Contents

Vorwort

Kapitel 1 Einführung

1.1 Allgemeines zur Methode der finiten Elemente

1.2 Wie überführt man ein Randwertproblem in eine Variationsgleichung?

Kapitel 2 Grundkonzept

2.1 Stetiges und diskretes Problem. Beispiele von finiten Elementen

2.2 Der Aufbau des Gleichungssystems

Kapitel 3 Verfahren zur Lösung von linearen Gleichungssystemen

3.1 Direkte oder iterative Verfahren?

3.2 Direkte Verfahren

3.3 Iterative Verfahren

Kapitel 4 Konvergenzaussagen

4.1 Allgemeine Bemerkungen zur Konvergenzproblematik

4.2 Ein Beweis einer Fehlerabschätzung für Dreieckselemente vom Typ 1

4.3 Zusammenfassung der Resultate

Kapitel 5 Numerische Integration

5.1 Allgemeine Bemerkungen

5.2 Der Quadraturfehler für lineare Elemente

5.3 Eine Übersicht: passende Integrationsformeln

Kapitel 6 Randapproximation. Isoparametrische Elemente

6.1 Approximation des Gebietes Ω durch ein Polygon

6.2 Isoparametrische Elemente

6.3 Randapproximation mit Hilfe isoparametrischer quadratischer Elemente

Kapitel 7 Gemischte Verfahren

7.1 Ein Strömungsproblem (Stokes-Problem)

7.2 Laplace-Gleichung

7.3 Biharmonische Gleichung

7.4 Lösung der entstehenden Gleichungssysteme

Kapitel 8 Nichtkonforme FEM

8.1 Laplace-Gleichung

8.2 Biharmonische Gleichung

8.3 Stokes-Problem

Kapitel 9 Nichtstationäre (parabolische) Aufgaben

9.1 Das stetige, das semidiskrete und das diskrete Problem

9.2 Numerische Integration von Anfangswertaufgaben: eine Übersicht

9.3 Die Diskretisierung des semidiskreten Problems mit dem θ-Schema

9.4 Eine Gesamtfehlerabschätzung für das θ-Schema

Kapitel 10 Gittergenerierung und Gittersteuerung

10.1 Erzeugung und Verfeinerung von Dreiecksgittern

10.2 Fehlerschätzung und Gittersteuerung

Anhang A Hinweise auf Software und ein Beispiel

A.1 Notwendige Files fürdas MATLAB-Programm fem2d

A.2 Einige numerische Ergebnisse

Literaturnachweis

Index

Beachten Sie bitte auch weitere interessante Titel zu diesem Thema

Silverberg, L.

Unified Field Theory for the Engineer and the Applied Scientist

2009

ISBN 978-3-527-40788-0

Reichwein, J., Hochheimer, G., Simic, D.

Messen, Regeln und Steuern

Grundoperationen der Prozessleittechnik

2007

ISBN 978-3-527-31658-8

Adam, S.

MATLAB und Mathematik kompetent einsetzen

Eine Einführung für Ingenieure und Naturwissenschaftler

2006

ISBN 978-3-527-40618-0

Kusse, B., Westwig, E. A.

Mathematical Physics

Applied Mathematics for Scientists and Engineers

2006

ISBN 978-3-527-40672-2

Kuypers, F.

Physik für Ingenieure und Naturwissenschaftler

Band 2: Elektrizität, Optik und Wellen

2003

ISBN 978-3-527-40394-3

Autoren

Prof. Dr. Herbert Goering

Otto-von-Guericke-Universität

Institut für Analysis und Numerik

PF 4120, 39016 Magdeburg

Prof.Dr.Hans-Görg Roos

TU Dresden

Institut für Numerische Mathematik

01062 Dresden

hans-goerg.roos@tu-dresden.de

Prof. Dr. Lutz Tobiska

Otto-von-Guericke-Universität

Institut für Analysis und Numerik

PF 4120, 39016 Magdeburg

lutz.tobiska@mathematik.uni-magdeburg.de

Vorwort

Das vorliegende Buch stellt eine Einführung in die Methode der finiten Elemente dar. Dabei wird versucht, die für die praktische Realisierung des Verfahrens notwendigen Kenntnisse und theoretischen Grundlagen gleichermaßen zu berücksichtigen; es zeigt sich sogar, dass für eine effektive Realisierung des Verfahrens gewisse Kenntnisse über dessen theoretische Eigenschaften unumgänglich sind.

