Handbuch Bibeldidaktik

herausgegeben von Mirjam Zimmermann und Ruben Zimmermann
unter Mitarbeit von Susanne Luther und Julian Enners

Mohr Siebeck GmbH & Co. KG

Inhaltsverzeichnis

Über die Herausgeber und Mitarbeiter

Mirjam Zimmermann, geboren 1969; 1997 Promotion; 2009 Habilitation; seit 2011 Professorin für Religionspädagogik / Fachdidaktik an der Universität Siegen.

Ruben Zimmermann, geboren 1968; 1999 Promotion; 2003 Habilitation; seit 2009 Professor für Neues Testament an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

Susanne Luther, geboren 1979; 2012 Promotion; derzeit Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

Julian Enners, geboren 1984; 2016 Promotion; derzeit Studienreferendar für Ev. Religion und Deutsch am Zentrum für schulpraktische Lehrerausbildung Siegen.

Über dieses Buch

2., revidierte und erweiterte Auflage

Copyright / Impressum

UTB Band 3996

ISBN print 978-3-8252-4921-2

e-ISBN EPUB 978-3-8463-4921-2

Online-Angebote oder elektronische Ausgaben sind erhältlich unter www.utb-shop.de.

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

 

© 2018 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

 

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e-ISBN EPUB978-3-8463-4921-2

für Martin Schweigler,

unseren geschätzten Religionslehrer

am Friedrich-Ebert-Gymnasium

Sandhausen

Vorwort

Ihr Christen habt in eurer Obhut ein Dokument mit genug Dynamit in sich,

die gesamte Zivilisation in Stücke zu blasen, die Welt auf den Kopf zu stellen;

dieser kriegszerrissenen Welt Frieden zu bringen.

Aber ihr geht damit so um, als ob es bloß ein Stück guter Literatur ist, sonst weiter nichts.

Mahatma Gandhi

Wenn ein Exeget und eine Religionspädagogin zusammenleben und -arbeiten, ist ein gemeinsamer Fokus die Bibeldidaktik. Wir beide unterrichten über die und mit der Bibel, wir verwenden sie als kulturgeschichtliches Dokument, als literarisches Kunstwerk, als normative Vorgabe, als heiligen und meditativen Text und manches mehr. Wir versuchen andere zu motivieren, sich für die Bibel zu begeistern und diskutieren über die Frage, warum man sie an nachfolgende Generationen vermitteln soll. Vielfach ist heute gar nicht mehr deutlich, dass die Bibel gute Literatur ist, geschweige denn, dass sie Dynamit enthält. Juden und Muslime, Buddhisten und Hindus schätzen die Heilige Schrift des Christentums. Wie kann dieser Text, der in ferner Vergangenheit entstanden ist, für Menschen im 21. Jahrhundert, besonders für Schülerinnen und Schüler, noch heute zugänglich werden, Sinn stiften und vielleicht sogar mehr Bedeutung bekommen als gute Literatur?

Das vorliegende Handbuch möchte für die Chancen einer Bibeldidaktik werben und empfängt Rückenwind durch neue Impulse der Fachdisziplinen, wie etwa der „Kinderexegese“ oder der „narratologischen Figurenanalyse“, um nur zwei Beispiele zu nennen. Es stellt insofern exegetisch-hermeneutische sowie didaktisch-methodische Neuansätze vor, möchte aber zugleich traditionelle Wissensbestände der Bibelwissenschaft und Bibeldidaktik und klassische Zugänge und Methoden aufnehmen, die zu kennen immer noch hilfreich und nützlich ist. Die Artikel können auf diese Weise umfassend informieren und zugleich motivieren, mit der Bibel pädagogisch zu arbeiten.

Dieses Buch wäre nicht in so kurzer Zeit entstanden, wenn nicht viele Menschen in zielführender Weise zusammengewirkt hätten. So möchten wir zunächst allen Autorinnen und Autoren danken, die schnell und zuverlässig ihre Beiträge verfasst haben. Am Redaktionsprozess haben Katrin Willwacher, Lisa-Marie Göndör sowie unsere beiden wissenschaftlichen Mitarbeiter Julian Enners (Siegen) und vor allem Dr. Susanne Luther (Mainz) maßgeblich mitgewirkt. Die verlegerische Betreuung hat Nadine Schwemmreiter-Vetter (Mohr Siebeck) in vorbildlicher Weise geleistet. Ihnen allen ganz herzlichen Dank!

Dass gelungener Religionsunterricht Früchte trägt, die manchmal über die eigenen Erwartungen hinausgehen, möchten wir mit unserer Widmung zum Ausdruck bringen. Als Pfarrer im Schuldienst hat Martin Schweigler einst unseren Zugang zu Bibel und Theologie am Friedrich-Ebert-Gymnasium Sandhausen maßgeblich beeinflusst. Für seinen Methodenreichtum, seine Lust am Theologisieren, seine gesellschafts- und gegenwartsbezogene Auslegung der Tradition und sein authentisches Engagement sind wir ihm zu tiefem Dank verpflichtet.

 

Siegen und Mainz, im Mai 2013 Mirjam und Ruben Zimmermann

Vorwort zur zweiten Auflage

Als Herausgeberteam haben wir uns sehr gefreut, dass innerhalb kurzer Zeit eine zweite Auflage des Handbuchs notwendig und möglich war. Verweist das doch darauf, dass das Werk neben der universitären Ausbildung auch in der Praxis nachgefragt ist und seinen Platz gefunden hat. Dieser Eindruck bestätigt sich auch durch zahlreiche fast durchgängig positive Rückmeldungen aus Universitäten, Studienseminaren, religionspädagogischen Instituten und sogar Fachschaften in Schulen.

