Melanies Fünfzigster ist ein rauschendes Fest. Sie lässt sich feiern, der Champagner fließt in Strömen, ein Flirt liegt in der Luft. Doch dann wendet sich das Blatt. Ihre Mutter, zu der sie nie ein gutes Verhältnis hatte, braucht ihre Hilfe, sie ist alt geworden. Ihre erwachsene Tochter, die nie so werden wollte wie Mel selbst, ist gerne Hausfrau und will auf keinen Fall Karriere machen. Ja, und die Männer. Der Flirt, ein Kollege, redet im Büro schlecht über sie. Mels Chef fördert eine jüngere Kollegin. Ihr Exmann wird Vater, bekommt mit seiner neuen Frau ein Kind. Das Kind, das er mit ihr nie wollte. Mel hat in ihrem Leben alles richtig gemacht. Bis auf die Dinge, die kolossal schiefgelaufen sind. Und heute ist sie nur noch wütend. Ein Buch über die Fallstricke der Emanzipation und den Fluch, alles zum ersten Mal zu machen.
»Endlich ein wirklich fundiertes Buch darüber, dass man besser keine Frau sein sollte, die im Medienbereich arbeitet.« JOSEF HADER
»Gefälligkeit ist ein Gefängnis aus dem wir Frauen uns befreien müssen. Melanie ist nicht gefällig. Sie ist unbequem. Wir brauchen mehr unbequeme Frauen.« MARIA FURTWÄNGLER
Roman
Ullstein
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ISBN 978-3-8437-2561-3
© 2021 by Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin
Umschlaggestaltung: Sabine Wimmer, Berlin
Umschlagmotiv: Seta Manoukian »The North Wind or Composition«, Sursock Museum, Beirut
Autorenfoto: © Annette Hauschild, Ostkreuz
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Für Benjamin
Ich kann nicht einfach in einen Shakespeare-Monolog wechseln, der jede Stimmung, jedes Motiv erklärt. So läuft das einfach nicht. Ein letzter Blick durchs Schlafzimmerfenster, ich versuche, ein Gefühl zu finden. Aber da ist nur Leere. Die Ironie eines Lebens als Autorin – im letzten Moment habe ich Ladehemmungen, ich werde ohne Schlüsselsatz gehen. Das Wasser in der Badewanne ist dampfend heiß, die Luft ist schwer, die Fenster beschlagen. Zwanzig Dikaliumclorazepat, in Folie gepackt, die Pillen mit einem Glasboden zerstoßen, in einen Joghurt gerührt. Dazu fünf Tavor, drei von den gelben. Selbes Prozedere. Dann in die Wanne. Zum Stichwort Freitod spuckt Google kein Wikihow aus. Selbstmord bleibt ein selbstoptimierungsfreier Raum. Deshalb ist wahre Recherche gefragt. Das Ergebnis: Ich nehme Tabletten und lasse elektrische Geräte weg. Mit dem Föhn soll es ein schmerzhafter Tod sein. Längeres Kammerflimmern, heftige Verkrampfungen. Beim Nachbarn springt die Sicherung raus. Deshalb Tabletten, in die Badewanne, langsam einschlafen.
Mein rechter Fuß durchbricht die Oberfläche, ich sinke langsam ins Wasser. Es brennt überall auf meiner Haut, aber das ist mir egal. Ich möchte in einem schönen Bronzeton aus der Welt scheiden, die Haare noch schnell hochgesteckt, meine kostbaren Diamantohrringe angelegt. Meine Unterarme liegen auf dem Rand der Badewanne, mein schlichter goldener Cartier-Armreif passt zu den smaragdgrünen italienischen Fliesen. Langsam lasse ich beide Hände tief ins Wasser gleiten. Instant-Entspannung setzt ein. Ich schließe die Augen. Im Badezimmer schneit es, ich spüre, wie sich Schneeflöckchen auf meine Haare und Lippen legen. Mein Badezimmer ist ebenerdig, ein Reh schaut durch das Fenster – das müssen die Tabletten sein. Ich denke an Mona, an Louis’ rotes Dreirad, das umgekippt im Garten liegt, an Laurent, sein zuversichtliches Lächeln, als er Monas Hand auf dem Standesamt hält. Laurent, Druckerschwärze an den Fingerkuppen, Buchpreise, Tanzen, Jazzmusik. Die Wohnung war nach der Scheidung Zufluchtsort, Garten Eden, Museum, Boudoir, Prinzessinnenbad. Sie bleibt mit meiner Tochter und mir für alle Ewigkeit verbunden. Sie ist die Essenz unseres gemeinsamen Lebens, ihres Aufwachsens. Die Schneckenhäuser, die Mona angemalt hat, die Glasperlenketten, alle Milchzähne, jedes Filzstiftbild, alles habe ich aufgehoben und nach der Trennung aus unserem großen Apartment hierhergebracht. Aber das alte Wohnen war zu überdimensioniert, vollgefrachtet von Ansprüchen, die es nun abzulegen galt. Die Eckcouch fand keine Nische, die Waschmaschine steht wie ein riesiger Fremdkörper in diesem kleinen Bad, bis heute schließt die Tür nicht richtig. Anfangs lag ich auf einer aufblasbaren Matratze zwischen Küche und Wohnzimmer im Flur und sah in der Dämmerung der Basilikumtopfpflanze beim Vertrocknen zu. Irgendwann kaufte ich mir dann ein Pressholzbett bei Ikea. Das Bild, wie Laurent noch die letzte Kiste Brunello di Montalcino auf den Vordersitz seines Smarts stellt, verfolgt mich bis heute. Ich habe Jahre gebraucht, bis ich verstanden habe, dass ich nie wieder richtig glücklich sein würde. Seitdem durfte sich jeder in mein Nichts stürzen, sie wussten, dass ich es zulassen würde. Aber das ist jetzt unwichtig. Ich spüre bleierne Müdigkeit. Die Synästhesie setzt ein. Aus Monas altem babyblauem Sony-Gettoblaster, der direkt neben der Badewanne auf einem kleinen Hocker steht, schallt »Goodbye Yellow Brick Road«. Aber bald wird es still sein.