[1] Anmerkung des Übersetzers: Falls ein im Text erwähntes Buch in deutscher Ausgabe vorliegt, enthält das Literaturverzeichnis am Ende des Buches die entsprechenden bibliografischen Angaben.
[2] Anmerkung des Übersetzers: Mit der britischen Redewendung von der „steifen Oberlippe“ ist ein – zumeist der Upperclass angehörender – Mensch gemeint, der sich von Widrigkeiten nicht aus der Fassung bringen lässt und kaum Emotionen zeigt.
Michael Argyle
Körpersprache & Kommunikation
Nonverbaler Ausdruck und Soziale Interaktion
10. überarbeitete Neuauflage
Copyright der deutschen Ausgabe: © Junfermann Verlag, Paderborn 2013
Copyright © der Originalausgabe: © Michael Argyle, 1975, 1988
Übersetzung: Karsten Petersen, Hamburg (www.translibri.com)
Coverfoto: © fotum – Fotolia.com
Covergestaltung / Reihenentwurf: Christian Tschepp
Satz: Peter Marwitz, Kiel (etherial.de)
Digitalisierung: JUNFERMANN Druck & Service, Paderborn
Alle Rechte vorbehalten.
Erscheinungsdatum dieser eBook-Ausgabe: 2013
ISBN der Printausgabe ISBN 978-3-87387-843-3
ISBN dieses eBooks: ISBN 978-3-87387-874-7
Die erste Auflage dieses Buches wurde 1975 veröffentlicht. Seither ist mehr Forschungsarbeit zum Thema geleistet worden als in der gesamten Zeit vor 1975, und die nonverbale Kommunikation hat sich als zentrales Forschungsgebiet der Sozialpsychologie sowie als Thema von großer wissenschaftlicher und praktischer Bedeutung etabliert.
Ich habe versucht, eine flüssig lesbare Darstellung der Forschungsliteratur zu verfassen, die sowohl wissenschaftlich fundiert als auch allgemein verständlich ist – wissenschaftlich fundiert insofern, als dass sämtliche Behauptungen auf solider Forschungsarbeit beruhen, und allgemein verständlich, da sie sowohl für Studenten als auch für Laien zugänglich und interessant sein will. Dieses Buch unterscheidet sich in mehreren Aspekten von anderen Büchern zum Thema. Es behandelt die verschiedenen nonverbalen Kommunikationskanäle separat, darunter auch die äußere Erscheinung. Es befasst sich mit den verschiedenen Funktionen körperlicher Kommunikation. Es behandelt sowohl Theorien als auch empirische Ergebnisse und zeigt, auf welche Weise körperliche Kommunikation eine zentrale Rolle bei der Entstehung von sozialem Verhalten spielt. Die Analyse von sozialem Verhalten auf dieser Ebene hat gewissermaßen die Sozialpsychologie um eine neue Perspektive erweitert. Dieses Buch untersucht darüber hinaus die wichtigsten praktischen Anwendungen nonverbaler Kommunikation, von Therapieverfahren für psychisch Kranke bis hin zur Optimierung der Redekunst von Politikern.
Die frühesten Forschungen zum Thema bezogen sich auf Gesichtsausdruck und Emotionen. In den späten 1950er-Jahren wuchs jedoch das Interesse an etlichen anderen Forschungsgebieten, zum Beispiel an Gestik und Parasprache. Sozialpsychologen und Ethologen (Tierverhaltensforscher) begannen, die Ähnlichkeiten zwischen menschlicher und tierischer Kommunikation zu erkennen, und Anthropologen befassten sich mit kulturbedingten Verhaltensunterschieden. Es hat erhebliche Meinungsverschiedenheiten über geeignete Forschungsverfahren gegeben, zwischen verhaltensorientierten, linguistischen und sogar psychoanalytischen Ansätzen; allerdings scheint sich inzwischen eine allgemein akzeptierte Auffassung durchzusetzen.
Der erste internationale Kongress zum Thema nonverbale Kommunikation fand in Oxford statt und wurde 1967 vom Autor zusammen mit Ralph Exline organisiert.
Aus Gründen, die nicht völlig klar sind, hat es eine Welle öffentlichen Interesses an diesem Thema gegeben, und es wird ständig in Fernseh- und Zeitschriftenbeiträgen darüber berichtet. Etliche populärwissenschaftliche Bücher betonten die Unterschiede zwischen Mensch und Affe, zum Beispiel The Naked Ape (Morris, 1968)[1]. Einige Autoren haben berichtet, NVK könne eingesetzt werden, um verborgene Informationen über andere Menschen herauszufinden (zum Beispiel Fast, 1970). Viele der neuen Therapien für normale Menschen, die sich von Kalifornien aus verbreitet haben – Rolfing, Encounter-Gruppen und andere mehr – machten sich in der einen oder anderen Form nonverbale Methoden zunutze.
Für die Denkansätze und Forschungen, über die dieses Buch berichtet, stehe ich in der Schuld zahlreicher Menschen. Einige der frühen Forscher haben ihre Arbeit kontinuierlich fortgesetzt, zum Beispiel Adam Kendon, Ralph Exline, Paul Ekman, Robert Hinde und Robert Rosenthal. Neue Koryphäen erschienen auf der Bildfläche, unter ihnen Ross Buck, Judith Hall, Miles Patterson, Klaus Scherer, Howard Rosenfeld und Miron Zuckerman und in Großbritannien Geoffrey Beattie, Peter Bull und Derek Rutter. Zahlreiche Mitglieder der Forschungsgruppe Sozialpsychologie an der Oxford University haben mir sehr geholfen, vor allem Peter Collett, David Clarke, Mansur Lalljee, Catherine Peng und Efrat Tseëlon. Inzwischen hatten wir 46 Promotionen im Bereich Sozialpsychologie, eine ganze Reihe davon zum Thema nonverbale Kommunikation, und sämtliche Doktoranden sind dem Economic and Social Research Council („Beirat für wirtschaftswissenschaftliche und soziale Forschung“) überaus dankbar, dass er uns beharrlich so lange Jahre unterstützt hat. Darüber hinaus bin ich den Mitarbeitern der Radcliffe Science Library und der Bibliotheken der University of Kansas, USA, und der Flinders University, South Australia, außerordentlich dankbar für ihre Hilfe und Informationen. Und schließlich möchte ich Ann McKendry danken, die wieder einmal hervorragende Arbeit beim Tippen des Manuskripts geleistet hat.
