Das Buch
Bathcomb, England, im Jahr 1628. Fassungslos muss Bess Hawksmith mit ansehen, wie ihre Mutter als Hexe hingerichtet wird. Doch damit nicht genug, die Hexenjäger sind auch hinter der jungen Frau selbst her. Verzweifelt vertraut sich Bess dem geheimnisvollen Gideon Masters an, von dem man hinter vorgehaltener Hand munkelt, er sei ein Schwarzmagier. Doch Bess ist fasziniert von dem düsteren, schönen Mann und nimmt seine Hilfe an. Nicht ahnend, dass Gideon sie zu einem dunklen Pakt zwingen wird.
Dorset im Jahr 2007: Elizabeth hat sich in der ruhigen Ortschaft Matravers ein neues Leben aufgebaut. Dank ihrer Kräutermischungen und homöopathischen Heilkünste ist sie bei den Einheimischen hoch angesehen. Keiner ahnt, dass die freundliche, attraktive Frau in Wahrheit eine unsterbliche Hexe ist. Bis Bess eines Tages von den finsteren Mächten ihrer Vergangenheit eingeholt wird …
Die Autorin
Paula Brackston wurde in Dorset, England, geboren und ist in Wales aufgewachsen. Sie studierte Kreatives Schreiben an der Lancaster University und arbeitete zunächst in verschiedenen Berufen, bevor sie mit Die Tochter der Hexe ihren ersten Roman vorlegte, der direkt die New York Times-Bestsellerliste eroberte. Wenn sie nicht gerade schreibt, unterrichtet Paula Brackston an der University of Wales, Newport. Sie lebt mit ihrer Familie in Wales.
Mehr über die Autorin und ihre Werke erfahren Sie auf:
www.paulabrackston.com
»Mit ihrem Abenteuer um die unsterbliche Hexe Bess und ihren Widersacher Gideon zieht Paula Brackston den Leser von der ersten Zeile an in ihren Bann.« MARIE CLAIRE
»Die Tochter der Hexe ist Pflichtlektüre für jeden, der den Alltag hinter sich lassen und in magische Welten abtauchen möchte.« HUFFINGTON POST
»Paula Brackstons Debütroman Die Tochter der Hexe fasziniert mit einer wunderbaren Mischung aus Historie und Fantasy.« BOOKLIST
»Mühelos verwebt Paula Brackston in Die Tochter der Hexe die Vergangenheit mit einer magischen Gegenwart.« PUBLISHERS WEEKLY
»Eine mitreißende Geschichte über dunkle Magie und den Verlust der Unschuld.« KIRKUS REVIEWS
»Fantasy-Fans werden begeistert sein.« PORTLAND BOOK REVIEW
»Ein Roman voller wunderbarer Überraschungen und unvorhergesehener Wendungen.« THE NATIONAL EXAMINER
»Man kann nicht anders, als diese Heldin zu lieben.« NIGHTOWL REVIEWS
Paula Brackston
Roman
Aus dem Amerikanischen übersetzt
von Charlotte Lungstrass-Kapfer
WILHELM HEYNE VERLAG
MÜNCHEN
Titel der amerikanischen Originalausgabe:
THE WITCH’S DAUGHTER
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Deutsche Erstausgabe 03/2019
Redaktion: Diana Mantel
Copyright © 2010 by Paula Brackston
Copyright © 2019 der deutschsprachigen Ausgabe und der Übersetzung
by Wilhelm Heyne Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH,
Neumarkter Straße 28, 81673 München
Printed in Germany
Umschlaggestaltung: DAS ILLUSTRAT, München,
unter Verwendung von Motiven von Jag_cz / Shutterstock
und Duda Vasilii / Shutterstock
Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling
ISBN: 978-3-641-23237-5
V001
www. heyne.de
Für Simon, der weiß, wie hoch der Preis war.
Batchcombe, Wessex. 1628.
Bess rannte. Der klare Nachthimmel und riesige Vollmond schufen genug Licht für ihre Flucht. Sie fürchtete die Morgendämmerung, denn dann würden sie ihre Abwesenheit bemerken, und die Jagd würde beginnen. Die Fußeisen an ihren Knöcheln schlugen bei jedem Schritt schmerzhaft gegen ihre Beine. Ein gesprengtes Glied an jeder Seite war alles, was von den Ketten noch übrig war. Das Metall rieb ihre weiche Haut auf, bis sie eine dünne Blutspur hinter sich herzog. Ihre nackten Füße klatschten auf den weichen Schlamm und schlugen einen altbekannten Weg ein, der sich schon lange in ihrem Gehirn eingebrannt hatte – wie eine deutliche Karte lag er vor ihr und bannte die Gefahr, dass sie eine falsche Abzweigung nehmen könnte, während sie das Dorf hinter sich ließ und Richtung Wald lief. Trotzdem kam ihr die Entfernung größer vor als jemals zuvor, die Bäume schienen vor ihr zurückzuweichen, abgeschreckt von ihrer erstickenden Panik. Egal wie schnell sie lief, sie schien ihnen einfach nicht näher zu kommen.
Eine Illusion. Das Mondlicht und die Schatten lassen das nur so aussehen. Ich darf nicht straucheln.