Da der Verlag eine Überarbeitung angeboten hatte, wurden kritische Aspekte aus den breit vorliegenden Rezensionen zusammengetragen und alle Autorinnen und Autoren der ersten Auflage gebeten, nicht nur die eigenen Artikel zu überarbeiten, sondern auch Vorschläge für zu ergänzende Artikel und Revisionswünsche zu machen.

Dies führte dazu, dass wir nun tatsächlich eine vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage präsentieren können. Es wurden nicht nur Druckfehler beseitigt und neue Literatur aufgenommen, nahezu alle Artikel wurden in unterschiedlichem Umfang revidiert, ein Artikel umgestellt („Lesen Jungen und Mädchen die Bibel unterschiedlich?“ zur Rubrik „Lernende und Lesende“) und neue Artikel ergänzt. So findet man jetzt über die bisher 118 Artikel hinaus vierzehn weitere Artikel in fast allen Teilbereichen des Handbuchs: Im Fokus „Entstehungs- und Wirkungsgeschichte“ wurden Beiträge zur „Bibel in transnationaler Perspektive“ und „Kinder- und Schulbibeln“ ergänzt. Der Bereich „Themen“ wurde durch „Engel, Teufel und Dämonen“, die „Personen und Figuren“ um „Jona“ und „Ester“ erweitert. Im Fokus der „Konzepte“ kamen die „Empathische Bibeldidaktik“ und „Bibeldidaktik und religiöse Sprachbildung“ hinzu. Beiträge zu „(Vor-)Lesen“, „Auswendiglernen“, „Bibellesetagebuch“, „Standbilder“, „Arbeit mit Bibelfliesen“ sowie „künstlerisch-kreatives Arbeiten“ bereichern nun den Fokus „Methoden“. Der Bereich „Lernende und Lesende“ wurde durch „Die Bibel in der verbandlichen Jugendarbeit“ ausgeweitet.

Für die Mitarbeit bei dieser Auflage danken wir Nils Euteneuer, Friederike Heselmeier, Lara Hauzel und Britta Vaorin sehr herzlich. Die verlegerische Betreuung dieser Auflage hat Rebekka Zech (Mohr Siebeck) in vorbildlicher Weise geleistet.

Möge die Aktualisierung und das Handbuch überhaupt dazu beitragen, dass an allen Lernorten der Religionspädagogik mit dem Buch der Bücher zeitgerecht und kontextgemäß gearbeitet werden kann.

 

Siegen und Mainz, im April 2018 Mirjam und Ruben Zimmermann

Bibeldidaktik – eine Hinführung und Leseanleitung

Mirjam Zimmermann/Ruben Zimmermann

Die Bibel – ein didaktisches Buch

Die Bibeldidaktik fragt nach Lehr- und Lernprozessen mit der Bibel. Dies bedarf keiner besonderen Begründung. Wer die Bibel zur Hand nimmt und liest, wird ein Lernender werden. Er oder sie wird mit Fremdheit, Widersprüchen und Unverständnis konfrontiert, entdeckt längst Bekanntes und Vertrautes wieder, folgt zögerlich oder neugierig den Spuren einer eigenen Sprach- und Denkwelt des Gottesglaubens, wird in seiner individuellen Existenz- und Weltsicht angesprochen und herausgefordert, kurzum: Er oder sie wird in einen Prozess des Verstehens und Missverstehens, der Ermutigung und Veränderung oder eben mit anderen Worten: in einen Prozess des Lernens hineingezogen.

Die Bibel war und ist immer schon ein ‚didaktisches Buch‘: Sei es, dass in ganz materialer Hinsicht die Bibel als Lehrbuch und Lesefibel verwendet wurde, sei es, dass die Bibel mit ihren Geschichten und Gestalten zur kollektiven Lehrmeisterin wurde und prägende Spuren in der abendländischen Kulturgeschichte hinterlassen hat, sei es, dass Menschen in ihrer individuellen Suche nach Sinn und Orientierung bis heute in der Bibel Antworten finden, die Bibel somit zum Lernbegleiter wird, mit dem ‚zu leben‘ gelernt werden kann. Nehmen wir diese unterschiedlichen Ebenen des Lernens etwas genauer in den Blick.

Die Bibel lehren und lernen (Die Bibel als Bildungsgegenstand)

Die Bibel kann zunächst in einer eher bildungstheoretischen Perspektive ein Gegenstand von Lernprozessen sein. Hierbei kann man ihre Entstehungsgeschichte, die Kanonisierung, Wirkungs- und Übersetzungsgeschichte oder auch Verwendungsweise in den Blick nehmen. Dies kann allerdings kaum losgelöst von ihren Inhalten, das heißt, ihren Erzählungen und Themen geschehen. Man muss die Geschichten um David oder Johannes den Täufer erst einmal kennen, um entsprechend auch Kunstwerke wie Michelangelos ‚David‘ oder die Johannes-Darstellung in Grünewalds Isenheimer Altar in ihrer Tiefe zu verstehen. Die Josefserzählung von Thomas Mann wird ohne Kenntnis der biblischen Josefsgeschichte kaum umfassend erschlossen werden können.

