DADA PENG
Scheiss aufs
Schicksal
ÜBER DEIN GLÜCK ENTSCHEIDEST DU
GÜTERSLOHER VERLAGSHAUS
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Umsetzung eBook: Greiner & Reichel, Köln
Coverfoto: © privat
ISBN 978-3-641-15279-6
V002
www.gtvh.de
Ein buch für verrückte
Inhalt
Vorwort
Warum dieses Buch sein muss
Mein Leben als Kurzfilm
Kapitel 1
Liebe deine Stadt
#Heimat
Kapitel 2
Wie Nancy Reagan in einer Blumenleggins mir in Mumbai die Augen über meine Familie öffnete
#Familie
Kapitel 3
Der Gott, an den ich glaube, wohnt in Recklinghausen
#Glauben
Kapitel 4
Generation X
#Gesellschaft
Kapitel 5
The Wanderer
#Körper und Charakter
Kapitel 6
»Seitdem ich verheiratet bin, muss ich irgendwie jeden Morgen kotzen.«
#Beziehung und Sexualität
Kapitel 7
Das kann uns niemand mehr nehmen
#Freundschaft
Kapitel 8
Werde ich Pastor oder lieber Popstar?
#Beruf
Kapitel 9
»Geld ist kein Arschloch!«
#Finanzen
Kapitel 10
»Ich bin nicht krank!«
#Gesundheit
Kapitel 11
Wer nicht alt werden will, der muss halt früh sterben
#Alter
Kapitel 12
Der Tod ist kein Ende
#Tod und Sterben
Unsere Reise geht weiter
Danke
Vorwort
Den 1. Mai 2014 verbrachte ich bei Freunden. Es ist eine alte Tradition, dass wir am Tag der Arbeit gemeinsam brunchen und rein gar nichts Produktives tun. Der Brunch begann mittags um 12 mit einem veganen Buffet, das ich persönlich ja widerlich fand, und einer Erdbeerbowle, in der die Beeren in Vodka eingelegt waren. Diese wiederum fand ich vorzüglich. Als die Bowle gegen Abend ihre Wirkung gänzlich entfaltete, kippte an einer Stelle die Stimmung, und eine Freundin von mir ließ ihrem Unmut über das Leben, über ihren Exmann, über Hartz IV und auch über diesen »verfickten Brunch« freien Lauf:
»Kann sich eigentlich einer vorstellen, wie das ist, alleine und alleinerziehend? Jeden Wasserkasten muss ich alleine nach oben schleppen, alleine!«, schrie sie gegen 21.25 Uhr durchs Treppenhaus, nachdem sie sich bereits an ihrem Handy und an einer Vase vergriffen hatte. Mein bester Freund, der den Brunch ausgerichtet hatte, war den Tränen nahe, und ich sagte immer wieder wie ein Mantra: »Klatsch ihr einfach eine, klatsch ihr einfach eine.«
Als sich die Schreierei dann wieder in die Küche verlagert hatte und besagte Freundin sich gerade darüber ausließ, dass sie ja jetzt auch die Blumenkübel der Terrasse mutterseelenalleine transportieren müsse, konnte ich mich auch dank der Bowle nicht länger beherrschen:
»Du hast ja so was von recht! Vergiss den Krieg in Syrien und auch die Familien, die ihr Kind in ein Kinderhospiz bringen müssen ... das alles ist nix im Gegensatz zu deinem schweren Schicksal, verlassen worden zu sein.«
Auf einmal war es ganz ruhig in der Küche, und die Freundin sagte nur: »Ja du, du redest dir ja alles schön, du bist doch eh verrückt mit deinem ganzen Sterbescheiß.«
Der Abend endete dann verhältnismäßig unspektakulär, und ich fand mich irgendwann alleine zu Hause auf meiner Couch wieder und dachte: »Ja genau, man kann sich tatsächlich alles schönreden. Und das sollte man auch! Und ja, ich bin verrückt. Aber genau das hat mir schon oft den Arsch gerettet.«
Und genau darum geht es in diesem Buch. Das Leben einfach einmal aus einer anderen Perspektive zu betrachten und es sich manchmal wirklich nur schönzureden. Man kann es nicht wirklich schöner machen, als es ist, aber man kann den Blickwinkel so verrücken, dass man das Schöne auch im Scheitern und im Schmerz sieht.