Das Buch wendet sich in erster Linie an Ingenieure, Naturwissenschaftler und Studierende entsprechender Fachrichtungen. Demgemäß wird zum Verständnis der Stoff der üblichen Mathematikausbildung von Ingenieuren vorausgesetzt. Für Fehlerabschätzungen, Konvergenzuntersuchungen u. a. m. werden einige Begriffe der Funktionalanalysis so dargestellt, dass sie für den Anfänger transparent werden. Die dabei z. T. verlorengegangene mathematische Präzision, z. B. bei der Einführung des Raumes der quadratisch integrierbaren Funktionen oder von Sobolev-Räumen, mögen Mathematikstudenten und Mathematiker verzeihen.

Nur einige grundlegende Tatsachen werden als Satz formuliert, Beweise von grundlegenden Aussagen zur Methode der finiten Elemente werden ausgeführt, z.T. aber nur exemplarisch. Der mehr an der praktischen Realisierung des Verfahrens interessierte Leser stösst an den entsprechenden Stellen auf Hinweise, welche Abschnitte er überspringen kann und wo er zusammenfassende Schlussfolgerungen aus den theoretischen Untersuchungen findet.

Es wurde eine den Zielstellungen dieses Buches entsprechende einfache, aber mathematisch fundierte Darstellung gewählt. Natürlich erhebt die gewählte Darstellung keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Im Mittelpunkt des Buches stehen zweidimensionale, elliptische Aufgaben zweiter Ordnung, wobei Erweiterungsmöglichkeiten auf dreidimensionale Probleme aufgezeigt werden. Auf diese Aufgaben zugeschnitten wird im Kapitel 2 erläutert, wie man die diskreten Probleme gewinnt, im Kapitel 3, wie man die diskreten Probleme löst, im Kapitel 4, wie man Fehlerabschätzungen herleitet und in den Kapiteln 5, 6, wie man krummlinige Ränder berücksichtigt und Integrale zweckmäßig numerisch berechnet.

In den Kapiteln 7,8 werden gemischte und nichtkonforme Methoden vorgestellt, insbesondere auch zur Behandlung des Stokes-Problems und von elliptischen Aufgaben vierter Ordnung. Kapitel 9 ist instationären Aufgaben zweiter Ordung gewidmet, wobei verschiedene Klassen von Zeitdiskretisierungsverfahren vorgestellt werden. Im Kapitel 10 werden Aspekte der Erzeugung von Gittern und deren Verfeinerung diskutiert, wobei auch adaptive Methoden, basierend auf a posteriori Fehlerabschätzungen, eine Rolle spielen.

In einem kurzen Anhang wird erklärt, wie man auf der Basis eines allgemein verfügbaren MATLAB-Programmes sehr schnell selbst erste Testrechnungen zur numerischen Lösung elliptischer Aufgaben mit der Methode der finiten Elemente realisieren kann.

Die erste Version dieses Buches entstand 1983, der Inhalt wurde dann für die dritte Auflage 1993 ein wenig aktualisiert. Für die vorliegende vierte Auflage wurden alle Abschnitte noch einmal gründlich überarbeitet, insbesondere die Kapitel 7–10.

Für zahlreiche Hinweise und interessante Diskussionen danken wir unseren Kollegen A. Felgenhauer, Ch. Großmann, V. John, G. Matthies, U. Risch, F. Schieweck; ferner S. Rajasekaran, M. Schopf und R. Vanselow für die Testrechnungen, das Titelbild und den Vorschlag zur Gestaltung des Anhangs.