Weihnachten 1986
Michael Argyle
Fachbereich experimentelle Psychologie
Oxford University
Körperliche oder nonverbale Kommunikation (NVK) spielt eine zentrale Rolle im Sozialverhalten des Menschen. Neuere Forschungen von Sozialpsychologen und Wissenschaftlern anderer Disziplinen haben gezeigt, dass solche Signale eine wichtigere Rolle spielen und komplexer funktionieren, als bislang angenommen wurde. Wenn wir das menschliche Sozialverhalten verstehen wollen, müssen wir dieses nonverbale System enträtseln.
Immerhin wissen wir, woraus solche nonverbalen Signale bestehen:
Jede dieser Ausdrucksformen kann in etliche weitere Variablen unterteilt werden, zum Beispiel in unterschiedliche Aspekte des Blickverhaltens – Blickkontakt beim Zuhören oder Sprechen, die Länge von Blicken, wie weit die Augen geöffnet sind, Pupillenerweiterung etc. Es ist ausschließlich die Aufgabe empirischer Forschungsarbeit, herauszufinden, ob solche Variablen eine Wirkung haben – und gegebenenfalls welche. So ist zum Beispiel ein Kopfnicken sehr wichtig, Fußbewegungen sind es dagegen nicht. Wir werden später detailliert beschreiben, wie jede Art von Signal wirkt.
Tatsächlich funktioniert jeder dieser Kommunikationskanäle auf sehr typische Weise, und über jeden ist eine völlig andere Geschichte zu erzählen. Das Blickverhalten ist eher Kanal denn Signal; die Mimik ist am stärksten angeboren; die Gestik unterscheidet sich erheblich von einer Kultur zur anderen; Berührungen sind in vielen Fällen tabu; die Kleidung unterliegt am stärksten modischen Schwankungen und so weiter. Und solche körperlichen Signale sind häufig ziemlich unauffällig, subtil und unbewusst, was sie noch interessanter macht. Die richtige Anwendung von NVK ist ein wesentlicher Bestandteil sozialer Kompetenz und bestimmter sozialer Fertigkeiten; psychisch Kranke sind meistens in diesem Bereich beeinträchtigt.
Die Ergebnisse dieser Untersuchung erstrecken sich weit über die Domäne der Sozialpsychologie hinaus; darüber hinaus haben sie ziemlich massive Auswirkungen auf andere Wissensgebiete, die sich mit menschlichem Verhalten befassen – zum Beispiel Linguistik, Philosophie, Politik und Theologie, um nur einige zu nennen. Der springende Punkt, der hier zur Diskussion gestellt werden soll, ist, dass der Sprache bisher zu viel Bedeutung beigemessen wurde; wir werden zeigen, dass Sprache in hohem Maße von NVK abhängig und eng mit ihr verflochten ist, und dass es vieles gibt, was sich nicht adäquat mit Worten ausdrücken lässt. Außerdem ergeben sich ganz praktische Konsequenzen in vielen Lebensbereichen – so zum Beispiel in der Behandlung von psychisch Kranken, im Bildungswesen, bei der Konzeption von Kommunikationssystemen, in den Beziehungen zwischen verschiedenen Rassen und in der internationalen Politik.
Nonverbale oder körperliche Kommunikation findet immer dann statt, wenn ein Mensch einen anderen mithilfe seines Gesichtsausdrucks, seines Tonfalls oder über einen der anderen oben aufgeführten Kanäle beeinflusst. Das kann absichtlich geschehen oder unabsichtlich; im letzteren Fall können wir von nonverbalem Verhalten (NVV) sprechen oder, in manchen Fällen, vom Ausdruck von Emotion und Ähnlichem mehr. Das grundlegende Modell sieht folgendermaßen aus:
A encodiert seinen Zustand, zum Beispiel eine Emotion, zu einem NV-Signal, das von B decodiert werden kann, allerdings nicht unbedingt in zutreffender Weise. Hier gibt es eine Reihe von Möglichkeiten:
Davon abgesehen sind viele NV-Signale Teil eines rapiden Stroms von sowohl verbalen als auch nonverbalen Signalen, und meist findet Kommunikation in beiden Richtungen statt. Dennoch ist das Modell von Encodierung und Decodierung durchaus nützlich und versetzt uns in die Lage, Forschungen über Encodierung und Decodierung getrennt zu betrachten.
Der Unterschied zwischen verbalen und nonverbalen Signalen
Verbales Verhalten manifestiert sich normalerweise in Form von Sprechen, aber manchmal auch durch Schreiben oder durch Gesten, die für Buchstaben oder Wörter stehen. Allerdings wird Sprechen von einer komplexen Vielfalt nonverbaler Signale begleitet, die Veranschaulichungen und Rückmeldungen liefern und bei der Synchronisierung helfen. Manche von ihnen sind eigentlich ein Teil der verbalen Botschaft selbst – vor allem die prosodischen Signale wie Timing, Tonhöhe und Betonung. Andere nonverbale Signale sind dagegen unabhängig vom Inhalt des Gesagten, etwa die paralinguistischen Signale, beispielsweise der emotionale Tonfall. Allerdings werden nonverbale Signale häufig durch verbale Chiffren beeinflusst; so können beispielsweise symbolische Handlungen oder Objekte, die in Ritualen angewandt werden, einen Namen oder eine bestimmte Bedeutung haben, und nonverbale Verhaltensmuster, zum Beispiel Verhaltensstile wie „Charme“, „Würde“ oder „Präsenz“, können verbalen Kategorien zugeordnet werden. Andererseits stellen manche nonverbalen Signale bestimmte Emotionen, Einstellungen oder Erfahrungen dar, die nicht so leicht in Worte zu fassen sind. Und schließlich, wie bereits erwähnt, entspricht der Unterschied zwischen verbal und nonverbal nicht demjenigen zwischen stimmhaft und nichtstimmhaft, da es Handbewegungen gibt, die für Wörter stehen, und stimmhafte Äußerungen, bei denen das nicht der Fall ist.