Ihr Atem klang viel zu laut, so laut, dass er die Schlafenden in einem abgelegenen Cottage wecken könnte. Ihr Herzschlag dröhnte wie Donner, konnte doch gar nicht unbemerkt bleiben. Immer weiter rannte sie, bis sie endlich die schützende Deckung der kleinen Bäumchen am Waldrand erreichte. Hier im Gehölz fühlte sich die Dunkelheit anders an. Die ersten Blätter des Frühlings ließen das Mondlicht nur gebrochen auf die Erde fallen, rechts und links vom Weg schienen sich Wurzeln und Dornenranken nach ihr zu strecken, um sie festzuhalten. Sie rannte weiter, keuchte nur leise, wenn sich spitze Steine in ihre nackten Fußsohlen bohrten. Als sie durch einen kleinen Bach watete, ließ das eisige Wasser den Schmerz kurz abflauen, bevor sich die körnige Erde des Waldbodens mit jedem Schritt tiefer in die Schnitte schob. Eine Eule tat mit einem schrillen Schrei ihren Unmut über die menschliche Präsenz kund. Ein Dachs zog sich hastig in seinen Bau zurück und wartete ab, bis die Störung vorbei war.
Die kühle Nachtluft brannte in Bess’ Kehle. Doch auch hustend und keuchend behielt sie ihr Tempo bei; eigentlich störte es sie nach den vielen Stunden in der engen, stinkenden Kerkerzelle nicht einmal. Hier gab es wenigstens genug Luft zum Atmen. Auf einer kleinen Anhöhe blieb sie stehen und stützte sich am Stamm einer großen Esche ab. Der Geschmack des Waldes lag auf ihrer Zunge: das Moos, die silbernen Flechten, der aufsteigende Saft der Bäume. Daneben gaben sich zwei weitere Dinge klar zu erkennen – ihre eigene Angst und das Meer. Beides bitter wie Salz, beides geprägt von Furcht und Freiheit. Sie spähte den Pfad entlang, der ins Herz des Waldes führte. Dort konnte sie ihren Verfolgern entkommen. Dort würde er auf sie warten, mit Pferden, Proviant, einem Plan und einem Ziel, das sie ansteuern konnte. Indem sie ihre letzten Kraftreserven mobilisierte, stieß sie sich von dem Baumstamm ab. Aber irgendetwas ließ sie zögern. Eine innere Stimme ließ sie innehalten. Bedenke, sagte sie, welchen Preis diese Freiheit hätte.
Ein Geräusch in der Ferne ließ sie zusammenfahren: Hunde. Wenige Augenblicke nur, dann wären sie hier. Sie durfte nicht zögern. Und trotzdem ließ sich diese Stimme nicht zum Schweigen bringen. Bedenke dies, warnte sie eindringlich.
Mutter? Was soll ich tun?
Wie als Antwort auf ihre Frage trug ein Windstoß den Geruch der See zu ihr heran. Das Hundegebell, das vom Dorf herüberdrang, wurde lauter, durchmischt mit einzelnen Rufen. In der Dunkelheit schien sich etwas zu bewegen. Dann erkannte sie eindeutig einen Reiter und mehrere Pferde. Ihre Verfolger würden sie töten, das wusste sie. Aber welchen Preis würde sie zahlen müssen, wenn Gideon ihr zur Freiheit verhalf?
Nein, ich werde nicht zu ihm gehen. Ich werde es nicht tun.
Sie drehte sich um und rannte in östlicher Richtung weiter, fort von den Bäumen, fort von den geifernden Hunden, fort von ihm. Sekunden später brach sie aus dem Wald hervor und rannte über das weiche Torfmoor, über die weite Ebene, dem einen Ziel entgegen, das ihr nun noch blieb – dem Meer. Dass er sie verfolgte, konnte sie mehr spüren als hören. Sie wagte es nicht, sich umzusehen. Als sie den Pfad an den Klippen erreichte, stieg gerade die wässrige Sonne über den Horizont und tauchte das Meer in bitteres Rot. Die Nacht wurde von dumpfem, schattenlosem Tageslicht verdrängt, das Bess keinerlei Deckung mehr ließ. Am Rand der Klippe blieb sie stehen. Drüben im Dorf wurden im grauen Zwielicht Fackeln entzündet; gesichtslose Gestalten kamen viel zu schnell näher. Über dem hypnotischen Klang der Wellen, die unten gegen die Felsen schlugen, konnte sie das Trommeln der Hufe auf dem weichen Boden hören. Obwohl er nicht nach ihr rief, erklang seine Stimme in ihrem Kopf. Bess! Bess! Bess!
Sie drehte sich nicht um. Ein Blick in seine Augen würde sie willenlos machen. Unter ihr war der Strand vollständig von der Flut verschlungen worden, sie sah nichts außer tiefem Wasser, spitzem Kies und Kalkstein, der mühelos Knochen zertrümmern konnte. Inzwischen war die Sonne ein wenig höher gestiegen, sodass sie in ein brennendes Inferno sah, als sie den Blick gen Himmel richtete. Dann hob sie den Fuß und trat ins Leere.
Mein Name ist Elizabeth Anne Hawksmith,
und ich bin dreihundertvierundachtzig Jahre alt.
Jeder Ort erfordert ein neues Tagebuch,
und so beginnt dieses
Buch der Schatten.
IMBOLG