Magdeburg/Dresden, November 2009

Herbert Goering
Hans-Görg Roos
Lutz Tobiska

Kapitel 1

Einführung

1.1 Allgemeines zur Methode der finiten Elemente

Die Methode der finiten Elemente (FEM) ist eines der praktisch wichtigsten Näherungsverfahren zur Lösung von Variationsproblemen, Differentialgleichungen und Variationsungleichungen in den Ingenieurwissenschaften und der mathematischen Physik. Die Erfolge der FEM, insbesondere in der Festkörpermechanik, führten zu einer verstärkten Nutzung in der Thermodynamik, in der Strömungsmechanik und in anderen Gebieten. Die Leistungsfähigkeit der Methode liegt darin begründet, dass die FEM die Vorteile besitzt, systematische Regeln für die Erzeugung stabiler numerischer Schemata bereitzustellen, und es relativ einfach ist, kompliziertere zwei- und dreidimensionale Geometrien zu berücksichtigen.

Ursprünglich wurde die Methode in den fünfziger Jahren von Ingenieuren entwickelt, um große Systeme von Flugzeugbauteilen untersuchen zu können. Erst später entdeckte man die enge Verbindung der FEM mit dem bekannten Ritzschen Verfahren und eine Arbeit von Courant hierzu aus dem Jahre 1943. Die ersten mathematisch fundierten Untersuchungen stammen von K.O. Friedrichs (1962) und L.A. Oganesjan (1966), in den darauffolgenden Jahren schuf man eine breite mathematische Theorie der Methode. Zur raschen Verbreitung der FEM trug wesentlich die Monographie von Zienkiewicz (1967) bei. Heute existiert eine Vielzahl von Büchern, die sich den unterschiedlichen Aspekten der FEM – Theorie, Anwendung und Implementierung – widmen, erwähnt seien nur [11, 13, 19, 33, 57].

Wir nehmen an, dass ein gegebenes stationäres technisches Problem durch ein Variationsprinzip oder ein Randwertproblem für eine Differentialgleichung beschrieben werde. Bei der Methode der finiten Elemente wird das z.B. zweidimensionale zugrunde liegende Gebiet in einfache Teilgebiete zerlegt, etwa in Dreiecke, Vierecke usw. Die FEM erzeugt dann ein Gleichungssystem für Näherungswerte der unbekannten Funktion in ausgezeichneten Punkten der Teilgebiete. Nach dem Lösen des Gleichungssystems sind die Werte der Unbekannten in den ausgezeichneten Punkten näherungsweise bekannt.

Es gibt nun verschiedene Möglichkeiten der Erzeugung des Gleichungssystems (des diskreten Problems), ausgehend von einem Variationsprinzip oder einem Rand- wertproblem (s. Abb. 1.1). Einen weiteren Weg, die diskrete Modellierung, möchten wir lediglich erwähnen.

Abbildung 1.1 Verschiedene Varianten zur Erzeugung des diskreten Problems.

Das Ritzsche Verfahren stellt beim Vorliegen eines Variationsprinzips den einfachsten Weg zum diskreten Problem dar. Es gibt jedoch für ingenieurtechnische Probleme oft kein Variationsprinzip. Dies hängt eng damit zusammen, dass die Lösung eines Randwertproblems nur dann auch Lösung eines zugeordneten Variationsproblems ist, wenn der entsprechende Differentialoperator symmetrisch ist. Deshalb gehen wir in diesem Buch ab Kapitel 2 stets so vor, dass wir als Ausgangspunkt eine Variationsgleichung wählen, dann ist nämlich die Erzeugung des diskreten Problems ebenfalls einfach. Im Abschnitt 1.2 demonstrieren wir an typischen Beispielen, wie man ausgehend von einem Variationsprinzip oder einem Randwertproblem die zugeordnete Variationsgleichung gewinnt. In Abschnitt 1.2 findet man eine Übersicht von Randwertproblemen zweiter Ordnung und den zugeordneten Variationsgleichungen.