Der Unterschied zwischen Kommunikation und unabsichtlichen Signalen
Wenn ein Mann bei einer Versteigerung seinen Katalog hebt, um zu bieten, sendet er damit bewusst eine Botschaft an den Auktionator. Er verwendet einen gemeinsamen Code, und der Auktionator nimmt ihn ganz richtig als jemanden wahr, der ihm eine bestimmte Botschaft senden will. Es liegt auf der Hand, dass es etwas anderes ist, wenn ein Tier oder ein Mensch in einem bestimmten emotionalen Zustand sichtbare Zeichen seiner Emotion zeigt, etwa durch Zittern oder Transpirieren, die dann von anderen wahrgenommen werden; hierbei handelt es sich um ein beobachtetes Zeichen, dem aber nicht die Absicht zugrunde liegt, etwas zu kommunizieren. Für Kommunikation im eigentlichen Sinne gibt es zielgerichtete Signale, während es sich bei einem Zeichen ganz einfach um eine Verhaltens- oder physiologische Reaktion handelt. Kommunikation geht mit dem Bewusstsein einher, dass der andere ein Wesen ist, das den verwendeten Code versteht.
Leider ist es sehr schwierig zu entscheiden, ob mit einem bestimmten nonverbalen Signal beabsichtigt wird, etwas zu kommunizieren oder nicht. Wie wir sehen werden, gibt es Fälle, in denen die Kommunikation zwar ein Motiv hat, aber ohne bewusste Absicht stattfindet. Ein Entscheidungskriterium ist, ob das Signal aufgrund der Umstände modifiziert wird (wenn zum Beispiel telefoniert wird, anstatt mit Sichtkontakt zu kommunizieren), oder ob das Signal wiederholt wird, wenn es keine Wirkung erzielt. Ein weiteres Kriterium ist, ob der Sender sein Signal verändert oder nicht, um beim Empfänger die gewünschte Reaktion zu bewirken (Wiener et al., 1972).
Allerdings sind nonverbale Signale in vielen Fällen eine Kombination aus beidem. So bestehen zum Beispiel durch Mimik ausgedrückte Emotionen einesteils aus spontan ausgedrückter Emotion (also NVV), anderenteils aber auch aus Versuchen, solche Emotionen zu kontrollieren, gesellschaftlichen Konventionen zu entsprechen oder die wahre Emotion zu verheimlichen (NVK). Man könnte argumentieren, die spontane Äußerung von Emotionen sei Teil eines übergeordneten Kommunikationssystems, das sich entwickelt hat, um das soziale Leben zu erleichtern; also werden wir das alles als nonverbale oder körperliche Kommunikation bezeichnen.
Bewusste und unbewusste Äußerungen
Inwieweit ist man sich dessen bewusst, dass man solche Signale aussendet und empfängt? Ein Mensch kann einen anderen erfolgreich mithilfe nonverbaler Signale dominieren – zum Beispiel indem er aufrecht steht, die Hände in die Hüften stützt, laut spricht und nicht lächelt. Jemand könnte zeigen, dass er einen Satz beendet hat, indem er aufschaut und seine Hand wieder ruhen lässt, oder er kann zeigen, dass er weiterreden will, indem er die Hand mitten in einer Geste verharren lässt. Normalerweise sind sich die Beteiligten in keinem dieser Fälle der eingesetzten Signale oder deren Bedeutung bewusst. Wahrscheinlich sind dies allesamt Fälle von Kommunikation, aber auf beiden Seiten unbewusst. Wir werden auf die besonderen Eigenschaften von bewusst kontrolliertem Verhalten später noch ausführlich eingehen.
Ähnliche Überlegungen gelten für die Wahrnehmung von Zeichen: Ein Mädchen fühlt sich zu einem jungen Mann hingezogen – also weiten sich seine Pupillen, was ein Signal ist, das wiederum ihn anzieht, obwohl er sich nicht darüber im Klaren ist, dass es gerade dieses Signal ist, das so auf ihn wirkt. Ein Großteil der Kommunikation zwischen Tieren scheint so zu funktionieren: Ein Tier reagiert auf eine Situation, und diese Reaktion löst wiederum Reaktionen bei anderen Tieren aus. Obwohl solche Signale in den meisten Fällen nicht zielgerichtet zu sein scheinen, kann man argumentieren, dass sie das Ergebnis eines zielgerichteten Evolutionsprozesses sind, der dieses Signalsystem hervorgebracht hat.
Auch hier handelt es sich bei der Unterscheidung zwischen bewusst und unbewusst um einen graduellen Unterschied, und es kann dabei Zwischenstufen von Bewusstheit geben. So könnte zum Beispiel jemand seinen sozialen Status erfolgreich durch seine Kleidung mitteilen, dabei jedoch verbal diese Kleidung lediglich als „schön“ oder „angebracht“ klassifizieren. Andere Fälle von unbewusster Kommunikation sind bei primitiven Ritualen zu beobachten und haben eine machtvolle emotive (Emotionen auslösende) und möglicherweise therapeutische Wirkung, ohne dass sich die Beteiligten der jeweiligen Symbolik bewusst wären.
Wir können verschiedene Manifestationen von Kommunikation danach einteilen, inwieweit sich Sender und Empfänger eines Signals bewusst sind, und zwar folgendermaßen:
Sender |
Empfänger |
|
bewusst |
bewusst |
verbale Äußerungen, manche Gesten, zum Beispiel auf etwas zeigen |
weitgehend unbewusst |
weitgehend bewusst |
die meisten Fälle von NVK |
unbewusst |
unbewusst, aber mit Wirkung |
Pupillenerweiterung, Veränderungen der Blickrichtung und andere nonverbale Signale |
bewusst |
unbewusst |
der Sender ist geübt, zum Beispiel im Einsatz räumlichen Verhaltens |
unbewusst |
bewusst |
der Empfänger ist geübt, zum Beispiel in der Deutung verschiedener Körperhaltungen |
Tabelle 1.1: Bewusste und unbewusste Signale
Manche Psychoanalytiker haben behauptet, dass unbewusste Impulse in den Haltungen und Gesten von Patienten erkennbar seien. Einige populärwissenschaftliche Bücher haben zum Beispiel erklärt, wie man die sexuelle Verfügbarkeit eines anderen Menschen einschätzen könne. Wir werden solche Behauptungen später untersuchen.
Die NVK hat mehrere unterschiedliche Funktionen:
Äußerung von Emotionen, hauptsächlich mithilfe von Gesicht, Körper und Stimme. Um das verstehen zu können, müssen wir uns in den zentralen Bereich der Psychologie der Emotionen begeben.
Mitteilung interpersonaler Einstellungen. Wir schließen und bewahren Freundschaften und andere Beziehungen hauptsächlich mithilfe von NV-Signalen, zum Beispiel durch räumliche Nähe, Tonfall, Berührung, Blickverhalten und Mimik, ganz ähnlich wie Tiere.