Die abendländische Kulturgeschichte kann über weite Strecken als eine Rezeptionsgeschichte der Bibel betrachtet werden. Aufgabe einer Bibeldidaktik ist es hierbei, zentrale und wirkmächtige Inhalte der Bibel zu bestimmen, die zu kennen, zum Bildungsgut unserer Kultur zählt. Was muss man über die Bibel wissen, welche repräsentative Auswahl an Texten gilt es zu kennen?

Ein solcher ‚Bildungskanon im Kanon‘ wird durch Lehrpläne oder Kindergottesdienst-Strukturen immer schon gegeben, aber selten reflektiert. Durch die offene Formulierung der Bildungsstandards werden zwar einzelne Texte und Themenfelder nicht mehr en detail festgelegt, umso mehr müssen aber ein Schulcurriculum oder eine einzelne Lehrkraft Entscheidungen über die ‚basic needs‘ des Bibelunterrichts treffen.

Mit der Bibel lehren und lernen (Die Bibel als Lehrmedium)

Man kann es sich in der westlichen Industriegesellschaft kaum vorstellen, dass das Buch der Bücher auch heute noch als Lehrbuch taugt. So wird die Bibel z.B. als ‚Lesebuch‘ in Alphabetisierungskursen in Indonesien[1] eingesetzt. Die Bibel als Lehrmedium hat aber eine lange Tradition. Bildung wurde (und wird) in bestimmten Kreisen des Judentums mit dem Tora-Studium identifiziert. Auch in mittelalterlichen Lateinschulen in Europa wurde anhand der Bibel Sprachlehre von Latein und Griechisch betrieben. Beim Katechismuslernen oder dem Schulsystem der Franckeschen Stiftungen spielte die Bibel auch als Unterrichtsmedium eine zentrale Rolle. Daneben hat die Bibelübersetzung Luthers in hohem Maße die Herausbildung der deutschen Hochsprache beeinflusst. Die Bibelübersetzung wurde zum Lehrmedium der Spracherziehung. Dies gilt auch heute noch in einem weiteren Sinn, indem durch die Bibel religiöse Sprachkompetenz entwickelt, ja erst ermöglicht wird.[2] Noch grundsätzlicher gilt, dass gerade auch die mediale Verfasstheit der Bibel Lernprozesse anregt: Die Gattung ‚Parabel‘ zum Beispiel kann zum gleichnishaften Sprechen und Denken führen, die Viergestalt des Evangeliums zur pluriformen Rede von Gott ermutigen, die intertextuelle Bezugnahme des NTs auf die hebräische Bibel die Referenzialität auf Prätexte grundlegen. Wir nennen diese Entsprechung zwischen Textmerkmalen und didaktischer Umsetzung die „mimetische Bibeldidaktik“[3]. Nach Grethlein soll die Doppelgestalt des Evangeliums als „Übertragungsmedium der personalen Kommunikation und (als) Speichermedium der apersonalen Bücher“[4] auch didaktisch zur Entfaltung kommen, was etwa durch einen „kommunikative(n) Umgang mit der Bibel“[5] als personale Interaktion geschehe.

Doch auch jenseits einer eher binnenreligiösen Bildung können mit der Bibel Lernprozesse ausgelöst werden:[6] Das genaue und kritische Bibellesen hat das kritische Denken der europäischen Geistesgeschichte maßgeblich beeinflusst, wie anhand der epochalen Umbrüche von Reformation und Aufklärung unschwer nachvollziehbar ist. Auch heute bergen das „prophetisch-kritische“ sowie das „kritisch-utopische“[7] Potenzial der biblischen Texte Chancen der kritischen Wahrnehmung der bestehenden Welt, sowie der Entfaltung visionärer Gegenwelten, so dass gerade die Gegenwarts- und Zukunftsbedeutung im Lernprozess akzentuiert werden. Unzweifelhaft hat sich die wissenschaftliche Disziplin der Hermeneutik aus dem Bibelverstehen heraus entwickelt. Die Bedingungen und Möglichkeiten der Verstehenslehre wurden anhand der Bibellektüre gewonnen, man denke nur an Vorreiter der Hermeneutik wie Chladenius, Dannhauer oder Schleiermacher.[8] Entsprechend kann durch Lernen mit der Bibel ‚hermeneutische Kompetenz‘ erworben werden, die ermöglicht, „das historisch und theologisch exemplarisch Erlernte auf andere Textzeugnisse und Zusammenhänge (zu) übertragen“.[9] Die Beispiele ließen sich reichlich vermehren, wie etwa Theißen gezeigt hat, der den Beitrag der Bibel sogar umfassend „zur Erschließung der Wirklichkeit in Natur-, Sozial- und Geisteswissenschaften“[10] reflektiert. Nicht nur die Inhalte der Bibel werden somit zum Lerngegenstand, vielmehr regt die Bibel auch als Medium Lern- und Bildungsprozesse an.