Wir erläutern nun noch den Begriff Variationsgleichung. Sei V eine gegebene Menge von Funktionen mit der Eigenschaft, dass aus v1V, v2V folgt β1v1 + β2v2V für reelle β1, β2 (man sagt, V ist eine lineare Menge). Als Beispiel halten wir uns die Menge der in einem Gebiet Ω stetig differenzierbaren Funktionen vor Augen. Dann heißt f(v) mit vV Linearform auf V, wenn f(v) reell ist sowie

(1.1)

und

(1.2)

gelten. Ein Beispiel einer Linearform ist etwa

ein zweites

mit einer beliebig gewählten, festen stetigen Funktion g.

Aus den Eigenschaften (1.1) und (1.2) einer Linearform folgt für beliebige reelle α1, α2 unmittelbar

(1.3)

Wird jeweils zwei Funktionen u, vV eine reelle Zahl a(u, v) zugeordnet, so heißt diese Abbildung Bilinearform auf V, wenn sie für jedes feste u und für jedes feste v eine Linearform in der anderen Variablen ist.

Sei Ω ein zweidimensionales Gebiet in der x-y-Ebene. Dann sind Beispiele von Bilinearformen

im letzten Beispiel sind g1 und g2 beliebig gewählte, feste stetige Funktionen.

Die Eigenschaften von Linearformen übertragen sich auf Bilinearformen, so gilt

(1.4)

In einer symmetrischen Bilinearform kann man u und v vertauschen, sie ist also gekennzeichnet durch a(u, v) = a(v, u). Von den drei Beispielen sind die ersten beiden Bilinearformen symmetrisch, die dritte ist es nicht.

Wir nennen nun ein Problem der folgenden Form Variationsgleichung.

(1.5)

Wir bezeichnen den Rand eines beschränkten zwei- oder dreidimensionalen Gebietes Ω mit Γ und die Vereinigung von Ω mit seinem Rand Γ mit .

1.2 Wie überführt man ein Randwertproblem in eine Variationsgleichung?

1.2.1 Beispiel 1

Bei Wärmeleitungsproblemen genügt die stationäre Temperaturverteilung T der Differentialgleichung

wobei k der Wärmeleitfähigkeitskoeffizient und Q die Wärmequellenergiebigkeit sind. Der Einfachheit halber nehmen wir an, die Temperatur am Rand Γ des den Körper beschreibenden Gebietes Ω werde festgehalten, es gelte T = 0 auf Γ. Bekanntlich lässt sich die Lösung des Randwertproblems (q = Q/k)

(1.6)

dadurch kennzeichnen, dass sie das Funktional

minimiert. Auf diesem Weg kann man analog wie eben beschrieben die (1.6) zugeordnete Variationsgleichung bestimmen. Entsprechend unserem Schema (s. Abb. 1.1) kann man die Variationsgleichung aber auch direkt aus (1.6) gewinnen.

Sei V die Menge aller in Ω differenzierbaren Funktionen mit v = 0 auf Γ. Wir bezeichnen die Lösung des Randwertproblems (1.6) wieder mit u (ersetzen also T durch u), multiplizieren die Differentialgleichung mit einer beliebigen Funktion vV und integrieren über Ω. Das liefert

Nun benötigen wir den Gaußschen Integralsatz

(1.7)

Hier sind Γ der Rand von Ω und n der äußere Normaleneinheitsvektor bezüglich Γ. Setzt man

so verschwindet das Integral auf der rechten Seite, weil Funktionen vV auf dem Rand von Ω gleich Null sind, und man erhält

Setzt man

so haben wir das Randwertproblem (1.6) in die Variationsgleichung

mit einer symmetrischen Bilinearform überführt.

Bei der Herleitung ist es belanglos, ob Ω ein zweidimensionales oder ein dreidimensionales Gebiet ist, im zweidimensionalen Fall fällt lediglich der letzte Summand in dem die Bilinearform definierenden Integral weg.