Begleitung und Unterstützung von sprachlichen Äußerungen. Zwischen Sprechern und Zuhörern spielt sich eine komplexe Folge von Kopfnicken, Blickkontakten und nonverbalen Lautäußerungen ab, die eng mit dem Gesprochenen synchronisiert sind und bei einem Gespräch eine wesentliche Rolle spielen.
Selbstdarstellung wird weitgehend durch das Aussehen erreicht, in geringerem Maße auch durch die Stimme.
Rituale. NV-Signale spielen bei Begrüßungen und anderen Ritualen eine wichtige Rolle.
Manche NV-Signale – zum Beispiel bestimmte Gesten – ähneln Wörtern insofern, als sie digital (discrete) sind, während andere – zum Beispiel räumliche Nähe oder Lautstärke der Stimme – analog (continuous) sind. Manche NV-Signale ähneln Wörtern dahin gehend, dass sie willkürlich encodiert sind; andere sind dagegen „ikonisch“ oder bildhaft – das heißt, sie ähneln oder entsprechen dem jeweiligen Bezugsobjekt. Beispiele für ikonische Signale sind Zähnefletschen bei Wut oder räumliche Nähe bei Zuneigung; Beispiele für willkürliche Chiffren sind die meisten Aspekte von Kleidung und Aussehen, etwa die Haartracht, um eine Gruppenzugehörigkeit zu zeigen. Manche Signale haben immer die gleiche Bedeutung, bei anderen besteht lediglich eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass sie etwas bedeuten. Die Lautstärke des Sprechens steht in einer probabilistischen Beziehung zu Extroversion (mit anderen Worten: Wenn jemand laut spricht, besteht eine größere Wahrscheinlichkeit, dass er extrovertiert ist); bestimmte Gesten können eine unveränderliche Bedeutung haben.
Die Sprache selbst ist in ihrer Codierung analog, willkürlich und unveränderlich, und bestimmte Arten der NVK ähneln in diesen Eigenschaften der Sprache, vor allem Gesten. Ich meine hier gebräuchliche „Embleme“ wie zum Beispiel das Anhalter-Zeichen oder das „Hallo“-Winken; echte Zeichensprachen sind eigentlich gar keine NVK, und wir werden sie in diesem Buch nicht behandeln. Etliche Untersuchungen haben die Ähnlichkeit zwischen NVK und Sprache hervorgehoben und ihre Forschungsverfahren entsprechend konzipiert.).
Ein großer Teil der NVK unterscheidet sich allerdings in seinen Eigenschaften von Sprache: So sind zum Beispiel räumliche Nähe und Ausmaß von Blickkontakt analog, ikonisch und probabilistisch. Und das bedeutet keineswegs, dass es lediglich zwei Arten von NV-Signalen gibt, da einige davon im Hinblick auf diese drei Kriterien uneinheitlich sind; so sind zum Beispiel Gesichtsausdrücke digital, weitgehend willkürlich sowie probabilistisch (Scherer und Ekman, 1982).
Es gibt physiologische Belege dafür, dass mindestens zwei Funktionsebenen im Gehirn existieren, die für NVK verantwortlich sind. Die primitiveren Gehirnzentren steuern spontane emotionale Äußerungen, während höher entwickelte Gehirnzentren andere Ausdrucksformen kontrollieren, zum Beispiel gesellschaftliche Regeln befolgen oder unmittelbare Gefühle verbergen.
Die Disziplin der NVK-Forschung entstand aufgrund der auffallenden Ähnlichkeiten zwischen Mensch und Affe. Das Verhalten von Tieren ist weitgehend angeboren und seine evolutionären Ursprünge können zurückverfolgt werden – und dort findet sich ein Teil der Erklärungen für die NVK beim Menschen.
Allerdings unterscheidet sich der Mensch ganz erheblich vom Affen. Der auffälligste Unterschied ist, dass wir sprechen. Bei Tieren dreht sich die Kommunikation fast ausschließlich um ihre inneren Zustände und Absichten, während es in vielen unserer Gespräche um Menschen, Dinge oder Ereignisse außerhalb der eigenen Person geht, in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Durch die Verwendung von Sprache hat sich ein ganz neuer Komplex an NV-Signalen entwickelt – zur Begleitung und Vertiefung gesprochener Äußerungen, um Rückmeldungen zu geben und um die Synchronisierung von Äußerungen zu steuern (siehe Kapitel 7). Es ist interessant, dass wir uns auch die archaischeren Funktionen von NVK bewahrt haben – um Emotionen zu äußern und zwischenmenschliche Beziehungen zu steuern.
Der zweite wichtige Unterschied zwischen Mensch und Tier besteht darin, dass der Mensch im Laufe seiner Geschichte viele enorm komplexe Kulturen aufgebaut hat. Wir werden später detailliert darauf eingehen, in welchen Aspekten sich die NVK unter Arabern, Japanern, Italienern, Afrikanern sowie anderen Völkern und Rassen unterscheidet (siehe Kapitel 4). Es kann völlig neue Signale geben, zum Beispiel Gesten, die in anderen Kulturen keine Bedeutung haben, oder das gleiche Signal kann eine andere Bedeutung haben. Es kann gesellschaftliche Konventionen geben, die zum Beispiel das Zeigen bestimmter Gesichtsausdrücke regeln. Es kann komplexe Rituale geben, zum Beispiel verschiedene Formen der Begrüßung oder religiöse Zeremonien. Die Bedeutung mancher Signale kann auf historischen Ereignissen beruhen (zum Beispiel Churchills „V“-Zeichen für Victory), oder sie können politische oder religiöse Vorstellungen symbolisieren.
Der Mensch unterscheidet sich vom Tier in der Komplexität und dem Ausmaß an Planung seines Sozialverhaltens. Ein großer Teil des menschlichen Sozialverhaltens besteht aus „gesellschaftlichen Handlungen“, also aus Verhaltensweisen, die für den Akteur eine Bedeutung haben; sie werden – häufig mit Worten und einer bestimmten Absicht – geplant; und ihre Durchführung wird beobachtet und folgt bestimmten Regeln. Elementare NV-Signale sind in solche gesellschaftlichen Handlungen integriert, sodass eine hierarchische Struktur vorhanden ist.