Durch die Bibel lehren und lernen
(Die Bibel als Katalysator umfassenden Lernens)

„Leben zu lernen ist der Endzweck aller Auferziehung“.[11] Dieses pädagogische Grundbekenntnis Pestalozzis lässt sich ebenso auf die Bibel übertragen.[12]

In der Diktion Luthers lautet das so: Die Bibel „enthält nicht Lesewort (…), sondern eitel Lebewort (…), die nicht zum speculiren und hoch zu tichten sondern zum leben und thun dargesetzt sind“.[13] Das Lernen mit der Bibel erschöpft sich nicht in einer Zur-Kenntnisnahme von Inhalten oder einer medialen Inspiration, sondern schließt auch einen umfassenderen Lernprozess im Blick auf das Selbst- und Weltverständnis ein. Die Beschäftigung mit der Bibel kann dann im gelingenden Fall auch zur Lebensorientierung und -bewältigung im Horizont der Gotteserfahrung beitragen.[14]

Bereits das Konzept einer ‚Lebenswelthermeneutik‘ reduziert das Verstehen eines Textes nicht auf das Aufdecken einer intentio auctoris oder intentio operis, die historische oder objektivierende Distanz zwischen dem Gegenstand und dem verstehenden Subjekt schaffen. Verstehen ist nicht bloßes Decodieren eines externen Sinns. Verstehen bedeutet mit Ricœur vor allem auch „Sich verstehen vor dem Text“.[15] Auf diese Weise kann der Lernprozess mit der Bibel zur veränderten Selbst- und Weltsicht[16] sowie zu neuen Handlungsmöglichkeiten führen. Lebensbewältigung kann gemäß biblischer Anthropologie und Soziallehre aber kein einzelnes Individuum für sich allein erreichen. Der Mensch ist eingebunden in eine Gemeinschaft mit anderen. Auch die Lernprozesse mit der Bibel vollziehen sich in Gemeinschaft, im kollektiven Erinnern und Orientieren und in der gemeinschaftlichen Suche nach Sinn und Wahrheit. Dies gilt auf unterschiedlichen Ebenen, sei es in kleinen Lerngruppen wie Schulklasse oder Konfirmandengruppe, in Bibelkreisen von Gemeinde und Altenheim, aber ebenso auch auf der Ebene der Wissenschaften an der Universität. Bibeldidaktik kann so gesehen auch einen Beitrag zum „Orientierungswissen“[17] der Geisteswissenschaften leisten.

Lebensorientierung und schon gar -bewältigung schließt im Sinne der biblischen Botschaft jedoch immer schon das ‚extra nos‘ mit ein. Man kann Lebensgewinn nicht ‚machen‘ oder anerziehen. Die grundsätzliche Unverfügbarkeit von gelingenden Lernprozessen kann dann im Blick auf die Bibeldidaktik als Wirken des Heiligen Geistes oder als Geschenk von Hoffnung und Glauben im Lernprozess mit der Bibel beschrieben werden. Wenn biblisches Lernen Identitätsbildung und Lebensbewältigung ermöglicht, dann schließt das deshalb u.E. eine theologische Dimension immer schon mit ein.[18] Erst jetzt, im Prozess der aneignenden Sinnfindung, wird die Bibel zum ‚lebendigen Wort Gottes‘, das sich vom toten Buchstaben eines vergangenen Kulturguts abhebt. Gleichwohl muss dies nicht bedeuten, dass die Bibeldidaktik erst dann zum Ziel kommt, wenn die „Schüler/innen zu Christen“[19] werden. Der Lebensgewinn kann auf unterschiedlichen Ebenen und mit unterschiedlicher Reichweite und Graden an Bewusstsein einsetzen. Es ist jedoch die im engeren Sinn theologische Dimension, d.h. die ökumenische Überzeugung, dass die Bibel wirklich bleibend etwas mit Gott zu tun hat, die den Lebensgewinn des biblischen Lernens von jedem anderen Lernen mit Literatur unterscheidet.

Die drei Ebenen des biblischen Lernens hängen eng zusammen. Nehmen wir als Beispiel das Erzählen. Die großen „Meistererzählungen“[20] der Bibel von der Geschichte Gottes mit dem Volk Israel und die Jesusgeschichte ebenso wie kostbare Erzählminiaturen gilt es, zunächst als Bildungsgut kennen zu lernen und etwa mit narratologischen Methoden zu analysieren oder ihren historiographischen Wert als Erinnerungsmedien wahrzunehmen.[21] Das Medium biblischen Erzählens ermöglicht und fördert wiederum eigene Erzählkompetenz, mit der Vergangenheit erinnert und Gegenwart kommuniziert werden kann. Weil Menschen „in Geschichten verstrickt“ sind (Schapp[22]), brauchen sie Geschichten, um die Welt und sich zu verstehen. Wenn nun die „zwei Erzählwelten“ der Bibel und des Rezipienten aufeinandertreffen und miteinander in Dialog treten,[23] kann „narrative Identität“[24] entstehen, die Lebensbewältigung ermöglicht, besonders wenn die eigene Lebensgeschichte in den Horizont der biblisch vermittelten Gottesgeschichte eingezeichnet wird.

Bibeldidaktik ist simpel – Bibeldidaktik ist facettenreich

Die Aufgabe der Bibeldidaktik lässt sich zunächst sehr einfach beschreiben:

Die Bibel auf der einen Seite und der Rezipient, die Lernende, auf der anderen Seite müssen irgendwie zu einander kommen, was in der folgenden Abbildung durch eine Brücke zum Ausdruck gebracht wird (s. Abb. 1). Hinter diesen drei Aspekten leuchten allgemeine didaktische Dimensionen wie Unterrichtsgegenstand, Lernender und Methode hervor. Die Frage nach der exemplarischen Bedeutung, Gegenwartsbedeutung und Zukunftsbedeutung im Rahmen der didaktischen Analyse nach Klafki oder die Frage nach elementaren Strukturen, Erfahrungen, Zugängen usw. im Rahmen des Elementarisierungsmodells (nach Nipkow/Schweitzer) können immer als spezifisches Wechselspiel mindestens dieser drei Komponenten beschrieben werden.

