Über dieses Buch

Knillpratschverdröllte Quastmulpe, was für ein Chaos! Auf der Suche nach dem Rezept für das Unsichtbarkeitssüppchen hat Graf Koriander einen Kuchen gebacken, der Menschen genau das Gegenteil sagen lässt von dem, was sie meinen. Und damit nicht genug, wollen die Zwillinge Jette und Justus den kleinen Gnomold auch noch in seiner Höhle besuchen! Als der unterirdische Gang einstürzt und die Kinder festsitzen, liegt alle Hoffnung auf dem Grafen. Schafft er es, mit Hilfe des Hundes Wenzel die Kinder zu befreien?

Für meine Töchter,
ohne euch käme kein Mensch
auf solche Ideen!

Und in Erinnerung an Enzo.
Den beklopptesten Hund,
den wir je hatten.

Inhalt

  1. Um was es eigentlich geht …
  2. 1.  Graf Koriander lässt arbeiten
  3. 2.  Eine folgenschwere Einladung
  4. 3.  Wird Graf Koriander unsichtbar?
  5. 4.  Nachtisch mit Gratisgeschenk
  6. 5.  Das Wandern ist der Kinder Frust
  7. 6.  Gefangen!
  8. 7.  Höhlenforscherweisheiten
  9. 8.  Jette und Justus stecken in einer Sackgasse und Graf Koriander macht ein Schläfchen
  10. 9.  Jette und Justus ziehen die Bäuche ein
  11. 10.  Willkommen in der Gruselgrotte
  12. 11.  Graf Koriander und das Hü-hopp-Ponypferdchen
  13. 12.  Jette und Justus warten. Und warten ...
  14. 13.  Hat Herr Kramer gut geschlafen?
  15. 14.  Graf Koriander macht malt blau

Um was es eigentlich geht …

Stellt euch einmal vor …

Ein Wald. Darin steht auf einem sonnigen Hügel ein altes Schloss. Es ist ein eher kleines Schloss. Und wenn es nach Herrn und Frau Kramer geht, wird daraus irgendwann mal ein feines Hotel. Wenn es jedoch nach Jette und Justus geht, dürften die Umbauarbeiten ruhig noch eine Weile dauern. Denn dann wären Mama und Papa beschäftigt, während sich die Zwillinge den lieben langen Tag ihre Sommerferienzeit mit dem Gnomold vertreiben könnten.

Mit wem? Einem Gnomold? Klein, blau, gräflich? Nein? Du weißt gar nicht, von wem hier die Rede ist?

Also dann fangen wir eben ganz von Anfang an.

Noch mal der Wald. Darin steht ein kleines, gemütliches Jagdschlösschen, ein bisschen heruntergekommen und baufällig zwar, aber einfach fabelhaft, um daraus ein schickes Hotel zu machen. Genau das haben Herr und Frau Kramer vor. Deswegen sind sie auch mit ihren Kindern aufs Land gezogen. Jette und Justus fanden es zuerst überhaupt nicht toll, mitten im grünen Nichts zu leben. Und dann auch noch im alten Pförtnerhaus, unten auf der Lichtung.

Um genau zu sein, lag das Problem aber im Keller des Hauses. Dort lebte nämlich noch jemand. Und dieser Jemand war fassungslos vor Entsetzen, als er bemerkte, dass die Kramers dabei waren einzuziehen. Und wie sie einzogen: mit Sack und Pack, Getöse und Gerumpel, Gehämmer und Gebohre, Gebrülle und Gelächter. Mit Mann und Maus, könnte man sagen, nein, mit Hund, weil Wenzel ja auch dazu zählt.

Graf Koriander, der dritte und letzte Gnomold dieser Welt hatte alles, aber auch wirklich alles gegeben, um diese rimmknisseligen Menschlein wieder loszuwerden. Als Mischung aus Gnom und Kobold hatte er nämlich eine ganz besondere Mission: Nichts in der Welt wollte er lieber, als unsichtbar zu werden. Und um endlich das Rezept für das Unsichtbarkeitssüppchen zu finden, brauchte er sehr viel Ruhe. Er war ja auch schon seit dreihundertdreiunddreißigeinhalb Jahren auf der Suche danach. Da sollten ihm jetzt, so kurz vor dem Ziel, nicht irgendwelche verwullmöppten Störenfriede die Konzentration verhunzen.