Die Bedeutung eines nonverbalen Signals für den Sender findet sich in seinem emotionalen oder sonstigen Zustand – oder in der Botschaft, die er aussenden will. Die Bedeutung für den Empfänger liegt in seiner Interpretation des Signals. Die Bedeutung eines Signals für einen Empfänger – oder eine Gruppe von Empfängern – lässt sich ermitteln, indem man ihn oder sie bittet, eine Reihe von Sieben-Punkte-Skalen auszufüllen.
Im Falle eines bestimmten Gesichtsausdrucks oder einer Körperhaltung ist das zum Beispiel relativ unkompliziert. Aber was bedeutet ein Nicken während eines Gesprächs, das nicht bewusst registriert wird, sondern vielmehr dem Gesprächspartner zeigen soll, dass er weiterreden möge? Vielleicht hat es eine „auf das Verhalten bezogene Bedeutung“, aber jemand, der sich mit NVK auskennt, könnte einem solchen Nicken eine kognitive Bedeutung zuschreiben – etwa von der Art „du hast die Erlaubnis, weiterzureden“. Was ist die Bedeutung eines Musikstücks, das bestimmte Emotionen, Bilder und motorische Reaktionen hervorruft? Auch in diesem Fall könnte man sagen, seine Bedeutung liege in den Reaktionen des Zuhörers – oder vielleicht in den Absichten des Komponisten, wenn diese sich ergründen lassen. In manchen Fällen lässt sich die „Bedeutung“ einer Handlung aus der Art und Weise ermitteln, wie sie sich in eine übergeordnete Handlungsfolge einfügt, aus ihrer Vorgeschichte und ihren Folgen. Dieses Prinzip macht man sich bei der Erforschung des Verhaltens von Tieren zunutze. Wenn Linguisten unbekannte Sprachen erforschen, nutzen sie ähnliche Verfahren, um bedeutungsvolle Laute von anderen zu unterscheiden. Und wenn man jemandem nicht die Hand gibt, obwohl 99 Prozent der anderen Anwesenden das tun, bedeutet das etwas ganz anderes, als wenn keiner einem anderen die Hand schüttelt. Ausbleibende Reaktionen können ausgesprochen bedeutsam sein.
Die Bedeutung von NV-Signalen ändert sich mit dem spezifischen gesellschaftlichen Umfeld innerhalb einer Kultur. So hat es unterschiedliche Bedeutungen, jemanden zu berühren, und zwar abhängig davon, wer diese Person ist: (1) die eigene Ehefrau; (2) die Ehefrau eines anderen Mannes; (3) ein völlig fremder Mensch; (4) ein Patient; (5) eine andere Person in einem dicht besetzten Fahrstuhl; (6) ein anderes Mitglied einer Encounter-Gruppe etc. Die Bedeutung eines NV-Signals hängt auch vom Zeitpunkt seines Auftretens und seinem Bezug zu anderen Signalen ab. Ein kräftiges Schulterklopfen kann als ein herzlicher Glückwunsch aufgefasst werden oder als körperlicher Angriff – je nachdem, was sich vorher abgespielt hat. Die im Laufe einer gemeinsamen Mahlzeit ausgesandten Signale – die Bitte, eine Schüssel über den Tisch zu reichen oder die Aussage, dass man einen Nachschlag möchte, dass einem das Essen schmeckt, dass man satt ist etc. – wären ohne den Bezug zur Situation sinnlos und unverständlich.
Später in diesem Buch werden wir Formen von NVK erörtern, die eine komplexere Bedeutung haben als die bisher besprochenen Fälle – zum Beispiel religiöse Rituale. Solche Rituale erwecken diverse Assoziationen – so symbolisiert zum Beispiel das rote Holz des australischen Rotgummibaums bei einem bestimmten Ritual Menstruationsblut (Turner, 1966). Allerdings vertreten Anthropologen die Auffassung, dass Rituale eine weitere Bedeutung haben: Durch die Verwendung von Symbolen, die den jeweiligen Volksstamm als Ganzes symbolisieren – zum Beispiel Fahnen oder Totems –, stellen sie die Einheit des Stammes dar.
Auch Kunstwerke und Musik bestehen aus NVK; sie haben eine überwiegend nonverbale Bedeutung und können nicht in Worte übersetzt werden. Es sind zahlreiche Experimente durchgeführt worden, um Reaktionen auf Kunstwerke und Musik zu erforschen, und dabei wurde festgestellt, dass solche Werke vielerlei nonverbale Bedeutungen haben – sie rufen visuelle Vorstellungen hervor, lösen Emotionen aus und stellen sie dar, regen körperliche Bewegungen an, bilden Gegenstände und Ereignisse ab und vermitteln tief empfundene Gefühle und Weltanschauungen.
Gelegentlich ist gesagt worden, die NVK-Forschung habe ein „schwaches theoretisches Fundament“. Dieses Buch wird versuchen, diese Behauptung zu widerlegen – und darüber hinaus werden wir versuchen, die Analyse von NVK als Beispiel dafür anzuführen, wie soziales Verhalten generell erklärt werden kann.
Es wird sich bald zeigen, dass die Erklärung nonverbaler Phänomene auf mehrere verschiedene Ebenen zurückgreifen muss, die auf dem Fundament der Physiologie aufbauen. Man nehme zum Beispiel die Erkenntnis, dass ein Mensch lächelt, wenn er sich freut. Inwieweit ist ein Lächeln jeweils durch die Physiologie von Gesichtsnerven und -muskeln zu erklären, durch Evolution, Sozialisation, individuelle Persönlichkeit, soziale Interaktionsprozesse, strategische Planung oder durch Kultur und Geschichte? Wir werden sehen, dass all diese Ebenen an der Entstehung eines Lächelns – und anderer Formen körperlicher Kommunikation – einen Anteil haben.
Es existieren Theorien, auf der Ebene der eigentlichen Sozialpsychologie, über das Wesen von sozialen Interaktionen, die sich allesamt in der einen oder anderen Form mit nonverbalen Phänomenen beschäftigen. So zeigt zum Beispiel die Intimitätsgleichgewichts-Theorie (affiliative balance model), dass verschiedene NV-Signale einander unter bestimmten Bedingungen ersetzen können. Das Modell der sozialen Fertigkeiten (social skills model of interaction) erklärt, wie sich NV-Signale mit verbalen Äußerungen verbinden, und zeigt, welche Rollen Mimik und Blickverhalten in einem Gespräch spielen.