Abb. 1: Bibeldidaktisches Dreieck (einfache Form)

Dieses grundlegende Dreieck der Bibeldidaktik wird breite Zustimmung finden.[25] Allerdings steckt die Tücke auch hier im Detail. So ist der Rezipient keineswegs nur ein Kind oder zugespitzt wie im Schaubild ein kleiner Junge. Vielmehr können Lesende ganz unterschiedlicher Altersgruppen (vom Kleinkind bis zum alten Menschen), Individuen und Gruppen, Menschen aus verschiedenen Milieus und mit divergierenden religiösen Sozialisationsgraden etc. unterschieden werden.[26] Die Kontexte der Rezipienten bzw. Lernenden sind ebenso vielfältig wie die jeweilige Absicht der Zuwendung zur Bibel. Neben einem kulturbeflissenen Bildungsinteresse gibt es die Verstehensbemühungen von gläubigen Menschen, die Lebenshilfe erwarten, um nur zwei Beispiele zu nennen.

Entsprechend müssen auch die ‚Kontexte‘ oder ‚Horizonte‘[27] der anderen beiden Haftpunkte im hermeneutisch-didaktischen Dreieck ausdifferenziert werden. Die Bibel gibt es nicht an und für sich. Es stellt sich schon die Frage nach der Übersetzung, ästhetischen Erscheinungsform oder medialen Performanz (z.B. als QR-Code auf dem Handy), in der die Bibel zur Darstellung kommt. Zudem ist die Bibel nicht nur ein Buch, sondern eine zweigeteilte Schrift (Altes/Erstes Testament und Neues Testament), näher betrachtet sogar eine ganze Bibliothek. Auch die Textbasis für die Übersetzung (z.B. ca. 6000 verschiedene Handschriften allein zum NT) bzw. den Kanon (z.B. Septuaginta oder Masoretischer Text) ist keineswegs eindeutig. Die Schriften des ATs und des NTs sind in heute nicht mehr für Alltagskommunikation genutzten Sprachen verfasst; um ihre Bedeutung zu verstehen, bedarf es z.B. der Kenntnisse in historischer Semantik. Sie müssen darüber hinaus in ihrem historischen Entstehungskontext betrachtet werden, was eine Zeitspanne von ca. 1000 Jahren umfasst. Ferner können die Texte in vielfältiger Weise methodisch analysiert werden, sei es als Quellen der Tradition, die z.B. hinsichtlich ihrer Überlieferungsgeschichte wahrzunehmen sind, sei es als literarische Kunstwerke, die etwa mit Methoden der Narratologie oder Metapherntheorie besser zu verstehen sind. Der Unterrichtsgegenstand ‚Bibel‘ ist also eine Welt für sich, die es entsprechend differenziert wahrzunehmen gilt.

Schließlich ist auch die Brücke selbst facettenreich. Wie kommen Bibeltext und Lernender zusammen? Wie kann der Kontakt zwischen Text und Lernenden hergestellt werden? Wie kommt es zu den das Lernen anregenden „Bewegungen zwischen Textwelt und Leserwelt“[28]? Wendet sich der Rezipient als Lesender spontan dem biblischen Text zu? Oder wird der Kontakt durch Rahmenbedingungen und Lernumgebungen, wie z.B. dem schulischen Religionsunterricht, mitbestimmt? Wird eine Vermittlungsperson (ein Lehrender) zum Brückenbauer und welche Rolle nimmt sie ein: Tritt sie als Experte auf, der historische Sachverhalte als Verstehensvoraussetzungen erläutert oder stellt sie insbesondere den Text bereit, damit die Lernenden, wie z.B. in der Kindertheologie, eigene Entdeckungen machen können? Die Brücke kann auf recht unterschiedlichen Methodenpfeilern stehen, die kognitive, emotive und affirmative Dimensionen einschließen.

Abb. 2: Bibeldidaktisches Dreieck (facettenreich)

Die Unterscheidung der drei Perspektiven darf jedoch keine Scheidung bedeuten, sondern ist eher heuristischer Art. So sind es die Rezipienten, die auf der Brücke gehen müssen, oder es ist der Text, der in seiner ästhetischen Gestalt dem Lernenden begegnet oder – theologisch gesprochen – Gottes Geist, der im Medium der Texte ansprechen und inspirieren kann. In phänomenologischer oder auch konstruktivistischer Perspektive gibt es ‚den Text‘ als ideales Objekt ohnehin nicht, vielmehr entsteht er jeweils neu im Akt der Rezeption oder kommt in der intentionalen Bezogenheit zwischen Lernendem und Gegenstand zur Darstellung. Ebenso wenig kann es einen einzigen Zielpunkt des biblischen Lernprozesses geben: Aus den „vielfältigen Sinnperspektiven eines Textes“[29] und den „komplexen, mehrperspektivischen Wirklichkeitskonstruktionen von Rezipientinnen und Rezipienten“ sowie der „Vielfalt von Vermittlungs- und Rezeptionsperspektiven“ ergibt sich ein facettenreiches Spiel an Sinnmöglichkeiten. Gegenüber einem postmodernen Wahrheitsverzicht plädieren wir jedoch dafür, dass dieses Spiel immer wieder neu im konkreten Unterrichtsgeschehen zur Endlichkeit gelangt. Es inkarniert sich gewissermaßen und bewahrt gerade so die Offenheit vor Beliebigkeit und Relativismus.[30]

Wenn wir die drei Dimensionen der Bibeldidaktik jedoch als heuristische Unterscheidungen betrachten, können sie helfen, das hermeneutische Geschehen, das sich zwischen Bibeltext und Lernendem ereignet, präziser zu erfassen. In dieser Weise wurde es dann auch richtungsweisend für die Konzeption dieses Handbuchs.