Tja, und dann war es eben geschehen. Graf Koriander Kamillo Kurkuma Kolumban Konradin Karlheinz Krakauer von Kito zu Kobaltblau, der Dritte, war reingelegt worden. Erst von den Zwillingen, die ihm vorgegaukelt hatten, dass sein schrecklicher Poltergeistlärmzauber sie derart in Angst und Schrecken versetzt habe, dass sie so rasch wie möglich wieder ausziehen würden. Und dann von seinem neuen Rezept »Feuertöpfchen Diavoli«. Was er da gekocht hatte, war so scharf gewesen, dass der kleine Gnomold beinahe in Flammen gestanden hätte. Und unsichtbar war er auch nicht geworden. Weil das krummfuggelige Rezept nicht funktioniert hatte. Schon wieder nicht. Und in all dem Ärger war er auch noch in einen geschmolzenen Lutscher getreten, in der Pfütze festgepackt und hatte plötzlich mittendrin im Klebzauber gesteckt. Aus dem ihn dann dieser Hund namens Wenzel gerettet und direkt zu den Zwillingen geschleppt hatte. In seinem Maul!

Graf Koriander wurde jetzt noch ganz übel, wenn er an all den schlechten Atem und die Schlabberspucke dachte. Zwar hatte er sich extra puppenpuppig gestellt, wie es ihm sein Großvater geraten hatte, aber genutzt hatte es nicht viel. Ganz im Gegenteil! Denn Jette hatte ihn erst mal in die Waschmaschine gesteckt, wo er fast ertrunken wäre. Und dann war das eingetreten, was er um jeden Preis zu verhindern versucht hatte: Er musste sich den Zwillingen zu erkennen geben.

Doch unerwartet passierte ribbeldischwipp Folgendes: Der furchtbare Fluch, von dem sein Opa ihn gewarnt hatte, dass man nämlich plötzlich seine Retter nett finden würde und immer bei ihnen bleiben wollte, stellte sich als extrem angenehm heraus und der kleine Gnomold fand den größten Gefallen daran, Jette und Justus als treu ergebener Diener zur Seite zu stehen. Fortan half er ihnen unermüdlich, wo er nur konnte. Ja, er fragte sich sogar, wie er es nur so lange hatte aushalten können mit der ganzen Stille und Ruhe und Einsamkeit. Denn Jette und Justus, wer hätte das gedacht, fand er so was von zum Knüffknischeln. Und das war mit Sicherheit das größte Koriander-Kompliment, das er je einem Menschen gemacht hatte.

1
Graf Koriander lässt arbeiten

»Gib mir auch was ab!«, rief Graf Koriander und zupfte Jette am Hosenbein.

»Kori, du platzt gleich«, sagte Jette und bückte sich zu dem kleinen Gnomold hinunter.

Es war nun bestimmt schon das zwanzigste Mal, dass Graf Koriander etwas von dem probieren wollte, das sie gerade in die Küche trug. Jette und Justus waren damit beschäftigt, das Frühstückschaos zu beseitigen, das Graf Koriander verursacht hatte. Der kleine Gnomold hatte frisch und fröhlich früh am Morgen einfach sämtliche Lebensmittel, die er hatte finden können, auf dem Esstisch aufgebaut. Nicht zu fassen, was alles in den Vorratsschränken drin gewesen war.

Jette öffnete den gelben Pappbecher und reichte ihn dem kleinen Gnomold.

»Das ist Zuckerrübensirup«, erklärte sie, während Graf Koriander seinen kleinen Finger tief in die schwarze Masse tauchte.

»Fühlt sich kühl und weich an«, stellte der kleine Gnomold erfreut fest. Er zog den Finger aus dem Becher und beobachtete fasziniert, wie die schwarze Flüssigkeit daran herunterrann und in lustigen kleinen Kringeln mit der Oberfläche des Sirups verschmolz.

»Nicht spielen, probieren!«, meinte Jette.

Geräuschvoll schleckte Graf Koriander seinen Finger ab. »Oh, schmeckt das rallpüsselig lecker!« Er rülpste laut.

Wenzel machte einen erfreuten Hopser und stürzte schwanzwedelnd auf seinen Freund zu. Die kleine seltsame Gestalt, die seit Neuestem bei ihnen lebte, roch nicht nur wild und unterirdisch köstlich, sondern rülpste nach dem Essen fast so laut wie er selber! So jemanden musste man einfach lieb haben.

»Hech, hech, hech«, machte Wenzel und pustete Graf Koriander seinen Hundeatem ins Gesicht.

»Geh weg, Hund!«, sagte der kleine Gnomold und versuchte, sich an Wenzel vorbeizudrängeln.