Eine einzelne, übergeordnete Theorie der NVK gibt es ebenso wenig wie eine einzelne Theorie des Sozialverhaltens. Mehrere Ebenen müssen gemeinsam betrachtet werden, und zurzeit gibt es auf etlichen dieser Ebenen konkurrierende Theorien.
Sozialkompetenztraining für psychisch Kranke
Immer häufiger wird für verschiedene Kategorien von psychisch Kranken ein Sozialkompetenztraining (social skills training, SST) angeboten, insbesondere für ambulant behandelte Neurotiker, gestörte Heranwachsende, Depressive und für Menschen, die einsam oder isoliert sind. Sehr häufig ist die NVK solcher Patienten verbesserungsbedürftig, da sie weniger häufig lächeln, Gesten verwenden und Blickkontakt herstellen als gesunde Menschen, und darüber hinaus in einigen spezifischeren Aspekten von der normalen Bevölkerung abweichen (Argyle 1983).
Sozialkompetenztraining am Arbeitsplatz
Auch für angehende Lehrer, Ärzte, Krankenschwestern und -pfleger sowie einige andere Berufsgruppen wird immer häufiger Sozialkompetenztraining angeboten. Flugbegleiterinnen sind mit besonderen Problemen konfrontiert, und auf einer etwas höheren Ebene werden auch US-Präsidentschaftskandidaten und andere Politiker im Hinblick auf nonverbale Kommunikation beraten.
Training für interkulturelle Kontakte
In zunehmendem Maße werden solche Schulungen auch für Menschen angeboten, die aus beruflichen Gründen ins Ausland gehen, weil sie zum Beispiel für das Peace Corps (staatliche Entwicklungshilfe-Organisation der USA) oder einen internationalen Konzern arbeiten. Ein wichtiger Bestandteil solcher Kurse ist die Vermittlung von Kenntnissen über Gesten und weitere NV-Signale, die in anderen Kulturen verwendet werden, bis hin zu den sogenannten „Darbietungsregeln“ (display rules), die festlegen, wann verschiedene Gesichtsausdrücke und andere Ausdrucksformen gezeigt werden dürfen, sowie allgemeinere soziale Kompetenzen mit NV-Komponenten. Vermutlich beruht ein Großteil von ethnisch bedingten Missverständnissen und Vorurteilen auf Unterschieden im jeweiligen NVK-Stil von Mitgliedern verschiedener Kulturgruppen (Kapitel 4).
Einige der frühen Studien auf dem Gebiet der NVK wurden sehr erfolgreich mithilfe relativ einfacher und unkomplizierter Methoden durchgeführt. So gab es zum Beispiel Experimente, bei denen man jeweils die räumliche Distanz, das Geschlecht der Probanden oder das Gesprächsthema variierte, während die Häufigkeit von Blickkontakten, Lächeln oder Versprechern gemessen wurde. Heute steht uns eine größere Vielfalt an Verfahren zur Verfügung, von denen einige ziemlich raffiniert sind. So ist es zum Beispiel mittlerweile möglich, bestimmte Merkmale von Stimme, Gestik und Mimik differenzierter zu erfassen als damals. Es stehen neue statistische Verfahren zur Verfügung: Neben Varianzanalysen werden regelmäßig auch Faktorenanalysen, Mehrfachregressionsanalysen und andere Verfahren eingesetzt. Doch die vielleicht wichtigste Entwicklung ist, dass eine weit größere Bandbreite experimenteller Manipulationen erdacht wurde. Und neben Experimenten kann auch eine Reihe von anderen Designs zum Einsatz kommen – so zum Beispiel, wenn Verhaltenssequenzen untersucht werden sollen.
Die Entwicklung der NVK-Forschung in der Zeit ab etwa 1960 fiel mit einem anderen Kapitel in der Geschichte der psychologischen Forschung zusammen: der „Krise“ der Sozialpsychologie. Sie hatte mehrere Komponenten, deren wichtigste die Sorge um die Validität von Laborexperimenten war. Wenn man zum Beispiel Versuchsteilnehmer bittet, eine Maske oder Augenkamera zu tragen (eye tracker, ein Gerät zur Aufzeichnung von Augenbewegungen, das aussieht wie ein Ding von einem anderen Stern), bestehen erhebliche Zweifel, ob das daraus resultierende Verhalten auch in anderen, normaleren Situationen auftreten würde. In Anbetracht solcher Einwände müssen einige der frühen NVK-Forschungsergebnisse kritisch betrachtet – und in bestimmten Fällen abgelehnt – werden.
Dennoch ist es nicht notwendig, Laborexperimente aufzugeben, da es möglich ist – wie wir in Verbindung mit Encodierungsstudien sehen werden –, echte Emotionen oder echte Gefühle der Zuneigung für eine andere Person im Labor zu erzeugen. Allerdings werden Studien mit gestellten Situationen oder Rollenspielen heute mit einem großen Fragezeichen versehen, und es ist eine zunehmende Präferenz für echtes oder spontanes Verhalten zu beobachten. Solche Probleme spielen bei Wahrnehmungs- und Decodierungsstudien keine so große Rolle, da die Probanden sich dabei ohnehin nicht in einer echten sozialen Situation befinden, sondern vielmehr gebeten werden, die dargebotenen NV-Signale zu interpretieren, so gut sie können.
Eine andere Reaktion auf die Krise der Sozialpsychologie war eine zunehmende Verlagerung von Forschungsaktivitäten auf Feldstudien. Manchmal beruhen solche Studien nicht auf Experimenten, sondern auf systematischer Beobachtung, aber in solchen Fällen kann es schwierig sein zu entscheiden, welche Variablen einerseits Ursachen bestimmter Verhaltensweisen sind und welche andererseits deren Auswirkungen. So sind zum Beispiel Feldstudien durchgeführt worden, bei denen etwa in verschiedenen Versuchsvarianten das Aussehen eines eingeweihten Assistenten des Versuchsleiters manipuliert wurde oder er den Probanden berührte oder nicht. Allerdings schränken solche Verfahren die Forschungsarbeit auf kurze Kontakte zwischen Fremden ein.
Es sind sehr vielfältige Versuchsmethoden eingesetzt worden, um Lösungsansätze für unterschiedliche Probleme oder verschiedene theoretische Perspektiven zu prüfen. Manche wollen Gefühle – oder andere Zustände – erzeugen, um dann zu untersuchen, wie sie in NV-Signale encodiert werden; bei anderen werden Probanden NV-Signale präsentiert, um zu sehen, wie sie interpretiert – oder decodiert – werden; und bei wieder anderen Verfahren wird der Verhaltensstrom analysiert, mit oder ohne experimentelle Manipulation, und Ähnliches mehr.