Aufbau und Anlage dieses Buches – eine Leseanleitung

Aus dem bisher Gesagten ergibt sich ungezwungen der Aufbau des folgenden Handbuchs. Bibeldidaktik soll hierbei in ihrem Facettenreichtum zur Geltung kommen, wobei fachwissenschaftliche und religionspädagogische Aspekte gleichermaßen gewichtet werden.

Bibeldidaktik wird bewusst als ein interdisziplinäres Unternehmen begriffen. Dies wird nicht nur durch die beiden Disziplinen der Herausgebenden zum Ausdruck gebracht. Neben Alt- und Neutestamentler/-innen und Religionspädagogen/-innen sind auch Kirchengeschichtler/-innen, Systematiker/-innen sowie religionspsychologisch und -soziologisch arbeitende Theologen und Theologinnen beteiligt.

Diese Offenheit mag einigen auf den ersten Blick selbstverständlich erscheinen. Sie ist es aber mit Blick auf die zurückliegende Forschung keineswegs.[31] Insbesondere die Bibelwissenschaft hat sich in der Hochphase historischer Kritik im 20. Jahrhundert als rein historische Disziplin begriffen[32] und jeden Brückenschlag in die Gegenwart als Aufgabe der Systematischen Theologie (de scriptura) oder der praktischen Theologie (insbesondere als homiletische oder religionspädagogische Applikation) betrachtet.[33] Erst durch die Rückbesinnung auf die hermeneutische Ausrichtung der Exegese[34] konnte der Rezeptionsprozess wieder als genuiner Bestandteil der Bibelwissenschaft betrachtet werden, womit zugleich die Anschlussfähigkeit für die Praktische Theologie wiedererlangt wurde.[35] Dass umgekehrt Bibeldidaktik auch unmittelbar auf Einsichten der Exegese rekurriert, die rezeptionsästhetische Dimension der Textauslegung fortschreibt, ja selbst eine applikative Form der Exegese[36] darstellt und sogar explizit auch von Exegeten betrieben wird[37], ist ebenfalls keineswegs selbstverständlich.

Die im Handbuch bewusst gewählte Vielfalt der Perspektiven und Autorinnen und Autoren bedingt auch Schwerpunktsetzungen in einzelnen Artikeln. Eine Exegetin wird eine biblische Gestalt, z.B. Jesus, anders darstellen als ein praktizierender Religionslehrer. Ein systematischer Theologe wird den Artikel zum „Heiligen Geist“ anders aufbauen als eine Religionspsychologin. Dabei war es uns in der Besetzung der Artikel wichtig, dass nicht nur die Exegetinnen und Exegeten zu biblischen Büchern und die Religionspädagoginnen und Religionspädagogen zu bibeldidaktischen Konzepten arbeiten. Vielmehr findet die Durchmischung auch bei den eher fachwissenschaftlich oder eher didaktisch orientierten Artikeln statt. Die damit in Kauf genommenen Akzentuierungen oder gar Inhomogenitäten der einzelnen Beiträge ermöglichen gerade eine wohltuende Polyphonie im Chor der Bibeldidaktikerinnen und -didaktiker. Gleichwohl haben sich alle Autorinnen und Autoren bemüht, neben fachspezifischen Aspekten auch explizit religionsdidaktische Fragestellungen zur Darstellung zu bringen. Bei dieser Doppelpoligkeit zwischen Fachwissenschaft und Fachdidaktik wird versucht, in den Rahmenbedingungen der gebotenen Kürze doch den aktuellen Diskurs in der jeweiligen Disziplin widerzuspiegeln. Insbesondere Studierende sollen somit auch in die Lage versetzt werden, sich auf knappstem Raum über ein Thema zu informieren.

Der idealtypische Aufbau eines Artikels sieht einen einleitenden Abschnitt vor, der zunächst die Relevanzfrage stellt, dann werden fachwissenschaftliche oder auch forschungsgeschichtliche Aspekte beigetragen. Diese münden in fachdidaktisch-methodische Fragestellungen und Anregungen. Ein kleines Literaturverzeichnis schließt den Artikel ab, das ebenfalls eine Mischung aus maßgeblichen und aktuellen Werken der Fachwissenschaft sowie Anregungen für die Unterrichtspraxis bereitstellt. Dieses steht nicht allein in der Verantwortung der Autorinnen und Autoren.