Andere technische Problemstellungen führen ebenfalls auf die Randwertaufgabe (1.6). Betrachtet man z.B. einen geraden Stab mit Vollquerschnitt, der durch ein konstantes Moment, dessen Wirkungsebene senkrecht zur Stabachse liegt, auf Torsion beansprucht wird, so genügt die Torsionsfunktion F(x, y) dem System

dabei sind G der Schubmodul und ϑ die spezifische Verdrehung des tordierten Stabes.

1.2.2 Beispiel 2

Untersucht man die Strömung diffundierender Substanzen, so genügt die Konzentrationsverteilung infolge Diffusion und Konvektion im stationären, zweidimensionalen Fall einem Randwertproblem vom Typ

(1.8)

w = (w1, w2) ist die Konvektionsgeschwindigkeit.

Jetzt ist es i. allg. nicht möglich, eine zugeordnete Minimierungsaufgabe anzugeben. Man kann das Randwertproblem (1.8) aber fast analog wie die eben untersuchte Randwertaufgabe in eine Variationsgleichung überführen. Ein wesentlicher Unterschied ist die Art der Berücksichtigung der Randbedingung. Während man bei der Randbedingung T = 0 auf Γ (Dirichletsche Randbedingung oder Bedingung 1. Art) den Raum V so definiert, dass Funktionen aus V dieser Bedingung genügen, ist das jetzt nicht notwendig, denn bei der Randbedingung = 0 auf Γ (Neumannsche Randbedingung oder Bedingung 2. Art) verschwindet das Integral über Γ im Integralsatz (1.7) automatisch.

Sei also V die Menge aller in Ω differenzierbaren Funktionen. Setzt man

so hat man (1.8) in eine Variationsgleichung mit einer nicht symmetrischen Bilinearform überführt.

Man nennt manchmal eine Dirichletsche Randbedingung für Probleme vom Typ (1.6) wesentliche Randbedingung, da sie den Raum V mit kennzeichnet, eine Neumannsche Randbedingung natürliche Randbedingung, weil sie die Definition von V nicht beeinflusst.

Eine Randbedingung vom Typ + σc = 0 (Robinsche Bedingung oder Bedingung 3. Art) ist auch in dem Sinne natürlich, dass sie zur Charakterisierung von V nicht beiträgt. Entsprechend dem Gaußschen Integralsatz (1.7) erhält man aber einen zusätzlichen, die Bilinearform definierenden Summanden mit

Weitere Beispiele von Randwertaufgaben und zugeordneten Variationsgleichungen findet der Leser in Abschnitt 2.1.

Kapitel 2

Grundkonzept

2.1 Stetiges und diskretes Problem. Beispiele von finiten Elementen

2.1.1 Die Grundzüge der Methode

V sei eine gegebene Menge von Funktionen, wir sagen auch: ein gegebener Funktionenraum. Gesucht ist nun eine Funktion uV, die die Variationsgleichung (das stetige Problem)

(2.1)

erfüllt.

Als Standardbeispiel benutzen wir die dem Dirichlet-Problem mit homogenen Randbedingungen für die Laplacesche Differentialgleichung (DGL) entsprechende Aufgabe (vgl. Abschnitt 1.2): Dort war V die Menge aller in einem Gebiet Ω stetig differenzierbaren Funktionen, die auf dem Rand von Ω verschwinden, weiter

mit einer gegebenen stetigen Funktion g.

Wir setzen grundsätzlich voraus, dass Ω ein zulässiges Gebiet ist. Das bedeutet, dass man einen Randpunkt (x, y) ∈ Γ des Gebietes so in den Punkt (0, 0) bewegen kann (durch Verschiebungen und Drehungen), dass der verschobene Rand in der Umgebung von (0, 0) beschrieben werden kann durch y = f (x) mit |x| < R, das verschobene Gebiet durch |x| < R, f (x) < y < 2LR. Dabei genügt die Funktion f (x) der Bedingung (Lipschitz-Bedingung)

Oft genügt es zu wissen, dass alle weiteren Darlegungen für beschränkte konvexe Gebiete und für polygonal berandete Gebiete gelten.

k Funktionen w1,…,wk heißen linear unabhängig, wenn jede der Funktionen, etwa wl, nicht durch die anderen Funktionen dargestellt werden kann als

mit Konstanten . Man sagt, wi ist nicht Linearkombination von w1,…, wl−1, wl+1,…, wk.