»Uink«, quiekte Wenzel und machte Sitz. Was für ein herrlicher Morgen! Erst hatte er im Esszimmer all die heruntergefallenen Lebensmittel aufgefressen und jetzt spielte der kleine blaue Kerl auch noch »Schlittern« mit ihm. Erwartungsvoll wedelte Wenzel mit dem Schwanz.

»Was will das Tier denn von mir?«, fragte Graf Koriander die Kinder gereizt. Der Hund hatte ihn zwar aus dem Klebzauber befreit und in die Menschenwelt apportiert, wo aus ihm ein ganz und gar anderer Gnomold geworden war, aber das hieß noch lange nicht, dass er sein restliches Leben (und das waren immerhin noch geschätzte zweihunderteinundzwanzigeinhalb Jahre) damit zubringen musste, diesem flummposcheligen Hund dafür dankbar zu sein.

Jette und Justus lachten.

»Er will Schlittern spielen«, erklärte Justus. »Das machen wir im Winter immer auf dem Eis. Es geht aber auch auf glatten Böden.« Er näherte sich Wenzel und drückte leicht mit dem Bein gegen seinen Körper, so als wolle er einen Fußball dribbeln. Wenzel rutschte daraufhin auf seinem Popo über die glatten Fliesen der Küche wie ein Puck auf dem Eis, drehte sich beim Aufstehen einmal um sich selbst und kam von einem Ohr zum anderen grinsend zu Justus zurückgestürmt.

»So, so«, sagte Graf Koriander und verbarg unauffällig den Pappbecher mit dem Zuckerrübensirup hinter seinem Rücken. »Bin gleich wieder da«, rief er und flitzte in die Diele.

»Kräch, häch, hä«, kicherte er leise. Genüsslich ließ er den schwarzen Sirup auf den Steinboden fließen. Dort bildete sich ein glänzender runder See, der langsam immer größer wurde. Der Sirup kroch die Ritzen in den Fliesen entlang, suchte sich seinen Weg unter die Kommode und floss in den Spalt zwischen Schirmständer und Wand. Perfekt.

»Wenzelchen, komm mit wedelndem Schwänzelchen«, flötete Graf Koriander und brachte sich in Sicherheit.

Das war auch nötig, denn Wenzel kam blind vor Begeisterung in die Diele gerast und schlidderte mitten hinein in die Siruppfütze. Dort blieb er wie angeleimt sitzen und konnte sein Hundeglück kaum fassen. Was war dieser neue Mitbewohner nur für ein gutes Wesen. Wenzel tauchte glückselig seine Zunge in den süßen Aufstrich und schwor dem Gnomold ewige Treue. Nicht gerade das, was Graf Koriander mit dieser Aktion beabsichtigt hatte, aber immerhin war er den lästigen Vierbeiner erst mal losgeworden.

Zufrieden mit sich und seiner kleinen List kehrte der Gnomold in die Küche zurück. Er stellte fest, dass die Zwillinge den größten Teil der Arbeit bereits erledigt hatten.

»Wie ich sehe, wart ihr fleißig«, lobte er. Im selben Moment entdeckte er noch einen Stapel Teller. »Seid ihr denn dumm, hier steht doch noch was rum«, reimte er. Die Reimerei war eine alte Angewohnheit, die er als halber Kobold einfach nicht loswurde.

»Pfff«, prustete Jette, »soweit ich gesehen habe, hast du nichts weiter getan, als überall deine klebrigen Finger reinzustecken. Und jetzt auch noch Kommandos verteilen, oder was?«

»Krich hich hi«, kicherte Graf Koriander und näherte sich neugierig der Spülmaschine. Ohne zu zögern, begann er hineinzuklettern.

»Was tust du denn da?«, rief Jette erschrocken und schnappte den kleinen Gnomold am Kragen. »Willst du noch mal einen Waschgang mitmachen? Ich dachte, der letzte hätte dir gereicht?« Jette hatte immer noch ein schlechtes Gewissen, weil sie Graf Koriander für eine Puppe gehalten und in der Waschmaschine beinahe ertränkt hatte.

»He«, protestierte der kleine Gnomold und hielt seinen Hut fest, »ich wollte doch nur mal gucken, wo es da hinten hingeht.«

»Da geht es nirgends hin, höchstens mit dem dreckigen Wasser in die Kanalisation«, erklärte Justus und räumte die letzten Vorratsgläser in den Schrank.