Mithilfe von Encodierungsstudien will man herausfinden, wie Emotionen, Einstellungen zu anderen oder andere innere Zustände zu nonverbalen Signalen encodiert werden. Bei der frühesten Methode forderte man einfach die Versuchsteilnehmer auf, den Gesichtsausdruck zu zeigen, den sie haben würden, wenn sie zum Beispiel froh oder traurig wären etc. Ekman (1982) verwendete dieses Verfahren bei seinen wichtigen Studien über den Gesichtsausdruck, ebenso Mehrabian (1972) bei seinen Experimenten zu einer großen Bandbreite von NV-Signalen. Der wichtigste Einwand gegen dieses Verfahren ist, dass ein gestellter Gesichtsausdruck nicht ganz das Gleiche ist wie ein spontaner – er ist ausgeprägter, weniger symmetrisch und hat andere Korrelate; so ist zum Beispiel die Überlegenheit von Frauen über Männer beim Decodieren stärker ausgeprägt, wenn die Signale gestellt sind. Allen und Atkinson (1981) machten Videoaufzeichnungen von gestellten und spontanen Äußerungen des Verstehens und Nichtverstehens von 10-jährigen Kindern. Ein Beobachter konnte leicht feststellen, um was es sich jeweils handelte, da die Kinder in der gestellten Variante dreißigmal so oft nickten. Es ist argumentiert worden, dass gestellte Äußerungen bei Tests der Decodierungsgenauigkeit nützlich sind und dass sie NV-Äußerungen ohne die hemmenden und verfälschenden Wirkungen von Darbietungsregeln zeigen.
Allerdings interessieren wir uns hauptsächlich für natürlich auftretendes und spontanes Verhalten – wie also lässt sich solches Verhalten für Forschungszwecke hervorrufen? Eine Verbesserung gegenüber gestelltem Verhalten ist das Rollenspiel – ein Verfahren, das auch der Autor hin und wieder eingesetzt hat. Dabei werden die Probanden aufgefordert, ein paar Minuten an ein bestimmtes Ereignis zu denken, um sich in die Stimmung zu versetzen, die dargestellt werden soll. Dann erzählen sie von diesem Ereignis und ihre NV-Äußerungen werden aufgezeichnet. Dieses Verfahren ist zwar eine Verbesserung gegenüber gestellten Posen, aber immer noch nicht die Realität – es liegt auf der Hand, dass die echte soziale Situation dabei fehlt.
Wie können echte Emotionen und Einstellungen erzeugt werden? Nun, das lässt sich durch verschiedene Methoden erreichen, die immer häufiger bei NVK-Studien zum Einsatz kommen:
Bei Decodierungsstudien will man untersuchen, wie die Versuchsteilnehmer NV-Signale wahrnehmen, interpretieren oder auf sie reagieren. Die Signale können gestellt oder echt sein, das Experiment kann im Labor oder im Feld stattfinden und die Reaktionen der Teilnehmer können auf unterschiedliche Weise erfasst werden.
Auch hier können die dargebotenen Reize Gesichtsausdrücke sein, Stimmen und Ähnliches oder schematische Zeichnungen von Gesichtern oder Körperhaltungen. Die Auslösereize können im Rahmen eines Rollenspiels auftreten oder spontan sein. Ein Beispiel für einen spontanen Reiz ist Bucks Verfahren der Videoaufzeichnung von Probanden, die sich emotional anregende Dias oder Filme ansehen oder darüber sprechen; solche Videoaufnahmen werden dann wiederum als Reize verwendet, die Ausdrucksformen bekannter Emotionen darstellen sollen (Buck, 1984). Eine andere Reizquelle sind Nachrichtenfotos, die aufgrund der abgebildeten Situation eindeutig erkennen lassen, in welchem Zustand der Encodierer sich befindet. Auch Ausschnitte aus TV-Soaps sind verwendet worden, die allerdings vielleicht als „gestellt“ betrachtet werden sollten (Trimboli, 1984).
Bei Laborexperimenten ist es möglich, die Art des zu decodierenden Auslösereizes zu variieren. Gesichtsausdrücke, Körperbewegungen und lautliche Äußerungen können separat präsentiert werden. Es können widersprüchliche Signale gezeigt werden, zum Beispiel ein freundliches Gesicht in Verbindung mit einer unfreundlichen Stimme, freundliche verbale und unfreundliche nonverbale Äußerungen, oder die Situation, in der sich der Encodierer befindet, kann experimentell abgewandelt werden. Bei einer Studie wurden Nachrichtenfotos verwendet, um den situativen Kontext zu liefern, wobei die Fotos manipuliert wurden, sodass die Gesichtsausdrücke bestimmter Akteure variierten (Spignesi und Shor, 1981). Die Information, die Decodierern zur Verfügung steht, kann manipuliert werden, indem man zum Beispiel auf einem Bildschirm nur ein Gesicht oder einen Körper zeigt oder nur die Tonspur abspielt. Bull (1987) präsentierte seinen Probanden eine große Anzahl Zeichnungen von Körperhaltungen, bei denen jede Komponente experimentell variiert wurde, während das Gesicht ausdruckslos blieb.
Auch Decodierungsstudien können im Feld durchgeführt werden, und dann scheinen die Probleme im Hinblick auf „gestellt“ oder „spontan“ weniger wichtig zu sein. Die Frage ist: Welche Wirkung hat ein NV-Signal auf das Verhalten von Menschen, die es empfangen? Zum Beispiel gibt es Feldversuche, bei denen Leute entweder berührt oder nicht berührt werden, um den Effekt von Berührungen auf die Compliance zu untersuchen.