Es seien N linear unabhängige Funktionen w1,…, wN aus V gegeben und Vh sei die Menge aller Linearkombinationen

Man bezeichnet Vh als einen N-dimensionalen Teilraum von V. Die wi heißen Basis-funktionen von Vh, in einigen Büchern findet man auch die Bezeichnung globale FormfUnktionen.

Eine Näherungslösung von (2.1) sei nun eine Funktion uhVh. Man kann auch sagen, man sucht eine Näherung uh mit dem Ansatz

mit den unbekannten Konstanten ui. Es kann jetzt (uh ist eine Näherungslösung) sicherlich i. allg. nicht für alle vV gelten

Natürlich scheint aber die Forderung

(2.2)

sie projiziert gewissermaßen das Problem (2.1) in V auf ein Problem in Vh. Wenn (2.2) für alle VhVh gilt, so gilt speziell auch für wjVh:

(2.3)

Umgekehrt: Wenn (2.3) richtig ist, so folgt durch Multiplikation mit Konstanten cj und Summation

Die bekannten Eigenschaften von Bilinearformen bzw. Linearformen sichern

Die Forderungen (2.2) und (2.3) sind also äquivalent. Wir nennen (2.2) oder (2.3) das diskrete Problem.

Gleichung (2.2) ist Ausgangspunkt theoretischer Überlegungen, (2.3) Ausgangspunkt zur praktischen Berechnung der Näherung uh. Setzt man nämlich in (2.3) für uh den Ansatz ein, so folgt

bzw. (a ist Bilinearform)

(2.4)

Dies ist ein Gleichungssystem mit N Gleichungen für die N Unbekannten ui; für die Koeffizientenmatrix Ah gilt

Der diskreten Aufgabe entspricht also ein Gleichungssystem. Man löst die diskrete Aufgabe, indem man aus den Basisfunktionen wi, die Größen

berechnet, dann die ui aus dem Gleichungssystem (2.4) ermittelt, letztlich ist

Entscheidend für die praktische Realisierbarkeit des Verfahrens ist die Wahl der Basisfunktionen wi.

Zunächst erwachsen aus der Forderung, dass Vh Teilraum von V sein soll, gewisse Forderungen an die wi. Dies sind einmal Glattheitsforderungen, zum anderen die Forderung der Erfüllung gewisser Zusatzbedingungen. Hat man z.B. ein Randwertproblem für eine Differentialgleichung in eine Variationsgleichung überführt, so geht ein Teil der Randbedingungen in die Bilinearform bzw. die Linearform ein, ein anderer Teil geht ein in die Festlegung des Raumes V, genau diesen Teil der Randbedingungen müssen die wi erfüllen (man erinnere sich an die Beispiele in Abschnitt 1.2).

Glattheitsforderungen und Zusatzbedingungen lassen für die Bestimmung der wi noch viel Spielraum. Deswegen versucht man die wi, nun so zu wählen, dass das diskrete Problem möglichst einfach wird.

Wenn die Näherung uh von u gut sein soll (wir gehen später genauer darauf ein, wie man das misst), muss oft die Anzahl N der Basisfunktionen groß sein. Man hat dann ein Gleichungssystem mit relativ vielen Unbekannten zu lösen. Daher ist es wünschenswert, dass die Matrix Ah möglichst viele Nullelemente enthält. Am günstigsten wäre, wenn die Matrix Ah die Einheitsmatrix ist. Dies lässt sich aber praktisch nicht realisieren, weil es schwierig ist, die Basisfunktionen so zu wählen, dass die Einheitsmatrix entsteht. Nun ist ai j i. allg. ein Integral über das Gebiet Ω von Summen von Produkten von wi und wj und deren Ableitungen. Wählt man die Basisfunktion wi nun so, dass sie nur in einem kleinen Teilgebiet Ωi von Ω von Null verschieden ist und sonst identisch Null, so werden z.B. Produkte wiwj (i = 1,…, N, j = 1,…, N) nur für einige i und j von Null verschieden sein.