Abb. 3: Struktur des Handbuchs (schematisch)

Im Aufbau des Buches werden einzelne Aspekte des bibeldidaktischen Dreiecks näher in den Blick genommen, so dass sieben Fokussierungen entstehen. Auch hier ist die Zuordnung einzelner Artikel zu bestimmten Bereichen keineswegs absolut zu setzen. So hätte z.B. der Artikel „Opfer, Kult und Fest im Judentum“ auch zu den ‚Inhalten‘ gerechnet werden können, während die Jesusfrage so sehr mit forschungsgeschichtlichen Rahmenbedingungen verknüpft ist, dass man eine Zuordnung des Artikels „Jesus“ zu ‚Geschichte‘ (statt wie jetzt zu ‚Figuren‘) problemlos hätte begründen können. „Hiob“ kann als Buch/Text bzw. wegen des Themas (Leidfrage) unter dem Fokus ‚Inhalte‘ oder auch ‚Gestalt‘ eingeordnet werden. Die Kapitelüberschrift „Im Fokus“ soll deutlich machen, dass jedes Kapitel eine spezielle Perspektive wählt und somit einen Aspekt der Bibeldidaktik in den Vordergrund rückt. Zugleich hält die visuelle Metapher der Fokussierung das Bewusstsein dafür wach, dass es immer nur um eine ‚Perspektive‘, einen ‚Point of view‘ geht, der weder den Anspruch auf Alleingeltung erlangen, noch die anderen Perspektiven aus dem Blick verlieren darf. Ein jeder Schwerpunkt bleibt Teil des Ganzen der Bibeldidaktik (vgl. die Anordnung im Kreis, s. Abb. 3).

Zu 1. Im Fokus: Geschichte (Entstehungs- und Wirkungsgeschichte)

Die Bibel ist ein geschichtliches Buch. Sie kann nur als Zeitdokument einer fremden Sprache und Kultur angemessen verstanden werden.[38] Seit der Phase des ‚hermeneutischen RUs‘ versucht man, entsprechend den historischen Kontext der biblischen Texte auch zum Untersuchungsgegenstand zu machen. Der „altorientalische Hintergrund“ der biblischen Schöpfungserzählungen mit Verweis auf parallele Schöpfungsmythen zählt etwa ebenso zum Standardprogramm des Religionsunterrichts wie die „Zeit und Umwelt Jesu“, bei der z.B. die verschiedenen religiösen Gruppen (Pharisäer, Sadduzäer, Essener etc.) oder Realia zu Handwerk und Ackerbau vermittelt werden. Im Abschnitt ‚Geschichte‘ sollen diese Aspekte benannt und didaktisch reflektiert werden. So werden die Rolle der altorientalischen, frühjüdischen und griechisch-römischen Kontexte für die Bibeldidaktik ebenso wie archäologische und sozialgeschichtliche Themen dargestellt. Daneben gibt es einige exemplarische Vertiefungen, wie z.B. „Jerusalem“ oder „Feste im Judentum“.

Die biblische Überlieferung hat jedoch selbst ihre Geschichte. Dies beginnt bei der Tradierung einzelner Texte und Textgruppen bis hin zur Kanonbildung, geht jedoch in der Rezeptionsgeschichte des Kanons weiter, wobei Bibelausgaben und -übersetzungen hier die größte unterrichtliche Relevanz erlangen.

Zu 2. Im Fokus: Inhalte (Texte und Themen)

Auch unabhängig von Entstehungs- und Wirkungsgeschichte sprechen die biblischen Texte für sich. Sie sind eben nicht nur Quellen für historische Ereignisse, sondern können auch in ihrem Eigenwert als Texte wahrgenommen werden. Der Fokus ‚Inhalte‘ vereint zwei komplementäre Aspekte: Zum einen werden ganze biblische Bücher (z.B. das Matthäusevangelium als Ganzschrift)[39] sowie auch markante Textabschnitte (z.B. die Bergpredigt) in den Blick genommen. Zum anderen werden Themen fokussiert, die im Sinne einer ‚biblischen Theologie‘ schrift- und sogar testamentsübergreifend wahrgenommen werden. Hierbei kommen klassische Loci (z.B. Schöpfung), aber auch eigene Themenfelder (z.B. Liebe/Sexualität) vor. Im Sinne der Wiedererkennbarkeit werden in den Überschriften die bekannten und auch in Bildungsplänen verwandten Leitbegriffe verwendet, die sich inhaltlich auch weitgehend mit den so genannten „Grundbescheiden“[40] (Berg) oder „Grundmotiven biblischen Glaubens“[41] (Theißen) decken.

Trotz der Bemühungen, im Handbuch möglichst umfassend die Themenfelder auszudifferenzieren, bleibt die konkrete Auswahl selektiv. Ein maßgebliches Kriterium war hierbei immer auch der Lehrplanbezug. Welche Texte und biblischen Themen spielen in den Lehrplänen unterschiedlicher Bundesländer eine Rolle, welche eher nicht? Darüber hinaus wurden einzelne Themen hinzugenommen, die im gegenwärtigen bibeldidaktischen Diskurs eine gewisse Aufmerksamkeit erlangen (z.B. das Johannesevangelium im RU), auch wenn sich dies noch nicht in den Lehrplänen bzw. Bildungsstandards widerspiegelt. Schließlich sind Themen anzutreffen, die innerhalb der gegenwärtigen Bibelwissenschaft (z.B. Reich Gottes) oder im Laufe der Theologiegeschichte (z.B. Rechtfertigung) zentrale Bedeutung erlangt haben.

Die Anordnung folgt in lockerer Weise einem kanonischen bzw. Credo-orientierten Raster, weshalb Schöpfung am Anfang und die Apokalypse bzw. Eschatologie am Ende stehen.