Die Wahrnehmungen und anderen Reaktionen von Decodierern können auf unterschiedliche Weise erfasst werden. Es kann interessant sein herauszufinden, ob Probanden das jeweilige Signal bemerkt haben – ob sie sich also des Signals bewusst waren. Auch wenn sie es nicht bewusst registriert haben, könnte es ihr Verhalten beeinflusst haben. Bei einem gängigen Verfahren, um das festzustellen, werden die Probanden aufgefordert, den Sender oder sein Verhalten anhand von fünf- oder siebenstufigen Skalen zu beurteilen, etwa so:
Eine größere Anzahl (25 bis 30) solcher Skalen kann verwendet und einer Faktorenanalyse unterzogen werden, um die Hauptdimensionen zu finden, die man dann in der abschließenden Analyse verwendet. Auch die Verhaltensantworten von Probanden können untersucht werden – ob sie Bitten erfüllen oder nicht; oder ihre physiologischen Reaktionen, ob sich also zum Beispiel ihre Hautleitfähigkeit oder ihr Puls erhöht, wenn sie berührt oder angesehen werden. Auch das Aussehen ist entsprechend variiert worden, um den Effekt von Hilfsbereitschaft bei Unterschriftensammlungen und ähnlichen Anlässen zu ermitteln.
Eine andere Art der Decodierung wird von Psychoanalytikern und manchen Anthropologen vorgenommen, die Verhaltensweisen interpretieren, wenn der Betreffende nicht weiß, was sein Verhalten bedeutet. Es ist behauptet worden, dass körperliche Kommunikation ein neuer Schlüssel zu unbewussten Wünschen und Gedanken sei. Deutsch (1947) machte sorgfältige Aufzeichnungen über eine Patientin und berichtete über einen Zusammenhang zwischen Körperhaltungen und ihren freien Assoziationen; sie zeigte bestimmte Haltungen, wenn sie sich über ihre Eltern ärgerte oder wenn sie Angst hatte, bestraft zu werden, weil sie sich selbst befriedigt hatte. Mahl (1968) berichtete, dass manche Patienten bereits einige Zeit, bevor sie von Eheproblemen erzählen, an ihrem Ehering herumspielen oder ihn abziehen. Es wäre unmöglich, eine solche Deutung durch eine wie auch immer geartete quantitative Messung zu bestätigen oder indem man untersucht, wie sich experimentelle Variationen auf das Thema des Therapiegesprächs auswirken.
Das wichtigste Forschungsverfahren auf diesem Gebiet ist die statistische Analyse von Sequenzen, und zwar mithilfe von Verfahren, die für die Erforschung des Verhaltens von Tieren entwickelt wurden. Übergangswahrscheinlichkeiten werden berechnet, das heißt, die Wahrscheinlichkeit, dass auf einen bestimmten Akt ein anderer folgt, entweder beim selben Tier (zum Beispiel bei der sozialen Fellpflege) oder bei einem anderen (zum Beispiel beim Spiel oder bei Werberitualen). Das kann man folgendermaßen ausdrücken:
nachfolgender Akt |
||||
A |
B |
C |
||
vorangegangener Akt |
A |
5 |
80 |
15 |
B |
5 |
10 |
85 |
|
C |
90 |
10 |
0 |
Tabelle 2.1: Übergangswahrscheinlichkeiten
Diese Tabelle zeigt, dass sich ein ABC-Zyklus meistens wiederholen wird.
Es ist auch möglich herauszufinden, in welche Kategorien Verhaltensweisen eingeteilt werden können, etwa indem man beobachtet, welches Verhalten zu einem anderen führt: So folgen zum Beispiel bei Schimpansen entspanntes Mundöffnen, Handringen, Anknabbern und Anstupsen jeweils aufeinander und können einer allgemeinen Kategorie „Spiel“ zugeordnet werden (van Hooff, 1982). Eine andere Methode besteht darin, die Korrelationen zwischen verschiedenen Akten herauszufinden, indem man das gleiche Muster von Übergangswahrscheinlichkeiten auch auf andere Variablen anwendet, sodass sie entsprechend in das System integriert werden und als Alternativen dienen können. Verhaltenssequenzen bei Tieren können allerdings Strukturen aufweisen, die komplexer sind als lediglich ein Akt, der zu einem anderen führt. Ein Akt kann die Wahrscheinlichkeit eines anderen beeinflussen, der erst mehrere Schritte später folgt. So etwas lässt sich herausfinden, indem man entfernte Übergangswahrscheinlichkeiten ermittelt oder indem man Sequenzen findet, die sich wiederholen und von einer übergeordneten Sequenz gesteuert in einer hierarchischen Struktur ablaufen oder gesteuert von Sequenzen mit einer Struktur, die der Phrasenstrukturgrammatik von Sprachen entspricht (Dawkins, 1976; van Hooff, 1982).
Humanethologen (Verhaltensforscher) haben solche Methoden adaptiert, um nonverbale Sequenzen beim Menschen zu erforschen. So untersuchten zum Beispiel Heeschen, Schiefenhovel und Eibl-Eibesfeldt (1980) die Signale, die zwischen Gruppen von Dorfbewohnern in einer abgelegenen Siedlung in Neuguinea ausgetauscht werden, wenn sie um Nahrung bitten oder sie mit anderen teilen. Sie bitten um Nahrung mit einer Geste, bei der sie die Arme in Brusthöhe ausstrecken und dann in einer Art Selbstumarmung wieder zurückziehen. Die Nahrung – zum Beispiel eine Nuss – wird dann mit einer speziellen Geste überreicht: mit aufrecht angewinkeltem Unterarm und Blickkontakt zum Empfänger der Gabe, der dann die linke Hand ausstreckt, um die Nuss in Empfang zu nehmen. Etliche andere, ähnlich geartete Sequenzen wurden beobachtet.
Ein weiteres Beispiel ist eine Studie darüber, wie Fußgänger an einem Zebrastreifen die Straße überqueren; dabei wurden die differenzierten Signale entdeckt, die sie aussenden, um Zusammenstöße zu vermeiden (Collett und Marsh, 1974). Ein wichtiges Anwendungsgebiet für statistische Verfahren ist die Erforschung der Zusammenhänge zwischen nonverbalem Verhalten und Sprache. Zwischen beiden findet eine „Selbst-Synchronisierung“ statt – so korrelieren zum Beispiel Blickverhalten und Gestik eng mit dem Sprechen. Die nonverbalen Reaktionen von Zuhörern korrelieren ebenfalls mit dem, was gesagt wird. Es gibt Synchronisierungssignale, mit denen gesteuert wird, wann das Sprechen einsetzt oder pausiert.
Umstrittener ist der sogenannte „gestische Tanz“, von dem behauptet worden ist, dass dabei vorkommende Gesten und andere Körperbewegungen der Interakteure auf Sekundenbruchteile genau miteinander koordiniert werden. Sorgfältige statistische Analysen haben jedoch gezeigt, dass die Realität ganz anders aussieht.