Nun können wir die Grundzüge der Methode der finiten Elemente formulieren:

(G 1) Man wähle N Basisfunktionen wi so, dass wi nur in einem kleinen Teilgebiet Ωi von Ω von Null verschieden ist und Ωi und Ωj für möglichst viele i und j keinen Punkt gemeinsam haben.
(G 2) Man berechne ai j, fj und löse das Gleichungssystem
(G 3) Die Näherungslösung uh von (2.1) ist

2.1.2 Ein erstes Beispiel und eine theoretische Schwierigkeit

Wir betrachten das Standardbeispiel

im Einheitsquadrat Ω = (0,1) × (0,1). Die entsprechende Variationsgleichung ist

mit

V bestehe vorerst aus den in Ω stetig differenzierbaren Funktionen, die auf Γ verschwinden.

Zur Konstruktion geeigneter Basisfunktionen zerlegen wir das Quadrat zunächst in Teilquadrate durch xv = v h, yµ = µ h (v, µ = 1, 2,…, M − 1; Mh = 1), jedes Quadrat in zwei Teildreiecke (s. Abb. 2.1). Vh sei der (M − 1)2 = N-dimensionale Raum, der dadurch gekennzeichnet ist, dass jede Funktion in jedem Dreieck eine lineare Funktion in x und y ist. Basisfunktionen in Vh sind Funktionen φ(x, y), (v, µ = 1,…, M − 1) mit der Eigenschaft

Abbildung 2.1 Träger Ωνμ einer Basisfunktion φνμ.

Abbildung 2.2 Basisfunktion im Teildreieck 1.

Es gilt dann

Ω (s. Abb. 2.1) ist also das „kleine“ Teilgebiet, in dem φ von Null verschieden ist, man nennt es auch Träger der Funktion φ.

Wir berechnen nun φ in den Dreiecken 1, 2,…,6. Betrachten wir beispielsweise das Dreieck 1. Es muss gelten (s. Abb. 2.2)

Sei

Dann liefern die obigen Forderungen

Das ergibt d1 = 0, d2 = 1/h und d0 = 1 − µ.Es ist also im Dreieck 1

Analog erhält man

Wir haben jetzt einfache Basisfunktionen mit der gewünschten Eigenschaft, z.B. gilt

Jedoch tritt für diese Wahl φ ein Problem auf. φ ist zwar stetig, aber nicht stetig differenzierbar, etwa auf dem Rand von Ω oder auch entlang der „inneren“ Dreieckskanten. Da dies eine generelle Eigenschaft der Räume Vh ist, die man bei der FEM wählt, sind unsere bisherigen Überlegungen in bezug auf den Raum V nicht ausreichend.

2.1.3 Die Lösung: Sobolev-Räume

Eine Funktion g gehört zum Funktionenraum L2(Ω), wenn das Integral

existiert und endlich ist. Jede stückweise stetige Funktion g gehört zum L2). Dabei ist eine stückweise stetige Funktion eine Funktion, für die es eine Zerlegung von Ω in endlich viele zulässige Gebiete Ωi gibt, so dass g in stetig ist. Hat man solch eine stückweise stetige Funktion g, so gilt

und die Integrale auf der rechten Seite dieser Beziehung kann man mit den bekannten Integrationsmethoden ausrechnen.