»Kanalsazon!«, juchzte Graf Koriander. »Sehr sehr geheimnisvoll. Was ist das denn?«

»Das bedeutet Abwasserkanalsystem«, begann Jette, bevor sie von Justus unterbrochen wurde, der die Klappe der Spülmaschine mit einem energischen Ruck schloss.

»Also, das Dreckwasser aus der Küche, den Klos und dem Bad fließt durch Rohre in ein Klärwerk«, erklärte er. »Da wird es dann gereinigt und kommt später als Trinkwasser wieder aus dem Wasserhahn.«

»Würg«, machte Graf Koriander und starrte die Zwillinge entgeistert an. »Ihr trinkt gereinigtes Pipiwasser?«

»Nein!«, rief Jette, »bist du verrückt, quatsch, nee!«

»Na ja«, meinte Justus, »eigentlich ja doch. Wenn man es genau nimmt, ist es sogar nicht nur Pipiwasser, sondern auch …«

Doch Justus kam nicht dazu, seinen Satz zu vollenden, weil Jette ihm ein Küchenhandtuch an den Kopf warf. Justus riss es sich kichernd herunter.

»Okay, das reicht«, ächzte Jette, »ich trinke nur noch Apfelsaft.« Warum musste Justus sich aber auch mit allem und jedem so gut auskennen?

»Und ich bleibe bei meinem guten Höhlenquelltröpfchen«, sagte Graf Koriander und schüttelte den Kopf. »Es ist genau, wie ich immer sage: Menschen sind laut und machen Dreck.«

»Kori!«, protestierten Jette und Justus empört.

Der kleine Gnomold kicherte. »Krä, hä, hä, wollte nur mal hören, was ihr sagen würdet. Ihr beide seid davon natürlich strengstens ausgenommen.«

»Und du hast tatsächlich eine Quelle in deiner Höhle?«, fragte Jette neugierig.

»Aber nicht doch direkt in meiner Höhle, Mädelchen. Im Quellraum natürlich. Oh, wenn ihr beiden armen unwissenden Menschlein ahntet, wie köstlich dieses Wasser schmeckt. Direkt aus den tiefsten Tiefen der geheimsten Geheimquellen sprudelt es frisch wie die frischeste Frische direktometer in meinen Brunnen.« Graf Koriander wiegte sich bei jedem Wort theatralisch hin und her und schaukelte mit den Armen.

»Geheimste Geheimquellen, soso«, meinte Jette und zwinkerte Justus zu, der daraufhin losprustete.

»Gibt’s in deiner frischesten frischen Frische auch Fischers Fritzens frische Fische?«, fragte Justus ernst.

»Höh?«, erwiderte Graf Koriander. Er sah aus wie ein lebendiges Fragezeichen.

Die Zwillinge brachen in Gelächter aus.

»Das verstehst du nicht, Kori«, japste Jette.

»Kleiner Scherz von uns unnötigen, nichtswürdigen Menschlein«, kicherte Justus.

»Jaaaa, lacht ihr nur«, rief Graf Koriander und zwirbelte seinen kobaltblauen Bart. »Mein Leben scheint euch nicht weiter zu interessieren. Das ist schade. Dann gehe ich eben alleine kochen. Wiedersehen.«

Der kleine Gnomold lüpfte seinen Hut und verschwand blitzschnell aus der Küche.

»Ach, Kori, sei doch nicht gleich beleidigt«, rief Jette ihm hinterher.

»Hey, warte, bleib hier, wir sind sowieso gleich fertig!«

»Ach, lass ihn, Ju. Er stand uns eh nur im Weg rum. Und ich glaube, die Küche sollte lieber richtig ordentlich sein, wenn Mama wieder heimkommt. Umso schneller vergisst sie die Bescherung von heute Morgen.«

»Stimmt«, bestätigte Justus. »Ich befürchte nämlich, dass Kori noch sehr viele ›hilfreiche‹ Ideen haben wird.«

Jette kicherte. »Bin gespannt, was er als Nächstes ausheckt«, sagte sie und pfefferte einen ausgewaschenen Spülschwamm in den Abtropfkorb.

Und Graf Koriander? Der war zugegebenermaßen geradezu heilfroh, einen Grund gefunden zu haben, um sich aus dem Staub zu machen. Er hatte allmählich genug davon, den Zwillingen beim Aufräumen zuzusehen.

Warum konnten sie nicht einfach alles stehen lassen? Spätestens morgen früh würden sie es sowieso wieder aus den Schränken räumen müssen. Einräumen, ausräumen, wieder einräumen, wieder ausräumen und immer so weiter. Typisch Menschen!