»There is a certain beauty in distruction«, hat mal ein buddhistischer Mönch zu mir gesagt, und erst an jenem Abend auf der Couch verstand ich wirklich, was das heißt.
Somit ist dieses Buch quasi das erste Buch für Verrückte.
Für all die, die sich immer mal wieder umblicken und denken: Sind alle anderen irre oder bin ich es? Willkommen im Club und willkommen auf einer Reise in die Vergangenheit, in die Gegenwart und in die Zukunft.
Ausreden wie »Meine Eltern haben mich nie in den Arm genommen«, »Mein Bruder war immer der Liebling meiner Eltern«, »Meine Freunde haben mich immer nur ausgenutzt«, »Mit 50 findet man keinen Job mehr«, »Ich musste mir immer alles erkämpfen«, »Sobald ich die ersten Anzeichen einer unheilbaren Krankheit habe, bringe ich mich um« möchte ich ganz gerne kurzerhand in die Tonne kloppen und das Leben einfach einmal neu betrachten, sodass auch du morgens aufstehen und sagen kannst: Scheiß aufs Schicksal!
Dada Peng
Köln, im Winter 2014
Warum dieses Buch sein muss
Das Leben ist nicht schön. Das muss einfach mal gesagt werden. Von alleine ist es nicht schön. Es gibt Momente, die sind schön, und Menschen, die es immer schön finden. Aber in Wirklichkeit ist es einfach nur verdammt anstrengend. Und ich rede jetzt nicht von dem Leben von Kriegsopfern oder von den Kindern in Afrika. Manchmal glaube ich sogar, dass das Leben hier, da, wo wir gerade sind, viel anstrengender ist als dort, wo man sich nur ums Überleben sorgen muss. Keine existenzielle Not zu haben, raubt einem vielleicht die Fähigkeit, tiefes Glück empfinden zu können, einfach nur dadurch, dass man existiert, dass man lebt.
Wenn ich daran denke, mit was für einer Scheiße ich mich die letzten Wochen beschäftigen musste ... Es tut mir leid, das war nicht schön. Steuererklärung, Umzug, Reifen wechseln. Und dann denke ich so, ach mach mal einfach ’nen Tag frei, gönn dir was, tu dir was Gutes und kauf dir mal ’ne neue Hose, ’nen Paar Schuhe, irgendwas. Und dann stehe ich bei H&M in der Umkleide, Spiegel vorne, hinten, unten, oben. Spiegel überall. Und auch das, was ich da sehe, finde ich nicht schön. Der Bauch, an meinem Hinterkopf eine kahle Stelle, die mittlerweile so groß ist wie ein Tennisball. Und dann stehe ich da, ziehe alle Register und sage mir: »Der Körper ist nur Hülle, wichtig sind die inneren Werte, es wollen immer noch viele mit dir schlafen.« Aber dann blicke ich wieder in diesen Spiegel, sehe, in was für eine Kinderhose ich mich reingepresst habe, und denke: »Nein ... ich finde das nicht schön.« Und dann kaufe ich lediglich eine neue Basecap, mit der ich dann aussehe, als würde ich morgen eingeschult. Ne kahle Stelle am Hinterkopf zu bekommen, ist echt ein Scheißschicksal!
Es gibt so viele blöde, dumme Schicksale, dann auch ganz tragische und dann auch Schicksale, die völlig unterschiedlich interpretiert werden können. Ich dachte immer, dass mein Coming-out damals für meine Eltern ein ganz schlimmes Schicksal gewesen sein muss. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, da ich ihnen keine Enkelkinder schenken würde und da man in unserer kleinen Stadt nun natürlich auch eine gewisse exponierte Stellung innehatte. Das sind die mit dem homosexuellen Sohn.