Gehören Funktionen zum Raum L2(Ω), so gehört auch jede Linearkombination von ihnen zu diesem Raum. Zum Nachweis verwendet man die Ungleichung von Schwarz

(2.5)

die auch Cauchy-Schwarz-Ungleichung genannt wird. Jeder Funktion aus dem L2(Ω) kann man ein Maß dafür zuordnen, inwieweit sich diese Funktion von der Funktion unterscheidet, die in Ω identisch Null ist. Man nennt dieses Maß eine Norm und setzt

Der Index Null zeigt dabei an, dass bei der Definition der Norm keine Ableitungen der Funktion g verwendet werden. Ein Maß für die Abweichung zweier Funktionen g1, g2 voneinander ist ||g1 − g2||0. Das ist z.B. von Bedeutung für Fehlerabschätzungen im FEM-Verfahren (s. Kapitel 4). Eine Folgerung aus (2.5) ist die Drekcksunglekhung

(2.6)

Die Zuordnungsvorschrift, die zwei Funktionen f und g die Zahl

zuordnet wird Skalarprodukt von f und g genannt und durch

bezeichnet. Die Schwarzsche Ungleichung (2.5) kann man dann formulieren als

(2.7)

Als nächstes skizzieren wir, was man unter sogenannten „verallgemeinerten“ Ableitungen versteht: diese erweisen sich dann als extrem hilfreich. Besitzt eine Funktion g eine stetige Ableitung , so gilt nach der Formel der partiellen Integration (man setze in (1.7) P = gψ, Q = 0, R = 0) für jede differenzierbare Funktion ψ, die auf dem Rand von Ω verschwindet,

Mit Hilfe dieser Formel kann man nun Ableitungen für Funktionen definieren, die im üblichen Sinn nicht differenzierbar sind. Ist g eine integrierbare Funktion und h eine integrierbare Funktion mit

für alle differenzierbaren ψ, die in Umgebung des Randes ∂Ω verschwinden, so wird die verallgemeinerte Ableitung von g nach x genannt

Zunächst ein eindimensionales Beispiel. Sei g definiert durch

Eigentlich ist diese Funktion g in [0,1] (wegen des „Knicks“ bei ) nicht differenzierbar (s. Abb. 2.3). Für differenzierbare ψ mit ψ (0) = ψ (1) = 0 liefert aber partielle Integration

Abbildung 2.3 Funktion g und deren verallgemeinerte Ableitung .

Abbildung 2.4 Gegenseitiges Aufheben der Randintegrale über innere Dreieckskanten.

Also ist im obigen Sinn

das entspricht dem, was man erwartet. Im Punkt kann g′ beliebig festgesetzt werden.

Nun ein zweidimensionales Beispiel, das wichtig ist für die Methode der finiten Elemente. Eine Funktion g sei auf (s. Abb. 2.4) stetig und im Innern der Ki stetig differenzierbar. Solch eine Funktion ist i. allg. im üblichen Sinn nicht differenzierbar, genau wie unser obiges eindimensionales Beispiel. Nun gilt nach dem Gaußschen Integralsatz (1.7)

Die Randintegrale im Innern heben sich gegenseitig weg, die auf dem Rand von Ω verschwinden, weil ψ dort ja definitionsgemäß verschwindet. Also gilt

dies bedeutet, dass die Ableitung von g im Innern der Ki die übliche Ableitung ist. Was auf den Kanten der Ki geschieht, ist ohne Bedeutung.

Der skizzierte verallgemeinerte Ableitungsbegriff ermöglicht also, insbesondere stückweise differenzierbare FUnktionen (die treten gerade bei der FEM aUf) stückweise zu differenzieren.

Man sagt nun: Eine Funktion g, die zum L2(Ω) gehört, gehört zum Funktionenraum H1(Ω), wenn die verallgemeinerten Ableitungen auch zum L2(Ω) gehören.

Man kann dann ähnlich wie im gerade behandelten Beispiel zeigen, dass stetige, stückweise differenzierbare Funktionen zum H1(Ω) gehören. Man muss aber zunächst präzisieren, welche Zerlegung des Gebietes man zulässt.

Ω