt befestigt. Nicht nur von böser Herrschaft hatte man die Deutschen befreit, man verteidigte sie nunmehr auch gegen einen bedrohlichen neuen Feind.

Mit dem Ende des Kalten Krieges verlor Deutschland für die bisherigen Führungsmächte seine weltpolitische Bedeutung und gewann ein Stück seiner Freiheit zurück. Der ideologische Druck, unter dem beide Landesteile standen, brach zusammen.

25.        WIEDERAUFBAU. – In der Zeit unmittelbar nach dem Verlust und den Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges konzentrierte sich in beiden Teilen Deutschlands nahezu sämtliche Energie auf den Wiederaufbau. In Ost und West gab es in den ersten Jahren nach der totalen Niederlage kein politisches Aufbegehren mehr. In einem gewissen Sinne flüchteten die Deutschen in die Arbeit und den Siegern auf beiden Seiten kam das entgegen.

Wenn die großsozialistische Steuerung im Osten der daraus resultierenden Dynamik etwas den Wind aus den Segeln nahm, so entfaltete sie sich unter der wirtschaftsliberalen Führung insbesondere der Amerikaner und Briten im Westen besonders stark. Mit den Nürnberger Kriegsprozessen wurde die Masse der Deutschen formal entantwortet. Die Betonung der Friedlichkeit des Sozialismus ließ, nach den Schrecken des letzten Krieges, insbesondere die Menschen im Osten sich auf der richtigen Seite wähnen. Auf dem Höhepunkt des Aufschwungs der Wiederaufbauphase war wohl die herrschende Meinung in ganz Deutschland, dass die eigene jüngere Vergangenheit nichts wert gewesen war, dass man Glück gehabt hatte, davongekommen zu sein. „Nazis raus.“ „Nie wieder Krieg.“

Seit diesem Zeitpunkt, so meine These, begann das Ressentiment gegen den Nationalsozialismus wieder zu schwinden. Der Schock war überwunden, man hatte wieder Zeit zum Erinnern und Denken und man begann langsam und sehr zögerlich wieder davon zu reden, öffentlich zuerst mehr im Westen, nach der Wiedervereinigung verstärkt auch im Osten.

Weiterhin richtete sich mit der Eskalation des Kalten Krieges der Schwerpunkt der ideologischen Bemühungen der Führungsmächte mehr und mehr vom soeben überwundenen Feind auf den neuen Gegner. Im Osten wurde daher das Kollektiv gegen die Ausbeutung durch Einzelne beschworen, im Westen die freie Entfaltung des Einzelnen gegen kollektive Gleichmacherei.

Diese zugespitzte Frontstellung darf nicht davon ablenken, dass nach dem Ende des Wiederaufbauaufschwungs auch im Westen gleichsam kollektive Bestrebungen und alte sozialistische Ideen wieder durchschlugen. Der erste Abschwung nach dem Krieg wurde hier im „Sozialstaat“ abgefangen. Die damit verbundenen Bemühungen markierten den Eintritt in eine fortgesetzte Schuldenpolitik, der die Bundesrepublik bis heute nicht entkommen ist. Die DDR manövrierte sich auf dieselbe Weise, nur schneller beziehungsweise konsequenter in den Bankrott.

Es beginnt immer damit, dass man vergisst oder verdrängt, dass nur gegeben werden kann, was gewonnen wurde, dass also das Schaffen dem Vernutzen notwendig vorausgeht, und alles Weitere, was aus diesen Sätzen folgt.

26.        Sowohl die Leiden im Umfeld des Ersten Weltkriegs als auch die Überwindung und Kompensation des damit verbundenen Traumas im euphorischen Massentaumel unter der Führung Hitlers haben, als kollektive Erfahrungen, die Deutschen zutiefst prägend geeint, ebenso die totale Niederlage im Zweiten Weltkrieg.

Nicht zuletzt das dadurch gewonnene Einheitsgefühl stärkte im Westen die Basis der sozialen Marktwirtschaft und sicherte im Osten den Boden, auf dem der Sozialismus Fuß fassen konnte. Sowohl im Westen als auch im Osten waren sozialistische Vorstellungen weithin geteiltes Gemeingut. Ob nun bewusst oder unbewusst an der Volksgenossenschaft, der Arbeiterklasse oder sonst woran kristallisierend, die Deutschen empfanden sich weithin als zu einem Organismus gehörig.

Die große Gegenbewegung dazu kann in dem Wort „68“ zusammengefasst werden. Dahinter stand die Ideologie vom freien, sich selbst verwirklichenden Individuum, aber selbst dieses ging noch allzu oft in der Kommune auf und kippte dort, wo es gegen den Kapitalismus war, nur allzu schnell in den Sozialismus. Eben auch dadurch gestärkt, erhielt sich unter aller Demokratie und allem Kapitalismus ein gewisses sozialistisches Grundverständnis. Im Westen wurde es zusätzlich gespeist aus dem wiederentdeckten „christlichen Menschenbild“.

27.        MORGEN. – Das nationale, oder besser: völkische Empfinden wurde unter dem Druck der Siegermächte auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs verdrängt. Nach dem Ende des Kalten Krieges erwacht Deutschland nun in einer freieren Welt und scheint beinahe dazu verurteilt, dieses Gefühl wieder zu entdecken.

Die neuerliche Ausformung und Verbindung der Elemente Nationalismus und Sozialismus liegt, den geäußerten Gedanken folgend, nahe. Dabei ist besonders der ehemalige Westen prädestiniert, den lange unterdrückten sozialistischen Strebungen nachzugeben. Nach dem Ende der Betonung des Kollektivs sowie der staatlich geförderten Gleichberechtigung der Frauen könnten, insbesondere bei den Ost-Deutschen, paternalistische Gedanken reaktiviert und verstärkt werden. Protektionistische Reflexe auf die Herausforderungen der Wiedervereinigung, Europäisierung und Globalisierung können insgesamt solche Tendenzen verstärken.