Nach Jahren, eigentlich erst kurz bevor meine Mutter starb, unterhielt ich mich mit ihr darüber, und sie sagte nur völlig verwundert:
»Dass du schwul bist, das war für uns nie ein Problem. Als du in der baptistischen Freikirche warst und in der Fußgängerzone ›Die Gott lieben, werden sein wie die Sonne‹ gesungen hast, das war schlimm. Da habe ich mich geschämt!«
Seitdem weiß ich: Reden hilft! Und ganz offensichtlich gibt es Tausende verschiedene Interpretationen von ein- und denselben Lebensumständen.
Aber was machen wir jetzt damit? Bauch einziehen und Mütze tragen oder einfach mal nackt ins Schwimmbad gehen? Es gibt gewisse Schicksale, von denen wir uns nicht freisprechen können. Gewisse Dinge sind nun mal, wie sie sind. Aber wir können entscheiden, wie wir damit umgehen. Wir können uns emotional steinigen oder uns emotional selbst befriedigen. Es ist einfach eine Frage der Entscheidung.
Wäre Sonja Zietlow die Moderatorin dieses Buches, dann würde sie jetzt sagen: »Willkommen zu den 12 emotionalsten Themen Ihres Lebens. Wir haben die spannendsten, lustigsten und herzzerreißendsten Kapitel für Sie zusammengestellt und gehen diese nun mit Ihnen gemeinsam durch.«
Dann käme Werbung. Aber so in etwa, wie Sonja es vielleicht sagen würde, wollen wir dies auch wirklich hier gemeinsam tun. Wir schauen uns die Top-Themen des Lebens an und versuchen, diese aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten, bis uns eine Perspektive begegnet, die passt. Die wir haben wollen. Die uns entspricht und uns guttut.
Wir konsumieren so viel Schrott tagtäglich. In diesem Buch wollen wir uns einfach mal auf existenzieller Ebene selbst begegnen. Uns auf emotionaler Ebene selbst befriedigen. Deshalb lade ich dich auch ein, am Ende der Kapitel genau das zu tun. Befriedige dich emotional selbst und schreibe, singe, tanze deine Gedanken hier in dieses Buch.
Ich habe in meinem Leben eine reine Achterbahn an Gefühlen kennengelernt. Viele schicksalhafte Momente erlebt, die ich einfach nicht ändern konnte. In denen mir nichts anderes übrig blieb, als sie mir schönzureden, die Perspektive zu verändern und ihnen etwas Gutes abzuringen. Ansonsten wäre ich daran kaputtgegangen. Dazu habe ich aber in diesem Leben keine Lust. Und wenn du auch große Lust haben solltest, dem Schicksal mal kräftig in den Hintern zu treten, dann lass uns das hier auf den folgenden Seiten einfach mal machen.
Mein Leben als Kurzfilm
Ich bin 1974 geboren, im Ruhrpott aufgewachsen und habe als Teenager ein Jahr als Austauschschüler in Amerika gelebt. Mitte/Ende der 90er, also mit 25, war ich erfolgreicher Moderator beim KIKA. Ich hatte zuvor einige Semester Film- und Fernsehwissenschaften studiert und lebte nun meinen Traum von einem Leben im Mediengeschäft. Ich moderierte eine eigene tägliche Kinder-Talkshow Yo!Yo!Kids im SWR-Fernsehen und verdiente bis zu 3.000 DM am Tag. Ich traf und interviewte Promis und Sternchen wie Karl-Heinz Böhm, Blümchen, Nena, Atomic Kitten, Sebastian Vettel, DJ BoBo, Konstantin Wecker, Caught in the Act, Scooter, Yvonne Catterfeld und viele mehr. Mein Zuhause war meine Heimatstadt Dortmund, und jede Woche flog ich Business Class zur Produktion nach Stuttgart. Urlaub machte ich überwiegend in New York.