Zu 3. Im Fokus: Gestalten (Personen und Figuren)

Biblische Gestalten haben seit jeher eine besondere Anziehung und Wirkung entfaltet. Dies gilt auch für die Didaktik. Im Bibelunterricht zu ‚David‘ sind nicht die frühe Eisenzeit oder die Samuel- bzw. Königebücher in den Blick genommen worden, sondern die Gestalt des David in ihren Beziehungskonstellationen (z.B. Saul – David; Jonathan – David) und als Glaubensvorbild. Während sich die Bibelwissenschaft in der Hochphase historischer Kritik häufig an der Referenzialität der erzählten Gestalten zu historischen Personen abgearbeitet hatte, hat besonders die neuere Hinwendung zur Narratologie einen Perspektivenwechsel erbracht. Die biblischen Gestalten werden nun auch als Erzählfiguren gewürdigt und mit dem Methodenarsenal der narratologischen Figurenanalyse präzise beschrieben.[42]dass sie sich auf konkrete geschichtliche Personen beziehen. Sie entfernt sich aber häufig deutlich vom Text (z.B. beim ‚Lieblingsjünger im JohEv‘) und versteigt sich in ein Hypothesengebäude, während genaue Textbeobachtungen die Rolle und Funktion einer Figur in der Erzählung herausarbeiten. Besonders die rezeptionsästhetisch-kognitivistischen Ansätze der Erzähltheorie beziehen hierbei auch den Lesenden konstitutiv mit ein. Eine Erzählfigur kann hierbei als „mentales Modell“ betrachtet werden, das insbesondere im Vorgang der Rezeption entsteht. Ein Lesender vernetzt und ergänzt die Figureninformation im konkreten Text hierbei mit seinem Wissen über die erzählte Welt.

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religionspädagogischen Konzepte[45]RUbibeldidaktische KonzepteDidaktik“. Auch in diesem Abschnitt wird ein übergreifender Artikel (→ Art. Entwicklung der Bibeldidaktik) einführen, bevor dann die Bibeldidaktiken in je unterschiedlichen religionspädagogischen Gesamtentwürfen bzw. explizit bibeldidaktischen Konzepten vorgestellt werden. Neben Klassikern wie der „Symboldidaktik“ oder der „Korrelationsdidaktik“ werden auch spezifischere Zugänge wie z.B. „Konstruktivistische Didaktik“ aufgenommen. Auch hier wird wiederum die Durchlässigkeit der Fokussierungen deutlich, denn man hätte z.B. „Bibliodrama“ durchaus auch als ‚Konzept‘ verorten können, während es hier angesichts der eingeschränkten Verwendbarkeit im schulischen Kontext (ohne therapeutischen Anspruch) unter ‚Methoden‘ aufgenommen wird.

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Bei der Anordnung der unterschiedlichen Methoden gilt das grobe Raster, dass nach einer kurzen Orientierung über fachwissenschaftliche Interpretationsmethoden (diachron und synchron) zunächst diejenigen Methoden mit größerer Textgebundenheit benannt werden. Die Methoden des Nacherzählens oder kreativen Nachschreibens nehmen die Medialität und Sprachform des biblischen Textes selbst auf und setzen sie aneignend um. Im Folgenden verschiebt sich das Barometer immer weiter in Richtung des/der Rezipierenden, dessen/deren Person, z.B. in Gestalt eines Standbilds, selbst einbezogen wird oder in Richtung medialer Artefakte und Räume inszenierend interpretiert wird. Medienbasierte Methoden können wiederum zwischen klassischen Zeugnissen der Kulturgeschichte (z.B. Kunst), modernen Medien (z.B. Computer) oder auch einfachen handlungsorientierten Materialien (z.B. Bodenbilder) ausdifferenziert werden. Schließlich wird der Bibelunterricht in einem weiteren und komplexeren Raum (z.B. Kinderbibelwoche, Bibeldorf) reflektiert.

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619[47]

7

[48]rezipientenorientierten Diskursen (z.B. Genderfragen) oder bei der Wirkungsgeschichte einzelner Textbereiche (z.B. Antisemitismus) nehmen.

Abkürzungen – Literaturangaben

Die im Buch verwendeten Abkürzungen richten sich nach dem Abkürzungsverzeichnis von RGG, 4. Auflage.[49] Gängige theologische Lexika (z.B. TRE) werden nur mit der Abkürzung zitiert und können über das genannte Verzeichnis aufgelöst werden.

Die Literatur am Ende eines Artikels ist als ‚Leseempfehlung‘ zur Vertiefung gedacht. Die im konkreten Artikel verwendete Literatur wird in der ersten Verweisfußnote vollständig und im Folgenden abgekürzt mit Autorenname und Jahreszahl angeführt. Wenn auf einzelne Titel, die bei den Literaturempfehlungen genannt werden, schon im vorgängigen Text verwiesen wird, wird ebenfalls abgekürzt bibliographiert, da die vollständige Angabe dann aus dem Verzeichnis am Ende des Artikels zu entnehmen ist. Für die Literaturauswahl unter Leseempfehlungen zeichnen nicht die Autorinnen und Autoren der Artikel, sondern die Herausgebenden verantwortlich.

Wir haben im Sinne breiterer Rezipierbarkeit auf die Verwendung von hebräischen und griechischen Typen verzichtet. Wenn originalsprachliche Wörter genannt werden, dann gilt die folgende Umschrifttabelle:

25

19914).

1993

1994

19964).

FS1999

701999

TLL22001

2001

2003

RUII2003

2003

2003

FS652004

320051; durchges. Aufl. 2010

320051).

PTH642005

ARP262005

1220042006

PTH802006

62006

2006

320062).

2 (. Aufl. beim Comenius Institut Münster).

2007

JRP232007

PT12007

ARP342008

2009

2009

2009

2009

2011

15102012

2012

2012

52012

2012

92012

2013

232013

2015

2015

2015

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