Dann wurde ich kurz vor der Jahrtausendwende aus diesem schicken Leben gerissen. Im Urlaub in Miami bekam ich die Nachricht, dass mein Vater schwer an Krebs erkrankt war und die Ärzte ihm nur noch wenige Wochen gaben. Ein Jahr zuvor waren bereits meine Cousine und meine Großmutter verstorben. Wieder zurück in Deutschland, ging alles sehr schnell. Mein Vater lebte noch drei Monate. Diese erste direkte Begegnung mit dem Tod war für mich der Auslöser für eine tiefe Sinnkrise.
Unabhängig davon wurde kurze Zeit später meine TV-Sendung abgesetzt. Ich verlor meinen Traumjob und erhielt nicht einmal Arbeitslosengeld. Im TV-Bereich gibt es Verträge als fester freier Mitarbeiter, bei dem Sozialabgaben über eine Lohnsteuerkarte abgeführt werden, der Arbeitnehmer aber selbst für das Arbeitslosengeld zuständig ist. Das hatte mich damals mit Mitte 20 recht wenig interessiert, und dank Dolce und Gabbana und meinem unbändigen Drang zu leben gab es auch keinerlei Ersparnisse. So musste ich mein schickes Cabrio verkaufen und die meisten meiner Designer-Klamotten bei Ebay versteigern. Verzweifelt rannte ich von einem Moderatoren-Casting zum anderen und versuchte mich nebenbei als Chansonnier. 2004 musste ich dann aus meiner tollen Wohnung raus, zog in eine WG, und zur Krönung kam dann auch noch der Steuerbescheid. Irgendwann ging gar nichts mehr ...
Zeitgleich begann ich in einem Hospiz als ehrenamtlicher Mitarbeiter, und hätte ich diesen »Rückzugsort«, diese Begegnung mit sterbenden Menschen nicht gehabt, so hätte ich wahrscheinlich meine Lust am Leben verloren.
Ein Freund fasste meine Situation damals so zusammen: »Kein Job, kein Geld, keine Beziehung ... scheint ja echt gut zu laufen grad.« Mein größtes Problem war, dass ich dieses Leben ideologisch nicht begreifen konnte. Warum passierte all dies, und warum passierten andere Dinge nicht? Was sollte mir dieses Scheitern sagen?
Ich hielt mich mit Jobs über Wasser, arbeitete im Asylbewerberheim mit Kindern und Jugendlichen, gab Nutten Tanzunterricht und wurde Spinning-Trainer. Irgendwann tat sich endlich wieder eine große Jobmöglichkeit auf. Ich moderierte für ein Formel-Eins-Team, musste nach Barcelona an die Rennstrecke und traf dort Nick Heidfeld und Sebastian Vettel. Doch auch hier war nach einer Saison Schluss. Zwei Tage nach dem Aus wurde dann mein Hund Paula überfahren. Das Schicksal hatte mich gef ...
Ich wollte einfach nur wieder leben. Ein normales Leben haben, ganz egal wie.
Es folgten Begegnungen und Erlebnisse auf der ganzen Welt, die mich prägten und von denen ich in diesem Buch erzählen möchte.
Heute bin ich kein Flugbegleiter mehr. Ich bin wieder selbstständig tätig als Autor, Songwriter und TV-Konzept-Entwickler. Wenn ich eins im Leben gelernt habe, dann ist es, »Schicksalsschläge« als Chancen zu sehen und diese zu nutzen, um das eigene Leben neu zu gestalten. Vom TV-Moderator zum Hartz-IV-Empfänger zum Flugbegleiter zum Buchautor zum Unternehmer: Das war eine turbulente Reise, und ich habe mir oft gewünscht, sie wäre anders verlaufen. Doch »der Weg ist das Ziel« ...